Montag, 22. Oktober 2018

Schwarzer Block (feat. kleiner Exkurs über Antifaschismus im Black Metal)





















Es muss schon irgendwie etwas an der Sache dran sein, wenn fast die gesamte Metal-Presse seit einiger Zeit völlig verrückt nach einer jungen Band aus Köln ist. Überall in der Szene, ob in den USA, Frankreich oder Japan, sprechen Platten-Nerds aktuell über Ultha, eine gerade seit vier Jahren bestehende Gruppe aus der Rheinmetropole, die anscheinend der neue heiße Scheiß in den Tiefenlagen des traditionellen Black Metal sein soll. Und obwohl dabei nicht selten auch ihre Musik ein wesentliches Thema ist, sind es vor allem ihre Ideale, die sie innerhalb ihrer Community so cool machen. Wer sich in der düsteren Realität des Untergrunds, der unter anderem Acts wie Burzum oder Peste Noire hervorgebracht hat, ein bisschen auskennt, weiß, dass rassistisches, antisemitisches und ganz offen faschistisches Gedankengut in weiten Teilen der Szene noch immer akzeptiert oder zumindest ignoriert wird. Kontroverse Bands spielen auf großen Festivals, sich auf jemanden wie Varg Vikernes als Einfluss zu berufen, zieht selten Fragen nach sich und sogar rassistische Lyrics und Symbole werden mitunter verwendet. Da man bei alledem stets schwer zwischen provokativer Pose und tatsächlicher Überzeugung trennen kann, bleiben einerseits viele sogenannte NSBM-Bands (Abkürzung für National socialist black metal) unerkannt, andererseits geraten dadurch auch Mainstream-Acts wie Deafheaven oder Myrkur ins politische Kreuzfeuer. Diverse Gruppen positionieren sich dabei auch absichtlich nicht, um potenzielle Fans aus dem rechten Lager nicht zu vergraulen oder sich ihre Trueness nicht absprechen zu lassen. In dieser Welt der zweideutigen Signale und stilistischen Fallen sind Ultha diejenigen, die Klarheit schaffen wollen. Seit Beginn ihrer Karriere positionieren sie sich deutlich gegen NSBM, arbeiten aktiv gegen Nazi-Strukturen in der Szene und machen sich damit auch gerne Mal unbeliebt. Innerhalb der Community sind sie damit sowas wie die Feine Sahne Fischfilet des Black Metal. Und das erntet auch international Applaus. Zumal auch die Musik qualitativ ziemlich gut passt. Unter Sammler*innen ist das Debüt der Band, Pain Cleanses Every Doubt von 2015 mittlerweile ein kleines Highlight geworden, der Ultha nunmehr einen Deal beim Nobel-Label Century Media einbrachte, wo ihr inzwischen schon drittes Album the Inextricable Wandering veröffentlicht wird. Wobei Album es eigentlich weniger trifft als eine Art erstes kleines Epos. Mit sechs Songs in 66 Minuten ist die neue Platte nicht nur konzeptuell clever getimt, sondern vor allem auch ganz schön lang, und was den Sound hier angeht, so greifen Ultha hier ebenfalls tief in die Trickkiste. Wo man die Ästhetik ihrer Vorgänger bestenfalls als atmosphärisch, erhaben und düster bezeichnen könnte, nehmen die Kompositionen hier fast schon sakrale Ausmaße an, inklusive Songlängen von über 18 Minuten, prominent gesetzten Synthesizern und Track-Namen wie With Knives to the Throat and Hell in Out Heart und We Only Speak in Darkness. Die Kölner wollen hier die große Show und nehmen dafür einiges an Aufwand auf sich. Was in diesem Fall aber leider auch heißt, dass sie in Punkto Songwriting gewisse Abstriche gemacht haben. Um die tiefenschwarze, langsam aufgebaute Grusel-Struktur zu erschaffen, die sie beabsichtigt haben, verzichten Ultha zu großen Teilen auf Riff-basierte Motive und fokussieren sich eher auf Klangflächen, die auch in der Produktion weniger scharfkantig und grob wirken. In den meisten Fällen bekommt das Album dadurch eine ziemlich generische Teppich-Ästhetik, es führt aber auch zu echten Ausreißern wie dem ambient-elektronischen There is No Love, High Up in the Gallows oder der siebenminütigen Gothrock-Etüde We Only Speak in Darkness. Und genau hier erwischt mich die LP ein bisschen auf dem falschen Fuß. Das witzige hier ist, dass Ultha ganz klar besser darin sind, aus dem vorgefertigten Korsett des Black Metal-Sound auszusteigen, als darin, ihm zu entsprechen. Die klassischen Momente hier sind nicht schlecht, aber bei weitem nicht so energisch wie beispielsweise bei Wiegedood oder Der Weg einer Freiheit. Dafür brillieren die Kölner eben genau in jenen Momenten, in denen sie neues probieren und sich stilistisch abkapseln. Ich bin mir nicht sicher, ob the Inextricable Wandering für mich deswegen eher gescheitertes Traditionsprojekt sein soll oder visionärer Eskapismus. Wenn ich ehrlich bin, stimmt beides eigentlich nicht so ganz. Das hier ist eher ein Album, das keine wirkliche Richtung findet, aber das wenigstens nicht als Entschuldigung nimmt, deshalb unkreativ zu sein. Ultha können das alles besser, aber sie machen wenigstens nicht das gleiche wie immer. Und am Ende des Tages ist das trotzdem eine Platte, die man ziemlich gerne hört. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man sich hier sicher sein kann, dass die Aussagen dahinter vertretbar sind. Denn ähnlich wie bei Feine Sahne kann ich auch hier Fan dieser Band sein, wenn ich ihre Musik nicht supergeil finde. Mir reicht es zu wissen, dass sie ihrer Szene zumindest versuchen, eine Art Gewissen zu geben. Das reicht als Motivation, sie zu unterstützen.






Persönliche Highlights: With Knives to the Throat and Hell in Our Heart / There is No Love, High Up in the Gallows / We Only Speak in Darkness / I'm Afraid to Follow You There

Nicht mein Fall: -


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