Freitag, 6. Januar 2017

A Seat at the Table

Eigentlich kam auch dieses neue Album von Little Simz bereits im Dezember des letzten Jahres heraus und wahrscheinlich ist größtenteils es diesem Umstand geschuldet, dass niemand so wirklich bis jetzt davon mitbekommen hat und weil bis nächsten Freitag eh erstmal keine großen Releases anstehen, kann ich auch noch ein paar Takte über diese Platte erzählen. Irgendwie fühle ich mich auch dazu verpflichtet, schließlich war das Debüt der Rapperin aus Großbritannien 2015 unter meinen Lieblingsalben des Jahres und war für das Grime-Revival im letzten sozusagen die Vorhut. Little Simz mochte ich damals besonders deshalb, weil sie auf der einen Seite einen hammermäßigen Flow auf dem Kasten hatte und diesen vordergründig dazu nutzte, um über sehr persönliche Themen und subjektive Haltungen in politischen Themen zu philosophieren. Wer sich davon einen Eindruck machen will, dem empfehle ich, sich einfach mal den Song Dead Body anzuhören um selbst zu erfahren, wie diese Künstlerin dazu einlädt, sich mit ihr zu beschäftigen. Und gerade im Zuge der Veränderungen in der Tagespolitik ihres Heimatlandes, den neuen Impulsen des Grime und Einflüssen aus den USA hatte ich gehofft, das hier noch ein Stückchen intensiver zu erleben. Die Wahrheit sieht aber wie immer anders aus. Zwar ist es sehr wohl so, dass Little Simz auf die eben genannten Dinge auf ihre Weise reagiert, nur eben ganz anders als man das vielleicht vermutet. Statt eines lyrischen Punchline-Manifests mit Highspeed-Spitting und kargen Elektro-Beats ist Stillness in Wonderland ein modernes R'n'B-Album geworden, das in der Tradition von Künstler_innen wie Erykah Badu, Frank Ocean und Solange steht. Und zunächst war ich ob dieser Veränderung doch eher skeptisch. Wenn eine so talentierte Rapperin, wie Little Simz es ist, ihren größten Selling Point einfach so an den Nagel hängt um den gleichen Kram zu machen wie gerade eine Hundertschaft an Leuten in Übersee, dann ist das allermindestens ein riskanter Move. Doch je häufiger und intensiver man sich Stillness in Wonderland anhört, desto mehr zeigt sich, wie Unrecht man damit hat. Zum einen nimmt diese Platte zwar starke Einflüsse amerikanischer R'n'B-Musik auf, doch sind diese nicht nur fantastisch übersetzt, sondern lassen auch sehr viel Platz für Little Simz' doch ziemlich sperrige Persönlichkeit und ihre nach wie vor krassen Texte. Ein großes Lob muss man dabei den Produzenten aussprechen, die dieses Meisterwerk hier erst möglich machen und nebenbei ein paar richtig geniale Live-Instrumente mit einstreuen. Was die Rapperin selbst angeht, so übertrifft sie sich hier ebenfalls selbst. Die vielen Ansagen, die sie bereits auf dem Debüt machte, werden hier mindestens noch einmal bestärkt, in den meisten Fällen aber sogar ausgebaut, weiter gedacht und fast immer besser umgesetzt. Das ganze findet hier sogar in einer Art Konzept statt, das aber am Ende auch nur der hübsche Deckmantel für die knallharte Politik ist, die Little Simz hier verhandelt. Auf den letzten Metern 2016 ist Stillness in Wonderland vielleicht das beste Album mit Black Lives Matter-Thematik im ganzen Jahr gewesen und eine der besten britischen HipHop-Momente obendrein. Um es ganz klar zu sagen: Die Rapperin hat ihr Debüt auf dieser LP noch einmal um ein Vielfaches eingeholt und hier eine der besten Platten des letzten Jahres herausgebracht. Dass ich das erst jetzt merke, dafür könnte ich mir gerade einen Arm absägen, aber es ist einfach zu spät. Ob ich die Platte ersatzweise noch dieses Jahr irgendwie honoriere, muss ich mir noch überlegen. Fakt ist, dass sie mich hier absolut umgehauen hat und ich von ihr hier noch mehr begeistert bin als ich es Ende 2015 eh schon war. Nachdem sie damals gezeigt hatte, dass sie gute Texte schreiben konnte, legt sie hiermit nicht lange danach auch ein fast perfektes Album vor, auf dem sie es außerdem schafft, eine schicke Pop-Sensibilität zu entwickeln. Eigentlich verdient sie es damit bereits jetzt, als eine der ganz großen im Game angesehen zu werden. Dafür müssen nur noch mehr Leute von diesem grandiosen Album mitbekommen.


  


Persönliche Highlights: LMPD / Doorways + Trust Issues / Her (Interlude) / One in Rotation + Wide Awake / Shotgun / Picture Perfect / King of Hearts / Bad to the Bone / No More Wonderland

Nicht mein Fall: -

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