Samstag, 27. Oktober 2018

Er selbst





















Eigentlich wollte ich ja meine Abrechnung mit diesem Album auf meine Weise damit zum Ausdruck bringen, dass ich erst gar nicht groß drüber reden würde. Ein Bruchteil der Platte reichte mir vor zwei Wochen, um das neueste Projekt des Robert Bryson Hall II, auch bekannt als Logic, ohne großes Gewese in die Schnelldurchläufe für Oktober zu verbannen und damit schon mal ein Problem weniger zu haben. Denn wenn ich eines nicht gebrauchen konnte, dann eine 73-minütige Doppel-LP eines Rappers, den ich eh noch nie leiden konnte, auf der dieser auch noch sentimental und nostalgisch wird. Es war nicht nur so, dass mir dieser Typ komplett egal war, er nervte mich inzwischen regelrecht. So gut wie jede Saison erscheint mindestens ein neuer Tonträger von ihm, wobei die qualitative Spannweite zuletzt nur noch zwischen komplettem Müll zu okay, aber pretenziös tendierte. Noch dazu klingt er auch nach Jahren noch immer nach einer lyrisch schlechteren Performance-Kopie von Kendrick Lamar und bringt in seiner Musik so viele originelle Ideen ein wie Hans-Georg-Maaßen in den Verfassungsschutz. Kurz gesagt hatte ich einfach keinen Bock, über noch eine Platte zu reden, die daran absolut nichts änderte und mir auch sonst vollkommen am Arsch vorbeiging. Und tatsächlich kann ich in dieser Hinsicht noch immer keine Entwarnung geben: Vieles an YSIV ist ziemlich schlimm. So feiert sich Logic auf dieser LP notorisch selber, tritt konsequent das Erbe des Neunziger-Boombap mit Füßen, macht sich beim Versuch, bemüht tiefsinnig zu sein, total zum Affen und scheibt dabei bestenfalls durchschnittlich gute Texte. So ist der Opener Thank You für sich schon ein ekliger Song, in dem in den ersten drei Minuten viel dummes Zeig gesagt wird. Aber sich danach noch drei weitere Minuten schleimige Sprachnachrichten aus der Fanbase des Rappers anhören zu müssen, ist nicht weniger als pure Selbtaufgeilung. Und da sprechen wir gerade Mal vom ersten Stück von insgesamt 14. Schlimm ist auch der im Vorfeld groß angeteaserte Posse-Cut Wu-Tang Forever, auf dem sich tatsächlich fast der komplette Clan "die Ehre gibt". Gemessen daran, wie selten diese MCs heutzutage tatsächlich mal für eine gemeinsame Sache zusammenfinden, macht es mich ein bisschen sauer, dass es ausgerechnet bei diesem Hampelmann mal geklappt hat. Zumal der Song selbst eher mittelmäßig gut geworden ist. Würde ich noch weitere Sachen aufzählen wollen, die ich an diesem Album echt blöd finde, es würden sich jede Menge finden. Aber das ist nicht der Punkt, auf den ich hier hinauswill. Denn eigentlich finde ich nämlich, dass YSIV so ziemlich Logics bester Longplayer seit langem ist. Weit entfernt von überzeugend, aber zumindest nicht ganz so scheiße wie seine letzten Projekte. Und das liegt vor allem daran, dass er hier endlich mal wirklich er selbst ist. Ich habe erst beim dritten oder vierten Mal reinhören festgestellt, aber jene ganz schlimme Art von Copy-Paste-Hiphop, vor allem bezogen auf Kendrick Lamar, das bisher immer ein echter Makel war, findet sich hier erstmals so gut wie überhaupt nicht. Logic klingt auf dieser Platte nur noch wie Logic, und überraschenderweise ist das gar keine schlechte Sache. Flowen kann der junge ohnehin und dass er hier ein bisschen mehr die klassische Schiene fährt, passt bei ihm eigentlich ganz gut und lässt seine teilweise sehr simplen Bars nicht ganz so sehr auflaufen. Zwar löst er damit noch lange nicht das Problem, dass er ein pretenziöser Sack ist, langweiligen Pop-Rap macht und in Sachen Spielzeit hier völlig den Rahmen sprengt, aber es ist dennoch eine wesentliche Verbesserung. Logic ist noch lange kein guter Rapper, aber er versucht wenigstens nicht mehr, irgendein anderer zu sein. Und mit 100 Miles & Running, Legacy und dem Jaden Smith-Feature Iconic sind hier durchaus auch ein paar echt gelungene Cuts dabei. Obwohl ich nicht glaube, dass dies nun der Anfang für eine komplette 180-Wendung seiner Karriere ist und jetzt nur noch tolle Alben kommen, YSIV wird wahrscheinlich eher ein einzelnes Leuchtturmprojekt bleiben. Dennoch empfinde ich es als gegebenen Anlass, über diesen Musiker mal nicht immer nur zu meckern, sondern auch mal das positive hervorzuheben. Das Können dazu hat dieser junge Mann nämlich schon lange, es zeigt es nur nicht wirklich gerne.






Persönliche Highlights: Everybody Dies / the Glorious Five / One Day / 100 Miles & Running / Legacy / Iconic

Nicht mein Fall: Thank You / Wu-Tang Forever

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