Montag, 28. Januar 2019

Wolfswelpen




















[ rockig | hymnisch | energisch ]

Es ist ein toller Nebeneffekt des Internet-Zeitalters, dass man durch die universelle Zugänglichkeit neuer Platten schon lange nicht mehr darauf warten muss, dass ein vorausschauendes Label es schafft, endlich die heißen neuen Acts aus Übersee hierzulande zu veröffentlichen und man dadurch teilweise Jahre warten muss, bis Gruppen aus fernen Ländern in Europa gesignt werden. Insofern man nicht gerade einem eisernen Vinyl-Purismus fröhnt, reicht dieser Tage meistens Spotify oder in spezielleren Fällen ein Bandcamp-Stream, um das aktuelle Oeuvre sämtlicher Künstler*innen aus aller Welt direkt am Releasetag zu hören. Somit habe ich eigentlich auch keine Ausrede dafür, über das Debütalbum von Press Club nicht schon 2017 geschrieben zu haben, als es in ihrer Heimat Australien erschien. Leider ist jedoch die Netz-Propaganda nicht immer so schnell wie das Netz selbst und es dauerte ein ganzes Jahr, bis ich überhaupt das erste Mal von dieser jungen Band hörte, ironischerweise ganz klassisch über eine altmodische Radiosendung. Weitere sechs Monate zogen ins Land, bis sich das Londoner Indielabel Hassle Records nun dieser Gruppe annahm und Late Teens letzten Freitag auch offiziell in Europa veröffentlichte. Ein Ereignis, welches ich als Anlass nehmen möchte, dieser LP nun doch noch mal ganz formell den Teppich auszurollen. Und ich finde, den nachträglichen Aufwand ist es durchaus wert, denn das letzte halbe Jahr über haben es die Australier gleich mehrere Male geschafft, mich positiv zu beeindrucken. Eine Sache, die 2018 wenige junge Rockbands hinbekommen haben. Dass ich Press Club letzten Sommer ausgerechnet durch eine ziemlich coole Coverversion des Killers-Klassikers When You Were Young kennenlernte, sagt dabei jede Menge über ihre musikalisch Identität aus. Schätzungsweise sind die Mitglieder dieser Formation im Moment ungefähr in meinem Alter, was sie zu Aussätzigen der letzten größeren Mainstream-Generation von Rockbands macht, die Ende der Nullerjahre nochmal die Charts unsicher machten. Platten wie Sam's Town von den Killers oder Only By the Night von den Kings of Leon dürften für sie die wenigen Berührungspunkte mit moderner Rockmusik gewesen sein, die aus Radio, Fernsehen und Internet kamen und wesentliche Einflüsse für sie darstellten. Diese Vermutung liegt zumindest nahe, wenn man sich die Songs auf Late Teens anhört. Obwohl Press Club in jeder Hinsicht eine hundertprozentige Indieband sind, klingen ihre Songs nach Stadionrock, beinhalten die maximale Performance aller Spielenden und greifen nach den großen, pathetischen Momenten, die sich heutzutage kaum eine Rockband traut. Es gibt haufenweise Live-Videos, in denen man gut beobachten kann, wie Press Club die überschaubaren Clubs ihrer Heimat mit einer Art von Bombast zerlegen, der eigentlich viel zu gigantoesk für diese Räumlichkeiten ist, was nicht zuletzt ihrer einmaligen Live-Präsenz geschuldet ist. Mitschnitte auf YouTube reichen völlig aus, um die Energie zu bemessen, die diese Gruppe auf der Bühne abfeuert, selbst in Studiosessions ohne Publikum. Und es ist auch kein Geheimnis, dass der Motor dieser Energie maßgeblich Frontfrau Natalie Foster ist. Nicht als mystisch-distanzierte Bühnen-Amazone, die eine große Kunst aus ihrer Erscheinung macht, sondern als adoleszente Rampensau mit Rockstar-Gen, die vor allem einen Riesenspaß an ihrem Job hat. All diese positiven Eigenschaften in einem Debütalbum zu vereinen, ist natürlich keine leichte Sache, und ich will auch nicht behaupten, dass Press Club das hier geschafft haben. Als Appetizer funktioniert Late Teens trotzdem sehr gut. Denn wenn diese LP eines ist, dann kompromisslos. Eines der ersten Dinge, die beim Hören auffallen werden ist, dass die Band der Platte keine Pause gönnt. Die kompletten 35 Minuten röhren die Australier hier durch, wobei ein Song größer und krachiger ist als der andere. Hits wie Suburbia, Stay Low oder My Body's Changing fallen dabei nicht jedes Mal ab, doch die AustralierInnen boxen jene Post-Springsteen-High-Energy-Gitarrenriff-Ästhetik bis zum letzten Ton durch. Das kann mitunter ermüdend sein, doch man merkt vor allem, dass es ehrlicher ist als jede Konsens-Ballade, die der Band nur den Saft gezogen hätte. Und ganz nebenbei ist Fosters Gesang auch auf Konserve eine extrem starke Bugwelle, die jene Alles-oder-Nichts-Attitüde glaubwürdig mitträgt. Ähnliches gilt am Ende auch für den Sound von Late Teens, denn wenn man klangliche Maßstäbe ansetzt, ist das hier auf jeden Fall noch ein klassisches Indie-Debüt. Das Mixing ist teilweise pampig, die Aufnahmen (vor allem der Gesang) könnten wesentlich besser sein und viele Songs kämen besser zur Geltung, wären die einzelnen Instrumente klarer voneinander separiert. Wo das bei anderen Künstler*innen aber die ganze Platte ruiniert hätte, ballern Press Club einfach trotzdem drauflos und holen zwar nicht das Maximum aus ihren Stücken heraus, aber in Anbetracht der Umstände trotzdem eine ganze Menge. Und das fasst am Ende eigentlich das ganze Album relativ gut zusammen: Late Teens ist ein holpriger Einstand, der an vielen Stellen noch sehr unprofessionell und naiv wirkt, dafür aber umso ehrlicher. Man hört hier eine junge Band, die vor allem Spaß an ihrer Musik hat und dass sie klanglich so nach den Sternen greift, macht sie nur noch sympathischer. Press Club sind keine sehr intelligenten MusikerInnen, aber sie haben die richtige Portion Leidenschaft. Eigenschaften, die einem so ungeschliffenen Produkt wie dieser LP immerhin schon internationale Aufmerksamkeit beschert haben, sei es auch nur von ein paar Nischenlabels. Was irgendwann ein großer Deal aus diesem Rohdiamanten machen könnte, kann man sich nur vorstellen. Auch wenn diese Vorstellung beinhaltet, dass sie irgendwann so enden wie Hop Along...


Klingt ein bisschen wie:
the Killers
Sam's Town

Lissie
Catching A Tiger


Persönliche Highlights: Crash / Headwreck / Suburbia / My Body's Changing / Late Teens / Stay Low

Nicht mein Fall: Side B

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen