Mittwoch, 25. Januar 2017

Die Musik zum Malbuch

ich weiß gar nicht so richtig, wo ich anfangen soll, wenn ich die Gründe aufzählen will, die diese Platte für mich zu so einem Hype machen. Erstmal ist es das Ja-schon-irgendwie-Studio-Comeback des großartigen Kid Koala, sein erstes richtiges Album seit fünf Jahren und das erste komplett ohne Sampling, was auf jeden Fall etwas besonderes ist. Dass er sich damit auch noch in ein für ihn bisher weitgehend unerforschtes Gefilde, nämlich das des Ambient Chillout vorwagt, macht das ganze nochmal toller und wenn er sich schlussendlich noch die fantastische Sängerin Emíliana Torrini mit ins Boot holt, bin ich endgültig komplett aus dem Häuschen. Man kann mit großer Sicherheit sagen, dass Music to Draw To: Satellite eine der Platten war, die ich 2017 am sehnlichsten erwartet habe. Dass diese beiden Künstler zusammen ein Projekt in Angriff nehmen, scheint auf den ersten Blick womöglich sehr ungewöhnlich, aber wenn man das Prozedere der beiden kennt, wird diese Kollaboration schon verständlicher. Kid Koala sucht als Produzent immer wieder neue Herausforderungen und hat dabei eigentlich immer ein Faible für hingebungsvolle Vokalbegleitung gehabt. Torrini ihrerseits befindet sich im Moment geradezu im Feature-Rausch und beteiligte sich in der Vergangenheit an diversen Projekten mit anderen Künstlern von the Colorist über Thievery Corperation bishin zu Howard Shore. Und da sie auch selbst ihre musikalischen Wurzeln in der elektronischen Musik hat, passt diese Verbindung umso mehr. Doch die spannende Frage bleibt: wie agieren die beiden Parteien hier miteinander? Zunächst mal muss man sagen, dass es sehr gut funktioniert, wie jeder Musiker hier auf den anderen eingeht. Die atmosphärisch-melodischen Flächen von Kid Koala erinnern teilweise sehr an Torrinis Debütalbum und brauchen wenig Effekthascherei, weil sie diesen Platz für ihre Stimme lassen. Die wirkt dann aber auch nur dann, wenn dies wirklich notwendig ist und lässt über die komplette Länge des Albums immer wieder lange Passagen frei, um dann wieder mit voller Leidenschaft einzusteigen. Harmonie ist bei dieser LP ohnehin das A und O und Easy Listening wird besonders groß geschrieben. Das ist letztendlich gleichzeitig Fluch und Segen dieser Platte. Es sorgt einerseits für einen immensen Chill-Faktor, in den Kid Koala sein allseits bekanntes Scratch-Gefrickel einbasteln kann und der Gesang noch viel besser zur Geltung kommt, doch über gewisse Strecken ist es dann gerne auch mal ein bisschen too much. Gerade im ersten Teil der Platte gibt es ein paar sehr melodiöse Songs wie Adrift oder Fallaway, die ein bisschen belanglos-Norah-Jones-mäßig rüberkommen und in denen man von zu viel Wohlfühl-Atmo fast Pickel bekommt. Dieser Eindruck wird zum Glück im Mittelteil ausgeglichen, wo dann auch die wirklichen Highlights der LP stattfinden: Perehelion und Photons sind zwei grandiose Ambient-Nummern, die Kid Koalas Handschrift perfekt mit der stillen Ästhetik des Gesamtwerks verbinden, Collapser ist die verdiente große Single, Transmission 2 überrascht mit Shoegaze-Impressionen und the Hubble Constant erinnert mit seinem Crescendo-Aufbau fast an Postrock. Und wenn am Ende mit the Darkest Day und Epilogue noch einmal zwei richtig lange Dinger kommen, ist man schon ziemlich happy. Hier wird Music to Draw To zumindest ein Stückweit zu dem kreativen Höhepunkt, den ich im Vorfeld so sehnlich erhofft hatte, auch wenn das große Aha weiterhin ausbleibt. In seinen besten Momenten erlebt man hier eine stimmungsvolle Zusammenarbeit, die von einem tollen Sound und soliden Kompositionen getragen wird, um wirklich Grenzen zu überschreiten oder mich ins Staunen zu versetzen, reicht es jedoch nur sehr selten. Ein gutes Album ist das hier allemal, als Comeback für Kid Koala sogar sehr gut und keine der beiden Parteien muss sich für ihren Beitrag schämen. Doch beide können definitiv auch mehr. Ein Moment wie das Ende von the Darkest Day zeigt das und es hätte hier sehr viele davon geben können. Doch stattdessen chillen sich die beiden Künstler hier zu oft zu Tode. Und Leute, die das machen, landen früher oder später bei MDR Figaro und da will ich ehrlich gesagt keinen von beiden sehen. Das wäre dann wirklich ein Verlust für die Musikwelt





Persönliche Highlights: the Observable Universe / Perihelion / Photons / Beneath the Heat / Collapser / Transmission 3 / the Hubble Constant / Satellite / Nightfall / the Darkest Day / Epilogue / Nightfall Pale Blue

Nicht mein Fall: Novachord

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