Donnerstag, 26. Januar 2017

Pizza gegen die Depression

Es ist wieder einmal das typische Szenario: Eine Band hatte vor einigen Jahren eine ziemlich beliebte Platte, die ihr den kommziellen Durchbruch bescherte, jede Menge Hits und neue Fans und steht nun vor der Herausforderung, diesen kurzfristigen Erfolg in eine nachhaltig funktionierende Mainstream-Karriere umzubauen. Für Antilopen Gang aus dem Ruhrgebiet war besagter Erfolg im Winter 2014 ihre erste "richtige" LP Aversion, die dem Trio einen Ruf als die Marc-Uwe Klings des Deutschrap verpasste. Da war eine Gruppe, die scheinbar irgendwie schon aus der Szene kam und politisch ernsthafte Themen anging, die irgendwie aber auch für jeden Klamauk zu haben war und alles in allem Radio-konform genug, um zu schade für die Sparte zu sein. Damit war aber auch klar, dass diese Platte mit ihren vielen Andockpunkten nicht für jeden was war. Zumindest ich fand sie damals eher problematisch als großartig. Mein größtes Problem damit war eben gerade, dass Antilopen Gang hier so vieles auf einmal und nichts so richtig sein wollten, woraus meinerseits bis heute eine sehr gespaltene Meinung über ihren Output vorherrscht. Doch für so etwas gibt es ja zum Glück die Zeit nach dem Hype. Ich hatte gehofft, dass mit diesem neuen Album eben nicht noch einmal versucht werden würde, die neue Aversion zu machen, sondern man sich für eine der vielen Richtungen, die dort vorgegeben würden, entscheidet. Welche das sein würde, war für mich dabei erstmal zweitrangig. Mit der ersten Single das Trojanische Pferd vom letzten Herbst beispielsweise ging das Trio relativ eindeutig hin zur politisch aufgekratzten Zeckenrap-Crew und machte damit vorerst einen sehr guten Eindruck. Aber schon kurz danach war klar, dass es dabei mal wieder nicht bleiben würde, als die zweite Auskopplung erschien. Ich könnte einen ganzen eigenen Post darüber verfassen, wie unglaublich furchtbar ich den Song Pizza finde, aber das muss ich jetzt gar nicht mehr, weil es auf dem fertigen Anarchie und Alltag noch viel mehr solchen Müll zu hören gibt. Zur Verteidingung der Antilopen muss man zwar sagen, dass man eine grobe Marschrichtung hier schon zusammenklamüsern kann, aber die ist im Endeffekt wahrscheinlich sogar der Hauptgrund, warum ich dieses Album nicht mag: An sehr vielen Stellen schreiben Panik Panzer, Koljah und Danger Dan hier melancholischen Betroffenheits-HipHop, der einfach nicht gelingen will und ziemlich gewollt wirkt. Wenn in Alf über Entfremdung, in Fugen im Parkett über Einsamkeit oder in Hilfe über Verwahrlosung gesprochen wird, wirken die drei MCs nicht selten etwas trampelig und unsensibel. Ich hatte zuerst gedacht, dass solche Songs einfach nicht zu ihrer Ästhetik passen würden, aber diese Band hat schließlich auch mal Verliebt geschrieben, einen der schönsten Lovesongs des gesamten Deutschrap. Was hier das Problem darstellt, ist die grauenvolle Jammer-Attitüde der meisten Songs und wie dieser Pessimismus dann versucht wird, mit Comedy-Zeilen zu kombinieren. Überhaupt fällt Anarchie und Alltag durch unglaublich schwache Punchlines auf und kann diese nicht mal mit guten Pop-Hooks übertünchen. Der einzige größere Lichtblick ist für mich da noch der Punkrock-Ausflug Baggersee, in dem tatsächlich eine richtig coole stilistische Kombination hinhaut und auch die Parts überzeugen. Sonst ist diese Platte zu großen Teilen einfach nur eine Ansammlung von Enttäuschungen. Antilopen Gang machen hier weder eine identitätsstiftende LP, die sie als Band definieren könnte noch haben sie hier so starke Hits wie auf dem Vorgänger. Folglich veemute ich, dass dieses Album ziemlich schnell untergehen wird. Und nach einem Einstand wie Aversion ist das so ziemlich das schlimmste, was den Dreien karrieretechnisch passieren kann. Für mich persönlich würde ich diese Entwicklung jedoch begrüßen, weil nur so verhindert wird, dass Pizza das neue Holz wird.





Persönliche Highlights: Das Trojanische Pferd / Baggersee

Nicht mein Fall: Pizza / Alf / Hilfe / RAF Rentner

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