Donnerstag, 10. Januar 2019

Nichts zu beweisen





















[ badass | catchy | mainstream ]

 
Dass ausgerechnet die neue Platte von A$ap Rocky 2018 auf meiner Resterampe landete und während der laufenden Saison so gut wie gar keine Erwähnung fand, kann ich im Nachhinein nur als schweres menschliches Versagen meinerseits bezeichnen. Als ich zu Anfang des letzten Jahren über die Künstler*innen redete, von denen ich unbedingt neues Material hören wollte, stand der New Yorker noch ganz oben auf der Prioritätenliste und ich war eigentlich echt neugierig, wie dieser Typ seine Karriere nun weiter bestreiten würde. Denn von einem musikalischen Standpunkt aus war Rockys Output 2018 an einem äußerst interessanten Scheideweg. In den Jahren nach seinem Millionen-Dollar-Deal mit RCA von 2011 war der Rapper irgendwie zu einer Art Neymar des Hiphop-Business geworden, dessen immenser Erfolg früh prognostiziert und mit viel Geld unterstützt wurde, aber seitdem nur teilweise eingetreten ist. Die Rolle des unglaublich talentierten MCs, der zum Star einer Generation werden sollte, erfüllte A$ap Rocky am Ende nur eine überschaubare Zeit lang, bevor er vom Tsunami der wesentlich originelleren Soundcloud-Szene und dem OVO-Imperium von Drake überrollt wurde. Was in den letzten vier Jahren so ein bisschen den Eindruck erweckte, dieser Typ wäre erledigt. Wenn es nach mit geht, wurde seine Musik in dieser Zeit aber erst so richtig interessant. Da die Wunderkind-Newcomer-Schiene spätestens nach Long.Live.A$ap von 2013 nicht mehr funktionierte, mussten plötzlich Inhalte her, die der New Yorker zu meiner großen Überraschung auch lieferte. Seine dritte LP At.Long.Last.A$ap von 2015 beschäftigte sich ernsthaft mit Dingen wie Religion, Sterblichkeit oder den Nebeneffekten des Drogenkonsums und war auch musikalisch reifer. Zwar war die Platte klanglich ein bisschen strukturlos und qualitativ lückenhaft, sie markierte aber den Moment, in dem ich mich erstmals wirklich für A$ap Rocky interessierte und optimistisch in seine Zukunft blickte. Ein Eindruck, an den Testing drei Jahre später anschließt. Rein von der Aufmachung her (der Titel ist zum ersten Mal nicht mehr so komisch punktuiert) steht dieses Album sehr für die Abnabelung vom "alten Rocky", tatsächlich hat diese aber schon auf dem Vorgänger stattgefunden. Diese LP ist nur die konsequente Fortsetzung seiner Ästhetik, die im wesentlichen darin besteht, genau so viel Experiment zuzulassen, dass die Songs am Ende maximal breitbeinig vor einem stehen. Bestes Beispiel dafür war im letzten Frühjahr der Promo-Track A$ap Forever, dessen Basis ein kackdreistes Sample von Mobys Porcelain war. Die Nummer war nicht wirklich kreativ und Rockys Performance darauf war ehrlich gesagt enttäuschend, aber der Gesamteindruck stimmte. Ganz ähnlich lässt sich auch die Strategie für dieses gesamte Album beschreiben. Geht es um Sachen wie einfallsreiche Strophen, durchdachte Messages oder komplexe Stories, ist Testing eine denkbar unspektakuläre Angelegenheit. Die Rap-Chops des New Yorkers sind hier teilweise noch zurückgezogener als die seiner Soundcloud-Kolleg*innen, und das obwohl er hier definitiv nicht versucht, denen nachzueifern. Rein ästhetisch klingt diese LP fast schon ein bisschen oldschool, im Sinne einer dieser Kanye West-Produktionen aus der letzten G.O.O.D.-Music-Serie. Tatsächlich hatte ich am Anfang sogar die Vermutung, Kanye könnte hier irgendwie seine Finger im Spiel gehabt haben. Und obwohl das nicht der Fall ist, lohnt es sich, hier einen Blick in die Credits zu werfen: Das musikalisch sehr breite Spektrum des Albums erklärt sich schnell, wenn man sich das breite Spektrum an Producer*innen ansieht: Von Boi-1Da und Clams Casino über Boyz Noize bishin zu Dev Hynes ist hier ein Füllhorn an Stilen dabei, nicht weniger bunt sieht es bei den Featured Artists aus: Moby bekommt den Shoutout für A$ap Forever, aktiv beteiligt sind unter anderem Skepta, T.I., FKA Twigs, Kodak Black, Frank Ocean, Rockys ewiger Padavan French Montana und für 15 Sekunden Snoop Dogg. Keiner dieser Gastauftritte holt lyrisch das wieder rein, was der Hauptakteur auslässt, allerdings bestärkt sich dadurch der Eindruck, dass es auf Testing darum auch überhaupt nicht geht: Das hier ist ein Pop-Album mit der Ästhetik eines Rap-Albums, das vor allem wieder über Sound und generelle Eindrücke funktioniert. Und wenn man sich darauf erstmal einlassen kann, wird man sicherlich seine Freude an der Platte finden. Sie wird dadurch kein visionäres Meisterwerk und hat selbst gegenüber ihrem Vorgänger einige inhaltliche Defizite, doch sie ist ganz klar das bisher eingängigste und fetzigste Gesamtwerk des New Yorkers. Und sie zeigt, dass A$ap Rocky keinesfalls irrelevant ist, nur weil er nicht ganz am Puls der Zeit ist und dass er nicht der Axl Rose des Hiphop sein muss, um künstlerisch sein Zenit zu finden. Wobei ich nach wie vor glaube, dass die beste Platte von ihm erst noch kommen wird.


Klingt ein bisschen wie:
Jay-Z
the Blueprint III

Kids See Ghosts
Kids See Ghosts


Persönliche Highlights: Distorted Records / A$ap Forever (Remix) / Tony Tone / Calldrops / Buck Shots / OG Beeper / Kids Turned Out Fine / Hun43rd / Changes

Nicht mein Fall: Brotha Man

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