Sonntag, 28. Oktober 2018

Arsch hoch!





















Wenn es darum geht, einen Archetypus für die Art von Musiker*in zu finden, die man landläufig als "Slacker" bezeichnet, dann ist Kurt Vile sicherlich einer der ersten, die mir in den Sinn kommen. Der ehemalige Frontmann von the War On Drugs besetzt mit seinem gesamten Schaffen bereits eine Weile sehr gezielt das Klischee des langhaarigen, entspannten Gitarrensongwriters mit der Attitüde eines Althippies, der vielleicht ein bisschen mürbe in der Birne ist, aber im Allgemeinen trotzdem ein netter Zeitgenosse, dem man auf seinen Songs auch gerne zuhört. Und wo das im großen und ganzen erstmal nach einer ziemlich romantischen Vorstellung klingt, war eben dieser Umstand bei mir auch immer eine Ursache von Kritik an ihm. Denn so locker und gemütlich, wie er seine Stücke stets performte und sich darin zurücklehnte, hatte ich immer ein wenig den Eindruck, dass er es sich ein bisschen zu leicht machte. Klar, gut schreiben konnte er, aber viele seiner Platten erwecken bei mir auch irgendwie den Eindruck, dass er eher selten das beste dabei rausholte. Neben einigen klaren Hits begnügte sich Vile häufig mit blöden Füller-Tracks, langweiliger Klangkulisse und einem sehr festgelegten Stil, der sich über Jahre nicht weiterentwickelte. Sein Solo-Output hat dieses Problem sowieso schon immer und in meinen Augen kommt es auch nicht von ungefähr, dass the War On Drugs erst so richtig gut wurden, nachdem er draußen war. Und gerade in den letzten Jahren hat dieser Eindruck dazu geführt, dass ich für meinen Teil eigentlich nicht mehr viel von ihm erwartete. Seine letzte eigene LP B'lieve I'm Goin' Down von 2015 war nicht der Rede wert, auch Wakin On A Pretty Daze von 2013 empfinde ich als etwas überbewertet und letztes Jahr brauchte es auf Lotta Sea Lice eine übermotivierte Courtney Barnett, um ihn zumindest ein bisschen aus der Reserve zu locken. Und dass ich deshalb auf seine neue Platte Bottle it In nicht wirklich Bock hatte, sollte da klar sein. Ich hatte auch zunächst nicht vor, darüber zu schreiben. Doch scheint es mit diesem Album nun doch erstmals diese Sache zu geben, die ich bei Kurt Vile bisher vermisste, nämlich Ambition. Was wiederum bedeutete, dass es sich vielleicht doch mal lohnen würde, diesem Typen eine Chance zu geben. Mit 78 Minuten Spielzeit ist sie selbst für seine Verhältnisse eine ziemlich umfangreiche LP und dass er mit Bassackwards vor einigen Monaten eine fast zehnminütige Single vorstellte, verdient Respekt. Zumal es Vile darin schaffte, stilistisch auch mal etwas aus seinem Slacker-Kokon auszusteigen und hier eine ziemlich stattliche Psychrock-Nummer abzuliefern. Die Zeichen standen also gut. Und wenn man sich das fertige Ergebnis nun anhört, so kann man den Ausstieg aus der Stagnation auf jeden Fall hören. Von den 13 Songs hier gibt es so gut wie keinen, der halbherzig komponiert wäre, in vielen davon verstecken sich nette klangliche Tricks und Kniffe, die Platte ist durchweg solide produziert und erneut fällt mir der Songwriter sehr positiv durch seine lyrische Arbeit auf. Dass Kurt Vile nicht sein bestes gegeben hätte, kann man ihm diesmal wirklich nicht vorwerfen. Mehr noch, mit diversen Songs über zehn Minuten und nur sehr wenigen klassischen Dreiminütern macht er sich die Arbeit sogar erheblich schwerer. Dass am Ende trotzdem keiner dieser Brocken zur Geduldsprobe wird, ist da einigermaßen beeindruckend. In vielen Elementen ist Bottle it In das Ergebnis von Fleißarbeit und ich bin durchaus gewillt, das anzuerkennen. Und ich würde die Platte sogar richtig gut finden, wäre da nicht nach wie vor das Problem, dass der Künstler dann eben doch nicht so richtig aus seiner eigenen Haut kann. Ein Problem ist das ganze vielleicht nicht mal, eher eine stilistische Gewohnheit, und ich bin mir sicher, dass viele gerade diese Attitüde ganz besonders toll finden. Aber mir persönlich ist Kurt Vile dann doch immer noch zu gechillt. In sorgfältigen Dosen, wie in Mutinies oder Bassackwards ist dieser Vibe musikalisch genau das richtige, aber diesem Typen 78 Minuten lang bei seinem leicht sediert wirkendem Singsang zuzuhören, ist eine Aufgabe. Und wenn es in dieser ganzen Zeit keinen einzigen Moment gibt, in dem er zur Abwechslung mal aussteigt und ein bisschen Action in die ganze Sache bringt, ist mir dass dann doch etwas zu viel easy going. Ich sage nicht, dass Bottle it In deshalb langweilig oder monoton wäre, es ist nur etwas einfältig. Was aber irgendwie auch wieder zu diesem ganzen Projekt passt. Denn es bedeutet, dass Kurt Vile hier eine gute und unterhaltsame LP auf die Beine stellt, auf der er sich dennoch nicht selbst verraten muss. Er kann weiterhin der Tom Bombadil des Garagenrock sein, hat aber wenigstens für diese eine Platte mal den Arsch hochgekriegt und sich Mühe gegeben. Hoffen wir, dass er ob dieser Anstengung jetzt nicht zu sehr in den Entspannungsmodus verfällt, sonst kann ihm diesmal auch keine Courtney Barnett mehr helfen.






Persönliche Highlights: Loading Zones / Bassackwards / Mutinies / Come Again / Cold Was the Wind / Skinny Mini

Nicht mein Fall: Hysteria

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