Dienstag, 31. Januar 2017

Der Januar 2017 in zehn Tracks (David Bowie, Slowdive, Ty Segall, Thundercat und und und)

Wie einige von euch sicherlich noch wissen, habe ich seit letztem Jahr die Kategorie der Auserwählten, meinen zehn besten Platten des Monats, offiziell abgeschafft. ich führe die Liste mehr oder weniger akribisch noch immer für mich selbst, aber zur Veröffentlichung fand ich das Segment auf Dauer zu sperrig und durchgelesen geschweige denn durchgehört hat sich das Ding sowieso keiner. Stattdessen möchte ich 2017 ein neues System ausprobieren, das hoffentlich etwas mundgerechter für euch daherkommt und auch für mich entspannter ist. Auf Facebook werde ich ab jetzt monatlich mein Lieblingsalbum der vergangenen dreißig Tage verkünden, so wie diesmal Reflection von Brian Eno (da es nur aus einem Song besteht, habe ich es aus dieser Liste weggelassen) und zusätzlich eine kleine Playlist von zehn Tracks hier posten, die man sich entspannt anhören kann und aus denen man sich vielleicht mehr mitnimmt als aus einer fetten Liste mit haufenweise Longplayern. Ich hoffe, dass euch dieses Format zusagt, damit es sich in Zukunft auch lohnt. Dann wären hier jetzt die erten zehn Titel:

KID KOALA & EMÍLIANA TORRINI
the Darkest Day
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Unter den zahlreichen Songs auf Kid Koalas und Emíliana Torrinis neuem Album bleibt the Darkest Day das unangefochtene Highlight. Nicht nur, weil es mit achteinhalb Minuten der längste Cut auf der Platte ist, sondern bei weitem auch der dramatischste. Am Anfang schwebt der Track mit den sanften elektronischen Flächen und dem unterdrückten Gesang noch in der gewohnten klanglichen Ästhetik des Gesamtwerkes und dümpelt dort auch relativ lange herum, doch braust er in den letzten 120 Sekunden noch einmal zu einem Sound-Feuerwerk auf, das keine Postrock-Band besser hingekriegt hätte. Und hier ist dieser Effekt tatsächlich noch mal überraschend. Ein bleibender Eindruck, der diese an sich schon tolle Platte noch einmal ein bisschen besser macht.

DAVID BOWIE
No Plan
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Ich war schon schwer überrascht, als kurz nach Beginn des neuen Jahres dieser Song auf meiner Bildfläche auftauchte. Nicht nur gehört er als posthum veröffentlichter Track generell einer speziellen Kategorie an, vor allem hatte ich jedoch nicht damit gerechnet, ihn so toll zu finden. Als nicht wirklich großer Fan seines letzten Albums Blackstar, aus dessen Sessions auch dieses Stück stammt, war ich begeistert von der Atmosphöre, die Bowie hier erschafft. Die Instrumentalbegleitung erinnert mich zum Teil sehr an Radiohead, doch erhält das ganze durch die Saxofon-Einspielungen und primär natürlich den Gesang und den Text einen ganz eigenen Anstrich, der mich ungemein fasziniert. Ich würde ja anprangern, dass es No Plan letztes Jahr nicht auf das Album schaffte, doch das würde irgendwie schlafende Hunde wecken. Genießen reicht mir fürs erste.

TY SEGALL
Break A Guitar

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Es passiert nicht ständig, dass Ty Segall Hits schreibt. Aber dass er diesmal einen gemacht hat ist ein großes Glück. Denn damit eröffnet er nicht nur sein neues selbstbetiteltes Album gebührend, er schafft auch einen herrlich röhrenden Throwback auf die ewigen Classic-Rock-Klischees, die schon im Titel nur so triefen. Besonders tiefsinnig ist das Ding dann natürlich nicht, aber der Kalifornier bastelt dafür ein Riff, welches das doppelt und dreifach wett macht. Wenn ich mich weit aus dem Fenster lehne würde ich sagen, dass Break A Guitar Segalls beste Promo-Single seit Sleeper von 2013 ist und dieser Song hat sich bis heute zu einem All Time Favorite von mir gemausert. Und die Chancen, dass dieses Stück die nächsten Monate weiter durch meine Boxen dröhnt, ist äußerst wahrscheinlich.

FOXYGEN
Avalon

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Unter den vielen bunt geschmückten, aufwändig arrangierten Songs auf dem neuen Foxygen-Album ist Avalon sicherlich der bunteste und aufwändigste. Die tausend kleinen Soli, die hier im Sekundentakt stattfinden, die vielen stilistischen Wandlungen, die hier durchlaufen werden und vor allem die wahnsinnig ansteckende Glam-Hook machen richtig Bock und haben auch für Technik-Nerds und Vintage-Fetschisten jede Menge zu bieten. Das erstaunlichste ist dabei vielleicht, dass der ganze Fasching am Ende trotzdem kein bisschen albern rüberkommt, sondern den Respekt für die Leistung dieser Band nur noch erhöht. Und wem das noch immer nicht genügt, der kann sich ja die Platte kaufen. Meine Empfehlung habt ihr!

THUNDERCAT FEAT. MICHAEL MCDONALD & KERRY LOGGINS
Show You the Way
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Vom nerdigen Jazz-Freakshow-Fanatiker, der Thundercat vor fünf Jahren noch war, ist spätestens nach diesem Song nicht mehr viel übrig. Gemeinsam mit den beiden Experten Michael McDonald und Kerry Loggins avanciert der Brainfeeder-Veteran hier zum stylischen Soul-Musiker mit reichlich Charme und klaglichem Sex-Appeal. Über eine erotische Synth-Melodie und wunderbar sensibles Schlagzeugspiel falsettiert er hier als Sänger eine fantastische Rotlicht-Ballade, die für seine kommende LP genau die Punkte absteckt, die ich ganz unbedingt von ihm hören wollte. Was mir dabei vielleicht ein bisschen fehlt, ist sein abgefahrenes Bassspiel, aber das wäre hier auch irgendwie fehl am Platz gewesen und auf dem fertigen Album gibt es davon gewiss noch mehr als genug.

SLOWDIVE
Star Roving

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22 Jahre sind seit dem letzten musikalischen Lebenszeichen von Slowdive vergangen und gleich mit dem einen neuen Song, den sie veröffentlichen zeigt sich, dass sie in Sachen qualitativ hochwertiger Shoegaze nach wie vor unfickbar sind. Klar klingt das bei ihnen noch immer ein bisschen Neunziger und bringt wenig neues, aber fürs erste ist genau das richtig geil. Fast sechs Minuten psychedelisches Geschwurbel mit Halbschlaf-Vocals und ordentlich Reverb auf allem ist nach wie vor das Rezept, mich dem die Schotten mich absolut glücklich machen können und bei all dem New-, Black-, und Elektrogaze finde ich die klassische Formel zur Abwechslung ziemlich erfrischend.

SAMPHA
(No One Knows Me) Like the Piano
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Bisher war Sampha für mich nie mehr als das lästige Vokal-Anhängsel langweiliger Elektro-Produzenten, die selber nicht singen konnten, aber was der Kerl an Solosachen schreibt, ist überraschend genial. Ich hatte zunächst fest damit gerechnet, diesen Song zu hassen, weil er eben so heißt wie er heißt und weil ich das alles ja nicht wusste. Tatsächlich ist das hier aber eine echte Gänsehaut-Nummer, die das gefährliche Territorium der Klavierballaden äußerst kühn bezwingt und obendrein noch einen echten inhaltlichen Hammer drauf packt. Es wird schwer sein, so einem Einstand auf einem eventuellen Album zu begegnen, aber Sampha hat mich schließlich schon einmal überrascht.

BONOBO FEAT. RICK MURPHY
No Reason
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Weder Rick Murphy (für die Nappel: Chet Faker) noch Bonobo waren bisher Künstler, die von meiner Seite große Beachtung bekamen, doch dass sie einen Hit wie diesen auf dem Kasten hätten, hätte ich nicht zu bezweifeln gewagt. Beide sind Meister des melodischen und des hippen Indie-Sad Boy-Charmes, das haben sie ausreichend oft gezeigt. Der Vorteil dieses Songs über so viele Radiotöter ist allerdings, dass er trotzdem noch genug Fleisch hat, um nicht an seiner eigenen Leichtigkeit zu ersticken und im Grunde genommen sogar das Potenzial für einen ziemlich tanzbaren Remix hergibt. Abgesehen davon ist es der beste Track auf dem neuen Album von Bonobo. Und der einzige, der vielleicht tatsächlich mal im Radio gespielt wird.

AUSTRA
Future Politics
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Ob Future Politics tatsächlich so ein gesellschaftskritischer und philosophischer Song ist, wie Katie Stelmanis behauptet, sei jetzt mal dahingestellt. Denn vor allem hat das Ding eine richtig coole Hook, die mir bereits seit letzter Woche unablässig im Hirn spukt. Allein das zu erreichen, ist schonmal ein gewaltiger Schritt für die KanadierInnen von Austra und sollte definitiv gewürdigt werden. Auf ihrem neuen Longplayer ist es zwar nicht der einzige Track, der ziemlich catchy ist, doch ganz bestimmt der meiste und der, der als kräftigstes Symbol für die neue Coolness dieser Band steht. Was allerdings nicht für das Video gilt, welches eines der peinlichsten sein dürfte, die ich dieses Jahr bisher gesehen habe. Nicht ansehen!

ME NOT YOU
Relief

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Schrabbelige Riot-Grrrl-Indiebands mag ich spätestens seit Hop Along und mit Me Not You scheint mir eines der Newcomer-Talente des neuen Jahres ins Netz gegangen zu sein. Die Single Relief ist die perfekte Schnittmenge zwischen kuscheligem Pop-Appeal und rotziger Garagen-Attitüde. Das klangliche Erlebnis erinnert dabei ebenso sehr an Sonic Youth wie an Carla Bruni und glänzt kompositorisch nicht nur mit seiner passionierten Hook. Viel hat man von diesem jungen Duo noch nicht gehört, aber was da kommt, könnte durchaus spannend werden. Nicht nur, weil die Band offiziell von Stereogum gefeatured wird.

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Das Recht auf Langeweile

Es ist schon eine traurige Angelegenheit, dass tatsächlich wieder so viel Zeit ins Land gegangen ist und man Leute mittlerweile daran erinnern muss, dass Cloud Nothings für einen kurzen Moment mal eine der spannendsten Rockbands des Universums waren. Dass es ein temporäres Fenster in der Geschichte gab, in dem es nicht unglaublich langweilig war, dieser Band zuzuhören und man ohne Scheiß dachte, das würde alles noch sehr lange so weiter gehen. Ich spreche hier genauer gesagt vom Frühjahr 2012, als ich gerade mit diesem Format anfing, noch keinen Plan von garnichts hatte und mir eine Platte mit dem Namen Attack On Memory die Synapsen wegpustete. Ich mochte das Album damals, weil es mich an eine Mischung aus den späten Nirvana und den frühen Strokes erinnerte und weil ich damals dachte, hier unglaublich gebildete Musik zu hören. Doch abgesehen von mir waren auch alle anderen davon begeistert und auch sie hatten ihre Gründe. Zum Beispiel, dass der bis dato als talentloser Kinderstar geschmähte Dylan Baldi plötzlich mit so einem Brett um die Ecke kam. Dass niemand geringeres als Steve Albini selbiges produziert hatte. Und natürlich, dass dieser Junge mit seinen Kollegen Emorock wieder salonfähig machte (rückblickend eine sehr folgenschwere Facette der LP). Wer sich für sehr gut gemachte moderne Rockmusik interessiert, dem kann ich auch fünf Jahre später noch wärmstens diese Platte ans Herz legen und kann ihm noch dazu dringend davon abraten, sich irgendetwas anderes von den Cloud Nothings anzuhören. Ich habe es mehrmals gemacht und bin jedes Mal wieder enttäuscht gewesen. Die beiden Alben vor Attack On Memory sind beide viel zu chaotisch und unbestimmt und zeigen, dass Baldi hier musikalisch noch nicht auf der Höhe war. Und was den bisher einen Longplayer danach angeht, Here and Nowhere Else von 2014, so ist er lediglich die immens schwächere Version seines Vorgängers. Man kann also getrost sagen, dass meine Vorfreude auf Life Without Sound sich durchaus in Grenzen hielt. Mit den ersten Singles stellte ich zwar durchaus fest, dass die Band hier wieder eine Veränderung anstrebte, diesmal eher in die Richtung melodischer Emorock, doch was sollte das bitte groß ändern? Im Optimalfall würde es Cloud Nothings höchstens das Recht einräumen, von nun an für immer langweilig zu klingen. Also was soll der Mist? Nachdem ich mir die fertige LP nun doch ausführlich zu Gemüte geführt habe, muss ich zugeben, dass besagter Optimalfall hier dann doch eingetreten ist und meine Erwartungen hier vielleicht sogar ein klein wenig übertroffen wurden. Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass Life Without Sound ein gutes Album wäre. Ja, die Band wirkt in diesem seichteren, melodischen Sound wieder glaubwürdiger und ja, Dylan Baldi kann nach wie vor gute Songs schreiben. Trotzdem ist es manchmal kriminell, diese Musiker hier so dermaßen zahm und unlebendig zu erleben. Auf den meisten Songs klingen sie wie das Klischee einer guten, erfolgreichen Indieband, die mittlerweile von einem arschigen Major-Deal dazu gezwungen wird, benutzerfreundlich langweilig zu sein. Nur mit dem Unterschied, dass dieses Album so wie jedes zuvor bei Wichita, einem rennomierten und schicken britischen Indielabel, erscheint und dass Cloud Nothing scheinbar aus freien Stücken so klingen wollen. Das ist besonders traurig in Momenten wie Darkened Rings oder Strange Year, in denen Baldi doch wieder wie einstmals losbrüllt, dabei aber so abgenutzt und schwach wirkt, als würde er die guten Tage von vor fünf Jahren heimlich am liebsten zurück holen. Ich für meinen Teil hätte absolut nichts dagegen und will das hier als nächsten Schritt nur sehr bedingt anerkennen. Die Band macht ihren Job hier einigermaßen okay und man erkennt, dass auch sie nicht in nostalgischer Anbetung verharren will. Doch sie hätte sich bei dieser Unternehmung ruhig etwas mehr Mühe geben können und mit Inbrunst zeigen können, dass es ein Leben nach Attack On Memory gibt. Auch wenn es niemals dasselbe sein wird.





Persönliche Highlights: Up to the Surface / Darkened Rings / Enter Entirely / Sight Unseen

Nicht mein Fall: Things Aren't Right With You / Modern Act / Strange Year

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Montag, 30. Januar 2017

Geht doch!

Die kanadische New Wave-Band Austra sind in den fünf Jahren, in denen ich dieses Format hier betreibe, ein äußerst aktives und bekanntes Kollektiv gewesen und die Tatsache, dass dies hier meine erste Besprechung ihrer Musik ist, ist weiß Gott kein Versehen. Es ist einfach aus dem Grund so, weil ich mich für sie bisher nicht einen Deut interessiert habe. Für mich war das Dreigespann immer Teil des ungesunden Indiepop-Strudels von Künstler*innen wie Iamamiwhoami, Purity Ring, Little Dragon, the Naked & Famous oder Dillon, die zwar an sich keine schlechten Songs schrieben und ihre verdienten Hits hatten, sich aber auch alle furchtbar gleich anhörten und nie zwischen anspruchsvoller Kunstmusik und dancigen Radio-Hymnen entscheiden konnten. Austra ihrerseits klauten dabei vornehmlich bei Kate Bush, Florence Welch und Björk, wollten aber schon irgendwie immer jemand anderes sein. Ich habe mich auf ihren Output seit dem 2011er-Debüt Feel It Break zugegebenermaßen nicht mehr wirklich konzentriert, doch alles, was ich bis hierhin gehört habe, würde ich maximal als durchwachsen bezeichnen. Der Zufall wollte es, dass ich bei Gelegenheit nun doch mal in Future Politics, ihre neue Platte reinhörte und dabei doch positiv überrascht war. Zunächst hatte ich die LP allein schon aufgrund ihres reißerischen Titels abgeschrieben und weil ich bei Austra nun schon lange genug die Klappe gehalten habe, dass niemand enttäuscht wäre, wenn ich das auch weiterhin tue. Doch wie durch ein Wunder haben mich die drei Kanadierinnen hier plötzlich gekriegt. Ich finde tatsächlich, dass das hier ein ziemlich gutes Album ist. Natürlich auch nicht ganz unbegründet. Denn in meinen Augen scheint die Band hier endlich die Balance gefunden zu haben, die ich bei ihnen so lange vermisst habe. Die komplette Dreiviertelstunde Musik ist klanglich stimmig, überzeugt mit dick aufgetragener Synthie-Produktion und einer unglaublichen stimmlichen Performance von Vokalistin Katie Stelmanis. Außerdem wirkt das Songwriting hier tatsächlich mal eigenständig und nicht von den anderen Szene-Größen zusammengeklaut. Es ist sogar noch besser: Mit Angel in Your Eye, Beyond A Mortal oder vor allem dem Titelsong sind ein paar richtige Hits hier vertreten, die definitiv auch bei mir nachhallen werden. Selbst die schwächeren Takes wie der Opener oder Gaia sind lediglich ausbaufähig und trotzdem noch sehr genießbar. Im Endeffekt wird Future Politics dadurch zu einem echten Genuss von einem Album und einem doch nach wie vor recht selten zu bestaunenden Pop-Erlebnis. Und obwohl Austra damit nicht die erste Band mit ähnlicher Ästhetik ist, die plötzlich ziemlich cool wird, freut man sich doch jedes Mal wieder. Da bleibt man doch gerne Mainstrem-Konsument.





Persönliche Highlights: Future Politics / I Love You More Than You Love Yourself / Angel in Your Eye / Freepower / Beyond A Mortal / Deep Thought

Nicht mein Fall: Gaia

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Sonntag, 29. Januar 2017

Weißes Plätschern (ft. Malische Popmusik 101)

Ich habe mich bisher relativ selten dazu hinreißen lassen, über afrikanische Folk-Musik ganz allgemein, geschweige denn über malische Musik zu schreiben und muss zugeben, dass die Sache jetzt, wo ich es endlich tue, ein ziemlich heißes Eisen ist. Ich möchte mir bei diesem Post sehr große Mühe geben, nicht zu wirken wie ein blasierter, weißer europäischer Blog-Scheißer, der sich an der "Exotik" und "Originalität" afrikanischer Popmusik aufgeilt, nur weil er diese nicht versteht. Es ist jedoch absolut offensichtlich, dass ich keine Ahnung von der Szene in Mali habe und das einzige, was ich davon kenne, die Gastbeiträge und inspirativen Verwurstungen eines Damon Albarn sind. Dabei ist das nordwestafrikanische Land historisch gesehen alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Bekannte Interpreten wie Ali Farka Touré oder Tinariwen sind bereits seit Jahrzehnten aktiv und auch hierzulande bekannt und beliebt, nur haftet dem ganzen noch immer sehr das ekelhafte Label "Weltmusik" an, weil der Stil dieser bestimmten Szene eben nach wie vor relativ traditionell beeinflusst ist. Das großartige an Mali ist ja gerade, dass westliche Einflüsse hier nur sehr subtil stattgefunden haben und sich hier eine Art von moderner Popmusik entwickeln konnte, die mehr oder weniger unabhängig von eurozentrischen Maßstäben existiert. Aber sowas verstört uns blöde, verwöhnte Konsumenten eben und deshalb verklappen wir die erste LP-Veröffentlichung von Awa Poulo hierzulande auch auf ein Label, das sich plakativ Awesome Tapes From Africa nennt und freuen uns über unsere eigene Weltoffenheit, ohne Poulo Warali einfach mal als das anzuerkennen, was es am Ende ist: Ein ziemlich gutes Album. Mit einer überschaubaren Backing-Band mit Gitarre, seichter Percussion und Flöten schafft die junge Sängerin hier wunderbar chilliges, entspanntes und dennoch erfrischendes Projekt, das irgendwo zwischen spritzigem Jazz und Afrobeat stattfindet. In etwas mehr als einer halben Stunde werden hier acht drei- bis fünfminütige Songs geboten, die in Sachen Songwriting trotz ihrer offenen Struktur sehr catchy geraten sind. Da gibt es das ziemlich flotte und hibbelige Djulau, das mit verzerrten Gitarren angereicherte Mido Yirima, das schlacksige Noumou Foli und so weiter und so fort. Eigentlich funktioniert hier so gut wie jeder Track nach einem ähnlichen Prinzip und obwohl das bedeutet, dass alle davon erstmal Spaß machen, fehlen mir hier doch an einigen Stellen die Highlights. Wenn beispielsweise am Anfang von Mido Yirima die sehr bluesige Klampfe losprescht, wird man erstmal hellhörig, doch innerhalb von Sekunden geht diese wieder im plätschernden Gesamtklang unter. So klingt das Ergebnis zwar stimmig und aus einem Guss, aber irgendwie auch generisch und ein bisschen langweilig. Man kann fast nicht anders, als die Platte nebenbei laufen und sich damit berieseln zu lassen, was für jemanden wie mich eigentlich den Tod bedeutet. Vor allem, weil es die tollen Melodien und Techniken hier durchaus gibt, man nur eben sehr gut hinhören muss, um sie zu entdecken. Daran trägt auch die Produktion mit Schuld, die etwas dünn und labberig daher kommt. Ich kann Poulo Warali trotzdem empfehlen, aber eben unter Vorbehalt. Wer hier ein Interesse für die Szene an sich erkennt, aber mal einen Musiker mit Charakter hören will, für den ist in meinen Augen Ali Farka Touré noch immer die beste Empfehlung. Das hier ist auch für mich wahrscheinlich nicht mehr als eine Einstiegsdroge.





Persönliche Highlights: Dimo Yaou Tata / Djulau / Djara Willam / Mido Yirima / Noumou Foli / Polou Hoto Ngari / Poulo Warali / Sidy Modibo

Nicht mein Fall: -

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Samstag, 28. Januar 2017

Das Ende stirbt, der Anfang ist nah

Im Januar 2017 wieder über ein Album von Käptn Peng und die Tentakel von Delphi zu schreiben, hat etwas dezent anachronistisches. Eigentlich ist die Band seit langem irgendwie in der Schwebe, Chefdenker Robert Gwisdek hat schon wieder seine nächste Inkarnation als Autor und Schauspieler gefunden und von ehemaligen Fans (inklusive mir) wird seine Musik inzwischen gerne in den stilistischen Giftschrank gesperrt. In den letzten Monaten habe ich immer wieder Aussagen von Leuten gelesen, die diese Gruppe verächtlich als "HipHop-Touristen" bezeichneten und ich schäme mich ein wenig, diesen zustimmen zu müssen, doch ich kann auch nicht leugnen, dass ich die Tentakel ebenfalls mal ziemlich arg gefeiert habe und Expedition ins O vor vier Jahren eines meiner Lieblingsalben war. Diese Live-LP jetzt zu ignorieren, käme also einem Verrat gleich und ich bin gerade sehr froh, dass ich mich doch dazu entschieden habe, darüber zu schreiben. Denn auf diesen etwas mehr als zwei Stunden Musik finden sich so ziemlich alle Gründe wieder, warum ich das hier mal so cool fand. Und dabei ist es eher zweitrangig, dass man hier nochmal eine coole neue Version seiner damaligen Lieblingssongs bekommt, die zusätzlich noch den Faktor der Live-Energie in sich vereinen, sondern dass es eben gerade so viel mehr ist. Auf diesem Album versammeln Käptn Peng und Kollegen einen ganzen Haufen nie aufgenommener Stücke, Freestyles und Band-Jams, die man möglicherweise nur dann kennt, wenn man irgendwann mal die Expedition ins O-Tour besucht hat, was ich blöderweise ganze drei Jahre lang versäumte. Und auch wenn oder gerade weil die Impro-Parts ziemlich awkward sind, man Peng an einigen Stellen seine Routine anhört und der Sound flächendeckend ein bisschen besser sein könnte, ist dieser Mitschnitt noch einmal ein unbestreitbares Meisterwerk des Kollektivs. Live erfährt die ganze Ästhetik des Tentakel-Kosmos noch einmal eine völlig neue Dimension, die sich auch in Lapalien wie den Ansagen oder den Adlibs äußert und es ist aufregend, hier die Symbiose aus Rap-Vocals und konzertantem Band-Klangerlebnis zu hören. Zum einen und logischerweise in den bekannten Songs wie Der Anfang ist nah, Werbistich, Sockosophie oder Sie mögen sich, aber gerade auch in den Tracks, in denen Teile gejammt werden oder gar komplett neu sind. Mich persönlich faszinieren besonders die Deep Cuts von Expedition ins O wie Unten, Kugelschlucker, Absolem oder U-Boot, die man seit der LP vor vier Jahren schon fast wieder vergessen hatte und bei denen die Power der Rhythmusgruppe so richtig zur Geltung kommt. Dabei ist die Dynamik zwischen Künstlern und Publikum in jeder Sekunde spürbar und man kann fast den Schweiß hören, der an der Haut aller Beteiligten klebt. Und dieser mehrt sich Stück für Stück, wenn in diesen Interpretationen teilweise Spielzeiten von über elf Minuten erreicht werden und ein Fan-Favorit den nächsten jagt. Und so wird das allerletzte Konzert der Expedition ins O-Tour und möglicherweise das letzte der Tentakel zu dem Highlight, welches man von so einem Event erwartet. Käptn Peng selbst spricht in der Anfangsmoderation selbst von einem "Mini-Tod", der aber mit einer länge von zwei Stunden doch ziemlich fulminant ausfällt. Dieses Album ist somit nicht nur eine nette Ergänzung zur Fan-Sammlung, sondern ein mehr oder weniger elementarer Bestandteil der Diskografie, den man auch Leuten empfehlen kann, die noch nie etwas von diesen Musikern gehört haben. Für mich ist es am Ende ein Grund, mich doch noch einmal darauf zu besinnen, dass es am Ende doch ziemlich geil war, was Käptn Peng und die Tentakel von Delphi in den letzten Jahren fabriziert haben. Sicher hat man Recht, wenn man das hier als HipHop-Tourismus bezeichnet, doch es ist nichtsdestotrotz nach wie vor ziemlich hochwertig.

Persönliche Highlights: Intro / Absolem / Champagner & Schnittchen / Unten / Flotten von Mutanten / Werbistich / Todesbossa / Kugelschlucker / U-Boot / Sockosophie / Parantatatam / 1234 PengPengPeng / Backpfeifenernte auf dem Alphabet / Monster / Oha / Platz da

Nicht mein Fall: Omega Peng

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Freitag, 27. Januar 2017

Alors On Danse

Ich würde mich ein wenig scheuen, hier und heute über eine Platte von Vitalic zu schreiben, wenn das letzte Jahr nicht passiert wäre. 2016 hat mich, ob nun tatsächlich wieder hip oder nicht, erneut zum leidenschaftlichen French House-Fan werden lassen, der ich eigentlich aus guten Gründen seit Beginn dieser Dekade nicht mehr war. In der vergangenen Saison gab es ziemlich gute und vor allem hitlastige neue Platten von Leuten wie Justice oder M83, die bei mir für den einzigen Nostalgie-Flash sorgten, den man in meinem zarten Alter haben kann. Und umso mehr freute es mich zu hören, dass im Januar 2017 auch ein weiterer meiner Lieblings-Acts der Bewegung wieder aus der Versenkung aufersteht: Pascal Arbez-Nicolas, besser bekannt unter dem Namen Vitalic. Die meisten kennen den aus Dijon stammenden Produzenten sicher wegen seines einen großen Club-Hits, Poison Lips von 2009, aber in meinen Augen war er immer einer der coolsten Knöpfedreher innerhalb der französischen Szene und bis heute ist er der Hauptgrund, warum ich später angefangen habe, EDM zu hören. Doch auch bei jemandem wie ihm kann man nicht erwarten, dass er eine Pause von fünf Jahren, in denen sein Stil den kompletten Kreislauf von richtig uncool zu fast schon wieder vintage durchläuft, einfach so wegsteckt. Und deshalb macht er auf Voyager das, was gerade alle Stars des French House vor dem aussterben rettet: elektronische Pseudo-Retromanie. Wer vor vier Jahren Random Access Memories von Daft Punk und vor ein paar Monaten Junk von M83 mochte, wird sich hier mit Sicherheit wiederfinden und der ganze Rest des ahnungslosen Feier-Klientels bestimmt auch. Ich persönlich finde gar, dass Vitalic diese oldschoolige Neuausrichtung seines Sound mal wieder etwas besser gelingt als allen anderen. Voyager ist eine Platte voller Hits, die alle sowohl total nach den späten Siebzigern klingen als auch überhaupt nicht, die aber alle sofort in die Blutbahn übergehen. Schon die erste Single Waiting for the Stars begeisterte mich im Dezember des vergangenen Jahres ungemein und man kann getrost sagen, dass der Song hier in guter Gesellschaft ist. Schon das nicht mal zweiminütige Intro sorgt mit einem seltsam verzerrtem Gitarrenriff für interessiertes Staunen und fast alles was danach kommt ist ein Selbstläufer. Die Single an zweiter Stelle nimmt die Radio-Laufkundschaft mit, Levitation erinnert an die Heavy Metal-Einflüsse bei Justice, im kompletten Mittelteil muss man zweimal nachschauen, ob man nicht doch zufällig eine Giorgio Moroder-Platte laufen hat und ganz zum Schluss gibt es mit Don't Leave Me Now noch eine ziemlich coole Elektro-Soul-Nummer. Einzig das etwas stumpf und schlagerig geratene Sweet Cigarette ist ein kurzer Zwischenausfall. Voyager ist am Ende des Tages auch alles andere als ein intelligentes oder reifes Album, aber das will es auch gar nicht sein. Zu diesen Songs soll man tanzen gehen, schnell Auto fahren und auch mal nicht so viel nachdenken. Diese Songs sind guter Elektropop für eine Mainstream-Kundschaft, weshalb auch Sperenzchen wie LP-Gesamtklang oder textliche Tiefe eher zweitrangig sind. Wichtig ist, dass die Platte Spaß macht und dieser Prämisse wird sie in fast jeder Sekunde gerecht. Und dann ist es auch egal, ob dieser Sound vor vierzig oder vor zehn Jahren cool war oder es gerade jetzt ist. Man macht einfach mit. So wie das bei Vitalic eigentlich schon immer war.





Persönliche Highlights: El Viaje / Waiting for the Stars / Hans is Driving / Use It or Lose It / Lightspeed / Nozomi

Nicht mein Fall: Sweet Cigarette

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Donnerstag, 26. Januar 2017

Pizza gegen die Depression

Es ist wieder einmal das typische Szenario: Eine Band hatte vor einigen Jahren eine ziemlich beliebte Platte, die ihr den kommziellen Durchbruch bescherte, jede Menge Hits und neue Fans und steht nun vor der Herausforderung, diesen kurzfristigen Erfolg in eine nachhaltig funktionierende Mainstream-Karriere umzubauen. Für Antilopen Gang aus dem Ruhrgebiet war besagter Erfolg im Winter 2014 ihre erste "richtige" LP Aversion, die dem Trio einen Ruf als die Marc-Uwe Klings des Deutschrap verpasste. Da war eine Gruppe, die scheinbar irgendwie schon aus der Szene kam und politisch ernsthafte Themen anging, die irgendwie aber auch für jeden Klamauk zu haben war und alles in allem Radio-konform genug, um zu schade für die Sparte zu sein. Damit war aber auch klar, dass diese Platte mit ihren vielen Andockpunkten nicht für jeden was war. Zumindest ich fand sie damals eher problematisch als großartig. Mein größtes Problem damit war eben gerade, dass Antilopen Gang hier so vieles auf einmal und nichts so richtig sein wollten, woraus meinerseits bis heute eine sehr gespaltene Meinung über ihren Output vorherrscht. Doch für so etwas gibt es ja zum Glück die Zeit nach dem Hype. Ich hatte gehofft, dass mit diesem neuen Album eben nicht noch einmal versucht werden würde, die neue Aversion zu machen, sondern man sich für eine der vielen Richtungen, die dort vorgegeben würden, entscheidet. Welche das sein würde, war für mich dabei erstmal zweitrangig. Mit der ersten Single das Trojanische Pferd vom letzten Herbst beispielsweise ging das Trio relativ eindeutig hin zur politisch aufgekratzten Zeckenrap-Crew und machte damit vorerst einen sehr guten Eindruck. Aber schon kurz danach war klar, dass es dabei mal wieder nicht bleiben würde, als die zweite Auskopplung erschien. Ich könnte einen ganzen eigenen Post darüber verfassen, wie unglaublich furchtbar ich den Song Pizza finde, aber das muss ich jetzt gar nicht mehr, weil es auf dem fertigen Anarchie und Alltag noch viel mehr solchen Müll zu hören gibt. Zur Verteidingung der Antilopen muss man zwar sagen, dass man eine grobe Marschrichtung hier schon zusammenklamüsern kann, aber die ist im Endeffekt wahrscheinlich sogar der Hauptgrund, warum ich dieses Album nicht mag: An sehr vielen Stellen schreiben Panik Panzer, Koljah und Danger Dan hier melancholischen Betroffenheits-HipHop, der einfach nicht gelingen will und ziemlich gewollt wirkt. Wenn in Alf über Entfremdung, in Fugen im Parkett über Einsamkeit oder in Hilfe über Verwahrlosung gesprochen wird, wirken die drei MCs nicht selten etwas trampelig und unsensibel. Ich hatte zuerst gedacht, dass solche Songs einfach nicht zu ihrer Ästhetik passen würden, aber diese Band hat schließlich auch mal Verliebt geschrieben, einen der schönsten Lovesongs des gesamten Deutschrap. Was hier das Problem darstellt, ist die grauenvolle Jammer-Attitüde der meisten Songs und wie dieser Pessimismus dann versucht wird, mit Comedy-Zeilen zu kombinieren. Überhaupt fällt Anarchie und Alltag durch unglaublich schwache Punchlines auf und kann diese nicht mal mit guten Pop-Hooks übertünchen. Der einzige größere Lichtblick ist für mich da noch der Punkrock-Ausflug Baggersee, in dem tatsächlich eine richtig coole stilistische Kombination hinhaut und auch die Parts überzeugen. Sonst ist diese Platte zu großen Teilen einfach nur eine Ansammlung von Enttäuschungen. Antilopen Gang machen hier weder eine identitätsstiftende LP, die sie als Band definieren könnte noch haben sie hier so starke Hits wie auf dem Vorgänger. Folglich veemute ich, dass dieses Album ziemlich schnell untergehen wird. Und nach einem Einstand wie Aversion ist das so ziemlich das schlimmste, was den Dreien karrieretechnisch passieren kann. Für mich persönlich würde ich diese Entwicklung jedoch begrüßen, weil nur so verhindert wird, dass Pizza das neue Holz wird.





Persönliche Highlights: Das Trojanische Pferd / Baggersee

Nicht mein Fall: Pizza / Alf / Hilfe / RAF Rentner

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Mittwoch, 25. Januar 2017

Die Musik zum Malbuch

ich weiß gar nicht so richtig, wo ich anfangen soll, wenn ich die Gründe aufzählen will, die diese Platte für mich zu so einem Hype machen. Erstmal ist es das Ja-schon-irgendwie-Studio-Comeback des großartigen Kid Koala, sein erstes richtiges Album seit fünf Jahren und das erste komplett ohne Sampling, was auf jeden Fall etwas besonderes ist. Dass er sich damit auch noch in ein für ihn bisher weitgehend unerforschtes Gefilde, nämlich das des Ambient Chillout vorwagt, macht das ganze nochmal toller und wenn er sich schlussendlich noch die fantastische Sängerin Emíliana Torrini mit ins Boot holt, bin ich endgültig komplett aus dem Häuschen. Man kann mit großer Sicherheit sagen, dass Music to Draw To: Satellite eine der Platten war, die ich 2017 am sehnlichsten erwartet habe. Dass diese beiden Künstler zusammen ein Projekt in Angriff nehmen, scheint auf den ersten Blick womöglich sehr ungewöhnlich, aber wenn man das Prozedere der beiden kennt, wird diese Kollaboration schon verständlicher. Kid Koala sucht als Produzent immer wieder neue Herausforderungen und hat dabei eigentlich immer ein Faible für hingebungsvolle Vokalbegleitung gehabt. Torrini ihrerseits befindet sich im Moment geradezu im Feature-Rausch und beteiligte sich in der Vergangenheit an diversen Projekten mit anderen Künstlern von the Colorist über Thievery Corperation bishin zu Howard Shore. Und da sie auch selbst ihre musikalischen Wurzeln in der elektronischen Musik hat, passt diese Verbindung umso mehr. Doch die spannende Frage bleibt: wie agieren die beiden Parteien hier miteinander? Zunächst mal muss man sagen, dass es sehr gut funktioniert, wie jeder Musiker hier auf den anderen eingeht. Die atmosphärisch-melodischen Flächen von Kid Koala erinnern teilweise sehr an Torrinis Debütalbum und brauchen wenig Effekthascherei, weil sie diesen Platz für ihre Stimme lassen. Die wirkt dann aber auch nur dann, wenn dies wirklich notwendig ist und lässt über die komplette Länge des Albums immer wieder lange Passagen frei, um dann wieder mit voller Leidenschaft einzusteigen. Harmonie ist bei dieser LP ohnehin das A und O und Easy Listening wird besonders groß geschrieben. Das ist letztendlich gleichzeitig Fluch und Segen dieser Platte. Es sorgt einerseits für einen immensen Chill-Faktor, in den Kid Koala sein allseits bekanntes Scratch-Gefrickel einbasteln kann und der Gesang noch viel besser zur Geltung kommt, doch über gewisse Strecken ist es dann gerne auch mal ein bisschen too much. Gerade im ersten Teil der Platte gibt es ein paar sehr melodiöse Songs wie Adrift oder Fallaway, die ein bisschen belanglos-Norah-Jones-mäßig rüberkommen und in denen man von zu viel Wohlfühl-Atmo fast Pickel bekommt. Dieser Eindruck wird zum Glück im Mittelteil ausgeglichen, wo dann auch die wirklichen Highlights der LP stattfinden: Perehelion und Photons sind zwei grandiose Ambient-Nummern, die Kid Koalas Handschrift perfekt mit der stillen Ästhetik des Gesamtwerks verbinden, Collapser ist die verdiente große Single, Transmission 2 überrascht mit Shoegaze-Impressionen und the Hubble Constant erinnert mit seinem Crescendo-Aufbau fast an Postrock. Und wenn am Ende mit the Darkest Day und Epilogue noch einmal zwei richtig lange Dinger kommen, ist man schon ziemlich happy. Hier wird Music to Draw To zumindest ein Stückweit zu dem kreativen Höhepunkt, den ich im Vorfeld so sehnlich erhofft hatte, auch wenn das große Aha weiterhin ausbleibt. In seinen besten Momenten erlebt man hier eine stimmungsvolle Zusammenarbeit, die von einem tollen Sound und soliden Kompositionen getragen wird, um wirklich Grenzen zu überschreiten oder mich ins Staunen zu versetzen, reicht es jedoch nur sehr selten. Ein gutes Album ist das hier allemal, als Comeback für Kid Koala sogar sehr gut und keine der beiden Parteien muss sich für ihren Beitrag schämen. Doch beide können definitiv auch mehr. Ein Moment wie das Ende von the Darkest Day zeigt das und es hätte hier sehr viele davon geben können. Doch stattdessen chillen sich die beiden Künstler hier zu oft zu Tode. Und Leute, die das machen, landen früher oder später bei MDR Figaro und da will ich ehrlich gesagt keinen von beiden sehen. Das wäre dann wirklich ein Verlust für die Musikwelt





Persönliche Highlights: the Observable Universe / Perihelion / Photons / Beneath the Heat / Collapser / Transmission 3 / the Hubble Constant / Satellite / Nightfall / the Darkest Day / Epilogue / Nightfall Pale Blue

Nicht mein Fall: Novachord

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Dienstag, 24. Januar 2017

Keine neuen Freunde

Natürlich ist es opportunistisch, genau jetzt damit anzufangen, über Wiley zu schreiben. Der Rapper ist bereits seit über einem Jahrzehnt eine der festen Größen der britschen Grime-Szene und war innerhalb dieser auch ohne Unterbrechungen aktiv. Doch erst im Zuge des momentan stattfindenden kleinen Revivals der Bewegung wird er auch für mich und die meisten anderen interessant. Nachdem Künstler*innen wie Little Simz oder Skepta in den letzten Monaten die Ofen fleißig vorheizten, wollen plötzlich auch alle wieder die Platten von Wiley hören. Und da trifft es sich, dass er mit Godfather genau jetzt eine ziemlich gute neue gemacht hat. Das ist in meinen Augen sicherlich eine sehr bewusste Entscheidung für mehr Fame und gleichzeitig doch irgendwie eine Kampfansage an den Hype. Denn wo beispielsweise das letzte Album von Little Simz einen sehr amerikanischen Sound übernahm und ganz klar sein Publikum auch auf der anderen Seite des Atlantik suchte, ist vieles hier nach wie vor sehr in den Ursprüngen der Szene verhaftet. Das äußert sich vor allem auf klanglicher Ebene in den sperrigen Bars, Feature-Gästen wie JME und Skepta oder extrem starken Einflüssen aus Dancehall und Dub. Textlich werden solche Belange nicht direkt adressiert, doch Wiley macht seine Ansichten stattdessen durch eine eiserne Oldschool-Haltung klar, die ich im Grime bisher nicht so intensiv beobachtet hatte. Ständig macht er hier darauf aufmerksam, dass die Szene kein neues Phänomen ist und er selbst alles andere als ein Newcomer. Allein der Titel Godfather ist ja schon Hinweis genug, in welcher Postion der Rapper sich innerhalb der Bewegung sieht. Aber egal, wie man das jetzt findet, eigentlich haben wenige andere so sehr das Recht zu diesen Botschaften wie Wiley. Und ganz davon abgesehen verpackt er das ganze musikalisch so clever, dass es eine wahre Freude ist. Wem 2016 das Album von Skepta gefallen hat und der bereit ist, sich noch ein Stückchen weiter in die Kaninchenhöhle des Grime zu bewegen, wird sich hier definitiv wiederfinden. In Sachen Bars ist Wiley fast genauso fit wie sein Kollege und instrumental mag er es hier gerne noch ein wenig finsterer. Und er macht Dinge wie den Dancehall-Beat von Speakerbox, die sich "pro-amerikanische" Künstler mittlerweile vielleicht nicht mehr trauen. Dafür sind seine Tracks auch nicht ganz so eingängig wie die Anderer, werden auf eine Länge von 57 Minuten ein klein wenig öde und man kann als gewohnheitsmäßiger Trap-Fan nicht ganz so leicht umsatteln. Auch ein paar etwas peinliche Cuts finden ihren Weg auf die Platte, wie die ulkige Ballade U Were Always Pt. 2 oder die gesungene Hook von Lucid. Dafür gehen aber scheinbar zum Scheitern verurteilte Momente wie der Auftritt der türkischen Emo-Band MaNga in Laptop oder das Akustikgitarren-Instrumental in Like It Or Not ziemlich gut auf. Am Ende ist Godfather also ein durchaus bemerkenswertes Grime-Album, dass als Deep Cut in die Szene durchaus interessant ist. Wer wie ich allerdings Hits braucht, muss das hier nicht unbedingt gut finden. Wenn der sowieso schon kleine Hype um den britischen Rap in einigen Monaten vorbei ist, wird sicherlich auch Wiley wieder in den Tiefen des Undergrounds verschwinden, wo er meiner Meinung nach auch viel besser aufgehoben ist.





Persönliche Highlights: Birds N Bars / Name Brand / Speakerbox / Back With A Banger / Joe Bloggs / Can't Go Wrong / On This

Nicht mein Fall: U Were Always Pt. 2

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Montag, 23. Januar 2017

Helter Skelter

Ty Segall gehört mittlerweile zu den Künstlern, die ziemlich strikt nach ihrem eigenen Jahresplan arbeiten und sich dabei am besten auf sich selbst verlassen. Bereits seit dem Album Sleeper von 2013 erscheint eine neue LP entweder am Ende einer Saison oder am Anfang der folgenden, das Label heißt Drag City und eine Woche vorher gibt es einen exklusiven Stream über NPR. In diesem Fall hat sich daran überhaupt nichts geändert, was auch der Grund ist, weshalb ich bereits jetzt über eine Platte schreibe, die erst in vier Tagen so richtig veröffentlicht wird. Und wo der Vorgänger Emotional Mugger vor ziemlich genau 12 Monaten wieder eines der ganz besonders wilden und kaputten Projekte des Garagen-Messias war, ist dieses selbstbetitelte Album zumindest wieder etwas sanfter. In bester Tradition seiner großen Vorbilder T.Rex, Syd Barrett und Jay Reatard bastelt er hier ein retro-versiertes Vintage-Werk zusammen, das bis oben hin vollgepackt ist mit hochwertigen LoFi-Hits. Bereits vor einigen Tagen freute ich mich wahnsinnig über die Leadsingle und den Opener Break A Guitar, sicherlich eine der besten Nummern, die der Kalifornier je geschrieben hat und ein Song, der große Hoffnungen auf ein unterhaltsames Gesamtwerk machte. Das letztendliche Ergebnis ist nun tatsächlich noch ein bisschen mehr geworden. Bloßes stupides Gedresche wie in den Nullerjahren macht Ty ja schon eine ganze Weile nicht mehr und auch auf einer doch eher ruppigen Platte wie dieser lässt sich ein konstanter Hang zur Psychedelik und zum Experiment feststellen. So gibt es beispielsweise das zehnminütige Stück Warm Hands (Freedom Returned), das zwischenzeitlich mit ein paar ganz schicken Klavierpassagen glänzt und damit eine Ästhetik für das ganze Album setzt. In den folgenden Tracks fühlt man sich immer mal wieder an den kompositorischen Stil eines Paul McCartney oder Ray Manzarek erinnert und besonders die Country-Nostalgie-Nummer Talkin' schmiert geradezu im Retro-Kitsch. Dazwischen ist auch immer noch viel Platz für Songs wie the Only One (sickes Gitarrensolo!!) oder Thank You Mr. K, die ordentlich krawallen, doch teilweise sind auch hier sehr swnigende, melodiöse Momente zu erkennen und unter den ja bereits bekannten Elementen des Segall'schen Stils fallen diese eben besonders auf. Ansätze dafür gab es freilich bereits auf Platten wie Goodbye Bread von 2011 oder Manipulator von 2014, aber ich habe durchaus den Eindruck, dass sie hier besonders stark vertreten sind. Zumindest könnte dieses Album stellenweise tatsächlich Ende der Sechziger aufgenommen worden sein, auch was seine gesamte Dramatik anbelangt. Was im Endeffekt bedeutet, dass es für die Verhältnisse dieses Künstlers hier auch relativ viel Füllmaterial gibt. Songs wie Freedom oder Papers sind mehr oder weniger belangloser Allerwelts-Stoff und Ty Segall ist sonst eigentlich jemand, der sehr wenig steckt. Trotzdem würden besagte Cuts bei den meisten anderen wahrscheinlich als die besten durchgehen und der Rest der Platte spielt sich auf gewohnt sehr hohem Niveau ab. Das hier ist vielleicht nicht wirklich ein Highlight in der Diskografie des Gitarristen, doch verstecken muss er sich damit ebenfalls nicht. Es ist einfach ein weiteres ziemlich fettes Album unter vielen. Routine eben.





Persönliche Highlights: Break A Guitar / Warm Hands (Freedom Returned) / Talkin' / the Only One / Thank You, Mr. K / Orange Color Queen / Take Care (To Comb Your Hair)

Nicht mein Fall: Freedom / Papers

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Sonntag, 22. Januar 2017

R-E-S-P-E-C-T

Für jemanden wie mich, also jemanden der über Musik schreibt, ist eine Band wie Foxygen nicht weniger als pures Gold. Bereits dreimal habe ich während meiner gesamten Bloggerkarriere über das Duo aus Kalifornien Besprechungen verfasst und hatte dabei stets reichlich interessantes zu sagen. Sich über Jonathan Rado und Sam France das Maul zu zerreißen macht eigentlich bei jeder ihrer Platten wieder sehr viel Spaß und bisher musste man sich dafür auch nie schlecht fühlen. Zumindest bis vor etwa drei Jahren ihre dritte LP ...And Star Power erschien. In der öffentlichen Meinung und vieler Kritiker zufolge war das Album ein Disaster und die Verrisse dazu Überschlugen sich gegenseitig in ihrer spöttischen Schärfe. ich jedoch fand dieses Projekt seinerzeit ziemlich okay und war sogar dezent beeidruckt von der gigantischen Show, die Foxygen hier ablieferten. Und ich schwor damals feierlich, dass ich mich von diesem Tag an nie wieder über diese Band lustig machen würde, weil sie das einfach nicht verdienen. Und wenn man sich nun, drei Jahre später, ihre neue LP Hang anhört, dann war das definitiv die richtige Entscheidung. Denn hier schaffen es die beiden Musiker ein weiteres Mal, mich mit etwas vollkommen neuem zu überraschen. Obwohl dieses neue Projekt gerade so eine halbe Stunde lang ist, könnte es das bisher vielleicht ambinionierteste der Kalifornier sein. Und das liegt vor allem an der schieren Größe der Songs. Ohne dicke Streicher-Untermalung geht hier meistens gar nichts und die Arrangements haben mindestens die kompositorische Tragweite eines Phil Spector oder Frank Sinatra. Avalon erinnert mit seiner dick aufgetragenen Pomp-Melodie sicherlich jeden an die frühen Abba oder die Bombast-Phase von George Harrison, aber im Gesamtkontext dieser LP ist das lediglich eine von vielen Facetten. Bereits im Dezember veröffentlichte die Band den Song America, der nicht nur eine popmusikalische Prunk-Nummer sondersgleichen ist, sondern in dem sich Foxygen doch tatsächlich an politische Botschaften heranwagen. Mit Trauma liefern sie eine weitere retro-schmalzige Ballade der Extraklasse und der Closer Rise Up dreht am Ende nochmal komplett durch. Dadurch geschieht es, dass dieses Album trotz seiner knappen Spielzeit unglaublich deftig und gehaltvoll ist und man am Ende unter den vielen Schnörkeln und Brettern ganz schön ins Schnaufen kommt. Dennoch macht mir diese schwere Ästhetik die Platte kein Stück madig, weil die Melodien hier einfach zu genial sind und Rado und Frances es auch verstehen, zwischendurch clevere Füllelemente einzuspannen, die die Songs dehnen. Hang ist am Ende des Tages nicht das beste Album von Foxygen, doch es ist eines, das man ab jetzt sicherlich öfters nennen wird, wenn es um diese Frage geht. Was aber noch viel wichtiger ist, ist die Tatsache, dass die meisten Leute dieser Band jetzt wieder mit dem Respekt begegnen werden, den sie in meinen Augen nie aufgehört haben, zu verdienen.





Persönliche Highlights: Avalon / America / On Lankershim

Nicht mein Fall: Follow the Leader

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Freitag, 20. Januar 2017

Basteltipps mit Billy

Ich will hier überhaupt keine wilden Prognosen aufstellen, aber der Januar dieses frischen Jahres scheint eine wahre Schatzkammer für großartige Ambient-Releases zu sein. Nachdem bereits vor drei Wochen Altmeister Brian Eno mit Reflection gehörig vorlegte (siehe hier), erschienen heute gleich zwei weitere potenzielle Highlights aus dieser Richtung: Zum einen die von mir bereits sehnsüchtig erwartete neue LP von Kid Koala und Emìliana Torrini, zu der ich in wenigen Tagen hoffentlich einige Worte loswerden kann, zum anderen A Shadow in Time von William Basinski. Der Name des Texaners reicht mittlerweile in Fachkreisen aus, um für aufgeregtes Raunen und große Hoffnungen zu sorgen, hat er doch mit dem vierteiligen Disintegration Loops-Projekt eines der Standardwerke der Minimal Music im 21. Jahrhundert aufgenommen. Als Loopdigger der Ambient-Szene hat er einen mittlerweile fast unantastbaren Status, abgesehen davon jedoch ist er bisher recht wenig aufgefallen. In den letzten Jahren hat Basinski zwar regelmäßig neues Material veröffentlicht, das jedoch von vielen Schreibern, inklusive mir, häufig ignoriert wurde. Es liegt meiner Meinung nach an der im letzten Jahr erneut aufgekommenen Aufmerksamkeit für seine Person und einer vorsichtigen Einstufung der Disintegration Loops als klassische Alben, dass nun plötzlich alle dieses neue Projekt hören wollen. Auch ich mache hier gerade nichts anderes, als auf einen aktuellen Hypetrain aufzuspringen. Aber es ist ein Sprung, der sich durchaus lohnt. Ich hatte hier damit gerechnet, hier ein sehr zurückgenommenes, sphärisches Klangerlebnis zu hören, doch zu meiner Überraschung hört man den Künstler auf A Shadow in Time vor allem als Instrumentalisten und Tüftler. Auf beiden Tracks ist ein von Basinski selbst erfundener Synthesizer namens Voyetra 8 zu hören, der einen überraschen organischen, orchestralen Sound fabriziert. Stellenweise erinnert die Ästhetik des Geräts sehr an die Streicher-Drones bei Sigur Rós oder noch eher an Jónsis Album Riceboy Sleeps (was ja aber eh keiner kennt). Zusätzlich erlebt man in der ersten Hälfte den Texaner auch als Saxofonisten, der ein paar wilde Free-Jazz-Jams über die wogenden Klangflächen kleckert. Produziert ist das ganze sehr eindrücklich und schwer, was aber der kompositorischen Schwerelosigkeit kein bisschen im Weg steht. Einzig das Saxofon in For David Robert Jones (das im übrigen auch David Bowie gewidmet ist) klingt mitunter etwas plärrig. Dafür ist das verhuschte Piano am Ende des Titeltracks umso schöner geworden. Insgesamt erleben wir hier ein sehr gutes und stimmiges Album, das William Basinski sicherlich realistsischer in Szene setzt als es Disintegration Loops getan hat, das aber bei weitem auch nicht so spektakulär ist. Ich hatte zwar auch nicht erwartet, dass ich hier, nachdem ich mich jahrelang nicht für diesen Musiker interessiert habe, direkt einen neuen Klassiker vorgesetzt bekomme, doch am Ende ist das hier vielleicht doch ein bisschen zu generisch. Besser als ein Großteil der Ambient-Szene ist es dennoch und dafür haben wir ja bereits mit diesem Namen quasi eine Garantie. Meckern sollte man deshalb also eigentlich nicht. Aber es liegt nun mal in meiner Natur, es doch zu tun.





Persönliche Highlights: For David Robert Jones / A Shadow in Time

Nicht mein Fall: -

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Dienstag, 17. Januar 2017

Überall & Nirgendwo

Das Problem ist wahrscheinlich, dass die meisten Leute Code Orange schon kannten, als Code Orange sich noch nicht mal selbst so gut kannten. Bereits im Frühjahr 2012, als die Band aus Pittsburgh - damals noch mit einem hippen 'Kids' im Namen - ihr kommerzielles Debüt Love is Love / Return to Dust veröffentlichte, sprangen sehr schnell die damals noch stark vertretenen the Wave-Jünger auf einen kleinen Hypetrain auf, der erstmal sehr schnell kollidierte, weil die Musiker selbst sich gar nicht als Teil dieser Bewegung sahen. So folgte gleich nach ihrem ersten richtigen Album eine stattliche Sinnkrise, die sich erst vor zwei Jahren in Form eines kompletten Neustartes auspendelte. Die Band hieß jetzt nur noch Code Orange, spielte weiterhin Hardcore, aber eher den von der finster-nihilistische Sorte und setzte ein grundlegendes ästhetisches Konzept fest, das sich auf der neuen LP I Am King manifestierte. Dennoch empfand ich ihre Musik auch dort noch als etwas unausgegoren, sprunghaft und wenig spezifisch. Man probierte verschiedene Sounds aus, die an sich auch richtig gut umgesetzt waren und die Songs hier waren weiß Gott fantastisch, doch fehlte irgendwie die einheitliche Marschrichtung des Quartetts, die mir sagte, wo es mit dieser Band hingehen würde. Auch deshalb hatte ich gehofft, dass die dritte LP Forever noch einmal eine schippe drauflegt. Doch wenn sich hier einwas etabliert hat, dann ist es tatsächlich nur die Überzeugung, dass sich nichts etablieren soll. Genau wie sein Vorgänger ist dieses Album eine Ansammlung sehr verschiedener, extrem geil ausgeführter Stileinflüsse, die für grandiose Breakdown-Brecher sorgen, doch dem im großen und ganzen die Richtung fehlt. Das ist alles kein Weltuntergang, schließlich gibt es auf Forever keinen einzigen wirklich schlechten Song (die Induestrial-Elemente zum Ende hin finde ich zwar fragwürdig, doch sie runinieren keinen der Cuts komplett) und gerade Stücke wie der Titeltrack oder Spy sind bombastisch. Wenn man jedoch diese Art von nicht so leicht konsumierbarer Hecksel-Musik macht, ist es als Hörer immer schwer, einen roten Faden zu behalten. Und dass Code Orange uns diesen gar nicht erst anbieten, finde ich ein bisschen ignorant. Zumal es die Band ganz sicher drauf hätte, auch unter Einbezug einer einheitlichen Ästhetik noch sehr vielseitige Songs zu schreiben. Doch scheinbar gehört dies nicht zu den Plänen für die nähere Zukunft der Gruppe. Oder ihre Findungsphase ist auch nach dem dritten Longplayer und fast zehn Jahren des Bestehens noch immer in vollem Gange. Dieses Szenario wäre dann wirklich traurig.





Persönliche Highlights: Forever / Kill the Creator / the Mud / Spy / No One is Untouchable

Nicht mein Fall: Ugly / Dream 2

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Montag, 16. Januar 2017

Empöret euch!

Schon seit ein paar Jahren sind die Flaming Lips nicht mehr so richtig diese total abgespacete Band, die alle so sehr für ihre abgespacete Musik auf abgespaceten Formaten lieben. Spätestens seit vor drei Jahren das düstere Trennungsalbum the Terror erschien, hat das Kollektiv aus Oklahoma eine gewisse Schwere gewonnen, die an sich gar nichts übles ist. Besagter Vorgänger war kein schlechtes Album und auch die darauf folgenden Projekte, unter anderem jene äußerst polarisierende Kollaboration mit Miley Cyrus, waren in meinen Augen künstlerisch erfolgreich. Gleichzeitig gelang es der Band dabei aber, sich von ihrem in den Neunzigern geprägten Image ein Stückweit zu entfernen, was in Anbetracht der Länge ihrer Karriere ja voll okay ist. Eine langweilige Platte von den Flaming Lips, so was geht doch eh nicht, oder? Mit der neuen LP Oczy Mlody haben wir nun den Beweis, dass es eben doch geht. Und wie. Die 57 Minuten hier könnte das schwächste sein, was Wayne Coyne und Kollegen in über 30 Jahren gemacht haben. Und zwar einfach aus dem Grund, weil es absolut nichtssagend ist. Als ich mir die Songs vor ein paar Tagen zu ersten Mal anhörte, fand ich sie richtiggehend einschläfernd und das ist etwas, was ich von dieser Band eigentlich nie gedacht hätte. Es ist auch noch viel schlimmer als ein Zaireeka oder ähnliches, weil diese Sachen bei mir wenigstens eine emotionale Reaktion bei mir hervorrufen, wohingegen Oczy Mlody diese eher abtötet. Tracks wie There Should Be Unicorns oder Nidgy Nie haben so furchtbar öde Melodien, dass man einen brutalen Noise-Ausbruch manchmal wünschen würde und wenn hier mal kleine psychedelische Sprenkler gesetzt werden, dann sehr sporadisch und ohne jedes Konzept. Zu guter letzt sind auch noch die Texte hier selten dämlich und ohne jeden Zusammenhang zusammengehaspelt, dass Dooo It! dagegen aussieht wie romantische Poesie. So gut wie die komplette erste Hälfte dieses Albums kann man in meinen Augen komplett in die Tonne treten, die große Überraschung kommt dann aber plötzlich im sechsten Stück Galaxy I Sink. Aus dem spaghettiwesterigen Gedümpel erhebt sich in der zweiten Hälfte wie aus dem nichts eine epische Streicherpassage, die nicht weniger ist als absolut genial. Für ein oder zwei Minuten zaubert sie einen Streifen Magie an den Horizont dieser Platte, der dann jedcoh auch ziemlich schnell wieder abflaut. Mit One Night While Hunting for Faeries and Witches and Wizards to Kill und Do Glowy geht es dann erstmal wieder maximal stumpf zu und bis zum Ende ändert sich daran nur wenig. Listening to Frogs With Demon Eyes hat eine akzeptable Lagerfeuer-Ästhetik und der Closer We A Famly muss von Miley Cyrus gerettet werden. Wer hätte gedacht, dass dieser Tag mal kommen würde. Aber zumindest versöhnt einen dieser letzte Song wieder ein bisschen mit dem, was die Flaming Lips hier machen. Auch wenn es ein paar vereinzelte Highlights gibt, kann man nicht drumherum reden, dass die US-Amerikaner hier ein wirklich mieses Album gemacht haben. Oczy Mlody ist eine Enttäuschung und das nicht nur für diejenigen, die eigentlich nur ein neues Soft Bulletin wollen. Auch die, die sich mit dem neuen Stil der Band angefreundet haben (und ich zähle mich da so ein bisschen dazu) dürften hier sehr ernüchtert sein. Ich bin es auf jeden Fall und das denke ich zu Recht. Von den Flaming Lips kann man definitiv mehr erwarten.





Persönliche Highlights: Galaxy I Sink / Listening to the Frogs With Demon Eyes / We A Famly

Nicht mein Fall: There Should Be Unicorns / Sunrise (Eyes of the Young) / Nidgy Nie (Never No) / One Night While Hunting for Faeries and Witches and Wizards to Kill / Do Glowy

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Sonntag, 15. Januar 2017

Einhörner und Käsefondue

Ich habe in der Vergangenheit schon des öfteren darüber geschimpft, dass von großen Teilen der Thrash-Metal-Szene noch immer die Helden der Achtziger über allem anderen gehalten werden und wie durch dieses rückwärtsgewandte Verhalten stilistischer Fortschritt schwierig sein wird. Mit solchen Tiraden meine ich dann meistens Bands wie Metallica und Anthrax, die in den letzten dreißig Jahren nichts produktives mehr zu irgendwas beigetragen haben und trotzdem noch immer die Größten von allem sind. Dass solche Götzenverehrung manchmal aber auch nicht ganz verkehrt ist, zeigen bereits seit 1985 die Brasilianer von Sepultura. Die Speerspitze der südamerikanischen Metal-Bewegung hat eine sehr lange Geschichte voller dramatischer Besetzungs- und Stilwechsel, Höhen und Tiefen hinter sich, die ich hier nicht in aller Ausführlichkeit durchnudeln werde, nur das allerwichtigste: In über dreißig Jahren ihres Bestehens hat diese Band nie aufgehört, in ihrer Musik neue Horizonte zu suchen und ist demzufolge auch nie wirklich unspannend geworden. Sicherlich waren bedingt durch das viele Experimentieren einige Platten ziemlich ins Klo gegriffen, doch ich bin froh sagen zu können, dass auch 2017 sehr gespannt auf neues Material von Sepultura bin. Ihr letztes richtig gutes Album war Kairos von 2011, das ich an dieser Stelle einmal jedem Freund des offenherzigen Thrash-Metal ans Herz legen möchte. Zwischendrin erschien das leider etwas lahme the Mediator Between Head and Hands Must Be the Heart, doch man kann von einer LP der Brasilianer eigentlich nie auf die nächste schließen. Und so ist Machine Messiah auch tatsächlich mal wieder eine komplette stilistische Neuorientierung. Oder sollte man es eher eine Ursuppe nennen? Denn eine wirkliche Richtung hat relativ wenig hier. Am ehesten könnte man vieles hier unter dem doch recht groben Begriff Progressive Metal verbuchen, doch an allen Ecken und Enden finden hier Dinge statt, die nicht progressiv, sondern einfach nur verrückt sind. Schwere, dissonante Riffs, deftige Bässe, pathetisches Gebrüll und Schnetzel-Drums werden hier verschachtelt mit europäisch-folkloristischen Streichern, Hardcore-Momenten, Keyboards wie bei Chameleon Defect (Shoutout!) und spanischen Gitarren. Eine sehr eigenwillige Schnittmenge dieses Blödsinns stellt der instrumentale Track Iceberg Dances dar, aber auch der Titeltrack ist mit seinen schluffigen, esoterischen Art ein ziemlich verstörender Moment, und das gleich zu Anfang. Daneben gibt es auch noch ein paar Thrash-Standards wie Resistant Parasites und Chosen Skin, die vielleicht ein bisschen wie Füllmaterial wirken mögen, doch an sich noch das solideste an diesem Album sind. Und spätestens wenn als letzter Song das Intro der japanischen Sechziger-Sci-Fi-Serie Ultraseven gecovert wird, muss man sich fragen, ob Sepultura uns hier nicht einfach nur verarschen wollen. Was auf großen Teilen dieser LP passiert, kann zumindest ich beim besten Willen nicht ernst nehmen. Irgendwie ist diese Art von Selbstironie (und ich hoffe, das ist es!) total symphatisch, ich kann mir aber auch keinen Reim darauf machen, wo diese so plötzlich herkommt. Bisher waren die Brasilianer in ihren Themen immer ziemlich bierernst, gerade ihr Vorgänger war äußerst finster. Außerdem schreiben sie ja auch hier nicht plötzlich Songs über Einhörner und Käsefondue. Und wenn ich einwas nicht leiden kann, dann ist es Unstetigkeit innerhalb eines Albums. In diesem Fall besonders schlimm, weil das wilde Gemansche hier auch sehr oft gute Strukturen innerhalb von Tracks verhindert. Es gibt sehr gute Momente, aber diese hätten auch flächendeckend sein können, hätte man sie planvoll umgesetzt. Alles in allem ist diese Platte ein einziges Chaos und klingt dabei auch ein wenig unfertig. Zu viele Ideen wurden hier nur angerissen und so gut wie keine zu Ende gedacht. Machine Messiah ist ein aufregendes Album, aber weiß Gott kein gutes.





Persönliche Highlights: Iceberg Dances / Sworn Oath / Resistant Parasites / Vandals Nest / Chosen Skin / Ultraseven No Uta

Nicht mein Fall: Machine Messiah / Cyber God

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Samstag, 14. Januar 2017

Musik für Angeber

Ich hatte bisher immer so meine Probleme mit dem britischen Produzenten Simon Green aka Bonobo und ich kann an diesem Punkt ehrlich nicht sagen, wieso. Wahrscheinlich weil er einer dieser Künstler ist, die gerne von Leuten gehört werden, die denken, sie hätten unglaublich viel Ahnung von Musik, die aber noch nie etwas von Caribou oder the Notwist gehört haben (Tschuldigung, aber diesen Nerd-Reflex kann ich mir jetzt nicht verkneifen). Die Frage ist dabei natürlich, was Herr Green dafür eigentlich kann und wie ich zuletzt feststellen musste, war es sehr falsch von mir, ihn als Ursache für all diese nervigen Menschen zu sehen. Denn wenn sich der Brite nicht tatsächlich sehr akribisch und ausführlich mit seinem Werk befassen würde, gebe es dieses Album wahrscheinlich nicht. Migration, die - ja nachdem, wie man zählt - sechste oder fünfzehnte Bonobo-LP könnte unter Umständen seine beste sein und das zu einem Zeitpunkt, wo die meisten ihn eigentlich schon mehr oder weniger abgeschrieben hatten. Sein letztes richtig beliebtes Werk Black Sands ist fast sieben Jahre alt und die Art von Indietronic, die man darauf findet ist im Moment das älteste Zeug in der gesamten Elektro-Szene. Aber das ist egal, denn es gibt ja jetzt ein neues Album. Und das besteht zu einhundert Prozent aus Popmusik für das Jahr 2017. Bereits die beiden Vorab-Singles Break Apart mit Indie-Darling Rhye und No Reason mit Nick Murphy aka Chet Faker waren potenzielle Radio-Dauerbrenner mit einer zwar sehr gechillten, aber dennoch wunderbar packenden Ästhetik. Und diese überträgt sich zum großen Teil auch auf die Gesamtheit dieser LP. Gerade die erste Hälfte hat mitunter einen fast ambienten Charakter, allermindestens aber einen sehr gediegenen. Besonders die instrumentalen Cuts wie der Titeltrack oder Grains sind großartige Atmo-Konstrukteure, die raumgreifende Chillmusik der Extraklasse auffahren. Im zweiten Teil wird es dann ab und zu etwas bunter. Beginnend mit dem afrikanisch-folkloristisch angehauchten Bambro Koyo Ganda, das die marokkanische Band Innov Gnawa featured über die gitarrenlastige Single Kerala hin zum sehr elektronischen und überraschend mystischen 7th Sevens, das mich stellenweise sogar an Oneohtrix Point Never erinnert. Die im ersten Teil eingefahrene Ästhetik kommt hier ab und zu ein wenig ins schlingern und mit Ontario ist sogar ein ziemlich langsamer Song hier zu finden, doch der Großteil des hier gebotenen Materials ist trotzdem hochwertig as fuck. Und wenn man dazu addiert, dass die gesamte LP erstklassig produziert ist und man mit guten Kopfhörern hier so richtigen Spaß haben kann, dann sollte klar sein, dass Bonobo kein Relikt der Zweitausender ist. Migration ist ein Album, das gleichermaßen besänftigend und aufregend wirkt, das mit richtig gutem Radiopop aufwartet und zeigt, dass sowas eben nicht immer deckungsgleich klingen muss. Wirklich riskant ist es damit zwar auch nicht, aber vielleicht ist das auch besser so. Nachteil der Platte ist, dass ich jetzt selbst einer dieser Leute werden könnte, die auf Partys ankommen und wildfremde Leute fragen: "Kennt ihr eigentlich Bonobo?"





Persönliche Highlights: Migration / Break Apart / Outlier / Grains / Second Sun / Bambro Koyo Ganda / No Reason / Figures

Nicht mein Fall: Ontario

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Freitag, 13. Januar 2017

Triple X

Um ehrlich zu sein, habe ich mit the XX immer ein kleines bisschen Mitleid gehabt. Auf der einen Seite sind die drei Briten eine der erfolgreichsten und rennomiertesten Indiebands dieses Jahrzehnts, die auch im Maisntream ordentlich abräumen und bisher zwei Alben veröffentlicht haben, die für meine Generation mehr oder weniger prägend waren. Andererseits muss sich die Band diese Aufmerksamkeit auch immer wieder verdienen, weil ihre Musik relativ schnell altert. Würde das Trio heute eine Platte wie ihr Debüt von 2009 herausbringen, wäre das Geschrei sehr schnell groß und auch ihr zweiter Longplayer Coexist von 2012 scheint dieser Tage extrem veraltet. Dass für Album Nummer drei mal wieder eine komplette Neuorientierung der Band her musste, war also bereits vor Jahren klar. Aber zum Glück gab es in der Zwischenzeit In Colour. Das 2015 veröffentlichte Solo-Debüt von Produzent Jamie XX setzte der gleichermaßen gefeierten wie verteufelten lethargischen Melancholie der XX-Platten ein paar dick aufgetragene Partysongs entgegen, die den Stil, den die Briten so felsenfest vertreten in eine völlig neue Richtung brachte und große Hoffnungen machte, dass ein neues Band-Projekt durchaus richtig unterhaltsam werden könnte. Und Ansätze dafür sind hier auf jeden Fall zu hören. Gleich der erste Track Dangerous beginnt mit einer plärrigen Trompete und einem verhältnismäßig zackigen Beat und steht für die offensichtlichen Veränderungen: Noch mehr Instrumente, angezogenes Tempo, auf Kuschelkurs mit Clubmusik. In diesem Song und dem nachfolgenden Say Something Loving funktioniert diese Strategie auch ganz gut. Hier staunt man über das ein oder andere neue Element und freut sich darüber, dass the XX trotzdem noch viel ihres ursprünglichen Charakters erhalten haben. Und weil man ja weiß, dass diese Band so etwas kann, denkt man aber auch, dass es von nun an so weiter geht. Aber kaum hat man diesen Gedanken gefasst, fällt die Platte mit Songs wie Lips und Performance wieder in alte Gewohnheiten zurück. Der gesamte Mittelteil ist sehr konservativ gehalten, aber besonders diese beiden Songs erinnern böse an das uralte Debüt. In Replica versuchen the XX noch dazu, uns den bereits auf dem Vorgänger verwendeten Trick mit der Steeldrum noch einmal als originell zu verkaufen und trotz einigen eingestreuten exotischen Instrumenten kann von Neuorientierung keine Rede sein. Zum Schluss hin werden dann zwar mit dem ziemlich an das Album von Jamie erinnernden On Hold und dem Radio-Standard I Dare You noch Versuche unternommen, die Situation etwas abzufedern, songwriterisch gut sind diese aber auch nicht. Und was der Closer Test Me dann eigentlich noch soll, ist mir absolut schleierhaft. Was also so verheißungsvoll anfing, endet hier im bisher vielleicht schwächsten Album von the XX. Das ist deshalb besonders frustrierend, weil der Weg nach In Colour eigentlich so einfach gewesen wäre. Ein paar mehr Impulse aus diesem Projekt hätten I See You echt weitergeholfen, zumal die, die es tatsächlich gibt, zumeist genau das tun. Nur lässt es sich diese Band scheinbar nicht nehmen, hier nach wie vor ihren üblichen Stiefel zu spielen, der spätestens jetzt nur noch sterbenslangweilig ist. Ich hatte nie daran geglaubt, dass der Sound der Briten prinzipiell zum Scheitern verurteilt ist, aber wenn es natürlich so forciert wird, haben sie eben Pech gehabt.





Persönliche Highlights: Dangerous / Say Something Loving / Brave for You

Nicht mein Fall: Lips / Performance / On Hold / Test Me

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Donnerstag, 12. Januar 2017

Playlist: ...und verdoppel des!


Heute wird es Zeit für eine Playlist, wie ich sie schon seit einer Weile vor habe und für die ich jetzt endlich mal ein bisschen Zeit finde. Das Thema ist genau betrachtet zwar ziemlich inkonkret, doch eigentlich müsste jeder, der hier ab und zu etwas liest wissen, was gemeint ist. Denn es geht um Cloudrap. Cloudrap aus dem deutschsprachigen Raum. Cloudrap von Künstlern der mittlerweile riesigen Squad, die sich mittlerweile in Mitteleuropa ausgebreitet hat und die man Anfang 2017 schwer unter einem Begriff pauschalisieren kann. Hanuschplatzflow, Life From Earth, Airforce Luna, Timo Milbredt und so weiter. Die Leute eben, die in der HipHop-Szene der letzten Jahre den größten Fußabdruck hinterlassen haben und deren Dämmerung nun so langsam gekommen zu sein scheint. Es ist also meiner Meinung nach Zeit, hier nochmal die fettesten Hits dieser Rapper anzuzählen, bevor alle nur noch sagen, wie langweilig sie doch geworden sind. Diese Liste ist demzufolge auch nur einer ziemlich willkürlich gewählten Posse gewidmet, die nicht jeden Musiker einschließt, der in den letzten Jahren Cloudrap gemacht hat. Yeasyoah fehlt genauso wie Haiyti, Hustensaft Jüngling oder die Gloomy Boys, da sie in meinen Augen nicht so immens innerhalb dieser Gruppe agiert haben. Außerdem findet ihr hier nur Promo-Tracks, das heißt in diesem Fall solche, zu denen es auch irgendwo ein Video gibt. Seid mir deshalb also nicht böse und auch nicht überrascht, wenn die meisten Künstler hier ziemlich oft auftauchen. Es sind so oder so nur geile Sachen dabei. Ich schwör.

20. YUNG HURN & LEX LUGNER
Wiener Linien
Im letzten Jahr sorgte dieser Track noch einmal für ein paar mehr Klicks auf dem Hanuschplatz-Channel bei YouTube, da er unter dem Titel "Offizielle EM-Hymne 2016" halbironisch neu aufgelegt wurde. Tatsächlich ist er aber einer der ersten Gehversuche des großen Yung Hurn und in seiner gesamten Art und Weise bereits sehr stilgebend. Die komplette erste Strophe (wenn man das so nennen kann) lallt der Wiener über einen minimalistischen Beat des späteren Star-Producers Lex Lugner eine Lobeshymne an David Alaba, um dann direkt in eine Anekdote über das Schwarzfahren in der Wiener U-Bahn überzugehen. Das dazugehörige Video dazu setzt ebenfalls Maßstäbe für den Charakter, den Yung Hurn mittlerweile so absolut verkörpert.

19. JUICY GAY
Musik ist Haram
Juicy Gay ist mir unter den Rappern der deutschsprachigen Cloudrap-Bewegung immer eher unangenehm aufgefallen, da seine Contents zumeist wenig originell sind. Im Falle von Musik ist Haram muss man ihn aber gerade dafür lieben. Der Text zitiert im Prinzip komplett dieses eine legendäre Interview von Deso Dogg und ist damit als putziger Kommentar auf HipHop-Kultur und aktuelle Politik nicht zu verachten. Darüber hinaus hat der Song einen verdammt krassen, von Juicy selbst gezimmerten Beat und eine Hook, die turnt wie nichts gutes. Ich habe das Brett live selbst erleben dürfen und kann dessen Funktionalität aus erster Hand bezeugen. Und abgesehen davon ist das Ding einer der wenigen Fälle, in denen ich die Wörter "gut" und "Comedy-Rap" in einem Satz verwenden würde.

18. CRACK IGNAZ & WANDL
Moch Cash

Ich mag Crack Ignaz, der in dieser Liste noch einige Male auftauchen wird, vor allem als einen musikalischen Tausendsassa, der sich immer wieder traut, über total abgefahrene Beats zu rappen und in den letzten Jahren zum größten Stil-Chameleon der Szene geworden ist. Moch Cash, der Opener seines zweiten Albums Geld Leben, ist in diesem Kaleidoskop vielleicht der größte klassische HipHop-Track des Österreichers. Der wenig trappige Beat von Produzent Wandl ist eher dezent, die Bars ballern dafür gehörig und die Hook ist immerhin fett genug, um hier in Teilen als Post-Titel zu fungieren. Einige der zitierwürdigsten Zeilen des Ignaz K stammen aus diesem Song. Und weil es so schön ist...

17. CRACK IGNAZ & WANDL
James Dean

...gleich noch ein Geld Leben-Track. Aber wo der vorige eher die Rap-Granate für Crack Ignaz war, ist James Dean eher die Parade für Kollabo-Partner Wandl. Der rustikale und gemütliche, aber dennoch fiese und düstere Beat ist ein Hit-Garant und einer der definitiven Momente auf dem Album. Darüber streicht das sonore Lamento des MCs melancholische und schicksalhafte Zeilen, die ich jetzt lieber nicht komplett verkehrt in versuchtem Schmäh zitiere. Mit dieser ersten Single-Auskopplung der Platte wurde Ignaz K für viele von dem Trap-Clown, der König der Alpen und Kirsch gemacht hatte zum ernstzunehmenden Rapper, zumindest verhältnismäßig. Wie viel davon er jetzt seinem Beatmaster zuzuschreiben hat, darüber lässt sich spekulieren.

16. LGOONY & CRACK IGNAZ (Produzent: DJ Heroin)
Oida Wow

Die Sensation vor circa einem Jahr war perfekt: Zwei der größten Namen im noch jungen Cloudrap-Biz droppten eine gemeinsame Single, die ein gemeinsames Album ankündigte und im Video dazu tingelten sie mit Casper, Testo, Nimo und anderen durch die City. Oida Wow. Die Hook dieses Tracks ist inzwischen eine feste Konstante in der Szene, doch vor allem in den Strophen ballern die beiden Rapper ordentlich. Und so sehr, wie sich hier alles bis ins Detail erzgänzt, war sofort klar, dass LGoony und Crack Ignaz sehr viel mehr sind als einfach nur exklusive Feature-Partner, sondern eigentlich fast schon eine eigene Crew. Aurora hat uns das im letzten Jahr gezeigt und ein zweiter Teil ist im Moment in Arbeit. Ob die beiden noch so einen Hit liefern können, ist allerdings fraglich.

15. YOUNG KRILLIN & YUNG HURN
1 Berg Money

Einer der finstersten Songs der jungen Wiener Szene ist gleichzeitig einer der amüsantesten. Die Hymne des ersten Berg Money Gang-Tapes von 2015 ist voll mit genialen Lines beider MCs und ein eindrücklicher Beweis für das verrückte Genie von Hanuschplatz-Mastermind Young Krillin. Ob die Helene Fischer-Line (und folgende), die grandios luschigen Ad-Libs, das komische Zeug mit der Eule (WTF?) oder dass Yung Hurn nur Leute mit großen Pupillen mag: Dieser Song ist eines der seltsamsten Stücke Musik, die die Szene bis heute zu bieten hat. Um das hier gut zu finden, muss man wahrscheinlich ein ziemlicher Fan sein. Zum Glück bin ich das ja.

14. JUICY GAY & LGOONY
Sace Sace (Timo Milbredt Remix)
Bis zum letzten Sommer hätte ich nie gedacht, dass ausgerechnet die beiden harten Jungs der Szene, Juicy Gay und LGoony, einen so derben Lovesong fabrizieren könnten wie Sace Sace. Mit tonnenweise Autotune, einem triefenden Beat von Timo Milbredt und dieser unglaublichen Hook bauen die beiden hier jedoch eine Kitsch-Ballade, wie sie fake-romantischer nicht sein könnte. Gerade Juicys mechanischer Gesang machte diese Nummer zu einem der fiesesten Ohrwürmer des letzten Jahres. Dass Gastrapper LGoony dabei auch noch ein paar richtig geile Lines vom Stapel lässt, macht alles noch ein Fünkchen besser und ist der entscheidende Vorteil zum Nicht-Remix. Alleine für die Kette-hält-den-Wagen-kalt-Zeile.

13. YUNG HURN
Opernsänger

Wo wir gerade bei Autotune und Lovesongs sind...jemand wie Yung Hurn braucht in solchen Sachen natürlich keine Nachhilfe. Die Leadsingle des Krocha Tape ist absurd, übelst verkitscht und fast dadaistisch, aber dennoch erst die Einstiegsdroge in die verquere Welt des Albums. Gerade aufgrund dieses Dualismus ist Opernsänger der wahrscheinlich größte Hit des Österreichers nach Nein und eine Nummer, die man einmal gehört nie wieder weg kriegt. Und weil er eben solche fantastischen Zeilen wie "Baby, nenn mich Alaba" (schon wieder der!) oder "Wenn du willst, dann werd ich Opernsänger / nur für dich und deine Eltern" auf dem Kasten hat. Lalalaaaa lalalaaa figarooo figarooo und so.

12. K. RONALDO (Produzent: Ricky Fernandez)
Mir gehts gut!
Just als man dachte, Yung Hurn wäre vielleicht das verrückteste, was deutschsprachiger Rap je erlebt hat, kreuzt dieser mit seinem Alter Ego Kristallo Ronaldo auf und zeigt allen, dass das Weirdo-Potenzial seines Charakters bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Und wo die meisten seiner Sachen dann tatsächlich auch nicht viel mehr als wirrer Druffi-Schrott mit Dada-Trap-Instrumentals sind, geht sein Rezept in Mir gehts gut tatsächlich auf. Die Hook, wenngleich auf das allermindeste reduziert, ist ziemlich dope und was Ronaldo hier brabbelt, hat ausnahmsweise mal einen Hauch von logischem Zusammenhang. Und von der einen halbwegs okayen Single ist dieser Track in den vergangenen Monaten zu einem meiner heimlichen Favoriten geworden, dessen häufigeres Abspielen obligatorisch geworden ist.

11. YUNG HURN (Produzent: Lex Lugner)
Skrrt Skrrt
Das Krocha Tape ist ungelogen eine der seltsamsten Rap-Platten, die ich jemals gehört habe und das gerade deshalb finde ich sie so geil. Doch dass mit Skrrt Skrrt auch nochmal ein stilecht klassischer Trap-Banger auf dem Album war, ist ebenso genial. Spätestens hier sind Yung Hurn und Lex Lugner auf einem Niveau mit dem ganzen Ami-Zeug und liefern mit diesem Track quasi eine vierminütige Hook, die sich gewaschen hat. Wenn man schon mal dabei ist, sollte man in diesem Fall auch unbedingt das Video schauen, das nicht nur die Stimmung des Songs noch einmal ins tausendfache hebt, sondern auch den Charakter des Rappers am besten wiederspiegelt. Beste Line: "Er würde lieber Fußball spielen statt Drogen dealen"

10. LGOONY
Millionen Euro
Gute Songs aus der deutschsprachigen Cloudrap-Bewegung gibt es viele, doch Millionen Euro ist ein richtiger Hit. Fast 1,6 Millionen Klicks hat das Video auf YouTube mittlerweile und ist am Ende des Tages noch immer der Song, auf den man bei LGoonys Essentials zurückkommt. Denn obwohl sich der Kölner Rapper inzwischen zu Recht weiterentwickelt hat, legte er mit diesem Track vor allem in Sachen Style ordentlich vor und holte die Bewegung von den Vorreitern aus Österreich auch in die bundesdeutsche Szene-Debatte. Und auch wenn das Stück unter den großen Fischen in der Squad sicherlich am stärksten gealtert ist, überzeugt er noch immer mit einer fiesen Hook und den vielleicht arrogantesten Lines des Movements.

09. ALOOF:SLANGIN & YOUNG KRILLIN (Produzent: Lex Lugner)
Haazn & Henny
Seit er die Salzburger Szene 2014 sozusagen erfunden hatte, hatte sich Young Krillin in den letzten Jahren ziemlich rar gemacht. Als dann letztes Jahr allerdings dieser Brecher erschien, war auf einmal alles wieder gut. Über einen der besten Beats, die Hausproduzent Lex Lugner je gebastelt hat performt der Rapper hier zusammen mit seinem neuen Protegée Aloof:Slangin eine Hymne des Stoner-Trap, von der man gleich beim ersten Hören selbst bekifft wird. Faszinierend sind neben dem echt derben Instrumental vor allem die Kombination aus Young Krillins wie immer abgefahrener Based-Poesie und dem ungemein tiefschürfenden Flow seines Feature-Partners. Ein oftmals übersehener Kracher der Hanuschplatz-Veteranen, der mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.

08. LGOONY & CRACK IGNAZ (Produzent: Whispa)
NASA
Für die damalige Szene war es sicherlich eine Sensation: Auf NASA kamen im Sommer 2015 nicht nur die beiden Speerspitzen der damaligen Bewegung für ein Feature zusammen an dem auch der spätere Starproduzent Timo Milbredt bereits beteiligt war, das ganze fand auch noch im Rahmen einer exklusiven Videopremiere des Splash!-Festivals statt. Eine solche Publicity hatte bisher noch kein deutschsprachiger Cloudrap-Künstler erfahren und auch ich hatte durch diesen Clip meinen Erstkontakt mit diesen beiden Künstlern. Mittlerweile ist der Track einer meiner liebsten Slow Burner der beiden Künstler und stellt noch immer den größten Teil von Aurora in den Schatten. Achtet hier übrigens mal auf den Flow von Crack Ignaz, man denkt gar nicht, wie dope der am Ende doch ist.

07. LGOONY & MONEY BOY
Lambo Gallardo
Viele der Gastauftritte auf LGoonys Grape Tape waren die wenigen negativen Eindrücke der Platte, doch ausgerechnet von Money Boy kam in Lambo Gallardo eines der besten Features. Der Großvater des deutschsprachigen Trap ballert hier ein paar ziemlich geniale One-Liner und überrascht mit seinem Einstand, während der Gastgeber in seiner Strophe locker mithält und dazu einmal mehr nachweist, dass er die besten Autotune-Hooks im Game singt. Um Autos geht es in dem Song dann letztendlich zwar kaum, aber wer das als Kritikpunkt sieht, der hat diese beiden Künstler wahrscheinlich eh nicht verstanden. Man wird schließlich nicht jeden Tag von Beezy höchstpersönlich geadelt.

06. YUNG HURN & MEILNER (Produzent: Drae Da Skimask)
Christus & Blitz
Der Name Meilner ist einer, den man mittlerweile leider nicht mehr so oft im Bezug auf seine Wiener Gang von 2015 hört, wahrscheinlich weil er am Ende des Tages noch immer sehr klassischen HipHop macht. In Kombination mit dem Aesthetic-Weirdo Yung Hurn und diesem skelettartigen Beat von Drae Da Skimask haut das ganze aber überraschenderweise wahnsinnig gut hin. In nicht mal drei Minuten ist Christus & Blitz vielleicht einer der waghalsigsten Crossover der österreichischen Szene und greift vielleicht sogar ein bisschen das vor, was Crack Ignaz und Wandl ein paar Monate später auf Geld Leben machten. Den besten Moment im Video hat aber einer von Meilners Homies mit seinen "Abschlussworten". Selber angucken, ist Weisheit, Bruder!

05. LGOONY (Produzent: DJ Heroin)
Wasser
Klassiker. In meinen Augen ist die Single-Version von Wasser der beste Track, den LGoony solo je aufgenommen hat (wohingegen ich die Tape-Version eher schwach finde). DJ Heroin baut hier einen gigantischen Club-Banger zusammen, der bereits ab der ersten Hook mit den fetten Punchlines zu einem fiesen, finsteren Super-Amalgam verschmilzt, das Dopeness für diesen Rapper neu definiert. Dass LGoony dabei trotzdem noch Sperenzchen wie die Apfelsaft-Line oder die längste "Sheeheeesh"-Ad Lib der Welt einbaut, spricht eindeutig für den Charakter dieses Jungen. Dagegen spricht, dass er diesen Track seit 2015 bisher nicht toppen konnte und lange nichts mehr so originelles gedroppt hat. Aber das kommt ganz bestimmt wieder.

04. LGOONY & CRACK IGNAZ (Produzenten: GEE Futuristic & Yung Nikki 3000)
Tokyo Boys
Aurora war im letzten Winter nicht wirklich die große Nummer, die alle von LGoony und Crack Ignaz erwartet hatten und das fiel gerade deshalb auf, weil es auf dem Tape diesen einen Song gab, der es eben doch war. Tokyo Boys ist ein Nonstop-Ultra-Banger, der ab der ersten Sekunde tierisch turnt und der damit vor allem live an den Rand des Wahnsinns treibt. Das liegt natürlich zum größten Teil an GEE Futuristics und Yung Nikkis pumpendem Beat, doch auch die Punchlines der beiden Rapper sind hier besonders erlesen. Crack Ignaz setzt die Messlatte in der ersten Strophe direkt extrem hoch an, doch was LGoony danach abliefert, ist nicht weniger als genial. Dieser Track markiert irgendwie den Zeitpunkt, an dem sich die Szene am meisten selbst feierte und wenn man sich das hier so anhört, dann zu Recht. Das hier ist verdienter Trap-Olymp.

03. YUNG HURN
Nein
Für den Yung Hurn von heute ist Nein eher ein Fluch als ein Segen, steht er doch als der deutschsprachige Trap-Hit schlechthin einem dermaßen experimentellen Künstler eher im Weg als ihn zu ebnen. Im Sommer 2014 war der Song die große Überraschung in der Szene, die den relativ unbekannten Österreicher an die Spitze der Bewegung katapultierte und plötzlich allen zeigte, dass es sowas jetzt auch auf deutsch gibt. Und das ist echt kein Wunder: Seit seiner Veröffentlichung ist der gerade mal zweiminütige Track um keinen Tag gealtert, die Message könnte klarer nicht sein und  Beat und Video sind einfach nur zum niederknien. Für Yung Hurn ist der Song allerdings auch eher konservativ und dass er mittlerweile ein bisschen weg vom Fenster ist, liegt sicherlich daran, dass viele seine anderen Sachen nicht verstanden haben. Eines der besten Stücke in der Geschichte der Bewegung bleibt Nein trotzdem. Das kann ihm inzwischen keiner mehr nehmen.

02. CRACK IGNAZ
König der Alpen

Es ist total albern, es hat kaum etwas mit der restlichen Musik von Crack Ignaz zu tun und es ist ziemlich dreist von OG Maco geklaut. Dennoch entzieht sich niemand so einfach der Magie dieses Meisterwerks. König der Alpen ist die absolute Vollendung des selbstironischen Dada-Cloudrap aus Österreich und eine Facette, ohne die niemand den Künstler dahinter verstehen kann. Andere hätten bei der Zusammenstellung einer solchen Liste diesen Song möglicherweise unterschlagen, weil man ihn ja um Gottes Willen nicht ernst nehmen kann und ach und oh. Aber was wäre denn die Bewegung ohne diesen Track? Ich persönlich kann ihn mir aus der gesamten Szene überhaupt nicht mehr wegdenken und auch wenn er dann und wann ziemlich nervig wird: Er begeistert immer wieder.

01. CRACK IGNAZ & YOUNG KRILLIN
#Dwibsy
Ich kenne Leute, die den Beat dieses Songs als "den besten Beat der Welt" bezeichnen und sie könnten tatsächlich Recht haben. Zumindest ist das, was Young Krillin und der junge Crack Ignaz hier im Winter 2014 daraus machten, ein kleines Wunder. Das Video mit seiner Doku-Kamera und Ignaz ohne Afro-Frise mag für Szene-Kenner vielleicht ein wenig abschreckend wirken, doch für die Musik fällt mir bereits seit dem ersten Mal Hören nur ein Wort ein: based. Über das lauschige Saxofon-Sample schichten die beiden Rapper hier ebenso chillige wie deftige Lines, die nicht weniger sind als die Blaupause für die gesamte Ästhetik, die danach unter dem Namen Hanuschplatzflow den Weg nach oben machte. Was man hier hört, ist originär österreichischer HipHop, wie ihn keiner sonst im Universum macht. Mit der Veröffentlichung dieses Tracks dürfte die Alpenrepublik vom Rap-Entwicklungsland zum Szene-Vorreiter geworden sein. Mit ein paar Drinks an der Salzach hat alles angefangen.

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