Montag, 26. Februar 2018

Wüstenblumen




















Ich war noch nie ein großer Freund von angeblich sensationellen Newcomer-Hypes und irgendwelchen Blog-Artikeln, die behaupten, dass es ja jetzt diese oder jene junge Band gäbe, die man auf keinen Fall verpassen sollte, weil sie der Shit von morgen ist und man mit dem Versäumnis dieses Acts auch die Möglichkeit ignoriert, später zu sagen, man hätte sie schon von der ersten EP gekannt. Die meisten solcher Hotlists entpuppen im Nachhinein als nichts weiter als große Huscherei um Menschen, von denen man zwei Monate später nichts mehr wissen will und die auch eher mittelmäßige Musik machen. Und bei den meisten Künstler*innen entpuppt sich das wirkliche Talent sowieso erst auf dem zweiten oder dritten Album. Mit diesen Worten im Hinterkopf möchte ich heute jedoch über eine Band schreiben, bei der dies so überhaupt nicht zutrifft, sondern die tatsächlich zu den Formationen gehört, die viele Newcomer-Acts gerne sein würden. 2016 wurde das algerische Quintett Imarhan von City Slang gesignt, die im selben Jahr auch ihr Debüt veröffentlichen. Selbiges ist in meinen Augen nicht weniger als ein musikalisches Goldstück, das mir zu dieser Zeit jedoch leider komplett durch die Lappen ging und mir nun knapp zwei Jahre später nachträglich in die Hände fiel. Die Band mischt hier Einflüsse aus nordafrikanischem Folk, insbesondere der Musik der Tuareg, mit malischem Afrobeat und einem Hauch von New Wave, der gerade reicht, um Imarhan auch als Rockband zu identifizieren. Sie selbst bezeichnen ihre Musik konsequent als "Desert Rock", was durchaus nicht unpassend ist, obgleich man auf musikalische Links zu Kyuss und Fu Manchu nicht zu warten braucht. Andere Wüste, anderer Sound. Aber was für einer! Für ihr selbstbetiteltes Debüt kann ich im Nachhinein nur meine wärmste Empfehlung aussprechen, es ist unglaublich gut. Und wo wir gerade dabei sind: Auch Album Nummer zwei steht dem Vorgänger in Nichts nach und überzeugt im Prinzip durch genau die gleichen Parameter. Der unglaublich leichtfüßige, und doch irgendwie rockige Klang der zehn Songs, die grundsolide, ohne viel Schnickschnack auskommende Instrumenierung, die nahbare Produktion und das ungewöhnliche, aber doch direkte Songwriting machen auch Temet zu einem Erlebnis, das Horizonte erweitert. Es wäre falsch, Imarhan dabei auf ihre Herkunft zu reduzieren, denn neben dem großen Folk-Aspekt und der Tatsache, dass sie in Tuareg singen, binden sie auch viele Elemente ein, die eher wenig traditionell sind. Dennoch ist dieser Sound für mich persönlich ein riesiger Selling Point dieser Platte. Es ist einfach vollkommen unvorstellbar, diese Art von Popmusik aus Europa oder Nordamerika zu hören und in dieser Hinsicht stellt sie eine unglaubliche Bereicherung dar. Wenn man es so will, sind Imarhan seit Jahren die erste Band, die mit einem Rock-Album wirklich Impulse liefert und originell ist. Und das, obwohl diese Musik ja doch sehr traditionell verwurzelt ist. Sicher, zum einen liegt die Qualität von Temet daran, dass sie mit ihren regionalen Einflüssen eine unglaublich interessante Mischung aus afrikanischem und orientalischem Folk sind, die man so bisher eher selten in Europa gehört hat. Vor allem liegt es aber daran, dass diese Band einen eigenen Stil hat und aus guten Songwritern besteht, die über zwei Alben lang tolles Zeug geschrieben haben. Und das würde sich auch nicht ändern, wenn sie aus Mecklenburg-Vorpommern oder New York City kommen würden. Nur wäre uns dann auch die Musik einer weiteren Nische dieser Welt verborgen geblieben.






Persönliche Highlights: Azzaman / Ehad Wa Dagh / Alwa / Imuhagh / Tarha Nam / Ma S-Abok

Nicht mein Fall: -

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