Donnerstag, 31. Januar 2019

Zehn gute Songs im Januar 2019 (LGoony, Little Simz, Tua, Bhad Bhabie und und und...)

























TUA
Vater
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Man weiß inzwischen, dass Tua unter seinen mannigfaltigen Talenten auch die gabe eines großen Lyrikers vereint und diese mitunter auch nutzt, um emotional ans Eingemachte zu gehen, aber auch dieses Wissen hat sicher niemanden auf einen Track wie Vater vorbereitet. Die zweite Single seines kommenden Debütalbums setzt sich in allen Einzelheiten mit dem Krebstod des Vaters von Tua außeinander und ist dabei selbst für die gewohnt packende Manier des Stuttgarters ein harter Kloß. Unfassbar intim und ehrlich zeigt sich der Rapper von den Ereignissen rund um dessen Ableben berührt und spannt in knapp fünf Minuten einen unglaublichen dramatischen Bogen, der im ohne Frage bisher finstersten Song seiner Karriere resultiert. Unglaublich guter Song, aber vor allem unglaublich schmerzhaft.

MATMOS
Silicone Gel Implant
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In der IDM-Gemeinde sind Matmos aus San Fransisco schon seit Jahren dafür bekannt, Musik aus komischen Quellen zu erzeugen. Und wo ihr Instrumentarium zuvor schon kuriose Dinge wie eine Waschmaschine, einen Insektenschwarm oder menschliches Haar beinhaltete, ist dieser Song eine ganz besonders schelmische Fummelei: Ausgangspunkt für Silicone Gel Implants sind, wie der Name schon sagt, Silikonimplantate aus der Schönheitschirurgie, was ebenso nerdig wie pubertär ist. Was am Ende dabei rauskommt, ist aber wie immer bei den beiden Musikern ein zwar recht experimenteller Electronica-Track, dem man seine Ursprünge aber kein bisschen anhört. Wenigstens safe for work bleibt die neue Musik von Matmos also.

BEAST IN BLACK
Die By the Blade
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Melodischer Powermetal war bisher eine Stilrichtung, die auf CWTE nicht wirklich einen Platz hatte, und wer sich fragt, warum das so ist, braucht sich nur mal 99 Prozent dieser Musik anzuhören. Mit Beast in Black aus Finnland hat sich ausgerechnet Nuclear Blast nun aber eine Band an Bord geholt, die dieses Thema in meinen Augen auf sehr ansprechende Weise anpackt. Die By the Blade, die erste Single ihrer kommenden LP From Hell With Love, kombiniert genau die richtigen Komponenten von Iron Maiden, Judas Priest, Manowar und David Hasselhoff, kann textlich halbwegs überzeugen und ist noch dazu fantastisch produziert. Sicher, auch hier ist triefender Kitsch ein kompositorisches Muss und Beast in Black lieben ihre maskulinen Lederkutten, aber ich würde lügen, wenn ich diesen Track nicht als einen der unterhaltsameren im neuen Jahr anerkennen würde. Und einmal ist ja schließlich immer das erste Mal.

HUNTLY
Low Grade Buzz
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Ein kraftvoller Instant-Hit ist Low Grade Buzz nun wirklich nicht und er braucht seine fast fünf Minuten, um seine ganze Wirkung zu erzielen, aber wenn er erstmal so weit ist, ist er ein durchaus faszinierender Track. Sehr sanfter Electronica, gebettet auf ein weiches Synthie-Kissen, gelegentlich unterbrochen von frickeligen Glitch-Einschüben und mit einer fantastisch gemütlichen Gesangsperformance. Irgendwo zwischen Jenny Hval, Mitski und Maurice Ernst finden Huntly hier einen mysteriösen Zugang, der verstörend unaufgeregt und herrlich unterschwellig ist. Keine Ahnung, was dieses Projekt von mir will, aber einen guten ersten Eindruck hat es mit diesem Stück schonmal hinterlassen.

LITTLE SIMZ feat. CLEO SOL
Selfish
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Nachdem die letzten Teaser-Tracks von Little Simz den Fokus eher auf fette Rap-Brachialität legten, geht die Britin hier wieder den Weg des gediegenen R'n'B- und Soul-Jams, der bei ihr inzwischen mindestens genauso gut funktioniert. Zwar kann die Rapperin selbst nicht anders, als in ihren Strophen ein bisschen rotzig und angepisst zu klingen (was ja auch super ist), aber Cleo Sol als stimmig gesetztes Hook-Feature holt die Entspannung in bester Kali Uchis-Manier doppelt und dreifach zurück. Lyrisch schaffen die beiden damit so etwas wie die coolere Version von Kendrick Lamars I und machen Hoffung, dass die neue Platte von Simz im April wieder an allen Fronten glänzt.

JESSICA PRATT
Aeroplane
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Sich Jessica Pratts Stimme demnächst wieder auf Albumlänge anhören zu müssen, wird definitiv erneut eine Herausforderung, aber dass sie keine guten Songs schreiben kann, heißt das deshalb noch lange nicht. Gerade ihre neue Leadsingle Aeroplane beweist das mal wieder eindrucksvoll. Die Rede ist von einem wunderbar getragenen Kammerpop-Song mit schön viel kompositorischem Stuck drumrum, der fast ein bisschen an Acts wie Destroyer oder Nick Drake erinnert. Ihre laszive Sixties-Nico-Cohen-Attitüde hat sie dabei ebensowenig abgelegt wie den Hauch von Schrulligkeit, der schon ihre beiden ersten Platten so besonders machte. Einfach wird die kommende LP sicherlich nicht, interessant aber vielleicht schon.

BHAD BHABIE feat. TORY LANEZ
Babyface Savage
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Auch wenn ich ihr Debüt im letzten Jahr nicht besonders mochte, meine Faszination mit dem Phänomen Bhad Bhabie endet damit keinesfalls. Insbesondere dann nicht, wenn sie weiterhin so großartige Singles veröffentlicht. Babyface Savage ist insofern besonders, weil die 15-jährige hier auch erstmals sowas wie performativen Skill ausprobiert und dabei tatsächlich ein paar ganz vernünftige Bars abliefert. Gegen Konterpart Tory Lanez kommt sie damit zwar noch nicht ganz an, aber immerhin ergänzen sich die beiden hier ganz gut und fabrizieren einen weiteren ziemlich fetten Banger, der in Bhad Bhabies Diskografie schon lange nicht mehr der einzige ist.

LGOONY
Grünweiße Scheine / Check (Produktion von DJ Heroin)
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LGoony hatte mit der Mainstreamwerdung seines eigenen Genres in den letzten Jahren härter zu kämpfen als die meisten MCs seiner Generation, doch ich bin froh zu hören, dass es sich hier anscheinend wieder ein bisschen erholt hat. Auf dem Single-Doppel Grünweiße Scheine und Check macht er zwar nicht viel anders als eh schon immer, aber es funktioniert diesmal trotzdem. Die Performance ist weniger eingeschlafen, die Beats von Nischenoriginal DJ Heroin etwas poppiger und vor allem gibt es ein Comeback dieser herrlich überzogenen Hedonismus-Punchlines, die am Ende eben doch nur LGoony kann. Ob die neue Platte Lightcore das auf voller Länge durchhält, muss ich erst noch sehen, aber bisher scheint zumindest alles dafür zu sprechen.

GLEN HANSARD
I'll Be You, Be Me

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Wer Glen Hansard bisher nur vom Once-Soundtrack kannte (was schon ziemlich gut ist), dürfte spätestens hier so langsam schockiert über dessen klangliche Metamorphose sein. So düster und aufgekratzt wie auf I'll Be You, Be Me klang der Ire meines Wissens nach noch nie und statt gemütlichem Altherren-Folk erleben wir ihn hier als manischen Nick Cave-Imitator, der über die finsteren Geheimnisse der Liebe singt. Das ist ein bisschen gruselig, aber nicht minder faszinierend als seine bisherigen Sachen und zum ersten Mal bin ich dadurch auch wirklich neugierig auf einen kommenden Longplayer von ihm.

THE DRUMS
Body Chemistry
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Hätte ich auch nicht gedacht, dass die Drums es schaffen würden, sich irgendwann doch noch mal von ihrem sesselfurzigen Surfpop-Sound zu emanzipieren, den sie seit inzwischen fast zehn Jahren spielen, aber hier wären wir. Body Chemistry verfügt zwar weiterhin über gewisse Elemente der alten Ästhetik, erweitert diese aber um eine neue, sehr unterkühlte und elektronische Komponente, die nicht nur wesentlich zeitgemäßer, sondern auch spannender ist. Außerdem erlebe ich hier zum ersten Mal einen wirklich hochwertigen Text von dieser Band, was ebenfalls ungewohnt, aber toll ist. Hat lange genug gedauert, aber schön, dass sie nun doch noch in Fahrt kommen. Dabei können sie schon froh sein, dass überhaupt noch jemand zuhört.

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