Montag, 23. Januar 2017

Helter Skelter

Ty Segall gehört mittlerweile zu den Künstlern, die ziemlich strikt nach ihrem eigenen Jahresplan arbeiten und sich dabei am besten auf sich selbst verlassen. Bereits seit dem Album Sleeper von 2013 erscheint eine neue LP entweder am Ende einer Saison oder am Anfang der folgenden, das Label heißt Drag City und eine Woche vorher gibt es einen exklusiven Stream über NPR. In diesem Fall hat sich daran überhaupt nichts geändert, was auch der Grund ist, weshalb ich bereits jetzt über eine Platte schreibe, die erst in vier Tagen so richtig veröffentlicht wird. Und wo der Vorgänger Emotional Mugger vor ziemlich genau 12 Monaten wieder eines der ganz besonders wilden und kaputten Projekte des Garagen-Messias war, ist dieses selbstbetitelte Album zumindest wieder etwas sanfter. In bester Tradition seiner großen Vorbilder T.Rex, Syd Barrett und Jay Reatard bastelt er hier ein retro-versiertes Vintage-Werk zusammen, das bis oben hin vollgepackt ist mit hochwertigen LoFi-Hits. Bereits vor einigen Tagen freute ich mich wahnsinnig über die Leadsingle und den Opener Break A Guitar, sicherlich eine der besten Nummern, die der Kalifornier je geschrieben hat und ein Song, der große Hoffnungen auf ein unterhaltsames Gesamtwerk machte. Das letztendliche Ergebnis ist nun tatsächlich noch ein bisschen mehr geworden. Bloßes stupides Gedresche wie in den Nullerjahren macht Ty ja schon eine ganze Weile nicht mehr und auch auf einer doch eher ruppigen Platte wie dieser lässt sich ein konstanter Hang zur Psychedelik und zum Experiment feststellen. So gibt es beispielsweise das zehnminütige Stück Warm Hands (Freedom Returned), das zwischenzeitlich mit ein paar ganz schicken Klavierpassagen glänzt und damit eine Ästhetik für das ganze Album setzt. In den folgenden Tracks fühlt man sich immer mal wieder an den kompositorischen Stil eines Paul McCartney oder Ray Manzarek erinnert und besonders die Country-Nostalgie-Nummer Talkin' schmiert geradezu im Retro-Kitsch. Dazwischen ist auch immer noch viel Platz für Songs wie the Only One (sickes Gitarrensolo!!) oder Thank You Mr. K, die ordentlich krawallen, doch teilweise sind auch hier sehr swnigende, melodiöse Momente zu erkennen und unter den ja bereits bekannten Elementen des Segall'schen Stils fallen diese eben besonders auf. Ansätze dafür gab es freilich bereits auf Platten wie Goodbye Bread von 2011 oder Manipulator von 2014, aber ich habe durchaus den Eindruck, dass sie hier besonders stark vertreten sind. Zumindest könnte dieses Album stellenweise tatsächlich Ende der Sechziger aufgenommen worden sein, auch was seine gesamte Dramatik anbelangt. Was im Endeffekt bedeutet, dass es für die Verhältnisse dieses Künstlers hier auch relativ viel Füllmaterial gibt. Songs wie Freedom oder Papers sind mehr oder weniger belangloser Allerwelts-Stoff und Ty Segall ist sonst eigentlich jemand, der sehr wenig steckt. Trotzdem würden besagte Cuts bei den meisten anderen wahrscheinlich als die besten durchgehen und der Rest der Platte spielt sich auf gewohnt sehr hohem Niveau ab. Das hier ist vielleicht nicht wirklich ein Highlight in der Diskografie des Gitarristen, doch verstecken muss er sich damit ebenfalls nicht. Es ist einfach ein weiteres ziemlich fettes Album unter vielen. Routine eben.





Persönliche Highlights: Break A Guitar / Warm Hands (Freedom Returned) / Talkin' / the Only One / Thank You, Mr. K / Orange Color Queen / Take Care (To Comb Your Hair)

Nicht mein Fall: Freedom / Papers

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen