Mittwoch, 30. Januar 2019

Kritische Theorie




















[ wortakrobatisch | textlastig | intelligent ]

Ich will es ja überhaupt nicht leugnen: Als jemand, der zum Zeitpunkt, wo Dendemann das letzte Mal einen Longplayer rausbrachte, gerade Mal anfing, sich ein kleines bisschen für Musik zu interessieren und für den deutschsprachiger Rap dabei nicht unbedingt im Vordergrund stand, bin ich leider niemand von diesen Leuten, für die Da nich für! jetzt ein emotionales Ereignis ist. Weder habe ich jahrelang auf diese LP gewartet, noch habe ich diesen Künstler in seiner Funktion als Rapper irgendwie vermisst. Wenn es um mich geht, kam der unmittelbare Erstkontakt mit Dendemann eben durch jenen Fernsehjob, der ihn so lange von eigener Musik abgehalten hat. Folglich ist er für mich momentan primär dieser Typ und eben nicht der von Eins Zwo und nicht der von Die Pfütze des Eisberges oder Vom Vintage verweht. Und in gewisser Hinsicht bin ich darüber auch froh, denn weil dem so ist, hatte dieses große Comeback-Album für mich auch nicht das geringste zu beweisen. Zumindest nichts weiter, als einfach nur für sich eine gute Platte zu sein. Dendemann ist für mich nicht dieser Nostalgie-umwundende Riesenmythos der Deutschrap-Historie (der er ganz objektiv natürlich ist), sondern einfach nur ein guter Rapper, der gute Texte schreibt. Und im wesentlichen finde ich Da nich für! jetzt auch so gelungen, weil es genau diesen Künstler repräsentiert. Schon aus Tradition ist Dendemann jemand, der inhaltlichen Fokus und durchdachte Lyrics über den größtmöglichen Effekt seiner Musik stellt, weshalb seine zwölf neuen Tracks trotz gestelztem Hype und Casper, Trettmann, den Beginnern, Kitschkrieg und Arnim Teutoburg-Weiß als Gäste eben nicht das große Pop-Comeback ist, das zuletzt viele MCs der Hamburger Zelle versuchten. Dass ihr Schöpfer so ein verknarzter Rap-Purist ist, wird hier auch nicht wie bei Samy Deluxe zum peinlichen nativistischen Statement, sondern zur intelligenten Essenz des Albums. Ja, Da nich für! ist auf jeden Fall textlastig und wer Spaß daran hat, kann aus dem Wortakrobatik-Knoten, den Dendemann hier spinnt, auch nach sorgfältigem Entfitzen noch immer einen roten Faden machen. In seiner Geschlossenheit ist diese Platte sehr ehrgeizig, was sicherlich der Hauptgrund dafür ist, warum sie so lange gebraucht hat. Ob es dabei um persönliche Sachen, um politische Positionierungen oder um die Liebeserklärung zum Rap-Mythos geht, ist zweitranging, weil erstens am Ende irgendwie doch alles zusammenhängt und es zweitens eher die umfassende Perspektivierung ist, die viele Texte hier so besonders macht. Dendemanns Arbeitsweise hat etwas von einer Doktorarbeit, die ein wasserdichtes Resultat präsentiert, das über alle Zweifel erhaben sein muss. Mit dem Bonus, dass sie hier auch noch in unglaublich cleveren Reimen formuliert sind. Und man könnte Da nich für! in einer Besprechung allein durch das Hervorheben dieser Cleverness sicherlich gerecht werden, würde man die dazugehörige Musik komplett außen vor lassen. Wenn es allerdings darum geht, was mich persönlich ganz besonders an dieser LP fasziniert, ist dieser Punkt fast noch viel wichtiger. Sich 2019 hinzustellen und zu verkünden, dass Dendemann gute Texte schreiben kann, ist müßig, weil es eh schon alle wissen. Was wirklich das besondere ist, ist dass er sich darauf nicht verlässt. Es gibt unzählige gute Rapper*innen, denen es genügt, über einen zufällig gepickten Beat ihre Sechzehner zu ballern und am Ende zehn bis zwanzig davon auf Platte zu pressen und als Album zu verkaufen, das letztendlich wie ein willkürlicher Sampler klingt. Nicht so dieser junge Mann, der auch in musikalischer Hinsicht unantastbar sein wollte und daraufhin die folgerichtige Entscheidung traf, die Krauts aus Produzententeam zu engagieren. Und wo Dende seinen Job hier auf jeden Fall großartig macht und überragende Songs geschrieben hat, ist deren Verdienst hier mindestens genau so wichtig. Wie wenige Beatbastler*innen in der Bundesrepublik versteht es diese Crew, sich musikalisch auf das Level des jeweiligen MCs zu begeben und eine Ästhetik zu finden, die zu dessen Stil passt, gleichzeitig auch ihr eigenes Können zu exponieren. Für diese Platte finden sie einen sehr minimalistischen, kargen Sound, der die raumgreifenden Strophen von Dendemann komplementiert, schaffen mit ihren auch hier mal wieder außerordentlichen Sampling-Skills (Hallelujah!) auf der anderen Seite aber gleichzeitig die Kompensation für dessen eher schwache Hooks. Ergebnis sind am Ende Tracks wie Keine Parolen oder Menschine, die klanglich auf den ersten Blick nicht viel zu bieten haben, aber trotzdem krass hängenbleiben. Fast jeder Song hat dabei seinen eigenen Trick, aber alle funktionieren. Und wenn man sich die wunderbaren Sample-Basteleien in Nochn Gedicht, Zauberland oder Müde anhört, fetzt das einfach. Wenn Dendemann hier sein bestes Album seit Vom Vintage verweht gemacht hat (haha!), dann ist Da nich für! mindestens auch das beste Krauts-Album seit Zum Glück in die Zukunft von Marteria. Letztendlich heißt das nicht mehr, als dass es schön ist, zu hören, dass sich für diese LP alle beteiligten Parteien, ob nun Hauptakteur, Produktionsteam oder auch die Feature-Gäste die größte Mühe gegeben haben und hier ein Produkt erschaffen, hinter dem wirklich viel Köpfchen steckt. Sicher liegt das auch daran, welcher Name hier vorne auf dem Cover steht und dass es am Ende eben doch ein bisschen ein Mythos ist, den man hier befeuert. Aber wenigstens ein durchaus lebendiger, der sich ganz sicher nicht in die Vergangenheit zurückziehen will.


Klingt ein bisschen wie:
Samy Deluxe
Schwarzweiss

Marteria
Zum Glück in die Zukunft


Persönliche Highlights: Ich dende also bin ich / Alle Jubilare wieder / Keine Parolen / Müde / Menschine / Drauf & Dran / Zeitumstellung / Zauberland / BGSTRNG / Nochn Gedicht

Nicht mein Fall: Wo ich wech bin

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