Dienstag, 20. Februar 2018

Der Zauberer von Oz




















Schon als 2011 das erste Album von Efrim Menuck erschien, war es etwas seltsam, dass so etwas überhaupt existierte. Dass aus einer Formation wie Godspeed You! Black Emperor, die wie wenige andere Bands für die Musik als überpersönliche Angelegenheit ohne die Macht von Egos steht, nun doch eine Persönlichkeit hervortrat und sich darüber hinaus noch erdreistete, auf einem ganzen Album Aufmerksamkeit für sich zu beanspruchen, hatte etwas von einem Bruch. Der Mystizismus, der die Gruppe aus Montreal stets umschwebte und bereits mit dem Nebenprojekt Thee Silver Mt. Zion einige Kratzer bekommen hatte, war nun endgültig enttarnt. Nicht, dass das irgendwie schlimm gewesen wäre, nur hatte es etwas nüchtern enthüllendes, das das Ideal von Godspeed als geisterhaftes Phänomen in eine weniger coole Wirklichkeit umwandelte. Menuck war darin der Zauberer von Oz, der seiner mystischen Fähigkeiten beraubt zwar auch kein schlechter Typ war, aber eben nicht mehr derjenige, der das große Wunderwerk erschuf. Und nun, da sieben Jahre später seine zweite Solo-LP erscheint, ist das auch gar nicht mehr so schlimm. Mittlerweile weiß man, wer dieser Mensch ist, was er macht und wie er dabei klingt. Auch auf Album Nummer zwei ist der Output des Kanadiers quasi so etwas wie der verlängerte, noch seltsamere Arm der Sachen, die man schon von Thee Silver Mt. Zion kennt und unter Umständen auch gerne mag. Langwierige, teils elektronisch unterfütterte Tracks, garniert mit Menucks mitunter etwas naivem Gesang und einer handvoll Samples. Für jemanden, der nicht die beiden Vorstufen Godspeed und Silver Mt. Zion durchlaufen hat, mag das kompliziert sein, für den erfahrenen Hörenden ist dieser Sound jedoch die logische Konsequenz aus beidem. Mehr als das Debüt High Gospel jedoch ist Pissing Stars (auch der Titel ist so ein typisches Menuck-Ding) nun ein sehr ambientes Album geworden, das wesentlich atmosphärischer und synthetischer agiert als noch sein Vorgänger. Lediglich in wenigen Songs hier gibt es Gesang, dafür vermehrt monolithische Klangflächen, die fast ein wenig an Brian Eno, Tangerine Dream oder die ersten elektronischen Feldversuche von Kraftwerk erinnern. Fast der gesamte Mittelteil erstreckt sich in einer Reihe solcher Tracks, die in ihrer Monotonie sehr beeindruckend sind und höchstens duch ein paar Samples aufgelockert werden. Doch schafft es Menuck, den Rahmen drumherum mit vielen schönen und kreativen Details zu schmücken. Im Opener Black Flags ov Thee Holy Sonne hört man zum wiederholten Mal einen Gesangsbeitrag seines Sohnemanns, LxOxVx/Shelter in Place beeindruckt durch beatleske Sitars und pumpende Synth-Bässe und mit A Lamb in the Land of Payday Loans fabriziert er sogar etwas, das man bei seinen Verhältnissen durchaus als Popsong beschreiben kann. Das schöne dabei ist, dass obwohl dieses Album vielleicht eine Resterampe für unverwirklichte Godspeed- und TSMtZ-Ideen ist, es niemals danach klingt. In sich ist Pissing Stars einigermaßen geschlossen, angenehm vielseitig und die Art und Weise, wie die Songs geschrieben und aufgenommen wurden erweckt zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, sie seien zweite Wahl. Dass sie auf eine andere Art ansprechen als das Zeug der beiden Bands von Menuck, ist dabei enorm wichtig und spätestens hier fällt der Terminus "Postrock" als adäquate Beschreibung auch komplett aus. Viel mehr findet der Kanadier hier irgendwie seine komplett eigene Nische, die zwar unheimlich schräg ist, aber nicht weniger eindrücklich. Und spätestens da ist es dann ganz gut, dass er uns des Mythos Godspeed beraubt hat, denn andernfalls würde es das hier nicht geben.






Persönliche Highlights: Black Flags Ov Thee Holy Sonne / Kills v. Lies / Hart_Kashoggi / A Lamb in the Land of Payday Loans / LxOxVx/Shelter in Place / Pissing Stars

Nicht mein Fall: the State and its Love and Genoicide

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