Samstag, 28. Januar 2017

Das Ende stirbt, der Anfang ist nah

Im Januar 2017 wieder über ein Album von Käptn Peng und die Tentakel von Delphi zu schreiben, hat etwas dezent anachronistisches. Eigentlich ist die Band seit langem irgendwie in der Schwebe, Chefdenker Robert Gwisdek hat schon wieder seine nächste Inkarnation als Autor und Schauspieler gefunden und von ehemaligen Fans (inklusive mir) wird seine Musik inzwischen gerne in den stilistischen Giftschrank gesperrt. In den letzten Monaten habe ich immer wieder Aussagen von Leuten gelesen, die diese Gruppe verächtlich als "HipHop-Touristen" bezeichneten und ich schäme mich ein wenig, diesen zustimmen zu müssen, doch ich kann auch nicht leugnen, dass ich die Tentakel ebenfalls mal ziemlich arg gefeiert habe und Expedition ins O vor vier Jahren eines meiner Lieblingsalben war. Diese Live-LP jetzt zu ignorieren, käme also einem Verrat gleich und ich bin gerade sehr froh, dass ich mich doch dazu entschieden habe, darüber zu schreiben. Denn auf diesen etwas mehr als zwei Stunden Musik finden sich so ziemlich alle Gründe wieder, warum ich das hier mal so cool fand. Und dabei ist es eher zweitrangig, dass man hier nochmal eine coole neue Version seiner damaligen Lieblingssongs bekommt, die zusätzlich noch den Faktor der Live-Energie in sich vereinen, sondern dass es eben gerade so viel mehr ist. Auf diesem Album versammeln Käptn Peng und Kollegen einen ganzen Haufen nie aufgenommener Stücke, Freestyles und Band-Jams, die man möglicherweise nur dann kennt, wenn man irgendwann mal die Expedition ins O-Tour besucht hat, was ich blöderweise ganze drei Jahre lang versäumte. Und auch wenn oder gerade weil die Impro-Parts ziemlich awkward sind, man Peng an einigen Stellen seine Routine anhört und der Sound flächendeckend ein bisschen besser sein könnte, ist dieser Mitschnitt noch einmal ein unbestreitbares Meisterwerk des Kollektivs. Live erfährt die ganze Ästhetik des Tentakel-Kosmos noch einmal eine völlig neue Dimension, die sich auch in Lapalien wie den Ansagen oder den Adlibs äußert und es ist aufregend, hier die Symbiose aus Rap-Vocals und konzertantem Band-Klangerlebnis zu hören. Zum einen und logischerweise in den bekannten Songs wie Der Anfang ist nah, Werbistich, Sockosophie oder Sie mögen sich, aber gerade auch in den Tracks, in denen Teile gejammt werden oder gar komplett neu sind. Mich persönlich faszinieren besonders die Deep Cuts von Expedition ins O wie Unten, Kugelschlucker, Absolem oder U-Boot, die man seit der LP vor vier Jahren schon fast wieder vergessen hatte und bei denen die Power der Rhythmusgruppe so richtig zur Geltung kommt. Dabei ist die Dynamik zwischen Künstlern und Publikum in jeder Sekunde spürbar und man kann fast den Schweiß hören, der an der Haut aller Beteiligten klebt. Und dieser mehrt sich Stück für Stück, wenn in diesen Interpretationen teilweise Spielzeiten von über elf Minuten erreicht werden und ein Fan-Favorit den nächsten jagt. Und so wird das allerletzte Konzert der Expedition ins O-Tour und möglicherweise das letzte der Tentakel zu dem Highlight, welches man von so einem Event erwartet. Käptn Peng selbst spricht in der Anfangsmoderation selbst von einem "Mini-Tod", der aber mit einer länge von zwei Stunden doch ziemlich fulminant ausfällt. Dieses Album ist somit nicht nur eine nette Ergänzung zur Fan-Sammlung, sondern ein mehr oder weniger elementarer Bestandteil der Diskografie, den man auch Leuten empfehlen kann, die noch nie etwas von diesen Musikern gehört haben. Für mich ist es am Ende ein Grund, mich doch noch einmal darauf zu besinnen, dass es am Ende doch ziemlich geil war, was Käptn Peng und die Tentakel von Delphi in den letzten Jahren fabriziert haben. Sicher hat man Recht, wenn man das hier als HipHop-Tourismus bezeichnet, doch es ist nichtsdestotrotz nach wie vor ziemlich hochwertig.

Persönliche Highlights: Intro / Absolem / Champagner & Schnittchen / Unten / Flotten von Mutanten / Werbistich / Todesbossa / Kugelschlucker / U-Boot / Sockosophie / Parantatatam / 1234 PengPengPeng / Backpfeifenernte auf dem Alphabet / Monster / Oha / Platz da

Nicht mein Fall: Omega Peng

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