Samstag, 19. Januar 2019

Lassen Sie mich Künstler, ich bin durch




















[ elektronisch | filigran | melancholisch | elektrosoulig ]

James Blake hat wahrscheinlich einfach keinen Bock mehr auf das lange Gerede. Schon bei der Veröffentlichung seiner letzten LP the Colour in Anything vor zweieinhalb Jahren gab der Brite der Weltöffentlichkeit lediglich wenige Tage vor Release, um über die auf sie zukommende Musik zu mutmaßen und zu spekulieren, indem er das kommende Album einfach erst zu diesem Zeitpunkt ankündigte. Was trotzdem noch dafür sorgte, dass die Platte in der Presse und Fan-Kreisen extrem hohe Wellen schlug. Dieser Typ kann das machen, immerhin hielt die Ankündigung seines Debüts 2010 die Szene nicht weniger als ein ganzes Jahr in Atem. 2019 hat er den gleichen Trick nun nochmal angewendet, mit mehr oder weniger dem gleichen Resultat: Blake warf kurz vor Erscheinung von Assume Form ein Datum und einige Brocken hin, und die Medien kloppten sich drum. Man beobachtet das ganze inzwischen schon mit einem gewissen Voyeurismus. Nicht mehr der Künstler selbst ist der Fokus des Geschehens, sondern nur noch die Berichterstattung über ihn. Und nachher fragt man sich wieder, was die ganze Hysterie eigentlich sollte. Zumindest ich tue das mittlerweile, denn gerade im Fall von James Blake ist hinter dem Namen inzwischen nicht mehr ansatzweise das, was es mal bedeutete. Damals, in den ausgehenden Zweitausendern bei R&S, war er tatsächlich mal ein Impulsgeber, der schon damals wusste, dass Dubstep das peinlichste Crossover-Phänomen der kommenden Jahre werden würde und ihn deshalb auf seine ganz eigene Weise transzendierte. Seine damaligen EPs sind absolut zeitlos und sein Debüt schaffte es immerhin, seinen damaligen Stil auf Longplayer-Format zu zementieren. Doch diese Zeiten waren eigentlich schon in dem Moment vorbei, als der Brite 2013 mit Overgrown zum Generalisten mutierte und so ein richtiger Major-Erfolgsproduzent wurde. Seitdem rückt er für meine Begriffe mit jeder neuen LP nur noch tiefer in den Kreis der krass überbewerteten Elektro-Soul-Frickelfritzen dieser Welt, die ausschließlich deshalb so cool sind, weil sie sich extrem rar machen. Über Assume Form redeten in der letzten Woche deshalb alle, weil Blake sich hier Travis Scott, Moses Sumney und MetroBoomin als Feature-Gäste einlud. Ganz so, als würden das zurzeit nicht absolut a-l-l-e so machen. Dass er sich hier an Hiphop ranschmeißt, ist nicht mehr als ein Indiz dafür, dass er sich mit seinem eigenen Stil irgendwie nicht mehr zu helfen weiß und seine Rettung mal wieder im Crossover-Clash sucht. Gleichzeitig nutzt er es geschickt aus, dass er vor ein paar Jahren einen guten Riecher für den Trend hatte (die eine Sache, die er sich aus den R&S-Zeiten bewahren konnte) und seit 2016 mit Produzentenjobs für Kendrick Lamar, Jay-Z, Beyoncé und Frank Ocean einen Fuß in die Tür zum fetten Business in Übersee bekommen hat. Mehr ist eigentlich nicht dran an der Magie von Assume Form. Und so ist es am Ende auch zu erklären, dass die Platte zu großen Teilen wie die leere Hülse von intelligentem Songwriting klingt. Oberflächlich gesehen ist das hier natürlich krass kreativ: James Blakes unterkühlter Post-IDM-R'n'B gepaart mit gelegentlichem Autotune-Gecroone klingt extrem verwegen, gedankenverloren und kunstig, ist aber auf den zweiten Blick einfach nur sinnentleert. Es gibt durchaus Ausnahmen wie das wirklich emotionale Don't Miss It oder I'll Come Too, doch sind das am Ende auch die einzigen Songs, die nicht versuchen, etwas zu sein, das sie nicht sind. Die Regel hier sind tatsächlich ein paar völlig zusammengeschusterte, unfokussierte Luftschlösser, die melancholisch irgendwo im elektronischen Äther umherschweben, dabei aber kein bisschen interessant sind. Fast noch schlimmer ist, wie Blake dann versucht, auf Biegen und Brechen seine ganzen Rap- und Soul-Features dort einzubauen. Allein für das, was er Andre 3000 in Where's the Catch antut, muss ich seine künstlerische Sensibilität schwer in Frage stellen. Für jemanden, der angeblich so bewusste und erlesene Gastperformances kuratiert, ist das hier extrem schludrig und unnötig. An anderen Stellen wiederum sind es gerade die Gäste, die ein paar ansonsten ziemlich miese Songs doch noch erträglich machen. Moses Sumneys Part in Tell Them ist etwas, das dieses Album eigentlich nicht verdient hat und auch Rosalía macht in Barefoot in the Park sehr gute Mine zum schlechten Spiel. Lässt man James Blake alleine, merkt man in den schlimmsten Momenten aber erstmal, wie sehr er inzwischen von sich selbst eingenommen ist. Lullaby for My Insomniac soll als schwermütiger Schlussakkord für dieses Album dienen, wird mit seinen dissonanten Vokalschichten aber eher zum Horror-Choral, der besser in Thom Yorkes Suspiria-Soundtrack gepasst hätte. Geschickter Album-Flow und filigrane Nuancierung hört sich anders an, und leider ist das auf der gesamten LP ein riesengroßes Problem. Vielleicht ist Assume Form ja eine dieser Platten wie 808s & Heartbreaks von Kanye West, die man nicht direkt begreift und deren kultureller Aufprall sich erst in ein paar Jahren zeigt, doch selbst das könnte nur schwer etwas daran ändern, wie furchtbar ich vieles hier von einem rein musikalischen Standpunkt finde. In meinen Augen ist das hier eher eine dieser Platten wie Blonde von Frank Ocean, die einfach nur abgefeiert werden, weil ein prestigeträchtiger Name daran hängt und man verdammt lange auf diese Musik warten musste. Denn Enttäuschungen gibt es nicht in der Welt von James Blake. Nur künstlerische Herausforderungen.


Klingt ein bisschen wie:
Frank Ocean
Blonde

Dirty Projectors
Dirty Projectors


Persönliche Highlights: Tell Them / Barefoot in the Park / I'll Come Too / Don't Miss It

Nicht mein Fall: Assume Form / Where's the Catch / Lullaby for My Insomniac


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