Donnerstag, 31. Januar 2019

Zehn gute Songs im Januar 2019 (LGoony, Little Simz, Tua, Bhad Bhabie und und und...)

























TUA
Vater
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Man weiß inzwischen, dass Tua unter seinen mannigfaltigen Talenten auch die gabe eines großen Lyrikers vereint und diese mitunter auch nutzt, um emotional ans Eingemachte zu gehen, aber auch dieses Wissen hat sicher niemanden auf einen Track wie Vater vorbereitet. Die zweite Single seines kommenden Debütalbums setzt sich in allen Einzelheiten mit dem Krebstod des Vaters von Tua außeinander und ist dabei selbst für die gewohnt packende Manier des Stuttgarters ein harter Kloß. Unfassbar intim und ehrlich zeigt sich der Rapper von den Ereignissen rund um dessen Ableben berührt und spannt in knapp fünf Minuten einen unglaublichen dramatischen Bogen, der im ohne Frage bisher finstersten Song seiner Karriere resultiert. Unglaublich guter Song, aber vor allem unglaublich schmerzhaft.

MATMOS
Silicone Gel Implant
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In der IDM-Gemeinde sind Matmos aus San Fransisco schon seit Jahren dafür bekannt, Musik aus komischen Quellen zu erzeugen. Und wo ihr Instrumentarium zuvor schon kuriose Dinge wie eine Waschmaschine, einen Insektenschwarm oder menschliches Haar beinhaltete, ist dieser Song eine ganz besonders schelmische Fummelei: Ausgangspunkt für Silicone Gel Implants sind, wie der Name schon sagt, Silikonimplantate aus der Schönheitschirurgie, was ebenso nerdig wie pubertär ist. Was am Ende dabei rauskommt, ist aber wie immer bei den beiden Musikern ein zwar recht experimenteller Electronica-Track, dem man seine Ursprünge aber kein bisschen anhört. Wenigstens safe for work bleibt die neue Musik von Matmos also.

BEAST IN BLACK
Die By the Blade
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Melodischer Powermetal war bisher eine Stilrichtung, die auf CWTE nicht wirklich einen Platz hatte, und wer sich fragt, warum das so ist, braucht sich nur mal 99 Prozent dieser Musik anzuhören. Mit Beast in Black aus Finnland hat sich ausgerechnet Nuclear Blast nun aber eine Band an Bord geholt, die dieses Thema in meinen Augen auf sehr ansprechende Weise anpackt. Die By the Blade, die erste Single ihrer kommenden LP From Hell With Love, kombiniert genau die richtigen Komponenten von Iron Maiden, Judas Priest, Manowar und David Hasselhoff, kann textlich halbwegs überzeugen und ist noch dazu fantastisch produziert. Sicher, auch hier ist triefender Kitsch ein kompositorisches Muss und Beast in Black lieben ihre maskulinen Lederkutten, aber ich würde lügen, wenn ich diesen Track nicht als einen der unterhaltsameren im neuen Jahr anerkennen würde. Und einmal ist ja schließlich immer das erste Mal.

HUNTLY
Low Grade Buzz
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Ein kraftvoller Instant-Hit ist Low Grade Buzz nun wirklich nicht und er braucht seine fast fünf Minuten, um seine ganze Wirkung zu erzielen, aber wenn er erstmal so weit ist, ist er ein durchaus faszinierender Track. Sehr sanfter Electronica, gebettet auf ein weiches Synthie-Kissen, gelegentlich unterbrochen von frickeligen Glitch-Einschüben und mit einer fantastisch gemütlichen Gesangsperformance. Irgendwo zwischen Jenny Hval, Mitski und Maurice Ernst finden Huntly hier einen mysteriösen Zugang, der verstörend unaufgeregt und herrlich unterschwellig ist. Keine Ahnung, was dieses Projekt von mir will, aber einen guten ersten Eindruck hat es mit diesem Stück schonmal hinterlassen.

LITTLE SIMZ feat. CLEO SOL
Selfish
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Nachdem die letzten Teaser-Tracks von Little Simz den Fokus eher auf fette Rap-Brachialität legten, geht die Britin hier wieder den Weg des gediegenen R'n'B- und Soul-Jams, der bei ihr inzwischen mindestens genauso gut funktioniert. Zwar kann die Rapperin selbst nicht anders, als in ihren Strophen ein bisschen rotzig und angepisst zu klingen (was ja auch super ist), aber Cleo Sol als stimmig gesetztes Hook-Feature holt die Entspannung in bester Kali Uchis-Manier doppelt und dreifach zurück. Lyrisch schaffen die beiden damit so etwas wie die coolere Version von Kendrick Lamars I und machen Hoffung, dass die neue Platte von Simz im April wieder an allen Fronten glänzt.

JESSICA PRATT
Aeroplane
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Sich Jessica Pratts Stimme demnächst wieder auf Albumlänge anhören zu müssen, wird definitiv erneut eine Herausforderung, aber dass sie keine guten Songs schreiben kann, heißt das deshalb noch lange nicht. Gerade ihre neue Leadsingle Aeroplane beweist das mal wieder eindrucksvoll. Die Rede ist von einem wunderbar getragenen Kammerpop-Song mit schön viel kompositorischem Stuck drumrum, der fast ein bisschen an Acts wie Destroyer oder Nick Drake erinnert. Ihre laszive Sixties-Nico-Cohen-Attitüde hat sie dabei ebensowenig abgelegt wie den Hauch von Schrulligkeit, der schon ihre beiden ersten Platten so besonders machte. Einfach wird die kommende LP sicherlich nicht, interessant aber vielleicht schon.

BHAD BHABIE feat. TORY LANEZ
Babyface Savage
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Auch wenn ich ihr Debüt im letzten Jahr nicht besonders mochte, meine Faszination mit dem Phänomen Bhad Bhabie endet damit keinesfalls. Insbesondere dann nicht, wenn sie weiterhin so großartige Singles veröffentlicht. Babyface Savage ist insofern besonders, weil die 15-jährige hier auch erstmals sowas wie performativen Skill ausprobiert und dabei tatsächlich ein paar ganz vernünftige Bars abliefert. Gegen Konterpart Tory Lanez kommt sie damit zwar noch nicht ganz an, aber immerhin ergänzen sich die beiden hier ganz gut und fabrizieren einen weiteren ziemlich fetten Banger, der in Bhad Bhabies Diskografie schon lange nicht mehr der einzige ist.

LGOONY
Grünweiße Scheine / Check (Produktion von DJ Heroin)
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LGoony hatte mit der Mainstreamwerdung seines eigenen Genres in den letzten Jahren härter zu kämpfen als die meisten MCs seiner Generation, doch ich bin froh zu hören, dass es sich hier anscheinend wieder ein bisschen erholt hat. Auf dem Single-Doppel Grünweiße Scheine und Check macht er zwar nicht viel anders als eh schon immer, aber es funktioniert diesmal trotzdem. Die Performance ist weniger eingeschlafen, die Beats von Nischenoriginal DJ Heroin etwas poppiger und vor allem gibt es ein Comeback dieser herrlich überzogenen Hedonismus-Punchlines, die am Ende eben doch nur LGoony kann. Ob die neue Platte Lightcore das auf voller Länge durchhält, muss ich erst noch sehen, aber bisher scheint zumindest alles dafür zu sprechen.

GLEN HANSARD
I'll Be You, Be Me

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Wer Glen Hansard bisher nur vom Once-Soundtrack kannte (was schon ziemlich gut ist), dürfte spätestens hier so langsam schockiert über dessen klangliche Metamorphose sein. So düster und aufgekratzt wie auf I'll Be You, Be Me klang der Ire meines Wissens nach noch nie und statt gemütlichem Altherren-Folk erleben wir ihn hier als manischen Nick Cave-Imitator, der über die finsteren Geheimnisse der Liebe singt. Das ist ein bisschen gruselig, aber nicht minder faszinierend als seine bisherigen Sachen und zum ersten Mal bin ich dadurch auch wirklich neugierig auf einen kommenden Longplayer von ihm.

THE DRUMS
Body Chemistry
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Hätte ich auch nicht gedacht, dass die Drums es schaffen würden, sich irgendwann doch noch mal von ihrem sesselfurzigen Surfpop-Sound zu emanzipieren, den sie seit inzwischen fast zehn Jahren spielen, aber hier wären wir. Body Chemistry verfügt zwar weiterhin über gewisse Elemente der alten Ästhetik, erweitert diese aber um eine neue, sehr unterkühlte und elektronische Komponente, die nicht nur wesentlich zeitgemäßer, sondern auch spannender ist. Außerdem erlebe ich hier zum ersten Mal einen wirklich hochwertigen Text von dieser Band, was ebenfalls ungewohnt, aber toll ist. Hat lange genug gedauert, aber schön, dass sie nun doch noch in Fahrt kommen. Dabei können sie schon froh sein, dass überhaupt noch jemand zuhört.

Mittwoch, 30. Januar 2019

Help!




















[ rotzfrech | spaßig | zynisch ]

Wenn Fidlar aus Los Angeles sich in den letzten Jahren als eines etabliert haben, dann als sowas wie die neuen Lifestyle-Experten zum Thema gepflegt kalifornischer Hedonismus. Nachdem die Red Hot Chili Peppers nun mittlerweile endlich auch ruhiger geworden sind, man sich bei Snoop Dogg nicht mehr ganz sicher ist, ob er überhaupt noch kifft und Lana del Rey so ziemlich das Gegenteil von Partylaune verbreitet, ist das Punk-Quartett seit einiger Zeit so ziemlich die beste Anlaufstelle für Songs über belanglosen Suff, räudige Van-Tourgeschichten und adoleszenter Ekstase. Nicht nur, weil sie selbst sehr gut wissen, was Exzess bedeutet und nicht nur darüber singen, sondern auch, weil sie dieses Thema inzwischen sehr reflektiert und aus vielen Perspektiven bearbeitet haben. War ihr selbstbetiteltes Debüt 2013 noch ein jugendliches und bis oben hin mit Bay Area-Klischees überhäuftes Sauf- und Surf-Projekt von vier feierwütigen Teenagern, ging es spätestens zwei Jahre später auf Too schon etwas ernster zu. Es ging zwar immer noch um Party, aber eben auch um die Momente, in denen mal jemand nicht mehr von ein paar Ohrfeigen aufwacht und man schon mal Probleme hat, auf die allmorgentliche Sportzigarette zu verzichten. Fidlar klangen hier wie der eklige Kater am Tag danach, nach Konterbier und Reue. Nicht die Art von Reue, die einen komplett auf den Spaß verzichten lässt, aber auch nicht mehr nach jugendlichem Leichtsinn. Dementsprechend spannend war die Frage, wie diese Entwicklung auf ihrem dritten Album weitergehen würde. Die helle und die dunkle Seite waren beide einmal beleuchtet, welche Schlüsse würde die Band daraus inhaltlich ziehen? Kompletter musikalischer Detox? Ganz neue musikalische Themen? Oder doch wieder zurück zum Party Rock Anthem? Hört man sich Almost Free in seiner Gänze an, rückt diese Frage aber erstmal in den Hintergrund. Das erste, was Fidlar im Vergleich zu den Vorgängern nämlich umgestellt haben, ist ihre musikalische Diversität. Schon auf Too war die klangliche Spanne weit größer als bloß Punk, Surfrock und Hardcore, doch was sie hier machen, ist schon ein starkes Stück: Es gibt Einflüsse aus Hiphop, Country, Nu Metal, Emorock und Garagen-Noise, natürlich zusätzlich zu den bekannten Basis-Styles und Tracks, die abwechselnd an die Beastie Boys (Get Off My Rock), Ty Segall (Called You Twice), Beck (Kick), Blink-182 (By Myself), Weezer (Good Times Are Over) oder sogar Sachen wie Smash Mouth oder Sex-Bob-Omb erinnern. Das klingt alles relativ weit hergeholt, passt im Gesamtkontext aber ziemlich gut zur Ästhetik von Fidlar und wirkt miteinander kombiniert kein bisschen unfokussiert. Und es gestattet der Band, auch lyrisch in ganz verschiedene Richtungen zu gehen. So gibt es Stücke über Beziehungen, die kommunikative Schwierigkeiten behandeln, völlig sinnlose Cuts wie Nuke und den Titeltrack und mit By Myself und Good Times Are Over auch zwei fantastisch zynische Herangehensweisen an das Lieblingsthema aller Musiker*innen seit dem letzten Jahr: Depressionen. Mit Alcohol ist nur ein einziger Track zu finden, in dem es explizit um hedonistische Themen (und um Alkoholismus) geht, aber es ist bei weitem nicht so, als würden Fidlar ihre Beschäftigung damit hier ruhen lassen. Der Party-Lifestyle ist hier viel eher ein unterschwelliger Begleiter, der Entweder Auslöser oder Resultat vieler Dinge auf diesem Album ist. Die Freundin haut ab, weil man die ganze Zeit zugedröhnt ist, man verliert die Kumpels, die erwachsen werden, weil sie nicht Vollzeit-Profimusiker sind, man beginnt sich mit den eigenen Ängsten und Fehlern zu beschäftigen und weil man den ganzen Mist nicht aushält, greift man wieder zum toxischen Getränk. Auf vielen Songs hier wird dieser Teufelskreis ironisch-distanziert und mit reichlich twitterigem Humor vorgetragen, aber man merkt schon, dass es echt ist. Es ist ein bisschen wie in dieser einen Szene aus Rick & Morty, genauergesagt dieser hier. Insbesondere By Myself mit seinem fluffigen Ska-Beat ist unfassbar schmerzhaft und man kann mittlerweile sagen, dass Fidlar diese Art von Hilfeschrei-Rückzug-Songwriting ziemlich bösartig kultiviert haben. Über den Unterhaltungswert dieser Tracks spreche ich lieber nicht, weil das in meinen Augen deren emotionale Unmittelbarkeit diskreditieren würde (a.k.a. darüber zu urteilen wäre über die Echtheit dieser Gefühle zu urteilen, was absolut anmaßend ist). Fakt ist, dass diese Präsentation etwas mit mir macht und meine eigenen Denkprozesse anregt. Und wenn das passiert, kann die Musik so schlecht gar nicht sein. Und das macht Almost Free zu einem besonderen Album, obwohl hier bei weitem nicht jede Idee so genial ist und ich generell sagen würde, dass Too weiterhin das stärkste musikalische Statement der Kalifornier bleibt. Was diese LP schafft, ist die Erzählung von Fidlar um ein paar weitere Facetten zu ergänzen und letztendlich doch das Album zu sein, das wir nach den ersten beiden brauchten. Weil wir jetzt auch wissen, dass der Weg von hier aus dunkler wird...



Klingt ein bisschen wie:
Various Artists
Scott Pilgrim vs. the World O.S.T.

Ty Segall
Ty Segall


Persönliche Highlights: Get Off My Rock / Can't You See / By Myself / Nuke / Kick / Good Times Are Over

Nicht mein Fall: Alcohol / Thought.Mouth.

Kritische Theorie




















[ wortakrobatisch | textlastig | intelligent ]

Ich will es ja überhaupt nicht leugnen: Als jemand, der zum Zeitpunkt, wo Dendemann das letzte Mal einen Longplayer rausbrachte, gerade Mal anfing, sich ein kleines bisschen für Musik zu interessieren und für den deutschsprachiger Rap dabei nicht unbedingt im Vordergrund stand, bin ich leider niemand von diesen Leuten, für die Da nich für! jetzt ein emotionales Ereignis ist. Weder habe ich jahrelang auf diese LP gewartet, noch habe ich diesen Künstler in seiner Funktion als Rapper irgendwie vermisst. Wenn es um mich geht, kam der unmittelbare Erstkontakt mit Dendemann eben durch jenen Fernsehjob, der ihn so lange von eigener Musik abgehalten hat. Folglich ist er für mich momentan primär dieser Typ und eben nicht der von Eins Zwo und nicht der von Die Pfütze des Eisberges oder Vom Vintage verweht. Und in gewisser Hinsicht bin ich darüber auch froh, denn weil dem so ist, hatte dieses große Comeback-Album für mich auch nicht das geringste zu beweisen. Zumindest nichts weiter, als einfach nur für sich eine gute Platte zu sein. Dendemann ist für mich nicht dieser Nostalgie-umwundende Riesenmythos der Deutschrap-Historie (der er ganz objektiv natürlich ist), sondern einfach nur ein guter Rapper, der gute Texte schreibt. Und im wesentlichen finde ich Da nich für! jetzt auch so gelungen, weil es genau diesen Künstler repräsentiert. Schon aus Tradition ist Dendemann jemand, der inhaltlichen Fokus und durchdachte Lyrics über den größtmöglichen Effekt seiner Musik stellt, weshalb seine zwölf neuen Tracks trotz gestelztem Hype und Casper, Trettmann, den Beginnern, Kitschkrieg und Arnim Teutoburg-Weiß als Gäste eben nicht das große Pop-Comeback ist, das zuletzt viele MCs der Hamburger Zelle versuchten. Dass ihr Schöpfer so ein verknarzter Rap-Purist ist, wird hier auch nicht wie bei Samy Deluxe zum peinlichen nativistischen Statement, sondern zur intelligenten Essenz des Albums. Ja, Da nich für! ist auf jeden Fall textlastig und wer Spaß daran hat, kann aus dem Wortakrobatik-Knoten, den Dendemann hier spinnt, auch nach sorgfältigem Entfitzen noch immer einen roten Faden machen. In seiner Geschlossenheit ist diese Platte sehr ehrgeizig, was sicherlich der Hauptgrund dafür ist, warum sie so lange gebraucht hat. Ob es dabei um persönliche Sachen, um politische Positionierungen oder um die Liebeserklärung zum Rap-Mythos geht, ist zweitranging, weil erstens am Ende irgendwie doch alles zusammenhängt und es zweitens eher die umfassende Perspektivierung ist, die viele Texte hier so besonders macht. Dendemanns Arbeitsweise hat etwas von einer Doktorarbeit, die ein wasserdichtes Resultat präsentiert, das über alle Zweifel erhaben sein muss. Mit dem Bonus, dass sie hier auch noch in unglaublich cleveren Reimen formuliert sind. Und man könnte Da nich für! in einer Besprechung allein durch das Hervorheben dieser Cleverness sicherlich gerecht werden, würde man die dazugehörige Musik komplett außen vor lassen. Wenn es allerdings darum geht, was mich persönlich ganz besonders an dieser LP fasziniert, ist dieser Punkt fast noch viel wichtiger. Sich 2019 hinzustellen und zu verkünden, dass Dendemann gute Texte schreiben kann, ist müßig, weil es eh schon alle wissen. Was wirklich das besondere ist, ist dass er sich darauf nicht verlässt. Es gibt unzählige gute Rapper*innen, denen es genügt, über einen zufällig gepickten Beat ihre Sechzehner zu ballern und am Ende zehn bis zwanzig davon auf Platte zu pressen und als Album zu verkaufen, das letztendlich wie ein willkürlicher Sampler klingt. Nicht so dieser junge Mann, der auch in musikalischer Hinsicht unantastbar sein wollte und daraufhin die folgerichtige Entscheidung traf, die Krauts aus Produzententeam zu engagieren. Und wo Dende seinen Job hier auf jeden Fall großartig macht und überragende Songs geschrieben hat, ist deren Verdienst hier mindestens genau so wichtig. Wie wenige Beatbastler*innen in der Bundesrepublik versteht es diese Crew, sich musikalisch auf das Level des jeweiligen MCs zu begeben und eine Ästhetik zu finden, die zu dessen Stil passt, gleichzeitig auch ihr eigenes Können zu exponieren. Für diese Platte finden sie einen sehr minimalistischen, kargen Sound, der die raumgreifenden Strophen von Dendemann komplementiert, schaffen mit ihren auch hier mal wieder außerordentlichen Sampling-Skills (Hallelujah!) auf der anderen Seite aber gleichzeitig die Kompensation für dessen eher schwache Hooks. Ergebnis sind am Ende Tracks wie Keine Parolen oder Menschine, die klanglich auf den ersten Blick nicht viel zu bieten haben, aber trotzdem krass hängenbleiben. Fast jeder Song hat dabei seinen eigenen Trick, aber alle funktionieren. Und wenn man sich die wunderbaren Sample-Basteleien in Nochn Gedicht, Zauberland oder Müde anhört, fetzt das einfach. Wenn Dendemann hier sein bestes Album seit Vom Vintage verweht gemacht hat (haha!), dann ist Da nich für! mindestens auch das beste Krauts-Album seit Zum Glück in die Zukunft von Marteria. Letztendlich heißt das nicht mehr, als dass es schön ist, zu hören, dass sich für diese LP alle beteiligten Parteien, ob nun Hauptakteur, Produktionsteam oder auch die Feature-Gäste die größte Mühe gegeben haben und hier ein Produkt erschaffen, hinter dem wirklich viel Köpfchen steckt. Sicher liegt das auch daran, welcher Name hier vorne auf dem Cover steht und dass es am Ende eben doch ein bisschen ein Mythos ist, den man hier befeuert. Aber wenigstens ein durchaus lebendiger, der sich ganz sicher nicht in die Vergangenheit zurückziehen will.


Klingt ein bisschen wie:
Samy Deluxe
Schwarzweiss

Marteria
Zum Glück in die Zukunft


Persönliche Highlights: Ich dende also bin ich / Alle Jubilare wieder / Keine Parolen / Müde / Menschine / Drauf & Dran / Zeitumstellung / Zauberland / BGSTRNG / Nochn Gedicht

Nicht mein Fall: Wo ich wech bin

Dienstag, 29. Januar 2019

Wer zuletzt lacht




















[ emorockig | synthetisch | melodisch | kitschig ]

Ich würde lügen, würde ich behaupten, Amo wäre nicht die Platte, auf die ich im Januar 2019 am meisten gespannt war. Schon die Verschiebung der Veröffentlichung vom 11.1. auf den letzten Freitag machte mich in den vergangenen Wochen ziemlich hibbelig und die Tatsache, dass auch die Presse diesmal ihren Teil zur Vorfreude beitrug, machte die Sache nicht unbedingt besser. Die Frage, was Bring Me the Horizon mit ihrem sechsten Longplayer anstellen würden, trieb mich zuletzt mehr um als alles, was Dendemann, Weezer und Tool zusammen fabrizierten. Die eigentliche Frage für mich sollte aber lauten: Warum ausgerechnet jetzt? Was bringt ausgerechnet mich, den Typen, der vor drei Jahren über That's the Spirit noch eine äußerst herablassende Fake-Besprechung schrieb, dazu, sich ganz plötzlich auf eine LP dieser von ihm einst verlachten Band zu freuen? Um die Antwort darauf zu finden, muss man einige Jahre zurückgehen und erstmal die Frage stellen, was die Briten zuletzt überhaupt so lächerlich machte. Und so richtig beginnt diese Geschichte für mich 2013 auf Sempiternal. Bring Me the Horizon waren damals an einem Punkt, an dem der provokante Boyband-Deathcore ihrer Frühphase, den ich mit 13 Jahren so geil fand, langsam ein bisschen langweilig wurde und es so aussah, als würde die Gruppe ihren Status als Trendsetter in der Szene irgendwie einbüßen. Jenes vierte Album war seinerzeit eine Reaktion auf diese Entwicklung, die von der Band als klangliche Revolution verkauft wurde, sich nach Veröffentlichung aber als ihr bis dato ödester Longplayer entpuppte. Die Briten versuchten darauf, so krampfhaft provokant zu sein, dass sie sich im Zuge dessen an haufenweise billige Trends ranschmissen und plötzlich fast mehr nach einer Core-Coverband von Linkin Park klangen als nach sich selbst. In Zusammenhang mit ihrer gewollten Edgyness und der konsequenten Selbstüberschätzung wurden sie damit Stück für Stück zu einer Parodie ihrer selbst, die man beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen konnte. Weshalb ich spätestens bei That's the Spirit auch nicht mehr anders reagieren konnte als mit Spott. An meinem Interesse für ihren Output und der Hoffnung, dass sie es irgendwann doch noch schaffen würden, tatsächlich progressiv zu sein, änderte das jedoch nichts. Denn trotz der wiederholt fürchterlichen Umsetzung erlebte ich bei Bring Me the Horizon stets das richtige Mindset dafür. In ihrer ausgedehnten Karriere probierten sie immer wieder neue Dinge aus, versteckten sich nie hinter einer gewissen Szene-verordneten Realness und hatten vor allem keine Angst davor, damit auch die eigenen Fans zu verschrecken. Ein Mut, aus dem schon immer große Musik gemacht ist. Und mit Amo kommt nun auch endlich die Platte, auf der dieser Mut tatsächlich Resultate abwirft. Eine Entwicklung, die man diesmal auch Meilen gegen den Wind riechen konnte. Mantra war im Dezember 2018 seit Jahren mal wieder eine wirklich starke Single der Briten und spätestens mit der Ankündigung, dass unter anderem Grimes und Roots-MC Rahzel hier als Gäste auftreten würden, hatte ich eine Ahnung, dass Bring Me the Horizon diesmal den Finger gezogen hatten. Dabei macht Amo oberflächlich eigentlich wenig anders als seine Vorgänger. Den Weg zu Emo-Pop und Electronica, den die Band mit Sempiternal und That's the Spirit bereits geebnet hatte, geht sie hier nur konsequent zu Ende und vermischt dabei Nu Metal mit Emocore, R'n'B, Boyband-Momenten und Elektro. Klanglich ist das ganze entfernt vergleichbar mit der stilistischen Wandlung, die 2017 Enter Shikari auf the Spark durchmachten oder vermutlich auch mit dem, was uns auf einem neuen Grimes-Longplayer erwarten könnte. Für eine Band wie Bring Me the Horizon, die schon immer überall ihre Finger drin hatte und sich nie scheute, kitschig zu sein, eigentlich ein ahnbarer Move. Der wirkliche Unterschied ist aber, wie viel besser sie das alles diesmal anpacken. Die Produktion übernahmen wie schon beim Vorgänger, wieder Jordan Fish gemeinsam mit Sänger Oli Sykes, wobei letzterer diesmal selbst den Löwenanteil leistet und hier überraschend gute Arbeit abliefert. Sein deutlich poppigerer Sound ist wesentlich klarer als der von That's the Spirit und verleiht den fetten Hooks hier auch die richtige Breite, um in vollem Glanz zu wirken. Auch als Performer ist Oli Sykes hier wesentlich besser geworden, und während seine gesungenen Parts (Geschrei gibt es hier ehrlich gesagt kaum noch) zuvor immer etwas awkward wirkten, sind sie hier sehr inbrünstig und mit viel schmalzigem Emo-Pathos geschmiert. Dieses wiederum funktioniert nur deshalb so gut, weil Amo zweifelsohne die textlich bisher stärkste Platte der Briten geworden ist. Sykes beherrscht inzwischen einen gewissen schnippischen Sarkasmus, der in sich eigentlich eine Persiflage typischer Emo-Texte ist, aber großartig in die Ästhetik ihres neuen Sounds passt. Diese inhaltliche Stärke ist in meinen Augen die wahre Essenz der Qualität dieser LP und das Element, das am Ende wirklich den Unterschied zu seinen Vorgängern ausmacht. Sie sorgt dafür, dass Bring Me the Horizon diesmal nicht nur progressiv und aufreizend sein wollen, sondern es tatsächlich auch irgendwie sind. Auch wenn das heißt, dass sie hier schlussendlich noch größere Schmierlappen sind als jemals zuvor. Wenigstens sind sie jetzt wieder musikalisch interessant und reden nicht nur darüber. Insofern ist Amo tatsächlich das Album, das ich schon immer von ihnen hören wollte.


Klingt ein bisschen wie:
Enter Shikari
the Spark

the 1975
A Brief Inquiry Into Online Relationships


Persönliche Highlights: Mantra / In the Dark / Wonderful Life / Ouch / Medicine / Sugar Honey Ice & Tea / Why You Gotta Kick Me When I'm Down? / Mother Tongue / Heavy Metal / I Don't Know What to Say

Nicht mein Fall: I Apologise If You Feel Something

Montag, 28. Januar 2019

Wolfswelpen




















[ rockig | hymnisch | energisch ]

Es ist ein toller Nebeneffekt des Internet-Zeitalters, dass man durch die universelle Zugänglichkeit neuer Platten schon lange nicht mehr darauf warten muss, dass ein vorausschauendes Label es schafft, endlich die heißen neuen Acts aus Übersee hierzulande zu veröffentlichen und man dadurch teilweise Jahre warten muss, bis Gruppen aus fernen Ländern in Europa gesignt werden. Insofern man nicht gerade einem eisernen Vinyl-Purismus fröhnt, reicht dieser Tage meistens Spotify oder in spezielleren Fällen ein Bandcamp-Stream, um das aktuelle Oeuvre sämtlicher Künstler*innen aus aller Welt direkt am Releasetag zu hören. Somit habe ich eigentlich auch keine Ausrede dafür, über das Debütalbum von Press Club nicht schon 2017 geschrieben zu haben, als es in ihrer Heimat Australien erschien. Leider ist jedoch die Netz-Propaganda nicht immer so schnell wie das Netz selbst und es dauerte ein ganzes Jahr, bis ich überhaupt das erste Mal von dieser jungen Band hörte, ironischerweise ganz klassisch über eine altmodische Radiosendung. Weitere sechs Monate zogen ins Land, bis sich das Londoner Indielabel Hassle Records nun dieser Gruppe annahm und Late Teens letzten Freitag auch offiziell in Europa veröffentlichte. Ein Ereignis, welches ich als Anlass nehmen möchte, dieser LP nun doch noch mal ganz formell den Teppich auszurollen. Und ich finde, den nachträglichen Aufwand ist es durchaus wert, denn das letzte halbe Jahr über haben es die Australier gleich mehrere Male geschafft, mich positiv zu beeindrucken. Eine Sache, die 2018 wenige junge Rockbands hinbekommen haben. Dass ich Press Club letzten Sommer ausgerechnet durch eine ziemlich coole Coverversion des Killers-Klassikers When You Were Young kennenlernte, sagt dabei jede Menge über ihre musikalisch Identität aus. Schätzungsweise sind die Mitglieder dieser Formation im Moment ungefähr in meinem Alter, was sie zu Aussätzigen der letzten größeren Mainstream-Generation von Rockbands macht, die Ende der Nullerjahre nochmal die Charts unsicher machten. Platten wie Sam's Town von den Killers oder Only By the Night von den Kings of Leon dürften für sie die wenigen Berührungspunkte mit moderner Rockmusik gewesen sein, die aus Radio, Fernsehen und Internet kamen und wesentliche Einflüsse für sie darstellten. Diese Vermutung liegt zumindest nahe, wenn man sich die Songs auf Late Teens anhört. Obwohl Press Club in jeder Hinsicht eine hundertprozentige Indieband sind, klingen ihre Songs nach Stadionrock, beinhalten die maximale Performance aller Spielenden und greifen nach den großen, pathetischen Momenten, die sich heutzutage kaum eine Rockband traut. Es gibt haufenweise Live-Videos, in denen man gut beobachten kann, wie Press Club die überschaubaren Clubs ihrer Heimat mit einer Art von Bombast zerlegen, der eigentlich viel zu gigantoesk für diese Räumlichkeiten ist, was nicht zuletzt ihrer einmaligen Live-Präsenz geschuldet ist. Mitschnitte auf YouTube reichen völlig aus, um die Energie zu bemessen, die diese Gruppe auf der Bühne abfeuert, selbst in Studiosessions ohne Publikum. Und es ist auch kein Geheimnis, dass der Motor dieser Energie maßgeblich Frontfrau Natalie Foster ist. Nicht als mystisch-distanzierte Bühnen-Amazone, die eine große Kunst aus ihrer Erscheinung macht, sondern als adoleszente Rampensau mit Rockstar-Gen, die vor allem einen Riesenspaß an ihrem Job hat. All diese positiven Eigenschaften in einem Debütalbum zu vereinen, ist natürlich keine leichte Sache, und ich will auch nicht behaupten, dass Press Club das hier geschafft haben. Als Appetizer funktioniert Late Teens trotzdem sehr gut. Denn wenn diese LP eines ist, dann kompromisslos. Eines der ersten Dinge, die beim Hören auffallen werden ist, dass die Band der Platte keine Pause gönnt. Die kompletten 35 Minuten röhren die Australier hier durch, wobei ein Song größer und krachiger ist als der andere. Hits wie Suburbia, Stay Low oder My Body's Changing fallen dabei nicht jedes Mal ab, doch die AustralierInnen boxen jene Post-Springsteen-High-Energy-Gitarrenriff-Ästhetik bis zum letzten Ton durch. Das kann mitunter ermüdend sein, doch man merkt vor allem, dass es ehrlicher ist als jede Konsens-Ballade, die der Band nur den Saft gezogen hätte. Und ganz nebenbei ist Fosters Gesang auch auf Konserve eine extrem starke Bugwelle, die jene Alles-oder-Nichts-Attitüde glaubwürdig mitträgt. Ähnliches gilt am Ende auch für den Sound von Late Teens, denn wenn man klangliche Maßstäbe ansetzt, ist das hier auf jeden Fall noch ein klassisches Indie-Debüt. Das Mixing ist teilweise pampig, die Aufnahmen (vor allem der Gesang) könnten wesentlich besser sein und viele Songs kämen besser zur Geltung, wären die einzelnen Instrumente klarer voneinander separiert. Wo das bei anderen Künstler*innen aber die ganze Platte ruiniert hätte, ballern Press Club einfach trotzdem drauflos und holen zwar nicht das Maximum aus ihren Stücken heraus, aber in Anbetracht der Umstände trotzdem eine ganze Menge. Und das fasst am Ende eigentlich das ganze Album relativ gut zusammen: Late Teens ist ein holpriger Einstand, der an vielen Stellen noch sehr unprofessionell und naiv wirkt, dafür aber umso ehrlicher. Man hört hier eine junge Band, die vor allem Spaß an ihrer Musik hat und dass sie klanglich so nach den Sternen greift, macht sie nur noch sympathischer. Press Club sind keine sehr intelligenten MusikerInnen, aber sie haben die richtige Portion Leidenschaft. Eigenschaften, die einem so ungeschliffenen Produkt wie dieser LP immerhin schon internationale Aufmerksamkeit beschert haben, sei es auch nur von ein paar Nischenlabels. Was irgendwann ein großer Deal aus diesem Rohdiamanten machen könnte, kann man sich nur vorstellen. Auch wenn diese Vorstellung beinhaltet, dass sie irgendwann so enden wie Hop Along...


Klingt ein bisschen wie:
the Killers
Sam's Town

Lissie
Catching A Tiger


Persönliche Highlights: Crash / Headwreck / Suburbia / My Body's Changing / Late Teens / Stay Low

Nicht mein Fall: Side B

Donnerstag, 24. Januar 2019

A wie Aufregend




















[ neo-proggig | atmosphärisch | fließend | klinisch ]

Es ist schon das Jahren das Mantra meines eigenen Fan-Seins, und wenn ich in diesem Format nur einen Tipp geben kann, wie man als Neueinsteiger*in anfängt, sich für Postrock zu interessieren, dann ist das immer der, sich erstmal in seiner eigenen Gegend umzuschauen.  Denn in meinen Augen ist diese Musik ganz besonders dadurch gekennzeichnet, dass sie durch ihre Basis funktioniert, die auch 2018 eine großartige Lebendigkeit hat, während die großen Nummern wie Mogwai, Godspeed und Tortoise doch eher was für Fortgeschrittene sind. Ich selbst habe meine Entdeckungsreise dieser Stilrichtung vor Jahren mit Acts wie Sojus3000, Apoa und Ute Moles begonnen, die alle aus meinem Umfeld kommen und zum Teil noch immer die Bands sind, die bei mir das größte Interesse wecken. Und mit Isolate ist vielleicht gerade noch eine dazugekommen. Meine direkte Verbindung zu den Dresdnern ist zwar eher lose und ich hatte ihren Werdegang bis hierhin nicht wirklich aktiv verfolgt, aber ich weiß, dass sie schon seit einiger Zeit unterwegs sind und auch, dass sie ihren Schaffensprozess wahnsinnig filigran angehen. Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht nicht verkehrt, von Nerds zu sprechen. Wenn man sich also fragt, warum es bei ihnen so lange gedauert hat, ein Mini-Album von gerade mal 23 Minuten Spielzeit aufzunehmen, findet man die Antwort darauf letztendlich in den Songs selbst. A ist alles andere als ein schlampig zusammengeschustertes Erstlingswerk, auf dem eine Band einfach nur die besten Stücke der letzten Jahre versammelt, sondern ein haarklein durchstrukturiertes Gesamtprojekt, in dem jede Faser zurechtgekämmt wirkt. Nicht nur in sich sind sie sechs Tracks in sich sehr aufwendig durchdacht und alle Instrumente und sämtliche Beats passgenau gesetzt, auch die albumübergreifende Dramaturgie ergänzt sich äußerst stimmig, was besonders für jemanden wie mich, der klangliche Konzepte und Abläufe über alles liebt, immer ein kleines Träumchen ist. Noch cooler wird das natürlich dadurch, dass diese Stilisierung in der Namensgebung der Stücke und dem Albumtitel selbst noch weiter geführt wird. A wirkt auf diese Weise wie aus einem Guss und hat mit dem krachigen Finale von Asleep, dem Choral-Part in Adrift und dem elektronisch-frickelnden Afar trotzdem starke Einzelmomente, die sich abheben. Strukturell gesehen kann man dieser Band also nichts vormachen. Meine größte Sorge war im Vorfeld dieser Platte aber auch eher, ob diese vorbildliche Aufbauarbeit nicht durch den Nerd-Faktor ihrer Musiker gestört werden würde. Dass Isolate musiktheoretisch bewandert sind, merkt man beim Hören sofort und Anklänge einer gewissen Jazz-Classiness und Steven Wilson-Neoprog-Arroganz kommen hier definitiv durch. Der Vorteil ist aber, dass diese Tendenzen niemals auf Kosten des Sounds gehen und die Dresdner hier am Ende ein paar formidable Pop-Passagen abliefern. Ihr technischer Anspruch wird ihnen nicht zur Last und dass sie zwischendurch auch immer wieder ein bisschen die Ruhe reinbringen, hilft auf jeden Fall. Isolate spielen nicht mit den Muskeln, sie schreiben lieber anständige Songs, und das ist auch gut so. Durch diese kompositorische Finesse, den großartigen Klang und die bestechende Konzeptualität ist A eine komplett starke Platte und seit langem mal wieder eine aus meinem indirekten Dunstkreis, die mich ziemlich umhaut. Eine von der Sorte der ersten Nornír-EP oder den ehemaligen Sachen von Svs, die qualitativ echt das Zeug haben, aus der ganzen Szene-DIY-Schiene auszubrechen. Obwohl ich als DIY-Fürsprecher natürlich hoffe, dass sie das bis auf weiteres nicht tun werden...


Klingt ein bisschen wie:
65daysofstatic
No Man's Sky: Music for An Infinite Universe

Mogwai
Atomic


Persönliche Highlights: Asleep / Adrift / Aglow

Nicht mein Fall: -

Mittwoch, 23. Januar 2019

Kevin Parker kann mich mal




















[ optimistisch | sonnig | funky | synthetisch ]

Ich hatte schon Angst, Chaz Bundick würde einer von denen werden. Einer dieser musikalischen Kevin Parker-Klone, die plötzlich ihre ganze Originalität vergessen, weil sie ein paarmal zu oft the Less I Know the Better gehört haben. Viele talentierte Künstler*innen hat in den Jahren nach dem letzten Tame Impala-Album dieses Schicksal ereilt und wenn ich ehrlich bin, bei Toro Y Moi hätte es mich bei allen von ihnen ganz besonders geärgert. Denn hier ist seit geraumer Zeit jemand ernsthaft kreatives am Werk, der schon lange zu Unrecht in irgendwelche Schubladen gesteckt wird. Schon zu Anfang seiner Karriere hatte Bundick ernsthaft damit zu kämpfen, mit seinem psychedelischen Ansatz elektronischer Popmusik nicht aus Versehen als Chillwave-Produzent verstanden zu werden, was ihn in den folgenden Jahren zunehmend in die Gefilde von experimenteller und Sample-basierter Platten brachte. Irgendwo dazwischen fand er dann auf Platten wie Anything in Return einen eigenen Sound, der zwar nicht sensationell, aber für sich ziemlich stark war. Irgendwie elektronisch, ein kleines bisschen verrückt, aber auch mit Spurenelementen von Synth-Funk und Psychrock darin. Eine ihrerzeit sehr moderne Pop-Ästhetik wenn man so will. Umso seltsamer war es demzufolge, 2015 dann eine LP wie What For? von ihm zu hören. Bundick versuchte sich hier an eben dieser Form von stromlininenförmiger Disco-Synth-Psych-Musik, die wenige Wochen später durch Tame Impalas Currents zur klanglichen Blaupause der nächsten Jahre werden sollte. Ich mochte die Platte damals zwar ganz gerne, doch ist sie im Nachhinein eben eine der ersten, die ein Musterbeispiel für jenen Sound darstellen, der einem seitdem von jeder zweiten ehemaligen Indierock-Band entgegenschlägt. Seiner eigentlichen Kreativität gerecht wurde das Projekt Toro Y Moi in dieser Inkarnation also nicht. 2017 folgte mit Boo Boo dann erstmal eine recht experimentelle Burnout-LP, mit der Chaz Budnick seine müden Geister stillte, wegen ihres vordergründig therapeutischen Charakters sehe ich allerdings ungern als vollwertigen Bestandteil seiner Diskografie. Ein richtiges Album gibt es zum ersten Mal seit 2015 wieder mit Outer Peace, wobei dieser Begriff auch diesmal relativ zu sehen ist. Mit gerade Mal 30 Minuten ist die neue Platte absichtlich klein gehalten und wirkt eher wie ein besonders energisches Mini-Album im Stil eines Kids See Ghosts. Denn obwohl das hier ein kurzes Vergnügen ist, kann man sich in Sachen Action kaum mehr von diesem Künstler wünschen. Gleichzeitig mit seiner Rückkehr zum elektronischen Synth-Funk entdeckt Chaz Bundick hier auch das erfrischende Hit-Songwriting neu, das sich hier in einigen echten Knüllern äußert. Besonders die beiden Singles Freelance und Ordinary Plesaures stechen als spritzige Tanznummern heraus, die am wenigsten subtil grooven. Schaut man sich weiter um, entdeckt man aber auch in Laws of the Universe einen fluffigen House-Beat oder deutliche Cloudrap-Einflüsse in 50-50. An wieder anderen Stellen erinnern Songs wie New House, Miss Me oder Monte Carlo gelegentlich an Acts wie Porches, Metronomy oder sogar James Ferraro und DNCE. Viele Ideen und Stile tummeln sich hier, doch vom brackigen Post-Currents-Sound hört man zum Glück kein bisschen mehr. Sicher, das hier ist auch nicht mehr so eigenständig wie viele Sachen von Causers of This oder Boo Boo und Musik für den Mix der Woche macht Toro Y Moi noch immer, aber man hat wenigstens den Eindruck, dass das hier wirkliche Kreativarbeit mit Herzblut geworden ist. Chaz Bundick macht keine Hits, weil er Trends nachahmt, sondern aus eigener Feder. Und statt des ausgelaugten Produktions-Workaholics erleben wir hier wieder einen befreiten Songwriter, der nicht nur den inneren Frieden finden kann, sondern eben auch den äußeren. Ein Gesamtbild, das Optimismus stiftet und gleich noch ein besseres Feeling vermittelt als die Musik das ohnehin schon tut.


Klingt ein bisschen wie:
Neon Indian
Vega Intl. Night School

Porches
Pool

Persönliche Highlights: Fading / Ordinary Pleasure / New House / Freelance

Nicht mein Fall: -

Dienstag, 22. Januar 2019

Die kapieren nicht




















[ glamrockig | retro | leichtfüßig ]

Dafür, dass Deerhunter vom Großteil der Indie-Presse einhellig als eine der letzten wirklich relevanten Rockbands des neuen Jahrtausends gefeiert werden, haben sie mich die ganze Zeit über relativ wenig interessiert. Sicher, ich habe ihre jüngeren Sachen gehört, wenn sie rauskamen und über ihre vorletzte LP Monomania schrieb ich 2013 sogar eine Besprechung, im Vergleich zu vielen Formaten ist das aber gar nichts. Platten wie Halcyon Digest oder Fading Frontier sind solche, bei denen sich die Kritiken ihrerzeit überschlugen und die viele Feuilletonist*innen als elementare Werke der letzten Jahre ansehen. Rückblickend gesehen sind sie das zwar ausschließlich bei der professionellen Kritik geblieben, aber immerhin. Dass ich in ihnen nicht diese großartige, künstlerisch wertvolle Sensations-Band sehe, heißt ja noch lange nicht, dass sie schlechte Musik machen. Und Deerhunter hätten auch von mir wahrhaftig etwas besseres verdient, als sie nach sieben Jahren immer noch regelmäßig mit Deerhoof zu verwechseln. Wie praktisch also, dass sie gerade mal wieder ein neues Album veröffentlicht haben, an dem man sich noch einmal versuchen kann. Dass ich dabei mit relativ wenig Ahnung vom Backkatalog der US-Amerikaner in den Ring steige, ist auch gar nicht mal so wichtig, weil sowieso jede ihrer Platten komplett anders klingt. In diesem Fall sogar so sehr, dass es nicht mal innerhalb dieser dreißig Minuten einen halbwegs kohärenten Sound gibt. Die ersten zwei, drei Songs lassen zwar noch vermuten, dass Deerhunter hier in die Richtung einer schlauen Glamrock-Variante im Stil der Berliner Bowie-Alben tendieren, doch je länger man hier zuhört, desto mehr zerstreut sich diese Marschrichtung. Greenpoint Gothic ist eine synthetische Instrumental-Plombe, Futurism ein psychedelischer Popsong aus der MGMT- und Foxygen-Ecke, Plains fast schon eine Shoegaze-Nummer und Détournement verliert stellenweise jegliche strukturelle Bindung. Man bekommt schon von Anfang an das Gefühl, dass Why Hasn't Everything Already Dissapeared? nicht unbedingt das durchdachteste Album dieser Band ist und mit seinen gerade Mal 30 Minuten auch nicht das aufwendigste. Das überrascht mich ein wenig, waren Deerhunter zuvor doch eigentlich zumindest an Ideen niemals arm und verfügten immer über eine starke Grundästhetik, die sich durch ihre gesamten Platten zog. Das hier hingegen wirkt eher wie eine Art Compilation von Ideen, die es nicht auf die letzten beiden Longplayer schafften und das nun recyclet werden, weil man sie ja auch nicht verkommen lassen wollte. Von allen Gesamtwerken, die ich von Deerhunter kenne, ist Why Hasn't Everything Already Dissapeared? definitiv das bisher schwächste, weil schmalbrüstigste Album. Wie eine definierende Band der modernen Rockmusik klingen sie hier noch weniger als sonst, eher wie eine, die nicht mal mehr ihre Retro-Bezüge richtig hinbekommt. Sicher gibt es auch hier gute Passagen, doch ist das alles kein Vergleich zu den Sachen, die diese Gruppe in der Vergangenheit gemacht hat, geschweige denn zum Ruf, der ihnen in der Presse vorauseilt. Dass Deerhunter ein bisschen überbewertet sind, war ja schon immer meine Meinung, aber spätestens hier sollten das auch die größten Fanboys eigentlich mal merken.


Klingt ein bisschen wie:
David Bowie
Low

MGMT
Little Dark Age


Persönliche Highlights: Death in Midsummer / No One's Sleeping / Tarnung

Nicht mein Fall: Détournement / Nocturne

Montag, 21. Januar 2019

Alles für den Vibe




















[ clout | chillig | gangster | atmosphärisch ]

Die Zeiten, in denen Nayvadus Wilburn aka Future der Typ war, der mit jedem Mist, den er verzapfte, automatisch einen Riesenhit landete, dürften 2019 so langsam zu Ende gehen. Er selbst hat letztendlich mehr oder weniger dafür gesogt. Mit seinen extrem erfolgreichen Platten vor zwei bis drei Jahren, die eine halbe Generation von jungen Rapper*innen inspirierte, die im Nachhinein vielleicht ein bisschen radikaler und charismatischer waren als er, hat sich der MC aus Atlanta in seiner ursprünglichen Form ein bisschen überflüssig gemacht. Und er ist inzwischen sicherlich nicht mehr der einzige, der das Exklusivrecht auf Autotune-Crooner-Trap in dieser Form für alle Zeit gepachtet hat. Noch ist er zwar so etwas wie der heimliche Endboss der Szene, der sich mittelfristig über kurzlebige Trends hinweggesetzt hat und nicht zuletzt seit Jahren einen beachtlichen Grind abliefert, doch wie alle inzwischen wissen, ist die Clout ein Haifischbecken, das in der Vergangenheit schon so manches Talent unter sich begraben hat. Seine Schafe ins trockene gebracht hat Future also noch lange nicht. Aber wenigstens hat er für diesen Fall vorgesorgt. Schon seit einiger Zeit arbeitet er nun daran, seine bestehende Marke um einige 'Spin-Offs' auszuweiten, die seinem regulären Output etwas mehr Abwechslung beibringen. Projekte sozusagen, die den Namen Future entweder neu kontextualisieren oder in sich geschlossene Mixtape-Serien sind, die davon abhängig spannend sind. Mit der gewünschten Wirkung, das Interesse an seiner Musik neu zu entfachen. Das in meinen Augen bisher beste Beispiel dafür sind seine fast jährlichen Kollaborations-Alben, bei denen er sich nicht nur die ganz großen Namen im Business (Drake, Young Thug, Juice WRLD) ins Studio holt, sondern auch regelmäßig stilistische Maßstäbe setzt. Andere, wie die Dirty Sprite- oder Beast Mode-Serie, haben mich hingegen eher kalt gelassen. Allgemein muss ich aber sagen, dass es durchaus dümmere Ideen gibt, wie man seinen LP-Katalog ein bisschen aufpeppen kann und die Fans bei der Stange hält. Weshalb ich auch die Idee seines neuesten Seitenprojekts nicht uninteressant finde. Ursprung der ganzen Sache ist das 2017 veröffentlichte Album Hndrxx, auf dem er sich etwas eingehender mit "emotionaler Musik" beschäftigte, die sich von seinen üblichen Drogendealer-Trap ein bisschen abhob. Vor zwei Jahren hieß das vor allem, dass Future versuchte, sich ein Stück in Richtung R'n'B und Autotune-Soul zu bewegen. Das Ergebnis dabei war ziemlicher kram und wies ehrlich gesagt nur marginale Unterschiede zu seinen sonstigen Songs auf, die Idee blieb aber bestehen und äußert sich nun in einem weiteren Ableger: Future Hndrxx. Was genau dieses neue Halb-Pseudonym eigentlich bedeutet und was ihn von seinem Alter Ego unterscheidet, ist mir selbst noch nicht ganz klar, aber aus irgendeinem Grund ist das Resultat hier eines der bisher besten Alben des Rappers überhaupt. Nicht, dass er diesmal irgendetwas wesentliches anders macht, plötzlich bessere Texte schreibt, erwachsene Musik schreibt oder einen völlig neuen Vibe anpackt, doch ich empfinde the Wizrd als die Platte, die den Optimalzustand des future'schen Stils repräsentiert. Chillig, verrucht, catchy und ein bisschen verschwurbelt. Die Intention, dass Rapmusik weniger über Lyrics und mehr über ihre Atmosphäre funktionieren kann, war von Anfang an so etwas wie das Forschungsziel dieses Künstlers und zumindest wenn man mich fragt, hat er genau das hier erreicht. Unter den 20 Songs hier ist kein einziger langweiliger und obwohl es in über einer Stunde Spielzeit keine wirklich fetten Banger gibt (Tracks wie Overdose und Unicorn Purp sind das Maximum an Trap-Geballer), wirkt the Wizrd nicht wie eine überlange ATL-Style-Hausaufgabe. Letzteres Problem kennt man von Leuten wie den Migos, Playboi Carti und sogar Future selbst nur zu gut, doch hier schafft es der MC, genau diesen Fehler nicht zu machen. Die einzelnen Stücke sind zwar keine Riesenhits, aber sie haben allesamt schicke Instrumentals, die die richtigen Knöpfe drücken und auf LP-Länge das Kunststück vollbringen, einen kohärenten Flow zu erzeugen, der die ganze Zeit nicht einmal seinen Grip verliert. So etwas zu erschaffen ist nicht einfach, zumal nicht wenige Songs hier an der Fünf-Minuten-Marke kratzen und Future nur in zwei Songs auf Gastperformances zurückgreift. Und es zeigt, dass in diesem Typen am Ende doch jemand steckt, der bereit ist, das nötige Herzblut in seine Musik zu stecken und es versteht, das der Teufel am Ende immer im Detail steckt. The Wizrd ist insofern ein Ausnahme-Album des Cloudrap, weil es gerafft hat, dass es nicht die Quavo- und Travis-Features, nicht die Metroboomin-Beats und nicht die meisten Drogen-Anspielungen sind, die eine Platte gut machen, sondern was für eine Atmosphäre sie vermittelt. Und Future ist so intelligent, auf jene klassischen Selling Points zu verzichten, damit er eben diese Atmosphäre herauskochen kann. Der einzige, der das im Hiphop schonmal so ähnlich gemacht hat, ist Drake mit seinen letzten beiden Alben und der ist dadurch - zumindest musikalisch - endgültig unfickbar geworden. Könnte sein, dass ein Future das auch auf dem Kasten hat. Das Durchhaltevermögen ist auf jeden Fall schonmal auf seiner Seite.


Klingt ein bisschen wie:
Migos
Culture II

Drake
Scorpion

Persönliche Highlights: Never Stop / Jumpin On A Jet / Rocket Ship / Call the Coroner / Promise U That / Overdose / Servin Killa Kam / Baptiize / Unicorn Purp / Goin Dummi / First Off / Faceshot

Nicht mein Fall: -

Samstag, 19. Januar 2019

Lassen Sie mich Künstler, ich bin durch




















[ elektronisch | filigran | melancholisch | elektrosoulig ]

James Blake hat wahrscheinlich einfach keinen Bock mehr auf das lange Gerede. Schon bei der Veröffentlichung seiner letzten LP the Colour in Anything vor zweieinhalb Jahren gab der Brite der Weltöffentlichkeit lediglich wenige Tage vor Release, um über die auf sie zukommende Musik zu mutmaßen und zu spekulieren, indem er das kommende Album einfach erst zu diesem Zeitpunkt ankündigte. Was trotzdem noch dafür sorgte, dass die Platte in der Presse und Fan-Kreisen extrem hohe Wellen schlug. Dieser Typ kann das machen, immerhin hielt die Ankündigung seines Debüts 2010 die Szene nicht weniger als ein ganzes Jahr in Atem. 2019 hat er den gleichen Trick nun nochmal angewendet, mit mehr oder weniger dem gleichen Resultat: Blake warf kurz vor Erscheinung von Assume Form ein Datum und einige Brocken hin, und die Medien kloppten sich drum. Man beobachtet das ganze inzwischen schon mit einem gewissen Voyeurismus. Nicht mehr der Künstler selbst ist der Fokus des Geschehens, sondern nur noch die Berichterstattung über ihn. Und nachher fragt man sich wieder, was die ganze Hysterie eigentlich sollte. Zumindest ich tue das mittlerweile, denn gerade im Fall von James Blake ist hinter dem Namen inzwischen nicht mehr ansatzweise das, was es mal bedeutete. Damals, in den ausgehenden Zweitausendern bei R&S, war er tatsächlich mal ein Impulsgeber, der schon damals wusste, dass Dubstep das peinlichste Crossover-Phänomen der kommenden Jahre werden würde und ihn deshalb auf seine ganz eigene Weise transzendierte. Seine damaligen EPs sind absolut zeitlos und sein Debüt schaffte es immerhin, seinen damaligen Stil auf Longplayer-Format zu zementieren. Doch diese Zeiten waren eigentlich schon in dem Moment vorbei, als der Brite 2013 mit Overgrown zum Generalisten mutierte und so ein richtiger Major-Erfolgsproduzent wurde. Seitdem rückt er für meine Begriffe mit jeder neuen LP nur noch tiefer in den Kreis der krass überbewerteten Elektro-Soul-Frickelfritzen dieser Welt, die ausschließlich deshalb so cool sind, weil sie sich extrem rar machen. Über Assume Form redeten in der letzten Woche deshalb alle, weil Blake sich hier Travis Scott, Moses Sumney und MetroBoomin als Feature-Gäste einlud. Ganz so, als würden das zurzeit nicht absolut a-l-l-e so machen. Dass er sich hier an Hiphop ranschmeißt, ist nicht mehr als ein Indiz dafür, dass er sich mit seinem eigenen Stil irgendwie nicht mehr zu helfen weiß und seine Rettung mal wieder im Crossover-Clash sucht. Gleichzeitig nutzt er es geschickt aus, dass er vor ein paar Jahren einen guten Riecher für den Trend hatte (die eine Sache, die er sich aus den R&S-Zeiten bewahren konnte) und seit 2016 mit Produzentenjobs für Kendrick Lamar, Jay-Z, Beyoncé und Frank Ocean einen Fuß in die Tür zum fetten Business in Übersee bekommen hat. Mehr ist eigentlich nicht dran an der Magie von Assume Form. Und so ist es am Ende auch zu erklären, dass die Platte zu großen Teilen wie die leere Hülse von intelligentem Songwriting klingt. Oberflächlich gesehen ist das hier natürlich krass kreativ: James Blakes unterkühlter Post-IDM-R'n'B gepaart mit gelegentlichem Autotune-Gecroone klingt extrem verwegen, gedankenverloren und kunstig, ist aber auf den zweiten Blick einfach nur sinnentleert. Es gibt durchaus Ausnahmen wie das wirklich emotionale Don't Miss It oder I'll Come Too, doch sind das am Ende auch die einzigen Songs, die nicht versuchen, etwas zu sein, das sie nicht sind. Die Regel hier sind tatsächlich ein paar völlig zusammengeschusterte, unfokussierte Luftschlösser, die melancholisch irgendwo im elektronischen Äther umherschweben, dabei aber kein bisschen interessant sind. Fast noch schlimmer ist, wie Blake dann versucht, auf Biegen und Brechen seine ganzen Rap- und Soul-Features dort einzubauen. Allein für das, was er Andre 3000 in Where's the Catch antut, muss ich seine künstlerische Sensibilität schwer in Frage stellen. Für jemanden, der angeblich so bewusste und erlesene Gastperformances kuratiert, ist das hier extrem schludrig und unnötig. An anderen Stellen wiederum sind es gerade die Gäste, die ein paar ansonsten ziemlich miese Songs doch noch erträglich machen. Moses Sumneys Part in Tell Them ist etwas, das dieses Album eigentlich nicht verdient hat und auch Rosalía macht in Barefoot in the Park sehr gute Mine zum schlechten Spiel. Lässt man James Blake alleine, merkt man in den schlimmsten Momenten aber erstmal, wie sehr er inzwischen von sich selbst eingenommen ist. Lullaby for My Insomniac soll als schwermütiger Schlussakkord für dieses Album dienen, wird mit seinen dissonanten Vokalschichten aber eher zum Horror-Choral, der besser in Thom Yorkes Suspiria-Soundtrack gepasst hätte. Geschickter Album-Flow und filigrane Nuancierung hört sich anders an, und leider ist das auf der gesamten LP ein riesengroßes Problem. Vielleicht ist Assume Form ja eine dieser Platten wie 808s & Heartbreaks von Kanye West, die man nicht direkt begreift und deren kultureller Aufprall sich erst in ein paar Jahren zeigt, doch selbst das könnte nur schwer etwas daran ändern, wie furchtbar ich vieles hier von einem rein musikalischen Standpunkt finde. In meinen Augen ist das hier eher eine dieser Platten wie Blonde von Frank Ocean, die einfach nur abgefeiert werden, weil ein prestigeträchtiger Name daran hängt und man verdammt lange auf diese Musik warten musste. Denn Enttäuschungen gibt es nicht in der Welt von James Blake. Nur künstlerische Herausforderungen.


Klingt ein bisschen wie:
Frank Ocean
Blonde

Dirty Projectors
Dirty Projectors


Persönliche Highlights: Tell Them / Barefoot in the Park / I'll Come Too / Don't Miss It

Nicht mein Fall: Assume Form / Where's the Catch / Lullaby for My Insomniac


Freitag, 18. Januar 2019

Weil es immer noch weh tut




















[ emotional | schwermütig | synthetisch ]

Dass Sharon van Etten nicht zum Spaß auf dieser Welt ist und sie ihre Musik nicht aus bloßer Langeweile schreibt und singt, ist in ihrer bisherigen Diskografie vielleicht die wichtigste Konstante überhaupt gewesen. Seit ihrem Debüt Because I Was in Love vor zehn Jahren ist sie definitiv eine der ernsthaftesten und humorlosesten Songwriterinnen ihrer Zunft, die in ihren Stücken stets aufarbeitet, ausblutet und Herzen auf den Tisch knallt, und das auch immer aus gutem Grund. Das produzieren von Kunst dient für sie nicht primär dem Zweck der Unterhaltung, sondern vor allem der eigenen Katharsis, was über lange Zeit ein wenig für den Eindruck gesorgt hat, dass mit dieser Frau nicht gut Kirschen essen ist. Auf der anderen Seite hat sie das aber zu einer faszinierenden Musikerin gemacht, der man wahnsinnig gerne zuhört, weil es einfach so schön weh tut. Das Drama in ihren Texten ist stets irgendwie real, die Dringlichkeit ihrer Anliegen durchweg überzeugend, die Schwermut tief gesät. Nicht zuletzt deshalb wirken ihre Alben auf mich noch immer so munumental und respekteinflößend. Ihr letzter Longplayer Are We There? von 2014 spielte zwar mit einer Form von Optimismus, hatte aber zuletzt doch ein bisschen zu sehr das Messer an der Kehle, um das wirklich eindeutig zu verkaufen. Was im Hiblick auf ihr neues Werk nun die Frage aufwirft: Kann diese Künstlerin überhaupt eine Platte machen, die nicht total aufgekratzt und gramvoll klingt? Meiner Meinung nach zumindest nicht einfach so. Und weil das scheinbar auch Sharon van Etten begriffen hat, ist Remind Me Tomorrow nach fast fünf Jahren ohne neues Material von ihr jetzt der Versuch, auch musikalisch einen etwas anderen Ansatz zu finden. Der Großteil der zehn Tracks auf dieser LP wurde mit einem Roland Jupiter 4-Synthesizer geschrieben, einem ungewohnten, weil synthetischen Instrument für die Künstlerin, der dazu dienen sollte, neue Mittel und Wege für sie zu eröffnen. Diese wiederum waren notwendig, weil van Etten sich hier erstmals dazu entschieden hat, Songs über ihr Glück zu schreiben. Über ihre tolle Beziehung, ihr Kind, ihr gefundenes Leben. Remind Me Tomorrow ist nach der langen Pause sozusagen ein neues Kapitel, das gefälligst auch wie eines klingen sollte. Gelungen ist das am Ende aber eher so semi. Denn wie zu erwarten war, steht sie sich dabei ein bisschen selbst im Weg. Die Songs hier behandeln zwar all diese schönen Dinge und man hat mitunter auch den Eindruck, dass vieles hier weniger schwarzmalerisch ist als auf den Vorgängern, doch werfen all diese Texte noch immer Schatten, die man einfach nicht übersehen kann. Das für sich ist aber kein Grund, diese Platte doof zu finden. Im Gegenteil, es schafft Nuancen, hat Verbindungen zu ihrem früheren Output und wirkt nicht so gestellt wie eine forciert optimistische LP. Eine Sharon van Etten kann eben nicht aus ihrer Haut und das ist auch total in Ordnung so. Was nicht so in Ordnung ist, ist das ziemlich chaotische Songwriting, das in Zusammenhang damit stattfindet. Vergleicht man die Musik, die die Künstlerin hier geschrieben hat mit der, die auf Are We There zu hören war, kann man fast nicht anders, als Remind Me Tomorrow als gewaltigen Rückschritt zu bezeichnen, der noch dazu völlig sinnlos ist. Wo vor fünf Jahren ein lange gezogener, ziemlich kreativ produzierter Band-Sound stand, gibt sie sich hier einer klammen, in der Studio-Retorte gezüchteten Synthetik-Brühe hin, die nicht nur viel düsterer klingt als die letzte Platte, sondern auch noch komplett ihren Charakter als Sängerin verfehlt. Dass ihr neues Lieblingsinstrument, der ach so großartige Jupiter 4, dabei klingt wie ein 150-Euro-Kinderspielzeug, kommt erschwerend hinzu. Man könnte das alles sicherlich als kompositorische Experimente ansehen, doch wenn, dann wurde letztendlich nicht viel daraus gemacht. Nicht ein Song hier schafft es, die Tragweite seines lyrischen Inhalts anständig fortzusetzen und was die Produktion angeht, so wurde ebenfalls mächtig geschludert. Letzteres ist besonders verwunderlich, da mit John Congleton hier einer der bemerkenswertesten Indie-Produzenten der letzten Jahre hinter den Reglern saß. In seinen besten Momenten ist Remind Me Tomorrow musikalisch eine billige Synthpop-Born to Run-Kopie oder akzeptabler Marissa Nadler-Kammerpop, in den schlechtesten der Versuch, auf einem Keyboard rumzudrücken und dabei wie Kate Bush zu klingen. Wäre es nicht um die noch immer tief greifenden und passionerten Lyrics, das hier wäre ein ziemlicher Totalausfall geworden. So ist es das bisher schwächste Album von Sharon van Etten, aber wenigstens kein peinliches.


Klingt ein bisschen wie:
Mitski
Be the Cowboy

Marissa Nadler
For My Crimes

Persönliche Highlights: Comeback Kid / Seventeen / Hands / Stay

Nicht mein Fall: I Told You Everything / No One's Easy to Love / You Shadow


Donnerstag, 17. Januar 2019

Economies of Babylon




















[ kopflastig | politisch | lyrisch | ökonomisch | poprappig ]

Ich habe echt eine Weile überlegt, ob ich mir die Tortur antun würde, im Nachhinein noch über das neue Album von Lupe Fiasco zu schreiben. Ich wusste, einen Gefallen würde ich mir damit nicht unbedingt tun: Fast eine Stunde und vierzig Minuten geht das siebte Projekt des Rappers aus Chicago, noch dazu ist es unglaublich verkopft und mit vielen Fußnoten versehen, ein politisch gefärbtes Essay von einem Album, für dessen Genuss ein abgeschlossener Bachelor in Wirtschaftsdiplomatie auf jeden Fall von Vorteil ist. Wenn man einfach nur auf der Suche nach einer unterhaltsamen Rap-Platte ist, kann man hier direkt aufhören zu lesen, Drogas Wave ist so ziemlich das Gegenteil davon. Auf der anderen Seite: Wer wenn nicht Lupe Fiasco könnte so ein Ding glaubwürdig über die Bühne bringen? In den vergangegen Jahren ist er bei mir als einer der sicherlich spannendsten MCs aus der Conscious-Nische hängen geblieben, der auch komplizierte Sachverhalte ansprechend in Musik verpacken kann und bereits ein paar tolle Konzeptalben in seiner Vita zu verzeichnen hat. Bestes Beispiel dafür ist sicherlich das grandiose Tetsuo & Youth von 2015, das ich inzwischen für eine der besten Rap-Platten halte, die ich hier je besprochen habe. Wenn es jedoch um seine aktuellste Veröffentlichung geht, scheint sich Lupe an einer anderen Instanz messen zu müssen, nämlich dem direkten Vorgänger dieser LP. Die ist nicht nur deshalb so wichtig, weil sie eben der Vorgänger ist, sondern auch, weil sie quasi als Prequel für Drogas Wave funktionieren soll, passenderweise trägt sie ja auch den Titel Drogas Light. Vergleicht man die beiden Alben aber direkt, fällt doch schnell auf, dass jenes Prequel am Ende nicht mehr als eine kurze Ouvertüre gewesen sein kann. Das gilt vor allem für die lyrische Ebene. Wo sich Light vor zwei Jahren wie viele Rap-Projekte im Moment mit den Zuständen politischer Ungerechtigkeit und Diskriminierung, vor allem von Personen of Color, beschäftigte, und dabei schon sehr tief griff und überraschende Perspektiven aufzeigte, bringt Wave das nun noch einmal auf ein komplett neues Level. Hier sucht Lupe die Wurzel des Problems nicht mehr in der heutigen Gesellschaft der USA, sondern in der globalen Historie. Vom Sklavenhandel über den Kolonialismus und diverse andere Stationen stößt er dabei auf ein ganzes Füllhorn von wahnsinnig komplexen geopolitischen Themen, die zum großen Teil die Basis dieses Albums bilden. Moderne Sklaverei, Sweatshops, internationale Handelsabkommen, panafrikanische Befreiungsbewegungen, Drogenkriege, Fluchtursachen und Blood Diamonds sind nur einige der Sachen, die dabei hier auftauchen und mit denen der Rapper hier versucht, das größtmögliche Bild zu zeigen. Und obwohl dafür selbst 24 Tracks in fast zwei Stunden äußerst knapp bemessen sind und diese gigantische Message mit dem Konzept von Popmusik unvereinbar scheint, muss ich sagen, dass auf Drogas Wave insgesamt ein ganz guter Job gemacht wurde. Sicher, die Platte leuchtet bei weitem nicht alle Ecken aus und bleibt nicht immer konsequent beim Thema, sie ist am Ende aber auch immer noch ein Musikalbum und keine Enthüllungsreportage. Lupe Fiasco schafft es (meistens), die Balance zwischen sachlicher Darstellung und musikalischer Finesse aufrecht zu erhalten und die Stories, die er dabei erzählt, sind ein weiteres Mal beeindruckend. Rein von der lyrischen Seite gesehen ist das hier also ein absolutes Ausnahme-Projekt und vielleicht das bisher nerdigste dieses Künstlers. So sehr, dass es mitunter gerechtfertigt scheint zu ignorieren, wie furchtbar diese Platte mit ihrer Musik umgeht. Man muss fairerweise sagen, dass die klangliche Ausgestaltung einer LP noch nie das größte Talent von Lupe Fiasco war und Drogas Wave ist keinesfalls sein größter Sündenfall (*hust* Lasers *hust*), doch schön ist vieles hier auch nicht. Sein es die ekelhaft belanglosen Poprap-Instrumentals von Tracks wie Imagine, Manilla oder Haile Selassie, viele der vollkommen sinnlosen Interludes oder grauenvolle Feature-Gäste wie Damian Marley, Troi Irons oder ganze sechs Parts(!) von Nikki Jean, für diesen Teil seines Outputs hat dieser Typ einfach kein Händchen. Das Problem ist nicht mal, dass diese Sachen irgendwie schludrig oder langweilig wären, häufig hört man diesen Parts die immese Arbeit an, die in sie investiert wurde. Dass sie am Ende trotzdem so grottig sind, macht selbige aber völlig überflüssig und es ist schade um das ganze Geld, das dafür wahrscheinlich investiert würde. Für den gleichen Zaster hätte man auch eine*n guten Produzent*in engagieren können, die*der Ahnung von der Materiere hat und die spannenden Gedanken von Lupe Fiasco ordentlich vertont. Sorgen wie diese sind aber die von Leuten, denen ein guter Rapper nicht genug ist und ich kann total verstehen, warum Drogas Wave gerade von vielen Hiphop-Medien im letzten Jahr so hofiert wurde. Für mich als musikalischen Generalisten ist es ebenfalls kein Totalausfall und ein weiterer Grund, diesen Typen als das große Talent zu sehen, das er ist. Als jemand, der auch einer Gesamtästhetik viel abgewinnen kann und nicht nur auf den Text hören will, sehe ich hier aber auch viel Luft nach oben. Ich weiß, dass Lupe ein intelligentes Album nachen kann, das gleichzeitig musikalisch ansprechend ist, nur Drogas Wave ist es mal wieder nicht. Beeindruckend ist es trotzdem. Und in dieser Hinsicht muss dieser Typ mir jetzt sicherlich nie wieder was beweisen.


Klingt ein bisschen wie:
PJ Harvey
the Hope Six Demolition Project

Joey Bada$$
All AmeriKKKan Bada$$

Persönliche Highlights: Drogas / Gold vs. the Right Things to Do / WAV Files / Stronger / Sun God Sam & the California Drug Deals / Jonylah Forever / Kingdom / King Nas / Quotations From Chairman Fred / Happy Timbuck2 Day

Nicht mein Fall: XO