Montag, 14. Januar 2019

Besser spät als nie





















[ gemütlich | halbakustisch | indiefolkig ]

Seitdem Damien Jurado vor fünf Jahren mit Brothers & Sisters of the Eternal Son meine damalige Platte des Jahres veröffentlicht hat, genießt der Songwriter aus Seattle bei mir einen außerordentlich luxuriösen Sonderstatus. Obgleich sein Output seit jenem Über-Album nie wieder auf einem vergleichbaren Niveau stattfand und vor allem seine letzte LP Visions of Us On the Land äußerst durchwachsen war, hat dieser Typ bei mir mittlerweile ein gewisses Grad an Vertrauen erreicht, das groß genug ist, damit ich mich die nächsten hundert Jahre für seine Musik zu interessieren würde und das ein paar Dämpfer durchaus verträgt. Ich bin von einer gewissen Grundqualität seiner Songs inzwischen überzeugt und weiß, dass es bei jemandem wie ihm auch weiterhin spannend bleibt. Zumal man nie weiß, wann vielleicht doch nochmal eine so großartige Platte wie Brothers & Sisters kommt. Nur gibt es in letzter Zeit eben diese eine Sache, die es mit meiner Treue ein bisschen schwierig macht: Seit einigen Jahren gehört Damien Jurado nun zu der Fraktion von Künstler*innen, die es für eine gute Idee halten, sich populären Streaming-Diensten zumindest teilweise zu verweigern und ihren aktuellen Output erst verzögert online zu stellen. Ich könnte jetzt sehr lange darüber schreiben, wie sinnlos und vor allem inkonsequent speziell sein Ansatz in dieser Hinsicht ist, ändern kann ich dadurch aber letztendlich recht wenig. Und im Endeffekt kann ich ja froh sein, jetzt überhaupt noch meine Besprechung zu the Horizon Just Laughed zu schreiben, auch wenn sie satte acht Monate zu spät kommt. Wichtig war mir das ganze wie gesagt und es ist schön, nach so langer Zeit zu hören, dass sich die Geduld auch gelohnt hat. Denn im Gesamtkontext seiner Diskografie ist das hier sicherlich eines der besseren Gesamtwerke von Damien Jurado. Nachdem mit Visions of Us On the Land 2016 seine psychedelische Maraqopa-Trilogie endete, ist the Horizon Just Laughed nun ein Rückbezug zu seinen Folk- und Songwriting-Wurzeln, die aber auch die neuen Elemente seiner letzten Alben mit einbindet. Vieles hier erinnert an die ruhigeren Passagen von Brothers & Sisters und teilweise an frühere Platten wie Rehearsals for Departure, wobei im Hintergrund noch immer ein paar subtile Orgel-Parts, Latin-Jazz-Rhythmen und sogar Bläsersätze auftauchen. Soll heißen: Wer diese LP als zurückgezogenes Folk-Projekt empfindet, hört eigentlich nur nicht richtig hin. Vor allem finde ich hier sehr spannend, wie krass unterschiedlich die Charaktere der Tracks sind. Der Opener Allocate beginnt das Album seltsam unterkühlt und getragen, Percy Faith klingt fast ein bisschen nach dem Siebziger-Dylan, Dear Thomas Wolfe schüttelt eine ganz unterschwellige Tropical-Note aus dem Ärmel, Florence-Jean ist überraschend rockig und in Over Rainbows and Rainier erleben wir Jurado in einem seiner bisher stillsten und andächtigsten Momente. Viele dieser Stimmungen sind deutlich weniger exponiert als man das von seinen Vorgängern kennt, doch sie machen dennoch einen großen Unterschied. Vergleicht man das hier mit den minimalistischen Sachen, die der Songwriter Anfang der Zweitausender gemacht hat und dann wiederum mit dem quirligen, psychedelischen Sound der Maraqopa-Trilogie, wirkt es, als hätte Jurado hier die optimale Balance dieser beiden Pole erreicht. Seine neuen Songs müssen nicht mehr aufs Mindeste reduziert sein, um Intimität auszustrahlen und brauchen nicht mehr das ganz große Besteck, um Farbe ins Songwriting zu bringen. Auch durch diese geschickten Kompromisse ist es zu erklären, dass es unterm Strich keinen einzigen schlechten Track auf dieser LP gibt. Sicher, die besten Stücke hier sind auch lange nicht so bahnbrechend wie die besten auf Brothers & Sisters, aber das ist auch nicht wirklich ein guter Maßstab. Tatsache ist, dass the Horizon Just Laughed meine Erwartungen bei weitem übertroffen hat, und das bei einem Songwriter, auf den ich ohnehin schon große Stücke halte. Die einzigen beiden Wermutstropfen, die dabei noch bleiben sind erstens der, dass die Platte letztlich nur etwas länger als eine halbe Stunde lang ist und zweitens, dass ich sie erst viel zu spät hören konnte. Hätte ich das hier im Mai gehört, Damien Jurado hätte einen Platz in meinen 30 Lieblingsalben wahrscheinlich sicher gehabt. Und das zum ersten Mal seit 2014.


Klingt ein bisschen wie:
J Mascis
Tied to A Star

Neil Young
After the Gold Rush

Persönliche Highlights: Allocate / Dear Thomas Wolfe / Percy Faith / Over Rainbows and Rainier / 1973 / Random Fearless

Nicht mein Fall: -

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