Samstag, 13. Oktober 2018

Zeiten ändern dich





















Es sind inzwischen ein paar Jahre vergangen, in denen Anis Ferchini sich wieder ein ganzes Stück von dem gestelzten Saubermann-Image entfernt hat, das er vor etwa einer Dekade mit Bernd Eichinger-Film und Integrations-Bambi repräsentierte. Der Name Bushido ist Stand 2018 schon seit einiger Zeit wieder mit Kontroverse verbunden, und zum Teil veranlasst das auch mich dazu, vorsichtig mit seiner Arbeit umzugehen. Dass er sich öffentlich für ein Interview mit Beatrix von Storch trifft, mag noch witzig und harmlos sein, Dinge wie seine Tweets mit potenziell antisemitischen Äußerungen jedoch bringen mich schon eher zum Nachdenken und dass Sonny Black kein einfacher Charakter ist, dürfte mittlerweile eh klar sein. Dass ich weiterhin über ihn schreibe, liegt gerade einzig daran, dass es musikalisch bei ihm läuft wie lange nicht mehr. In diesem Moment befindet sich Ferchini tatsächlich mit einigen Songs in den deutschen Singlecharts, er hat sich stilistisch über die letzten Jahre umfassend neu orientiert und wenn man mich fragt, ist sein letztjähriges Album Black Friday im Nachhinein sein bestes seit einer ganzen Weile. Zusammen mit seiner neuen öffentlichen Kantigkeit hat auch die Musik von Sonny Black wieder an Persönlichkeit gewonnen und gerade für sein jüngstes Mixtape Mythos hatte ich dahingehend einige Erwartungen. Offiziell wird die Platte als eine Art Jubiläums-Edition des Marke Bushido verkauft, die seinen Karriereanfang 1998 mit der Gründung von Search & Defeat setzt und auf der der Rapper sich und sein Durchhaltevermögen im Haifischbecken des Musikbusiness nochmal so richtig abfeiern kann. Unterschwellig wurde aber schon sehr früh klar, dass diese LP in Ansätzen auch eine Nachbereitung seines groß aufgesetzten Beefs mit der Familie Abou-Chaker und dessen Oberhaupt Arafat sein würde, nachdem vor einigen Wochen die Single Mephisto erschien. Und weil Sonny Black erfahrungsgemäß immer dann am besten ist, wenn er mit jemandem aufzuräumen hat (Siehe Leben und Tod des Kenneth Glöckner, bis heute der beste Disstrack in ganz Rapdeutschland), hatte Mythos von Anfang an mächtig Highlight-Potenzial. Aber nicht etwa, weil ich irgendwie neugierig auf pikanten Insider-Gossip aus dem Millieu der Berliner Mafia-Clans war, sondern weil Bushido jemand ist, der nicht überzeugend ist, wenn er keinen Realtalk machen kann. Und diese Platte hatte das Potenzial für jede Menge davon. Dass die Abou-Chaker-Story Thema ist, kommt dann auch fast in jedem Song irgendwie zur Sprache: Es wird ständig von einem "ihr" geredet, welches offen angeschuldigt wird, Sonny Black selbst hat die Moral natürlich mit Löffeln gefressen und Song-Namen wie Hyänen sprechen für sich. Doch obwohl dabei irgendwie stets klar ist, wie das alles gemeint ist, bleibt Mythos in seinen Aussagen meistens sehr inkonkret. Namen werden nicht genannt, klare Szenarien fehlen komplett und die lahmen Metaphern, die die Platte benutzt, nerven irgendwann. Selbst Mephisto, der zehnminütige Mega-Closer, der sich ähnlich wie Kenneth Glöckner vor sieben Jahren anschickt, ein aufwändiges und umfangreiches lyrisches Bild der ganzen Geschichte zu zeichnen, scheitert daran irgendwie. Zum einen, weil er viele bereits bekannte Register zieht, die man von diesem Künstler schon kennt, zum anderen, weil die Art und Weise, wie der Rapper hier erzählt, ziemlich allgemeingültig ist und damit eben nicht wirklich in die Kategorie Realtalk fällt. Sicher, wir reden hier von Verbindungen in die organisierte Kriminalität und damit Dingen, die man auf Platte vielleicht lieber nicht sagen sollte, aber enttäuschend ist es trotzdem. Und es macht Mythos in meinen Augen nicht nur ereignisarm, sondern auch ein bisschen aufgesetzt. Im Vergleich zu der emotionalen Tiefe von Black Friday und der toughen Ansage-Mentalität der letzten Jahre ist das hier ein ziemlich dürftiges Projekt geworden, das der Karriere dieses Künstlers nicht viel hinzuzufügen hat. Sein größter Verdienst ist es, mit Samra gleich in zwei Songs ein junges Talent zu featuren, das in seinen beiden Strophen den alten Maestro mit Leichtigkeit an die Wand textet und damit noch mehr aufzeigt, dass sich dieser hier nicht auf dem Gipfel seiner performativen Fitness befindet. Ich sage nicht, dass er diesen nicht nochmal erreicht, ich sage nur, dass das eventuell mit viel Arbeit verbunden sein wird. Bushido ist noch immer ein sehr guter Rapper, er muss lediglich die richtigen Themen und Ausdrucksweisen finden. Und nach 20 Jahren musikalischer Aktivität scheint das schwerer als je zuvor.






Persönliche Highlights: Für euch alle / Hades / Graues Haar / Unsterblichkeit

Nicht mein Fall: Stiche / Skit / Inshallah

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