Mittwoch, 16. Januar 2019

Eine Jugend




















[ emo | indierockig | jugendlich ]

Es war im letzten Jahr nicht immer einfach, mit der förmlichen Welle an jungen Frauen up to date zu bleiben, die sich plötzlich eine Gitarre schnappten und diese bestimmte Sorte Indierock spielten, die ganz plötzlich wieder ziemlich cool ist. Ich bin mir nicht sicher, woher diese ganze Bewegung so richtig kommt, doch 2018 war sie so sehr da wie noch nie zuvor: Snail Mail, Stella Donelly, Frankie Cosmos, Boygenius und die Leitwölfin Courtney Barnett waren diesbezüglich nur die Spitze des Eisberges und es war klar, dass ich, wollte ich in dieser Saison auch noch über andere Sachen schreiben, einige dieser Künstler*innen schlichtweg ignorieren musste. Unglücklicherweise fiel meine Wahl dabei unter anderem auf die vielleicht erfolgreichste Produktion dieser Sparte aus dem letzten Jahr, nämlich das Debüt von Sophie Allison aka Soccer Mommy. Wie zahlreiche Bestenlisten bekannter Formate zeigen, war Clean 2018 scheinbar eines der elementaren Projekte jenes Mikrogenres und damit automatisch auch eines der wichtigsten Rock-Alben der letzten Saison an sich. Und hat man sich die Platte erstmal angehört, kann man sich auch an den Fingern abzählen, warum das so ist. Unter den vielen talentierten KünstlerInnen die ich eben nannte, ist Allison definitiv eine von denen, die in ihrer Musik wirklich etwas zu sagen haben und Songs schreibt, in denen sie Aufmerksamkeit einfordert. Songs, die auf der einen Seite einen gewissen jugendlichen Leichtsinn porträtieren (wunderbar untermauert durch dieses herrlich kleinstadtgrungige Albumcover), auf der anderen aber durchaus wissen, dass nicht alles davon nur Jux und Dollerei ist. Ähnlich wie die früheren Sachen von Mitski (mit der Allison seit einigen Jahren eine ziemlich intensive Künstlerinnenfreundschaft führt) halten viele Stücke hier die Sinnlosigkeit und Dummheit des adoleszenten Hedonismus fest, verbunden mit der Suche nach ein paar echten Gefühlen. So gibt es dann Stücke wie Still Clean oder Your Dog, die sich wie ein paar deftige Mittelfinger an misslungene Ex-Beziehungen anhören, das esoterisch unterfütterte Scorpio Rising und großzügige Bebilderungen von Teenager-Melancholie, aber auch ein oder zwei wahrhaftige Lovesongs. Allison benutzt dabei eine sehr metaphorische Sprache, was sie ein bisschen von ihren ZeitgenossInnen abhebt, allerdings nie auf eine Art und Weise, die ihre Botschaften verschwimmen lassen könnte. Das ist auch gut so, denn ihre Texte sind definitiv der größte Trumpf dieses Albums. Musikalisch ist Clean zwar an sich nicht übel, doch auch nichts besonderes im Vergleich zu den Sachen von Snail Mail und Stella Donelly. Hin und wieder überrascht ein Song mit einer plötzlich einfallenden VHS-LoFi-Produktion, doch abgesehen davon sticht sie nicht heraus. Ihre Platte ist deshalb bei weitem nicht langweilig, da sie klanglich auch viele Qualitäten mit ihren KollegInnen teilt, doch ganz so vom Hocker gerissen hat es mich am Ende nicht. Und um ehrlich zu sein, muss es das auch gar nicht. Was wir hier erleben, ist am Ende immer noch das Debütalbum einer sehr jungen Künstlerin, die auf jeden Fall Talent hat, nur eben noch nicht wirklich einen eigenen Stil. Dass dieser sich jedoch in einigen Jahren entwickeln wird, ist äußerst wahrscheinlich und spätestens dann können wir große Musik von Soccer Mommy erwarten. Bis dahin bleibt sie eine gute Newcomerin, die man unbedingt im Auge behalten sollte. Aber ich habe das Gefühl, dass das in naher Zukunft nicht sehr anstrengend sein wird.


Klingt ein bisschen wie:
Snail Mail
Lush

Stella Donelly
Mechanical Bull

Persönliche Highlights: Still Clean / Cool / Last Girl / Skin

Nicht mein Fall: Interlude

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