Dienstag, 22. Januar 2019

Die kapieren nicht




















[ glamrockig | retro | leichtfüßig ]

Dafür, dass Deerhunter vom Großteil der Indie-Presse einhellig als eine der letzten wirklich relevanten Rockbands des neuen Jahrtausends gefeiert werden, haben sie mich die ganze Zeit über relativ wenig interessiert. Sicher, ich habe ihre jüngeren Sachen gehört, wenn sie rauskamen und über ihre vorletzte LP Monomania schrieb ich 2013 sogar eine Besprechung, im Vergleich zu vielen Formaten ist das aber gar nichts. Platten wie Halcyon Digest oder Fading Frontier sind solche, bei denen sich die Kritiken ihrerzeit überschlugen und die viele Feuilletonist*innen als elementare Werke der letzten Jahre ansehen. Rückblickend gesehen sind sie das zwar ausschließlich bei der professionellen Kritik geblieben, aber immerhin. Dass ich in ihnen nicht diese großartige, künstlerisch wertvolle Sensations-Band sehe, heißt ja noch lange nicht, dass sie schlechte Musik machen. Und Deerhunter hätten auch von mir wahrhaftig etwas besseres verdient, als sie nach sieben Jahren immer noch regelmäßig mit Deerhoof zu verwechseln. Wie praktisch also, dass sie gerade mal wieder ein neues Album veröffentlicht haben, an dem man sich noch einmal versuchen kann. Dass ich dabei mit relativ wenig Ahnung vom Backkatalog der US-Amerikaner in den Ring steige, ist auch gar nicht mal so wichtig, weil sowieso jede ihrer Platten komplett anders klingt. In diesem Fall sogar so sehr, dass es nicht mal innerhalb dieser dreißig Minuten einen halbwegs kohärenten Sound gibt. Die ersten zwei, drei Songs lassen zwar noch vermuten, dass Deerhunter hier in die Richtung einer schlauen Glamrock-Variante im Stil der Berliner Bowie-Alben tendieren, doch je länger man hier zuhört, desto mehr zerstreut sich diese Marschrichtung. Greenpoint Gothic ist eine synthetische Instrumental-Plombe, Futurism ein psychedelischer Popsong aus der MGMT- und Foxygen-Ecke, Plains fast schon eine Shoegaze-Nummer und Détournement verliert stellenweise jegliche strukturelle Bindung. Man bekommt schon von Anfang an das Gefühl, dass Why Hasn't Everything Already Dissapeared? nicht unbedingt das durchdachteste Album dieser Band ist und mit seinen gerade Mal 30 Minuten auch nicht das aufwendigste. Das überrascht mich ein wenig, waren Deerhunter zuvor doch eigentlich zumindest an Ideen niemals arm und verfügten immer über eine starke Grundästhetik, die sich durch ihre gesamten Platten zog. Das hier hingegen wirkt eher wie eine Art Compilation von Ideen, die es nicht auf die letzten beiden Longplayer schafften und das nun recyclet werden, weil man sie ja auch nicht verkommen lassen wollte. Von allen Gesamtwerken, die ich von Deerhunter kenne, ist Why Hasn't Everything Already Dissapeared? definitiv das bisher schwächste, weil schmalbrüstigste Album. Wie eine definierende Band der modernen Rockmusik klingen sie hier noch weniger als sonst, eher wie eine, die nicht mal mehr ihre Retro-Bezüge richtig hinbekommt. Sicher gibt es auch hier gute Passagen, doch ist das alles kein Vergleich zu den Sachen, die diese Gruppe in der Vergangenheit gemacht hat, geschweige denn zum Ruf, der ihnen in der Presse vorauseilt. Dass Deerhunter ein bisschen überbewertet sind, war ja schon immer meine Meinung, aber spätestens hier sollten das auch die größten Fanboys eigentlich mal merken.


Klingt ein bisschen wie:
David Bowie
Low

MGMT
Little Dark Age


Persönliche Highlights: Death in Midsummer / No One's Sleeping / Tarnung

Nicht mein Fall: Détournement / Nocturne

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