Dienstag, 2. Oktober 2018

Schnelldurchlauf: September 2018 (Moop Mama, Haiyti, $uicideboy$, Paul Simon, Metric und und und...)

Ich muss an dieser Stelle noch einmal betonen, wie unglaublich ergiebig so ein September jedes Jahr wieder ist und das, obwohl ich in den vergangenen 30 Tagen auch über jede Menge Platten berichtet habe und noch berichten werde, auch wieder viel hörenswertes auf der Strecke geblieben ist. Alben, über die viele andere Medien Bericht erstatteten, Alben von persönlichen Lieblings-Acts und Alben, die tatsächlich mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätten. Aber als einzelner Autor hinter diesem Format muss ich dann eben Prioritäten setzen. Und schließlich gibt es dafür ja auch dieses Format, in dem dann zum Beispiel zum wiederholten Mal Crippled Black Phoenix landen. Seit deren sehr guter 2012er-Doppel-LP (Mankind) the Crafty Ape (Anhören!) vegetiert die Band aus Bristol musikalisch leider ein bisschen vor sich hin und ihre zwei Platten seitdem waren eher schwach. Ihr neues Werk Great Escape war für mich dank toller Vorab-Singles endlich mal wieder ein Projekt, auf das ich tatsächlich freute, wobei die Enttäuschung dann doch wieder groß war: Mehr als Postrock-Standards, ungeschickten Ambient-Passagen und klinischen Neo-Prog haben die Briten auch hier nicht zu bieten. Ähnlich ging es mir da auch mit Haiyti: Man weiß ja nie wirklich, wann die Hamburger Rapperin mal wieder eine wirklich gute LP rausbringt und mit dem Unerwarteten ist bei ihr generell zu rechnen. Doch mit ATM ist auch ihr zweites Mixtape in 2018 eher so lala, wenngleich es wesentlich weniger Cringe-Potenzial aufweist wie Montenegro Zero im Januar. Dass die $uicideboy$ sich nach vielen Kleinformaten mal wieder an etwas großes trauen, war für Fans sicherlich ein Highlight, was sich allerdings auch ganz klar auf die Wahl des Formats beschränkt: I Want to Die in New Orleans steht in einer Reihe mit der Unzahl unglaublich öder Traprap-Alben, die dieses Jahr schon erschienen sind und eigentlich niemanden mehr scheren müssen. Und so war es auch in diesem Monat überraschenderweise wieder Rockmusik, die mich am meisten überzeugte. Insbesondere einige ziemlich gute Indierock-Alben: Da gibt es den hibbeligen, garagigen und grantigen Zweitausender-Style von 1000 Gram auf By All Dreams Nescessary, das hitzige, aber wenig konsistente Into the Less von Kids of Adelaide und den bratzigen Garagenrock von Human Peoples Butterflies Drink Turtle Tears. Leider nicht in dieser Liste zu nennen ist die neue Kooks-LP Let's Go Sunshine, die die Indie-Institution aus Brighton eher unfokussiert und chaotisch zeigt. Nach ihrem überraschend guten Vorgänger Listen hatte ich auf besseres gehofft, doch hier wissen die Briten einfach nicht so recht, wohin. Auch Metric präsentieren sich 2018 als Band, die in den Nullerjahren stecken geblieben ist. Art of Doubt ist ihr erstes Album seit sechs Jahren und bietet zwar einige Flashbacks auf ihre tollen Indie-Hymnen von früher, aber flaut auch sehr schnell wieder ab und bleibt unschlüssig in der Frage, ob es weitermachen soll wie immer oder die Formation als erwachsene Version seiner selbst neu erfindet. Am Ende findet nichts von beidem statt. Wer dieser Tage eine Platte suchte, die vor allem Spaß macht, war mit the Vintage Caravan mal wieder sehr gut bedient. Die Isländer sind traditionell eine Gruppe, der der Unterhaltungsfaktor ihrer Musik wesentlich wichtiger ist als die Authentizität und ihre aktuelle LP Gateways illustriert das mal wieder sehr deutlich. Es ist keine große Kunst, aber es ist fetzig. Und das ist immerhin besser als einige der großen Super-Retros da draußen. Ähnlich positiv überraschend war auch das neue Album von Ex-Kyuss-Mann Brant Bjork, der mit Mankind Woman ein ziemlich grooviges Werk vorstellt, das weiter das Narrativ der Gemütlichkeit in seinem Output bestärkt. So klingt gut gemachter Altherren-Stonerrock! A Propos alte Männer: Paul McCartney war im September nicht der einzige Klassiker, der neues Material am Start hatte: Sein Namensvetter Paul Simon veröffentlichte seine neue Platte In the Blue Light, und gemessen daran, dass ich sein Solo-Zeug noch nie wirklich mochte, war sie eigentlich ganz okay, zumindest im direkten Vergleich mit McCartney. Nicht ganz so alt und nicht ganz so bekannt ist Paul Hartnoll, der gemeinsam mit seinem Bruder Phil seit 1987 Orbital betreibt. Deren neues Album Monsters Exist hat durchaus einige spannende Elemente, die ein wenig an Iglooghost oder ähnlichem orientiert sind, doch leider auch noch zu viel Ballast an Neunziger-Minimal-IDM mitnehmen, die das Album leider ein bisschen lahm werden lassen. Ein Problem, das Yves Tumor zum Glück nicht hat. Der zuletzt viel umgarnte neue Signee des Warp-Labels nimmt viele Einflüsse aus der Generation Neunziger-Elektro und Big Beat in sein kommerzielles Debüt Safe in the Hands of Love auf, die er noch zusätzlich zu seinen Progrock-Wurzeln beansprucht. All diese Einflüsse sorgen für eine LP, die durchaus sehr vielseitig und spannend ist, aber auch hinter dem Hype zurückbleibt. Trotzdem ein Künstler, den man vielleicht im Auge behalten sollte. Im Gegensatz zu Joyce Manor, die spätestens mit ihrem fünften Album kein Mensch mehr braucht. Million Dollars to Kill Me nimmt den hemdsärmligen Punk ihrer frühen Jahre und zieht ihn selbst durch den Dadrock-Kakao, sodass am Ende Songs rauskommen, die wir in Form von Hot Water Music und the Gaslight Anthem glücklicherweise schon lange verdrängt haben. Kann man machen, will ich aber nicht gerade empfehlen. Dann doch lieber die gerade erschienene Rare Tracks- und B-Seiten-Kollektion von Pile mit dem passenden Namen Odds & Ends. Ihre Platten waren schon immer versteckte Perlen und selbst die Dinge, die es darauf nicht geschafft haben, sind jede Minute wert. Definitiv eine der besten LPs, die in dieser Rubrik gelandet sind, und dabei nicht mal ein richtiges Album. Chapeau! Fast so gut waren im September auch noch zwei Synthpop-Releases, zum einen Telemans Family of Aliens, zum anderen Indigo von Wild Nothing. Doch während das eine mit elf fast identischen Tracks doch ziemlich monoton wirkt, ist das andere zu sehr im Achtziger-Retro-Standard verhaftet und generell sind beide nicht die Art Album, die mich wirklich vom Hocker zu reißen vermögen. Eine Band, von der ich das schon eher erwartet hatte, waren Anfang des Monats Krisiun. Die Thrash Metal-Formation aus Brasilien hatte zuletzt ein paar ziemlich großartige Promo-Tracks am Start und ihr Album Scourge of the Enthroned schien eines der besten Metal-Alben des Jahres werden zu können. Mit mittelmäßiger Produktion, monotoner Klopperei und billigem Songwriting verspielten die Südamerikaner ihre Chancen bei mir aber relativ schnell. Auch ihre Doom-Artverwandten Thou blieben hinter den Erwartungen zurück: Ihre neue LP Magus, in deren Vorfeld ja bereits einige ziemlich gute EPs mächtig Bock machten, ist auf jeden Fall sehr speziell, aber findet keinen wirklichen kompositorischen Kern und ist mit fast anderthalb Stunden auch einfach etwas zu umfangreich. Im Gegensatz zu ihnen braucht Ishmael Butler mit seinem neuen Projekt Knife Knights nur 42 Minuten, bei ihm werden aber auch die elendig anstrengend. Wie schon zuletzt bei Shabazz Palaces windet sich der einstige Kunstrap-Hoffungsträger hier in einer grandios langweiligen Form von Hiphop-Avantgardismus, die einfach nur schlaucht und zeigt, dass Quazarz letztes Jahr doch kein Ausrutscher war. Und während er sich im ambienten Nichts aalt, machen Moop Mama am anderen Ende des Fun-Spektrums inhaltlich wenig besser. Zwar hauen die auf dem neuen Album Ich mal wieder ganz schön auf die Kacke, inklusive fetten Features und Brass-Ensemble, doch kommt dabei lyrisch auch nicht wirklich viel rüber. Die Frage ist natürlich, ob man die Band deswegen überhaupt hört, aber wenn ihr mich fragt, hat ein Hiphop-Kollektiv, das man wegen seiner coolen Bläsersätze kennt, irgendwie ein bisschen das Thema verfehlt. Soviel zu stilistischer Offenheit und soviel erstmal zum Monat September. Es gibt zwar noch eine ganze Reihe von Platten von der letzten Woche, die ich noch nicht gehört habe und die jetzt in den nächsten Durchlauf aufrücken, aber eigentlich war das fürs erste auch mal genug. Der nächste Monat wird sicher wieder voll werden und ich habe auch Lust, erstmal wieder Alben zu besprechen. Und auch diese Liste ist nicht gerade kurz. Da hilft nur eins: An die Arbeit!

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