Dienstag, 27. Februar 2018

Pauken & Trompeten




















Die Sache mit den Newcomern hatten wir ja beim letzten Post schon und am Beispiel von Turnstile zeigt sich auch gleich einmal sehr schön, wie sich meine dort aufgestellte These bestätigt. Die Band aus Baltimore gibt es inzwischen seit acht Jahren und ihr 2015 veröffentlichtes Debüt Nonstop Feeling spülte es 2015 irgendwie unter meinen Besprechungs-Radar. Dort präsentierte sich die Formation als ziemlich hedonistische und ulkige Gurkentruppe, die rauhbeinige Hardcore-Energie mit Elementen aus Funk, Hiphop und New Metal aus der Zeit kombinierte, als dieser noch Crossover hieß. Das ganze war nicht wirklich hochwertig oder spektakultär, jedoch hatten Turnstile eine sehr eigene Art, die Dinge anzugehen, konnten Songs schreiben und taten dies auch mit der richtigen Attitüde. Wo das damalige Debüt also noch ein bisschen Blödelei und Spaß war, erkannte der aufmerksam Hörende durchaus Potenzial. Und nun, drei Jahre später, schöpft die Band dieses auf ihrem Nachfolger auch in seinem ganzen Umfang aus. Wo Nonstop Feeling die Platte war, die Turnstile auf die Bildfläche der Medien rotzte, wo diese sich eigentlich erst noch orientierten, ist Time & Space nun die Platte, auf der sich die Jungs aufgerappelt haben, die Lage abgechekt ist und sie nach vorne blicken. Die 13 Tracks hier sind fokussierter, knackiger geschrieben und machen im Allgemeinen mehr ernst mit sich selbst und der Welt. Zwar klingt vieles hier nicht mehr ganz so bunt und knallig wie auf dem Debüt, doch liegt das keinesfalls an kreativer Mangelerscheinung. Viel eher hat sich die Band bemüht, mit künstlerischen Ideen nicht einfach um sich zu werfen, sondern diese auch in Songs einzuarbeiten und so sonst vielleicht langweiliges Hardcore-Geballer etwas auszuschmücken. So verfügt beispielsweise Real Thing über eine melodische Break am Schluss, High Pressure arbeitet mit einer Little Richard-Pianobegleitung, Come Back for More hat Backing Vocals wie ein Stück von Mumford & Sons und die 24 Sekunden von Bomb sind die kleine Ballade zwischendurch. Abgesehen davon bleiben Turnstile stilistisch hier trotzdem ziemlich Punk, was auch die Spieldauer von insgesamt gerade mal 25 Minuten bestätigt. Nur dass ihre Musik eben nicht nur nach den Bad Brains und Black Flag klingt, sondern eben auch mal ziemlich nach den Beastie Boys oder Faith No More. Insbesondere der Achtziger-Output letzterer hat hier deutliche Spuren hinterlassen und obwohl ich selbst eigentlich nie großer Fan dieser Platten war, passt er hier unglaublich gut ins Konzept. Und das ist am Ende der große Selling Point von Time & Space: Eine gute Band waren Turnstile schon immer, nur hat man hier das erste Mal den Eindruck, dass sie sich bei einem Album auch wirklich Gedanken gemacht haben. Der Unterschied, der dadurch entsteht, ist verblüffend. Von einer rumpeligen Spaß-Hardcore-LP springen sie aus dem Stand zu einer der besten Punk-Platten, die ich in den letzten Jahren gehört habe. Und ihr alle wisst, wie sehr ich mich gesehnt habe, so etwas endlich mal wieder sagen zu können. Es ist bisher nur ein Gefühl, aber mit diesem Album wird es doch unheimlich stark: Hardcore ist zurück bei CWTE. In diesem Fall mit Pauken und Trompeten.






Persönliche Highlights: Real Thing / Generator / Bomb / I Don't Wanna Be Blind / High Pressure / (Lost Another) Piece of My World / Can't Get Away / Come Back for More/H.O.Y. / Right to Be / Disco / Time & Space

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Montag, 26. Februar 2018

Wüstenblumen




















Ich war noch nie ein großer Freund von angeblich sensationellen Newcomer-Hypes und irgendwelchen Blog-Artikeln, die behaupten, dass es ja jetzt diese oder jene junge Band gäbe, die man auf keinen Fall verpassen sollte, weil sie der Shit von morgen ist und man mit dem Versäumnis dieses Acts auch die Möglichkeit ignoriert, später zu sagen, man hätte sie schon von der ersten EP gekannt. Die meisten solcher Hotlists entpuppen im Nachhinein als nichts weiter als große Huscherei um Menschen, von denen man zwei Monate später nichts mehr wissen will und die auch eher mittelmäßige Musik machen. Und bei den meisten Künstler*innen entpuppt sich das wirkliche Talent sowieso erst auf dem zweiten oder dritten Album. Mit diesen Worten im Hinterkopf möchte ich heute jedoch über eine Band schreiben, bei der dies so überhaupt nicht zutrifft, sondern die tatsächlich zu den Formationen gehört, die viele Newcomer-Acts gerne sein würden. 2016 wurde das algerische Quintett Imarhan von City Slang gesignt, die im selben Jahr auch ihr Debüt veröffentlichen. Selbiges ist in meinen Augen nicht weniger als ein musikalisches Goldstück, das mir zu dieser Zeit jedoch leider komplett durch die Lappen ging und mir nun knapp zwei Jahre später nachträglich in die Hände fiel. Die Band mischt hier Einflüsse aus nordafrikanischem Folk, insbesondere der Musik der Tuareg, mit malischem Afrobeat und einem Hauch von New Wave, der gerade reicht, um Imarhan auch als Rockband zu identifizieren. Sie selbst bezeichnen ihre Musik konsequent als "Desert Rock", was durchaus nicht unpassend ist, obgleich man auf musikalische Links zu Kyuss und Fu Manchu nicht zu warten braucht. Andere Wüste, anderer Sound. Aber was für einer! Für ihr selbstbetiteltes Debüt kann ich im Nachhinein nur meine wärmste Empfehlung aussprechen, es ist unglaublich gut. Und wo wir gerade dabei sind: Auch Album Nummer zwei steht dem Vorgänger in Nichts nach und überzeugt im Prinzip durch genau die gleichen Parameter. Der unglaublich leichtfüßige, und doch irgendwie rockige Klang der zehn Songs, die grundsolide, ohne viel Schnickschnack auskommende Instrumenierung, die nahbare Produktion und das ungewöhnliche, aber doch direkte Songwriting machen auch Temet zu einem Erlebnis, das Horizonte erweitert. Es wäre falsch, Imarhan dabei auf ihre Herkunft zu reduzieren, denn neben dem großen Folk-Aspekt und der Tatsache, dass sie in Tuareg singen, binden sie auch viele Elemente ein, die eher wenig traditionell sind. Dennoch ist dieser Sound für mich persönlich ein riesiger Selling Point dieser Platte. Es ist einfach vollkommen unvorstellbar, diese Art von Popmusik aus Europa oder Nordamerika zu hören und in dieser Hinsicht stellt sie eine unglaubliche Bereicherung dar. Wenn man es so will, sind Imarhan seit Jahren die erste Band, die mit einem Rock-Album wirklich Impulse liefert und originell ist. Und das, obwohl diese Musik ja doch sehr traditionell verwurzelt ist. Sicher, zum einen liegt die Qualität von Temet daran, dass sie mit ihren regionalen Einflüssen eine unglaublich interessante Mischung aus afrikanischem und orientalischem Folk sind, die man so bisher eher selten in Europa gehört hat. Vor allem liegt es aber daran, dass diese Band einen eigenen Stil hat und aus guten Songwritern besteht, die über zwei Alben lang tolles Zeug geschrieben haben. Und das würde sich auch nicht ändern, wenn sie aus Mecklenburg-Vorpommern oder New York City kommen würden. Nur wäre uns dann auch die Musik einer weiteren Nische dieser Welt verborgen geblieben.






Persönliche Highlights: Azzaman / Ehad Wa Dagh / Alwa / Imuhagh / Tarha Nam / Ma S-Abok

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Samstag, 24. Februar 2018

Zum Ende höflicher Applaus




















Das Prozedere sollte inzwischen bekannt sein: das dritte Minialbum in den letzten zwei Monaten von Belle & Sebastian, wieder fünf neue Songs und diesmal der endgültige Abschluss der Human Problems-Saga. Und so wie Teil Eins im Dezember bei mir das Interesse für dieses Projekt weckte und Teil Zwei vor ein paar Wochen die Spannung weiter anfeuerte, ist diese Platte nun das optimale Schlusszeichen für den Dreiteiler der Schotten. Im Prinzip ist diese kleine LP hier ohnehin so etwas wie eine Ansammlung von fünf Tracks, die alle als Albumcloser getaugt hätten und die nun sowohl in sich geschlossen ganz gut funktioniert, aber das Sequel-Vorhaben dieser Band auch ganz gut doppelt und dreifach ausklingen lässt. Für das Gelingen dieser Kombination muss ich vor Belle & Sebastian dann schon mal den Hut ziehen, Peter Jackson wäre stolz gewesen. Allerdings muss man der Fairness halber auch sagen, dass Human Problems 3 von allen Stücken der Serie das insgesamt schwächste geworden ist. Und bei gerade mal 20 Minuten Spielzeit braucht es dafür auch nicht viel. Das Songwriting hier ist im Vergleich zu den beiden Vorgängern eben nicht mehr ganz so stark, die Tracks alle etwas gleichförmig und wo mich zuletzt vor allem die coole und kreative Instrumentierung überraschte, verlassen sich Belle & Sebastian hier wieder sehr stark auf das kleine Einmaleins ihrer Kompositionsweise, das im direkten Vergleich eben etwas langweilig ist. Was mich vor allem stört ist jedoch, dass die Band hier teilweise wieder in jenen sehr polierten Sound zurückfällt, der vor Human Problems ihre Songs dominierte und den ich bei ihnen eigentlich für beendet hielt. Hört man sich jedoch Poor Boy und Too Many Tears an, sieht das doch ziemlich anders aus. Auf einem normalen Album wären solche Sachen kleine Ausrutscher, doch da wir hier von gut 40 Prozent der LP sprechen, die ziemlich unausstehlich sind, fällt das schon ins Gewicht. Zum Glück sind die anderen drei Stücke wenigstens ein kleiner Trost: Die Reprise von Everything is Now, das auf dem ersten Teil der Serie eröffnet wurde, spannt einen schönen Bogen über die Platten hinweg und ist auch sonst eine gute Nummer, There is An Everlasting Song macht mit Akustikgitarre ein bisschen Wonderwall-Feeling und der Closer Best Friends, obgleich nicht der beste Abschluss, taucht mit Abba-Harmonien und weiten Synth-Flächen noch mal richtig tief in die Kitsch-Tinte. Das ist vielleicht nichts weltbewegendes, aber es fühlt sich trotzdem irgendwie gut an und schafft es vor allem, das auf den beiden vorigen Platten angefangene Projekt vernünftig abzuschließen. Insbesondere bestärkt mich auch dieser Teil der Saga in der Meinung, dass es eine gute Idee von Belle & Sebastian war, die vielen neuen Songs eben nicht in einem geschlossenen, einstündigen Album zu veröffentlichen, sondern in kleinen Häppchen. Die Songs (und eben auch die schlechten) kommen dadurch auch hier wesentlich besser zur Geltung und der Anspruch eines übergreifenden Projekts mit gutem Flow fällt ein bisschen heraus. Man könnte jetzt sagen, die Schotten haben es sich damit einfach gemacht und vielleicht stimmt das sogar. Allerdings bedeutet das auch, dass ihre Stärken hier wirklich präsent sind und die Tatsache, dass ich in den letzten drei Monaten das erste Mal überhaupt Musik von Belle & Sebastian mochte, spricht eindeutig dafür. Ich bin gespannt, ob das jetzt auch der Fall sein könnte, wenn die Band irgendwann wieder ein reguläres Projekt angeht, aber ich halte es zumindest nicht für so unwahrscheinlich wie vor diesen drei Alben.






Persönliche Highlights: Everything is Now (Part 2) / There is An Everlasting Song / Best Friend

Nicht mein Fall: Too Many Tears

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Freitag, 23. Februar 2018

Steve Jobs im Karohemd




















Es gab mal eine Zeit, da tauchte Justin Timberlake als Bon Iver verkleidet bei den Grammys auf und machte sich in dessen Rolle pauschal über die Zunft der damals gerade ziemlich cool werdenden Folk-Songwriter lustig. Damals konnte er das machen, war er doch der extrem abgebrühte R'n'B-Star, der haufenweise extrem heiße Hits am Stück veröffentlichte und außerdem im Begriff war, eine ziemlich erfolgreiche Schauspielkarriere zu beginnen. 2018 scheinen beide Künstler inzwischen ihre Rollen vertauscht zu haben. Bon Iver macht mittlerweile Elektro-Soul, arbeitet mit Kanye West zusammen und ist zumindest nicht mehr ganz so der Typ, der auf jedem Track seiner Ex nachheult, während Timberlake sich gerade anschickt, so etwas ähnliches wie sein Country-Album zu machen. Zumindest ist es das, als was Man of the Woods sich vermarktet. Der Titel spricht für sich, auf dem Cover sieht man den Künstler mit Holzfällerhemd im verschneiten Wald und in der Feature-Liste taucht wenigstens einmal Chris Stapleton auf. Als ich Ende letzten Jahres mit diesen News konfrontiert wurde, war das für mich irgendwie schon ein bisschen komisch. Unter einer Back-to-the-Roots-Platte von Justin Timberlake hatte ich mir immer eher so etwas wie eine Bigband-LP oder meinetwegen auch ein zart besaitetes R'n'B-Album vom Schlag Frank Ocean vorgestellt. Aber in Nachheinen erscheint diese Entscheidung gar nicht mal soo blöd. Geboren und aufgewachsen in Memphis, Tennessee scheint eine Verbindung zu Country und Folk für seine Biografie nachvollziehbar und in einer Zeit, in der schon Justin Bieber und Britney Spears zart besaitete R'n'B-Alben machen, steht er damit definitiv auf der originelleren Seite. Und die Country-Ausflüchte, die in den letzten Jahren von Leuten wie Lady Gaga und Ke$ha kamen, waren ja gar nicht mal so schlecht. Allerdings ist Timberlakes Ansatz in diesem Fall dann doch ein bisschen sehr speziell. Nett formuliert könnte man sagen, sein sogenannter Folk klingt immer noch sehr nach seinen früheren Sachen. Wenn man ehrlich ist, hat er hier ein ziemlich grauenvolles Album gemacht. Wobei das Problem gar nicht mal darin liegt, dass sich hier an einem anderen Genre versucht wird. Tatsächlich sind die Elemente, die hier wirklich erkennbar aus dem Country kommen, ziemlich überschaubar. Viel mehr macht Timberlake hier ein für ihn sehr typisches Projekt, das lediglich mehr auf Gitarren basiert und ein paar andeutende Songtitel wie Montana oder Flannel hat. Das wars aber auch schon. Das wahre Problem hier ist, dass die Platte einfach sehr langweilig klingt. Schon auf den beiden Vorgängern der 20/20 Expierience gab es das Problem, dass dem Sänger die Hits ausgingen, doch hier wird es das erste Mal richtig sichtbar. Die Leadsingle Filthy ist auch auf das gesamte Album bezogen eine ziemliche Katastrophe und obwohl Timberlake es in so gut wie jedem Track hier versucht, bekommt er in 16 Stück davon nicht eine einzige gute Melodie zustande. Zunächst dachte ich, es läge daran, dass die Neptunes und Timbaland hier nicht mehr als Produzenten dabei sind, doch als ich dann nachschaute, waren sie in vielen Songs doch gelistet. Also scheinen auch die ziemlich an Grip verloren zu haben. Denn wo die früher dafür sorgten, dass jeder Drumschlag saß und Justins Gesang zum tightesten im Game machten, lassen sie hier so ziemlich alles schleifen und schaffen Strukturen, die man nach Sekunden wieder vergessen hat. Fast noch schlimmer sind aber Timberlakes Texte, die einfach nur jede Menge Fremdscham-Potenzial liefern. Der Versuch, Songs zu schreiben, die sexy klingen (und die eigentlich immer eine seiner leichtesten Übungen waren) geht in Tracks wie Filthy und Sauce komplett nach hinten los und allein die Tatsache, dass er dabei ständig Lebensmittel-Metaphern benutzt, ist extrem bedenklich. Auch der Rest des Albums läuft in Sachen Lyrik nicht wirklich besser, obwohl ich meinen Hut ziehe für den konzeptuellen Zwei-Song-Komplex Hers und Flannel, in dem Timberlake es schafft, ganze zwei Songs über ein Karohemd zu schreiben. Die fiese Ironie an Man of the Woods ist eigentlich, dass die Platte immer dann ein paar gute Momente hat, wenn sie Sachen von Bon Iver klaut, was erstaunlich oft passiert. Vor allem in Say Something, dem in meinen Augen besten Einzeltrack hier, fällt die Ähnlichkeit auf. Wirklich retten kann sie die ganze Mischpoke am Ende trotzdem nicht, dazu sind hier schon im Ansatz zu viele Dinge schiefgelaufen. Man of the Woods ist ein komplett verkopftes und infolgedessen extrem langweiliges und unspektakuläres Album, das darüber hinaus viel zu lang ist. Ganz davon abgesehen, dass es kein bisschen nach innerer Einkehr und Verwilderung klingt. Keine Ahnung, was Justin Timberlake und seine Produzent*innen sich hier gedacht haben, aber funktioniert hat es nicht. In meinen Augen ist das hier das schlechteste, was dieses Team auf LP-Format je veröffentlicht hat und so wie es aussieht, wird es als genau das auch in seine Diskografie eingehen. Das mit dem musikalischen Reifeprozess muss dieser Künstler definitiv noch lernen. Vielleicht fragt er ja mal Justin Vernon, der konnte das schon immer ganz gut.






Persönliche Highlights: Midnight Summer Jam / Say Something / Hers (Interlude) / Flannel / Young Man

Nicht mein Fall: Filthy / Sauce / Supplies / Montana / Breeze Off the Pond

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Donnerstag, 22. Februar 2018

Willkommene Veränderung




















Was zum Teufel ist eigentlich mit Deathwish Inc. passiert? Als ich vor sieben Jahren anfing, hier über Musik zu schreiben, war das von Jacob Bannon gegründete Metal-Outlet so ziemlich das coolste Label für Hardcore- und Metal-Produktionen, das man sich vorstellen konnte. Deafheaven veröffentlichten hier damals Sunbather, Touché Amoré Is Survived By, Self Defense Family Try Me und Modern Life is War Fever Hunting. Mehr oder weniger wichtige Alben, an die sich Fans seitdem sicherlich gerne erinnern. Allerdings scheinen sämtliche Bands, zumindest was die Veröffentlichung von Tonträgern angeht, seitdem irgendwie abgesprungen zu sein. Das ganze hat ehrlich gesagt relativ wenig mit dieser Besprechung zu tun, nur fällt es mir plötzlich auf und da auch Harm's Way aus Chicago zu diesen "Verrätern" gehören, wollte ich es mal ansprechen. Bei ihnen hatte ich mich beim letzten Album nämlich besonders gefreut, dass sie ausgerechnet auf diesem Label gelandet waren, passte es doch stilistisch perfekt zu ihnen. Als eine Band, die sich auf drei Longplayern nie so gänzlich entscheiden konnte, ob sie nun eher ein Hardcore- oder eine Metal-Ding waren und die dazu noch so viele Einflüsse von Bannons eigenem Projekt Converge aufnahmen, waren sie hier scheinbar perfekt aufgehoben. Rust war mit der knüppelharten Mische von Haus- und Hofproduzent Kurt Ballou unfassbar gut bedient und der rennomierte Deal gab den Underground-Helden auch in Sachen PR einen mächtigen Schub nach vorne. Angesichts der Tatsache, dass sie mit Posthuman nun ein noch besseres Album gemacht haben, scheint ihnen der Wechsel zu Metal Blade jedoch nicht schlecht getan zu haben. Nicht nur ist ihr Sound und ihr Songwriting hier noch drückender und aggressiver geworden, auch erlebt man hier eine Kreativität, die die Formation bisher selten an den Tag legte. Wo man auf den Vorgängern eine zwar gute, aber auch sehr gewöhnliche Core/Metal-Gruppe hörte, spielen hier Experimente eine wesentlich stärkere Rolle. Sicher, der Hauptfokus in den knappen 33 Minuten hier liegt nach wie vor auf knackigen Genickbrechern und auch hier ist eine Verbesserung sichtbar, doch interessant wird es in den Zwischentönen. Überall auf dem Album sind subtile Samples zu hören, teilweise sehr clever in die Songs eingewoben, die etwas Zerstreuung liefern und dass sich die Band fast ganz zum Schluss mit the Gift an einer Industrial-Nummer versucht, ist ebenfalls nicht schlecht. Und die extrem gute Produktion ist darin nicht ganz unschuldig. Dauerbrenner Ballou wird hier durch den eher unbekannten Will Putney abgelöst, der bereits sehr tolle Platten für Künstler*innen wie Counterparts und Every Time I Die gemacht hat und der hier auf eine Band trifft, die optimal zu seinem Stil passt. Die knarzigen Riffs und das extrem brutale Spiel von Harm's Way kommen hier in jedem Instrument großartig zur Geltung und eine tolle Sache finde ich, wie viel Platz Putneys Mix den Basslines einräumt. Unter anderem seinetwegen klingt das Quintett aus Chicago hier so präsent und clever wie noch nie zuvor und liefert sein bis dato bestes Ergebnis im LP-Format ab. Natürlich ist das auch zu einem großen Teil die Arbeit der Band selbst und ich zweifle nicht daran, dass auch sie sich hier entwickelt haben. Außerdem: Wenn ich das so beurteile, dass werden sie in den vergangenen Jahren kontinuierlich besser und diese Sache weiter zu verfolgen, dürfte sich definitiv lohnen. Auch wenn Harm's Way bis dahin vielleicht schon wieder auf einer anderen Hochzeit tanzen.






P.S.: Darf ich ein bisschen stolz auf mich sein, diesen Post komplett ohne Fußball-Metaphern bestritten zu haben?


Persönliche Highlights: Human Carrying Capacity / Last Man / Sink / Become A Machine / Dissect Me / Dead Space

Nicht mein Fall: -

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Mittwoch, 21. Februar 2018

This Modern Glitch




















Bis vor kurzem hätte ich es ehrlich gesagt für ziemlich unmöglich gehalten, im Jahr 2018 nochmal eine Besprechung über die Wombats zu schreiben. Sicher, die Band aus Liverpool war auch für mich mal einer der prägenden coolen Acts, als ich vor etwa zehn Jahren anfing, zum ersten Mal ernsthaft Indiemusik zu hören, doch waren sie auch einer von denen, die sich seitdem extrem schnell abgenutzt haben. Der Sound, den damals Platten wie A Guide to Love, Loss & Desperation und This Modern Glitch hatten war eine Art von Popmusik, die nur in jenem kurzen Zeitfenster funktionierte, in dem sie tatsächlich erschien. Wenn ich mir heute Tracks wie Tokyo, 1996 oder Techno Fan anhöre, sind die zwar immer noch witzig und irgendwie cool, aber auch alles andere als gut gealtert. Und dass eine solche Band dann viele Jahre später Schwierigkeiten hat, sich von diesem Image zu lösen, liegt auf der Hand. Bei den Wombats war es diesbezüglich besonders hart. Nach dem damals gigantischen und total omnipräsenten This Modern Glitch von 2011 verschwanden die Briten ganze vier Jahre komplett von der Bildfläche, in denen sich die musikalische Landschaft im Pop mehr oder weniger komplett veränderte. Als sie vor drei Jahren dann doch noch ihr drittes Album Glitterbug veröffentlichten, klangen sie wie eine Band, die komplett passiv geworden war. Ihr Songwriting mimte darauf die Ästhetik zeitgenössischer Popmusik von Leuten wie Taylor Swift, den Chainsmokers oder Calvin Harris, hatte aber so gut wie alle Eigenheiten verloren, die ihre Musik ursprünglich so cool gemacht hatte. Es war der Versuch, die verpasste Zeit aufzuholen und irgendwie stilistisch anzuschließen, endete aber in einem völlig blutleeren, peinlichen Album für die Wombats. Und nachdem ich das einmal gehört hatte, waren meine Hoffnungen für Beautiful People Will Ruin Your Life logischerweise eher niedrig. Doch so wie es aussieht, scheinen die Briten die Versäumnisse vom letzten Mal hier schleunigst bereinigen zu wollen. Mit gerade mal drei Jahren Abstand zum Vorgänger ist die neue LP die bisher schnellste in ihrer Diskografie und klingt dabei trotzdem wieder erfrischend nach ihnen selbst. Sicher hat die Band einige kompositorische Elemente vom letzten Mal übernommen, ohne die das ganze auch gar nicht funktionieren würde, doch das, was die Wombats einst ausmachte, ist hier ebenfalls zurück. Insbesondere gilt das für Matthew Murphs sehr naive und metaphorische Lyrics, die schon immer das beste an seinen Songs waren und die hier mir Zeilen wie "you could give an aspirine the headache of its life" hier definitiv wieder deftig sitzen. Allerdings ist es die musikalische Seite dieser Platte, wo die Dinge wirklich interessant werden. Nach dem schwachen Glitterbug haben die Briten ihren Sound hier mehr oder weniger völlig neu konzipiert und klingen dabei spannender denn je. Seit ihrem Debüt gab es nicht mehr so viele Gitarren auf einem Wombats-Album und noch nie klang das ganze so vielseitig. Der Opener Cheetah Tongue ist ein leicht psychedelischer Hitsong, Lethal Combination ist das 2018-er Update des alten Hits Anti-D, Ice Cream klingt fast ein bisschen nach Oasis und der Rausschmeißer I Don't Know Why I Like You But I Do bindet sogar Shoegaze-Elemente ein. Dass dabei nicht jeder Song komplett ins Schwarze trifft, kann man ihnen dann gar nicht mehr übel nehmen, haben sie sich doch wenigstens in Sachen Kreativität selbst übertroffen. Und überhaupt stehen die drei Briten hier wieder ziemlich solide da: Beautiful People hat potenzielle Hits und holt mit seinen Texten die Fans von damals ab, präsentiert aber auch eine wesentlich reifere Band, die klanglich so sehr ins Jahr 2018 passt wie ein Dieselskandal. Wenn man mich fragt, ist diese LP das wahre Comeback der Wombats, auch wenn ihm diese Rolle sicherlich wenige zugestehen wollen. Denn ganz ehrlich, wer hört denn heutzutage bitteschön noch sowas?






Persönliche Highlights: Cheetah Tongue / Lemon to A Knife Fight / Black Flamingo / Lethal Combination / I Only Wear Black / I Don't Know Why I Like You But I Do

Nicht mein Fall: Out of My Head

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Dienstag, 20. Februar 2018

Der Zauberer von Oz




















Schon als 2011 das erste Album von Efrim Menuck erschien, war es etwas seltsam, dass so etwas überhaupt existierte. Dass aus einer Formation wie Godspeed You! Black Emperor, die wie wenige andere Bands für die Musik als überpersönliche Angelegenheit ohne die Macht von Egos steht, nun doch eine Persönlichkeit hervortrat und sich darüber hinaus noch erdreistete, auf einem ganzen Album Aufmerksamkeit für sich zu beanspruchen, hatte etwas von einem Bruch. Der Mystizismus, der die Gruppe aus Montreal stets umschwebte und bereits mit dem Nebenprojekt Thee Silver Mt. Zion einige Kratzer bekommen hatte, war nun endgültig enttarnt. Nicht, dass das irgendwie schlimm gewesen wäre, nur hatte es etwas nüchtern enthüllendes, das das Ideal von Godspeed als geisterhaftes Phänomen in eine weniger coole Wirklichkeit umwandelte. Menuck war darin der Zauberer von Oz, der seiner mystischen Fähigkeiten beraubt zwar auch kein schlechter Typ war, aber eben nicht mehr derjenige, der das große Wunderwerk erschuf. Und nun, da sieben Jahre später seine zweite Solo-LP erscheint, ist das auch gar nicht mehr so schlimm. Mittlerweile weiß man, wer dieser Mensch ist, was er macht und wie er dabei klingt. Auch auf Album Nummer zwei ist der Output des Kanadiers quasi so etwas wie der verlängerte, noch seltsamere Arm der Sachen, die man schon von Thee Silver Mt. Zion kennt und unter Umständen auch gerne mag. Langwierige, teils elektronisch unterfütterte Tracks, garniert mit Menucks mitunter etwas naivem Gesang und einer handvoll Samples. Für jemanden, der nicht die beiden Vorstufen Godspeed und Silver Mt. Zion durchlaufen hat, mag das kompliziert sein, für den erfahrenen Hörenden ist dieser Sound jedoch die logische Konsequenz aus beidem. Mehr als das Debüt High Gospel jedoch ist Pissing Stars (auch der Titel ist so ein typisches Menuck-Ding) nun ein sehr ambientes Album geworden, das wesentlich atmosphärischer und synthetischer agiert als noch sein Vorgänger. Lediglich in wenigen Songs hier gibt es Gesang, dafür vermehrt monolithische Klangflächen, die fast ein wenig an Brian Eno, Tangerine Dream oder die ersten elektronischen Feldversuche von Kraftwerk erinnern. Fast der gesamte Mittelteil erstreckt sich in einer Reihe solcher Tracks, die in ihrer Monotonie sehr beeindruckend sind und höchstens duch ein paar Samples aufgelockert werden. Doch schafft es Menuck, den Rahmen drumherum mit vielen schönen und kreativen Details zu schmücken. Im Opener Black Flags ov Thee Holy Sonne hört man zum wiederholten Mal einen Gesangsbeitrag seines Sohnemanns, LxOxVx/Shelter in Place beeindruckt durch beatleske Sitars und pumpende Synth-Bässe und mit A Lamb in the Land of Payday Loans fabriziert er sogar etwas, das man bei seinen Verhältnissen durchaus als Popsong beschreiben kann. Das schöne dabei ist, dass obwohl dieses Album vielleicht eine Resterampe für unverwirklichte Godspeed- und TSMtZ-Ideen ist, es niemals danach klingt. In sich ist Pissing Stars einigermaßen geschlossen, angenehm vielseitig und die Art und Weise, wie die Songs geschrieben und aufgenommen wurden erweckt zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, sie seien zweite Wahl. Dass sie auf eine andere Art ansprechen als das Zeug der beiden Bands von Menuck, ist dabei enorm wichtig und spätestens hier fällt der Terminus "Postrock" als adäquate Beschreibung auch komplett aus. Viel mehr findet der Kanadier hier irgendwie seine komplett eigene Nische, die zwar unheimlich schräg ist, aber nicht weniger eindrücklich. Und spätestens da ist es dann ganz gut, dass er uns des Mythos Godspeed beraubt hat, denn andernfalls würde es das hier nicht geben.






Persönliche Highlights: Black Flags Ov Thee Holy Sonne / Kills v. Lies / Hart_Kashoggi / A Lamb in the Land of Payday Loans / LxOxVx/Shelter in Place / Pissing Stars

Nicht mein Fall: the State and its Love and Genoicide

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Alle werden glücklich





















Schon bevor Little Dark Age letzte Woche überhaupt erschienen war, wirkte es ein bisschen so, als hätten MGMT bereits alles gewonnen. Es war so gut wie ausgemacht, dass ihre vierte LP das große Comeback werden würde, auf das die meisten Fans schon seit einer ganzen Weile warteten. Zehn Jahre nach dem inzwischen fast verhasst-legendären Debüt Oracular Spectacular war dieses Album die große Rückkehr zur Popmusik, die sich heimlich eigentlich alle gewünscht haben. Zwar ist mein persönliches Verhältnis zu ihrer Diskografie schon immer ein etwas anderes gewesen, so fand ich zum Beispiel das gefeierte Congratulations damals eher mittelprächtig und entwicklte dafür eine Schwäche für das flächendeckend gehasste selbstbetitelte Projekt von 2013. Trotzdem kann auch ich im großen und ganzen zustimmen, dass MGMT in den letzten Jahren sehr viel Talent an obskure und psychedelische Songs verschwendet haben, wo ihre eigentlichen Stärken doch in den teuflisch eingängigen Indiepop-Hits liegen, die aus gutem Grund in den letzten zehn Jahren auf jeder Party tabu waren (*hust* Kids *hust*). Das, was Little Dark Age in dieser Hinsicht so cool macht ist, dass diese Hits zwar wieder in großem Maße stattfinden, MGMT aber ihre Ambitionen, was Skurrilität angeht, trotzdem nicht zurückstecken müssen. Warum sie so lange gebraucht haben, um dieses perfekte Amalgam zu finden, ist auch mir schleierhaft, doch einmal gehört, wird einem erst so richtig bewusst, wie talentiert diese beiden Musiker eigentlich wirklich sind. Sicher, viele der Songs hier weisen sehr eindeutig auf Einflüsse wie Pink Floyd, Tame Impala oder Ariel Pink hin und besonders letzterer, der auch ein einigen Songs mitschrieb, hat fast überall seine Fingerabdrücke hinterlassen. Im Mittelpunkt steht jedoch nach wie vor das beherzte, unglaublich eingängige Songwriting der beiden Hauptakteure, die sich hier nach Herzenslust austoben. Der Titelsong ist ein Abstecher in Richtung New Wave und Synthpop, Days That Got Away spielt mit Dub, Shoegaze und Folk, When You're Small erinnert an die Heydays von Pink Floyd und der Closer Hand It Over schlägt Kevin Parker mit seinen eigenen Waffen. Das heißt, obwohl Little Dark Age insgesamt wieder schmissiger und direkter ist, gibt es nur an den wenigsten Stellen Rückbezüge auf die erste Version der Pop-MGMT aus den Zweitausendern, höchstens vielleicht in Me & Michael. Ein Back-to-the-Roots-Album ist das hier also keinesfalls. Viel eher schaffen es die New Yorker diesmal, ihre ganzen abgedroschenen Sperenzchen so zu verbauen, dass sie auch in catchy Songs gut funktionieren und man am Ende eben nicht ein nervtötendes Kids herausbekommt. Damit ist diese LP sicherlich auch das Moment, dass beide Fan-Lager dieser Band endlich miteinander versöhnt und sehr effizient alle Parteien glücklich macht. Sogar ich kann mich da mal der Populärmeinung anschließen, was im Fall von MGMT bis jetzt noch nie der Fall war. Und mit diesem Ergebnis im Blick würde ich mich durchaus zu der Aussage hinreißen lassen, dass es das bisher beste Projekt der beiden ist. Nicht nur ist es musikalisch unglaublich präsent und vielseitig, auch merkt man, dass es für die Musiker selbst ein unglaublicher Befreiungsschlag ist, der inzwischen fast zehn Jahre überfällig ist. Am Ende ist also auch die Band selbst der Gewinner hier. Und so viel Harmonie ist dann fast schon ein bisschen too much. Da wünscht man sich doch direkt die psychedelische Keule von 2013 zurück.






Persönliche Highlights: She Works Out Too Much / Little Dark Age / Me & Michael / Days That Got Away / When You're Small / Hand It Over

Nicht mein Fall: -

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Freitag, 16. Februar 2018

Dirks Version




















Als ich vor etwas weniger als drei Jahren meine Besprechung zum letzten Tocotronic-Album hier veröffentlichte, waren die Reaktionen einiger Leser*innen darauf eher weniger zustimmend. Insbesondere mit einem Fan führte ich danach eine ziemlich umfangreiche Debatte über den Output dieser Band, bei der besagte Person zu dem Schluss kam, dass ich das ja nicht verstehen könnte, weil ich zu jung dafür wäre. Und wo ich zu diesem Zeitpunkt über diese Aussage logischerweise etwas eingeschnappt war, muss ich eine LP später zugeben, dass sie damals wahrscheinlich Recht hatte. Ich hatte zwar nicht das Problem, dass ich diese Band nicht verstanden hätte oder sonstwas, aber mir fehlte wahrscheinlich die innere Ruhe, diese Botschaften auch toll zu finden. Fakt ist zumindest, dass ich vom Tocotronic-Skeptiker innerhalb weniger Jahre vielleicht nicht zum Fan geworden bin, aber zumindest den Status anerkennen kann, den sie in der deutschen Poplandschaft jetzt schon seit Ewigkeiten haben. Und dass ich im April 2018 das erste Mal ein Konzert der Hamburger besuchen werde, spricht ja wohl auch eine eindeutige Sprache. Das alles ändert aber nichts daran, dass ich im Vorfeld dieser neuen LP mal wieder ziemlich skeptisch war, was denn wohl hier passieren würde. Nach den letzten beiden Platten, die für mich eine neue Phase der Band darstellen, die sich mir bisher noch immer nicht so ganz erschließt, war das Eis, auf dem sich Tocotronic bewegten, noch immer nicht ganz sicher. Die erste Single Hey Du im Dezember fand ich losgelöst vom ganzen Kontext eher so lala und dass Dirk von Lowtzows Texte jetzt selbst so retrospektivisch geworden sind, war in der Theorie schon ein Problem. Denn nachdem sich der Journalismus spätestens beim roten Album sehr gezielt auf die Werdensgeschichte dieses scheinbar überlebensgroßen Acts stürzte, brauchte ich das jetzt nicht auch noch von ihnen selbst. Aber fehlgeleitet: Gerade die Tatsache, dass die Hamburger hier im Prinzip eine bereits erzählte Geschichte schreiben, macht Die Unendlichkeit zum sicherlich besten Projekt der Band in der aktuellen Dekade. Denn was ich dabei komplett unterschätzt habe ist, dass es sich bei diesen Leuten immer noch um Künstler handelt, die es schaffen, dieser Geschichte jede Menge poetische Perspektive verleihen, die man dann eben doch noch nicht kennt. Die gelebte Nostalgie der Texte von von Lowtzow ist eben genau der emotionale Kontrast zur sachlichen Historie des Journalismus, die auch jetzt noch spannend ist und die jede Menge Charakter ins Boot holt. Das Bedürnis nach Rebellion, Liebesgeschichten, eigene Zweifel, Ängste, Trauer und das alles. In dieser Hinsicht ist Die Unendlichkeit dann wieder sehr nahe am Vorgänger und fängt die Magie verschiedener Situationen unglaublich gut ein. Man darf aber auch nicht so tun, als wäre das alles die Leistung der Texte. Eine Sache, die diese LP für mich wirklich so viel attraktiver macht als die davor ist, mit wie viel Liebe Tocotronic hier die Musik geschrieben haben. Von der mystischen Jonny Greenwood-Streicher-Aleatorik im eröffnenden Titelsong über die garagige Gitarre in Hey Du und den Autotune-Refrain in 1993 bis zur fantastischen Orchestrierung in Unwiederbringlich ist dieses Album so voll mit tollen Songwriting-Schmankerln wie in meinen Augen zum letzten Mal die weiße Platte 2002. Dass die Hamburger so verspielt und kreativ sein können, hatte ich schon fast vergessen und es tut hier auf jeden Fall sehr viel zur Sache. Zwar ist die erste Hälfte der LP merklich bunter und bringt mehr dieser tollen kleinen Firlefänzchen ein, dass der Mittelteil mit Tracks wie Bis das Licht uns vertreibt und Ich würd's dir sagen verhaltener ist, passt aber auch einfach inhaltlich sehr gut. Und spätestens wenn sich die Band im vorletzten Stück Nineteen Hundred Ninety Three AD nochmal einen schmissigen Ausreißer gönnen, ist auch dieser Knoten geplatzt. Dass sie mit Über mich ganz am Ende noch den Kreis schließen können, ist dann schon fast ahnbar. Denn alles andere wäre auch kriminell bei so einem vollendeten Projekt. Das Vorhaben eines nostalgischen Albums, das ja in gewisser Weise auch schon das rote irgendwie war, haben Tocotronic auf Die Unendlichkeit zur ziemlichen Perfektion getrieben. Dass sie das gut können, hätte man sich inzwischen denken können, aber dass es so grandios wird, damit hätte ich nicht gerechnet. Ich war optimistisch, dass das hier irgendwie gut werden würde, aber dass sie eine der besten Platten ihrer gesamten Karriere machen, die sie erneut an ihrem jetzigen Standpunkt als Band definiert, das wagte ich nicht zu hoffen. Schön aber, dass es genau jetzt passiert, wo alles ein bisschen unklar war. Ganz zu schweigen davon, dass 2018 in meinen Augen jetzt sein erstes richtig großes Album hat.






Persönliche Highlights: Die Unendlichkeit / Tapfer & grausam / Electric Guitar / Hey Du / Ich lebe in einem wilden Wirbel / 1993 / Bis uns das Licht vertreibt / Ich würd's dir sagen / Mein Morgen / Schlittenflug / Die Verdammten / Nineteen Hundred Ninety Three AD / Über mich

Nicht mein Fall: -

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Donnerstag, 15. Februar 2018

Stay Tuned!





















Das hat man nun davon, wenn man es zulässt, dass die neue Platte von Belle & Sebastian zum Überraschungs-Highlight des jungen Jahres 2018 wird: Eigentlich wollte ich im Januar in den ersten Teil von How to Solve Our Human Problems nur mal reinschnuppern, jetzt habe ich direkt zwei Besprechungen mehr auf meinem Zeitplan, weil die direkt ziemlich geil war. Noch mal kurz zur Erklärung: Die Twee-Pop-Legenden aus Glasgow befinden sich im Moment inmitten einer Serie neuer Mini-LPs, die über den Jahreswechsel erscheinen. Die erste Ausgabe kam bereits letzten Dezember, Teil zwei erschien Mitte Januar und einen Monat später die dritte und letzte Edition. Und bisher sind diese Projekte in meinen Augen wider Erwarten das so ziemlich beste, was ich von Belle & Sebastian in der aktuellen Dekade so gehört habe. Auf der ersten Installation wagten die Schotten spannende Experimente mit elektronischer Musik und Madchester, zeigten einen fabelhaften Umgang mit Instrumentation und überzeugten durch vielfältiges Songwriting. Dass ich mir für die Fortsetzung kräftig die Daumen hielt, sollte also klar sein. Und Gott sei Dank hat sich das gute Hoffen hier gelohnt, denn nach dem tollen Einstand vor zwei Monaten verliert die Band auch hier kein bisschen an Zugkraft. Man hat bei solchen Sachen ja immer ein bisschen Angst, die berühmte Sequel-Krankheit ist seit langem auch im musikalischen Bereich keine Seltenheit und aktuell zeigen ja Beispiele wie Migos oder Ufo361, wie peinlich so etwas sein kann. Umso besser, dass Belle & Sebastian das besser können. Denn nicht nur ist Human Problems 2 eine weitere Platte, die mit weiteren fünf sehr guten Songs überzeugt, sie trägt auch tatsächlich ein Gefühl weiter. Der Opener Show Me the Sun hallt mit seinen ganz subtilen Madchester-Einflüssen noch ein bisschen dem Vibe der ersten Platte nach, bevor es nachher eher ziemlich folkig und traditionell wird. Auf I'll Be Your Pilot und A Plague to Other Boys strapaziert die Band zünftig Klarinetten, Mandolinen und Cembali, die sich wunderbar in den Sound dieser Indiepop-Tracks einfügen und the Same Star streift ganz sanft am Discopop vorbei. Das Setting hier ist im Allgemeinen weniger auffällig und ausgefallen als auf der ersten LP, doch auf keinen Fall uninteressant. Das eingesetzte Instrumentarium begeistert, das Songwriting ist stabil und die 21 Minuten Spielzeit wissen Belle & Sebastian gut zu füllen. Lediglich das etwas seltsame Cornflakes ist etwas zu viel des guten, ruiniert die Platte aber auch nicht wirklich. Insgesamt wäre Human Problems 2 vielleicht nicht die LP, wegen der ich auf diese Serie aufmerksam geworden wäre, aber ich bin froh, dass ich hier am Ball geblieben bin. Und dass in ein paar Wochen (wahrscheinlich kommt erst dann die Besprechung...) auch Part drei wieder sehr gut sein wird, davon bin ich inzwischen fast überzeugt.






Persönliche Highlights: Show Me the Sun / the Same Star / I'll Be Your Pilot / A Plague On Other Boys

Nicht mein Fall: Cornflakes

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10 Songs im Januar 2018 (mit MGMT, Kendrick Lamar, Future, Jack White, Hop Along und und und...)

























1. JAY ROCK FEAT. KENDRICK LAMAR, FUTURE & JAMES BLAKE
King's Dead
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Das neue Jahr geht auf jeden Fall auch im HipHop schonmal gut los und allein in dieser Liste finden sich bereits einige großartige Banger, die definitiv Konkurrenz suchen. Einer davon ist der Song King's Dead, zusammengestellt von einem großartigen Konglomerat an Rap-Prominenz für den Soundtrack des neuen Black Panther-Films, an dessen Spitze niemand geringeres als der alte Jay Rock steht. Dessen Performance hier ist ohne Frage ziemlich genial, allerdings auch nur guter Durchschnitt, wenn man jemanden wie Kendrick Lamar einlädt. Der übertrifft sich hier nämlich wieder mal selbst und steuert neben seiner fantastischen Hook auch noch einen völlig unverhofften B-Teil bei, der nicht weniger schlecht ist. 2018 ist scheinbar also schin im Januar wieder ein Kdot-Jahr geworden. Gibt schlimmeres.

2. JACK WHITE
Corporation
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Wenn es dieses Jahr eine Platte gibt, die auf meiner Hohe-Erwartungen-Liste ganz oben steht, dann ist es das neue Album von Jack White. Das kommt ein bisschen überraschend, nachdem ich seine letzte LP eher so lala fand, aber eine Überraschung sind die neuen Songs schließlich auch. Auf den bisher drei Singles im Vorfeld von Boarding House Reach, so der Titel des kommenden Projekts, zieht es White in eine eindeutig elektronischere Richtung, die wesentlich mehr mit Synthesizern und Sequencing arbeitet. Für jemanden, der bis vor wenigen Jahren noch nicht mal Computer in seinem Studio erlabute, schon ein gewagter Move. Insbesondere Corporation mit seinem funky Synkopen-Beat und dem Stevie Wonder-Gedächnis-Keyboard hat es mir dabei ein wenig angetan und zeigt, dass diese auf den ersten Blick sehr schräge Neuausrichtung für Jack White erstaunlich gut funktioniert. Jetzt muss nur noch das Album klasse werden.

3. CARNAGE FEAT. MADEINTYO & MAC MILLER
Learn How to Watch
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Banger Nummer zwei im Januar 2018 und gleichzeitig der Song, der mich bisher am meisten von diesem Produzenten namens Carnage überzeugt hat, über den scheinbar gerade alle reden. Zwar ist dessen etwas verschrobener Beat für mich nicht unbedingt der Selling Point dieses Tracks, aber man merkt, dass dieser Typ gut mit Rappern zusammenarbeiten kann. Die Produktion hier gibt MadeInTYO und Mac Miller sehr viel Platz, sich auszutoben und gerade bei letzterem ist das ein merklicher Vorteil, braucht er in meinen Augen doch immer noch ein starkes Backing, um klanglich wirklich zu strahlen. Am Ende des Tages aber auch einfach nur ein guter Kopfnicker, der ohne viel Schnickschnack und mit zwei Minuten Spielzeit alles sagt, was gesagt werden muss.

4. UNKNOWN MORTAL ORCHESTRA
American Guilt
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In meiner Erinnerung der erste Song der Australier, den ich von Anfang an wirklich richtig beeindruckend finde, und das auch nicht ohne Grund. Vom hageren, komplett bei Tame Impala geklauten Psychedelic Pop sind Unknown Mortal Orchestra hier endgültig im Garagenrock angekommen und können dort jetzt auch ordentlich abliefern. American Guilt ist eine fuzzige, mit LoFi eingedeckte Riff-Nummer, wie sie Ty Segall wahrscheinlich gemacht hätte, bevor ambitioniert wurde, also richtig geiler Shit. Was das für ein kommendes Album der Band bedeutet, kann man dabei noch nicht sagen, sind die Australer doch bekanntermaßen etwas launisch, aber dieser Track bietet immerhin schonmal ein Mindestmaß an Spannung.

5. HOP ALONG
How Simple
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Nach dem leider nicht ganz so tollen letzten Album vom Hop Along hatte ich damals Sorgen bekundet, ob die etwas softere Schiene, die sie mittlerweile fahren, denn bei einer Band wie ihnen funktionieren würde. How Simple zeigt: Kann sie auf jeden Fall. Als erste Leadsingle des Quartetts aus Seattle, die nicht komplett auf den Putz haut, ist sie keinen Deut schlechter als früher Waitress oder Tibetian Pop Stars und zeigt, dass sie ihren Stil nochmal das nötige Stückchen weiterentwickelt haben. Wenn im April die neue LP kommt, werden wir darüber noch mehr wissen, aber mit diesem Stück bin ich schonmal ziemlich optimistisch.

6. THE VOIDZ
Qyurryus
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Nachdem die Strokes ja nun schon seit etlichen Jahren nicht mehr die Band sind, in die die meisten ihrer Mitglieder das meiste Herzblut investieren, lohnt es sich durchaus, mal einen Blick auf the Voidz zu werfen. Das momentan zentrale Projekt von Sänger Julian Casablancas veröffentlicht in den nächsten Wochen sein zweites Album und was man bisher davon hört, ist nicht unspannend. Die Leadsingle Qyurryus (Sprich: 'curious') klingt nach der maximal geisteskranken, verlotterten Everything is Terrible-Version der Strokes, also definitiv interessant. Nicht zuletzt auch des schrägen Musikvideos wegen.

7. HOT SNAKES
Six Wave Hold Down
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2018 ist das Jahr, in dem ich endgültig wieder ein paar richtig gute neue Hardcore-Platten brauche und eine Band, von der eine solche kommen könnte, sind die Hot Snakes. Mittlerweile schon seit Ewigkeiten im Punkrock-Kosmos unterwegs, war ich bisher immer nur so ein wenig angetan von ihnen, doch diese neue Single macht mir Hoffnung. Six Wave Hold Down ist perfekt ausbalancierter, hochenergischer Track mit eingängiger Melodie, starken Riffs und Vocals, die sich in die Gehörgänge fräsen. Definitiv etwas für Fans der Cloud Nothings oder Blackmail, oder pauschal alle, die endlich mal wieder einen ordentlichen Punk-Banger hören wollen.

8. KALI UCHIS FEAT. TYLER, THE CREATOR & BOOTSY COLLINS
After the Storm
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Schon seitdem Kali Uchis damals auf Tylers Cherry Bomb alles zerlegte, wusste ich, dass sie irgendwann mit so einem Megahit um die Ecke kommen würde. Im zeitgenössischen Neo-Soul ist die Kolumbianerin inzwischen eine meiner Lieblingsstimmen und eine, der ich eine große Zukunft prophezeihe. Wer diesen neuen Track hört, weiß auch, warum: Kalis unglaubliches Gefühl für grooviges Songwriting, für gute Refrains und ihre extrem chillige, unangestrengte Vokalperformance sind nicht weniger als fantastisch und dass hier Mentor Tyler und Funk-Legende Bootsy Collins auch ihren Senf dazugeben, macht die Sache natürlich noch geiler. Das einzige, was jetzt noch fehlt, ist ein ordentliches Debütalbum von Kali, langsam wäre es nämlich echt an der Zeit.

9. PREOCCUPATIONS
Espionage
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Die stilsicherste Postpunk-Band der letzten Jahre macht 2018 wieder ein Album und Espionage ist der erste sehr gute Song daraus. Natürlich klingt der wahnsinnig nach Joy Division und Achtzigern, hat extrem starke Synth-Parts und eine hammerharte Bassline als Geheimwaffe. Dass bei Preoccupations auch im Vorfeld des dritten Longplayers alles ist wie immer, ist in ihrem Fall keine Kritik, sondern Beschwichtigung. Höchstwahrscheinlich wird die kommende Platte namens New Material wieder ein sehr gutes Stück Musik werden, das genau klingt wie die beiden davor. Ich freu mich drauf!

10. MGMT
Hand It Over
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In diesem Moment ist das neue Album von MGMT eine äußerst heiß diskutierte Sache in der Blogosphere, in die ich leider bisher noch nicht so richtig einsteigen konnte, aber eine steile These kann ich hier schonmal aufstellen: Mit Hand It Over haben die New Yorker einen der größten Songs dieses Jahres gemacht, sowie den mit Abstand besten ihrer bisherigen Karriere. Zwar wollte ich nach dem Ende von 2017 eigentlich keine Musik mehr gut finden, die so offensichtlich bei Tame Impala geklaut ist, aber diese Nummer hat mich dann doch ziemlich erschlagen und macht mich wahnsinnig neugierig darauf, was dieses Album wohl zu bieten hat. Mehr dazu bald in diesem Format.

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Mittwoch, 14. Februar 2018

Kauf dir einen Pool




















Würde man mich mal fragen, dann wäre Aaron Maine mittlerweile schon lange ein Popstar. Die Tage, in denen sein kleines Projekt Porches in den Untiefen von irgendwelchen Bandcamp-Newcomer-Listen auftauchte, sind spätestens seit seinem Deal mit Domino gezählt und die haben mit ihm in meinen Augen ihren besten Fang seit Jahren gemacht. Sein erstes Album für das Label, Pool von 2016, war für mich eine der besten Platten jener Saison und zeigte Maine als einen Künstler, der moderne Popmusik versteht wie wenige andere. Der Sound der LP fand die perfekte Schnittstelle zwischen den obskuren Ansätzen von Vaporwave und Future Funk und viel populärem Mainstream-Teenie-Kram, der Pool klingen ließ wie die Vertonung eines durchschnittlichen Tumblr-Accounts. Dass Porches damit nicht innerhalb kürzester zeit zur kuschligen Lieblingsband melancholischer Netzjugendlicher wurde, ist mir bis heute schleierhaft, aber manchmal muss man eben auch Glück haben. Und nun, da das zweite Album des New Yorkers erscheint, hoffe ich einfach erneut darauf, dass es passiert. Was diesmal sogar noch wahrscheinlicher ist. Denn nicht nur hat Maine scheinbar doch irgendwo ein paar Vorschusslorbeeren gesammelt, die the House Anfang des Jahres in einigen Hotlisten haben auftauchen lassen, auch hat er dafür ein weiteres Mal seinen Sound erheblich modernisiert und dem Vibe des Jahres 2018 angepasst. Statt grooviger Achtziger-Samples und schmissigen Synthwave-Passagen setzt die neue Platte auf eine wesentlich kühlere Ästhetik, die sich eher an schickem R'n'B der Marke Kelela und Dirty Projectors, sowie Dancehall und Minimal Elektro orientiert, sprich am heißesten Shit der letzten Saison. Man könnte das jetzt als cleveren Businessmove für höhere Streamingraten abtun, und vielleicht ist es das ja am Ende auch, allerdings ist Maines künstlerische Eigenart dabei nicht zu vernachlässigen. Denn obwohl man hier zeitgenössischen Pop vorfindet, ist dieser noch immer durchzogen von reichlich schrägen Elementen, die eher an experimentelle Elektronik erinnern, sowie eine nach wie vor sehr spezielle Einstellung zu Soul. An vielen Stellen würde ich sogar sagen, dass the House wesentlich skurriler und herausfordernder ist als sein Vorgänger, definitiv aber weniger groovy und gemütlich. Das ist auf der einen Seite schon ein bisschen schade, lebte Pool doch zu großen Teilen gerade von dieser wärmenden Aura, gleichzeitig schafft Maine hier eine andere, nicht weniger überzeugende, die seinem musikalischen Stil keinen Deut weniger steht. Klar kann er nicht singen wie ein Frank Ocean und ich habe Autotune auch schon besser eingesetzt gehört, aber der Charme, der auch die letzte LP schon so gut machte, ist nach wie vor da. Vielleicht ein bisschen versteckt, aber unverkennbar. Außerdem liebe ich nach wie vor die etwas naiven, adoleszenten Emo-Texte des New Yorkers und mit Find Me, Anymore und Goodbye sind einige echt starke Einzeltracks dabei. Am Ende des Tages kann ich im Moment noch nicht ganz umhin, Pool nach wie vor ein bisschen besser zu finden, aber ich kann mir vorstellen, dass sich das mit der Zeit gibt. Denn das hier ist ein echt gutes Album, das wahrscheinlich nur etwas braucht, um sich bei mir setzen zu können. Ein Popstar wird Aaron Maine damit dann vielleicht eher nicht, aber vielleicht haben die coolen Berghain-Kids ja jetzt Bock auf sowas. Ganz ehrlich, Tumblr benutzt doch eh keine Sau mehr, oder?






Persönliche Highlights: Find Me / Now the Water / Anymore / Wobble / Goodbye / W Longing / Anything U Want

Nicht mein Fall: -

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Montag, 5. Februar 2018

Schnelldurchlauf: Januar 2018 (Haiyti, Tune-Yards, Tribulation)

HAIYTI
Montenegro Zero
Das kommerzielle Album-Debüt der Hamburger Rapperin hat lange gebraucht, zeigt im Endeffekt aber auch nur, wie bedeutungslos dieses Format 2018 inzwischen geworden ist. Montenegro Zero hört sich nach nicht viel mehr an als nach einem weiteren Mixtape von Haiyti, noch dazu leider wie eines der schwächeren.
6/11

TUNE-YARDS
I Can Feel You Creep Into My Private Life
So großartig wie auf ihrem Debüt fand ich Tune-Yards schon 2014 auf Nikki Nakk nicht mehr und mit dieser LP verlieren sie in meinen Augen den verbliebenen Rest ihres Reizes. Zwar ist der grunderneuerte Stil der Band von der Art des letzten Dear Reader-Albums an sich nicht übel, allerdings büßt die Band damit auch den Rest ihrer Originalität ein.
8/11

TRIBULATION
Down Below
So großer Tribulation-Fan wie der Rest der Metal-Gemeinde war ich eh noch nie und was 2015 auf Children of the Night noch kreativ und verspielt war, verfällt hier doch ein bisschen sehr zum Gimmick. Vor allem nerven mich auf diesem Album die Gesangsparts, die eigentlich besser in einer Death-Metal-Band aufgehoben wären.
6/11


Das Siegertreppchen: Januar 2018

GOLD:
TY SEGALL
Freedom's Goblin
Zunächst war ich ja misstrauisch, was diese neue Platte von Ty Segall anging, hatte ich doch die meisten Sachen von ihm bisher schon kurze Zeit nach Release nicht mehr so gefeiert wie beim ersten Mal und dachte, diesmal würde es wohl wieder so sein. Freedom's Goblin jedoch sticht aus diesem Muster zum ersten Mal wirklich heraus und ist insgesamt bis dato vielleicht die kreativste LP des Kaliforniers überhaupt. Die üblichen stilistischen Parameter werden hier angereichert mit Elementen aus Funk, Disco, Folk und Pop, die den Songwriter hier so bunt klingen lassen wie selten zuvor. Alles ein Grund, optimistisch zu sein, dass es mit diesem Album diesmal nicht nur ein kurzer Flirt wird.




SILBER:
SCALLOPS HOTEL
Sovereign Nose of Your Arrogant Face
Selbst wenn es auch diesmal eher wieder eine EP geworden ist, der Output von Scallops Hotel macht dem von Rory Ferreiras eigentlichem Projekt Milo mittlerweile mächtig Konkurrenz. Nach dem herrlichen Over the Carnage Rose A Voice Prophetic vom letzten Jahr legt er hier die zweite Platte mit einem unglaublichen Flow und viel Atmosphäre vor, die diesmal sogar noch durch tollen Inhalt beeindruckt. Davon kann er dieses Jahr ruhig noch ein paar machen.









BRONZE:
BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB
Wrong Creatures
Zugegeben, dieses Album steht auch ein bisschen deshalb hier, weil es von mir im Januar bisher kaum Besprechungen gab und die Hälfte davon Platten von 2017 waren. Dennoch kann ich diese neue LP des Black Rebel Motorcycle Club natürlich empfehlen, vor allem an diejenigen, denen ihr letztes Album und die darauf eingeschlagene atmosphärischere Richtung schon gefallen hat.