Montag, 21. Januar 2019

Alles für den Vibe




















[ clout | chillig | gangster | atmosphärisch ]

Die Zeiten, in denen Nayvadus Wilburn aka Future der Typ war, der mit jedem Mist, den er verzapfte, automatisch einen Riesenhit landete, dürften 2019 so langsam zu Ende gehen. Er selbst hat letztendlich mehr oder weniger dafür gesogt. Mit seinen extrem erfolgreichen Platten vor zwei bis drei Jahren, die eine halbe Generation von jungen Rapper*innen inspirierte, die im Nachhinein vielleicht ein bisschen radikaler und charismatischer waren als er, hat sich der MC aus Atlanta in seiner ursprünglichen Form ein bisschen überflüssig gemacht. Und er ist inzwischen sicherlich nicht mehr der einzige, der das Exklusivrecht auf Autotune-Crooner-Trap in dieser Form für alle Zeit gepachtet hat. Noch ist er zwar so etwas wie der heimliche Endboss der Szene, der sich mittelfristig über kurzlebige Trends hinweggesetzt hat und nicht zuletzt seit Jahren einen beachtlichen Grind abliefert, doch wie alle inzwischen wissen, ist die Clout ein Haifischbecken, das in der Vergangenheit schon so manches Talent unter sich begraben hat. Seine Schafe ins trockene gebracht hat Future also noch lange nicht. Aber wenigstens hat er für diesen Fall vorgesorgt. Schon seit einiger Zeit arbeitet er nun daran, seine bestehende Marke um einige 'Spin-Offs' auszuweiten, die seinem regulären Output etwas mehr Abwechslung beibringen. Projekte sozusagen, die den Namen Future entweder neu kontextualisieren oder in sich geschlossene Mixtape-Serien sind, die davon abhängig spannend sind. Mit der gewünschten Wirkung, das Interesse an seiner Musik neu zu entfachen. Das in meinen Augen bisher beste Beispiel dafür sind seine fast jährlichen Kollaborations-Alben, bei denen er sich nicht nur die ganz großen Namen im Business (Drake, Young Thug, Juice WRLD) ins Studio holt, sondern auch regelmäßig stilistische Maßstäbe setzt. Andere, wie die Dirty Sprite- oder Beast Mode-Serie, haben mich hingegen eher kalt gelassen. Allgemein muss ich aber sagen, dass es durchaus dümmere Ideen gibt, wie man seinen LP-Katalog ein bisschen aufpeppen kann und die Fans bei der Stange hält. Weshalb ich auch die Idee seines neuesten Seitenprojekts nicht uninteressant finde. Ursprung der ganzen Sache ist das 2017 veröffentlichte Album Hndrxx, auf dem er sich etwas eingehender mit "emotionaler Musik" beschäftigte, die sich von seinen üblichen Drogendealer-Trap ein bisschen abhob. Vor zwei Jahren hieß das vor allem, dass Future versuchte, sich ein Stück in Richtung R'n'B und Autotune-Soul zu bewegen. Das Ergebnis dabei war ziemlicher kram und wies ehrlich gesagt nur marginale Unterschiede zu seinen sonstigen Songs auf, die Idee blieb aber bestehen und äußert sich nun in einem weiteren Ableger: Future Hndrxx. Was genau dieses neue Halb-Pseudonym eigentlich bedeutet und was ihn von seinem Alter Ego unterscheidet, ist mir selbst noch nicht ganz klar, aber aus irgendeinem Grund ist das Resultat hier eines der bisher besten Alben des Rappers überhaupt. Nicht, dass er diesmal irgendetwas wesentliches anders macht, plötzlich bessere Texte schreibt, erwachsene Musik schreibt oder einen völlig neuen Vibe anpackt, doch ich empfinde the Wizrd als die Platte, die den Optimalzustand des future'schen Stils repräsentiert. Chillig, verrucht, catchy und ein bisschen verschwurbelt. Die Intention, dass Rapmusik weniger über Lyrics und mehr über ihre Atmosphäre funktionieren kann, war von Anfang an so etwas wie das Forschungsziel dieses Künstlers und zumindest wenn man mich fragt, hat er genau das hier erreicht. Unter den 20 Songs hier ist kein einziger langweiliger und obwohl es in über einer Stunde Spielzeit keine wirklich fetten Banger gibt (Tracks wie Overdose und Unicorn Purp sind das Maximum an Trap-Geballer), wirkt the Wizrd nicht wie eine überlange ATL-Style-Hausaufgabe. Letzteres Problem kennt man von Leuten wie den Migos, Playboi Carti und sogar Future selbst nur zu gut, doch hier schafft es der MC, genau diesen Fehler nicht zu machen. Die einzelnen Stücke sind zwar keine Riesenhits, aber sie haben allesamt schicke Instrumentals, die die richtigen Knöpfe drücken und auf LP-Länge das Kunststück vollbringen, einen kohärenten Flow zu erzeugen, der die ganze Zeit nicht einmal seinen Grip verliert. So etwas zu erschaffen ist nicht einfach, zumal nicht wenige Songs hier an der Fünf-Minuten-Marke kratzen und Future nur in zwei Songs auf Gastperformances zurückgreift. Und es zeigt, dass in diesem Typen am Ende doch jemand steckt, der bereit ist, das nötige Herzblut in seine Musik zu stecken und es versteht, das der Teufel am Ende immer im Detail steckt. The Wizrd ist insofern ein Ausnahme-Album des Cloudrap, weil es gerafft hat, dass es nicht die Quavo- und Travis-Features, nicht die Metroboomin-Beats und nicht die meisten Drogen-Anspielungen sind, die eine Platte gut machen, sondern was für eine Atmosphäre sie vermittelt. Und Future ist so intelligent, auf jene klassischen Selling Points zu verzichten, damit er eben diese Atmosphäre herauskochen kann. Der einzige, der das im Hiphop schonmal so ähnlich gemacht hat, ist Drake mit seinen letzten beiden Alben und der ist dadurch - zumindest musikalisch - endgültig unfickbar geworden. Könnte sein, dass ein Future das auch auf dem Kasten hat. Das Durchhaltevermögen ist auf jeden Fall schonmal auf seiner Seite.


Klingt ein bisschen wie:
Migos
Culture II

Drake
Scorpion

Persönliche Highlights: Never Stop / Jumpin On A Jet / Rocket Ship / Call the Coroner / Promise U That / Overdose / Servin Killa Kam / Baptiize / Unicorn Purp / Goin Dummi / First Off / Faceshot

Nicht mein Fall: -

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