Mittwoch, 30. September 2015

Stadt, Land, Flucht

JULIA HOLTER
Have You in My Wilderness

Domino
2015
















Alle lieben sie Julia Holter. Die faszinierende, kreative, furchtlose Songwriterin und ihr 2013 veröffentlichtes Album Loud City Song. Die letzte LP der Kalifornierin ist unter Kritikern sicherlich unter den beliebtesten des selbigen Jahres und der Hauptgrund dafür, wieso die Künstlerin auch für mich diesmal ein Thema ist. Warum erst jetzt? Um ehrlich zu sein: Mehr als ein paar gute Momente konnte ich dem großen Ding damals nicht abgewinnen. Für mich waren viele der Songs darauf zu lose angeordnet, wirkten lax geschrieben und überzeugten als Gesamtheit nicht wirklich. Dennoch zeigte Holter hier ein Gespür für Sound und Variabilität, was sie zwar nicht besser, aber immerhin interessant machte. Have You in My Wilderness wollte ich mir also definitiv zu Gemüte führen, was seit Freitag möglich ist. Das endgültige Resultat für mich ist dabei immerhin ein etwas positiveres als beim Vorgänger. Zwar habe ich noch immer zu nörgeln, dass sich die Platte nicht nach einem Album anhört und Frau Holter mir nicht wirklich wie eine Songwriterin mit einem konkreten Plan vorkommt, doch die guten Momente kann sie hier immerhin auf die Länge eines Tracks ausweiten. Und das öfter als man glaubt. Die besten Beispiele dafür finden sich im Mittelteil der LP mit teilweise großartigen Eindrücken wie How Long?, Lucette Stranded On the Island oder Sea Calls Me Home. Zwar sind diese zuweilen ein wenig zusammengeklaubt, besonders in ersterem Song sind sehr starke Nico- Einflüsse enthalten. Auch Lou Reed, Kate Bush und Patti Smith sind Namen, die in Verbindung mit diesem Album funktionieren. Aber das bisschen Retro-Charme steht den chaotischen Stücken der Julia Holter eigentlich gar nicht so schlecht und gibt ihnen zumindest etwas Halt beim Hörer. Ein wenig fühle ich mich bei der Umsetzung auch an das neue Album von Destroyer erinnert, das auf eine ähnliche Ästhetik baut. Am Ende überzeugt Have You in My Wilderness aber vor allem dadurch ein bisschen mehr, dass es sich trotz seiner kompositorischen Eskapaden eine Bodenständigkeit behält, die Holter mit ihren Vorbildern aus den Sechzigern teilt. Der neuen Platte nach dem sehr experimentellen Loud City Song wieder eine eher songwriterische Komponente zu geben, war die absolut richtige Entscheidung. Es sieht ganz so aus, als würde sich diese Künstlerin auch noch mein Wohlwollen abholen. Mit noch so einem Longplayer wäre ich überzeugt.
9/11

Beste Songs: How Long? / Lucette Stranded On the Island / Sea Calls Me Home / Vasquez

Nicht mein Fall: Silhouette / Everytime Boots

Weiterlesen:
Review zu Poison Season (Destroyer):
zum Review

Review zu Barragán (Blonde Redhead):
zum Review

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Dienstag, 29. September 2015

Aus aktuellem Anlass

Eigentlich sollte an dieser Stelle heute ein Review zum neuen Album von Julia Holter stehen, doch eine Meldung, die aktuell im Internet kursiert, hat mich dazu veranlasst, diesen Post zu schreiben. Über einen privaten Anbieter gelangten in letzter Zeit Tweets von Deafheaven-Gitarrist Kerry McCoy an die Öffentlichkeit, in denen er wiederholt homophobe Äußerungen von sich gibt und diverse User als "faggots" bezeichnet. Über einige prominente Seiten wurden diese nun gepostet, weswegen ihr Urheber schwer in der Kritik steht. Von einigen Quellen hört man zwar schon jetzt, dass es sich bei diesen Tweets um Fälschungen handelt beziehungsweise diese einer Meinung entsprechen, die der Verfasser mittlerweile nicht mehr vertrete. Doch da momentan weder Beweis noch Gegenbeweis erbracht wurden, möchte ich zum Zeitpunkt davon ausgehen, dass sie die tatsächlichen Gedanken von McCoy widerspiegeln.
Wie sicherlich viele Leute in meinem Umfeld und einige auch durch diesen Blog wissen, bin ich großer Fan der Band Deafheaven. Auch ihr neues Album habe ich mir bereits teilweise angehört und bin sehr angetan. Bis zuletzt hatte ich mich sehr darauf gefreut, es zu seinem Veröffentlichungstermin in etwas weniger als einer Woche durchzuhören, zu besprechen, ihm eine wahrscheinlich sehr gute Note zu verpassen und mir über kurz oder lang eine Kopie davon zu kaufen. Doch im Licht der jüngsten Ereignisse bin ich skeptisch, ob ich dies tun möchte. Die homophoben Tweets von McCoy sind nicht das erste Mal, dass mit Deafheaven durch Aussagen, die ich politisch nicht unterstützen kann, übel aufstoßen. In Interviews zu ihrem letzten Album Sunbather erwähnte die Band beiläufig, stark von der norwegischen Black Metal-Formation Burzum beeinflusst zu sein. Diese fiel in den Neunzigern nicht nur durch ihre äußerst faszinierende Herangehensweise an das Genre auf, sondern vor allem auch durch politische Ideologien, die zutiefst faschistoid und homophob waren. Frontmann Varg Vikernes wurde sogar des Mordes an einem befreundeten Musiker angeklagt. Solche Bands als Vorbilder zu haben, ist nicht gerade harmlos. Und Deafheaven ließen die Nennung von Burzum als Einfluss stets unkommentiert. Ein bisschen verdächtig fand ich das schon damals, nagelte mich jedoch nicht darauf fest. Schließlich möchte man solche Dinge eigentlich nicht hören, wenn es um seine Lieblingsmusiker geht. Doch die neuen Erkenntnisse, ob nun echt oder nicht, bringen mich wiederum zum Nachdenken. Was ist, wenn diese großartige Band, die ich seit Jahren leidenschaftlich höre, Meinungen vertritt, die ich beim besten Willen nicht unterstützen möchte? Wie reagiert man als Fan auf so etwas? Und wie als Informationsmedium? Ich bin mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher. Gerade stehen auf der einen Seite das grandiose neue Album und auf der anderen Seite bedenkliche Äußerungen der Mitglieder. Werde ich am kommenden Wochenende ein Review schreiben? Auf jeden Fall. Deafheaven sind eine wichtige Gruppe für die gesamte Musikszene, für diesen Blog und schlussendlich auch für mich. Wahrscheinlich wird New Bermuda auch trotz allem eine ziemlich gute Note erhalten, denn ich möchte die Qualität der Musik auf keinen Fall durch die Ideologien der Künstler beeinflusst sehen, so lange sie nicht in der Musik selbst zu Tage treten. Und Am Ende werde ich dieses Album fast behandeln wie jedes andere. Mit der Ausnahme, dass ich diese Thematik auch im Review nicht unkommentiert lassen werde und mich selbstverständlich weiter über den Sachverhalt der Tweets von McCoy informieren werde. Soviel zum neuen Longplayer. Wie ich langfristig verfahren werde, ist noch sehr unklar. Sollte sich herausstellen, dass McCoy tatsächlich homophobes Gedankengut unterstützt, werde ich mich entscheiden müssen. Kann ich es moralisch rechtfertigen, diese Band weiterhin zu hören? Sollte ich es vermeiden, mir ihre Platten zu kaufen oder auf ihre Konzerte zu gehen? Muss das große Tourplakat, das über meinem Schreibtisch hängt, dann in den Müll? Kann ich im Rahmen dieses Blogs überhaupt noch über sie sprechen? Wäre eine gute Albumkritik am Ende Publicity für homophobe Ansichten? Fakt ist: Ich kann weder ignorieren, dass diese Band mit ihren Songs mein Verständnis für Musik verändert hat noch kann ich Aussagen, die eventuell gemacht wurden, tolerieren. Mit diesem Post bitte ich um euer Verständnis, wenn nächste Woche das Review zum neuen Deafheaven-Album wie geplant kommt. Mir ist die Situation bewusst und ich werde sie nicht ignorieren. So wie ihr sie hoffentlich auch nicht ignoriert. Ich wünsche noch einen angenehmen Tag.

Montag, 28. September 2015

Das Album danach

CASPIAN
Dust and Disquiet

Big Scary Monsters
2015
















Es gab Zeiten, da galten Caspian als eine der eher euphorischen Bands in der Postrock-Szene und das stimmte auch. Die Musik der Gruppe aus Massachusetts spielte immer mit den hellen Farben und trug eine Leichtigkeit in sich, die in gewisser Weise einzigartig war. Zur großen Zahl der Düstermänner des Genres musste man sie nie zählen. Dennoch ist ihr neues Album Dust and Disquiet ein eher melancholisches und auch etwas aufrührerisches geworden, und das nicht ohne Grund. Im Herbst 2013 verstarb überraschend Bassist Chris Friedrich und hinterließ einen tiefen Riss im Gefüge der Band. Caspian zogen sich ins Private zurück und blieben bis auf wenige Konzerte still. Posthum wurde zwar noch im selben Jahr die EP Hymn for the Greatest Generation veröffentlicht, deren Release jedoch schon vor Friedrichs Ableben vorbereitet war. Das erste wirklich neue Album ohne ihn ist nun deutlich vom Verlust geprägt und vielleicht das bisher düsterste in der Diskografie der US-Amerikaner. Ihre leichtfüßige Spielweise hört man zwar immer noch relativ oft, doch sie verhält sich wie weiße Punkte auf einer Leinwand, die fast ausschließlich in Grau- und Schwarz-Tönen gehalten ist. So wie das Covermotiv, das ebenfalls den Abschied symbolisiert. Sieben Federn sieht man darauf: Sechs dunkle für die sechs verbliebenen Mitglieder von Caspian und eine weiße für Friedrich. Und so ist er auf Dust and Disquiet noch immer recht präsent, teilweise mehr als man glauben mag. Denn im allgemeinen Klang der Band ist es nicht wirklich auszumachen. dass mit Jani Zubkovs nun ein anderer hier den Bass spielt. Und überhaupt: Trotz der etwas düstereren Schattierungen bleiben die Musiker ihrem bisherigen Stil ziemlich treu. Die Neuorientierung hier ist ungefähr vergleichbar mit der des letzten Sigur Rós-Albums, welches ja zu den wesentlichen Elementen ja auch nur ein paar mehr Moll-Akkorde hinzufügte. Was allerdings wirklich neu hier ist, ist die Einbindung von Gesang in die Platte. Insgesamt zwei Songs werden hier stimmlich unterstützt, zunächst nur verzerrt auf dem energischen Run Dry, kurz danach auch in Reinform in Equal Night. Und beide Male muss ich gestehen, dass das Konzept von Caspian dadurch immens bereichert wird. Überhaupt, auch wenn es sich hierbei nur um Details handelt, finde ich es schön, wie sie mit ihrem Stil experimentieren und für gleich gute Tracks auch bereit sind, weitere Wege zu gehen. Damit beweisen sie sich hier als noch bessere Songwriter und schaffen auch unter neuen Bedingungen ein  Album, welches den Ansprüchen seiner Vorgänger bei weitem genügt. Sie zeigen damit, dass sie eine starke Band sind, die auch der schwere Verlust eines Mitgliedes nicht zerstören kann. Für ihre Zukunft können das nur gute Vorzeichen sein.
9/11

Beste Songs: Separation No. 2 / Run Dry / Equal Night / Sad Heart of Mine

Nicht mein Fall: Darkfield

Weiterlesen:
Review zu Prince Avalanche (Explosions in the Sky):
zum Review

Review zu Sad Boys Club (Solkyri):
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Sonntag, 27. September 2015

Heisenberg Trap

DRAKE & FUTURE
What A Time to Be Alive

Universal
2015
















Auf die Art und Weise hatte es bestimmt keiner erwartet. Die letzte Platte von Future ist jetzt gerade Mal ein paar Monate her, er hat also absolut keinen Zugzwang, sich hier zu produzieren. Ob es von Drake dieses Jahr noch ein "richtiges" Album gibt, war schon eher diskutabel. Obwohl er das nach If You're Reading This It's Too Late, seinem überaus erfolgreichen Mixtape vom Februar, eigentlich ebenfalls nicht nötig gehabt hätte. Und überhaupt: Die Paarung ausgerechnet dieser beiden MCs auf Longplayer-Format ist ungewöhnlich. Eine Überraschung ist die alleinige Existenz von What A Time to Be Alive also an sich schon. Was weniger überraschend ist, ist hingegen der Sound der Platte. Womit wir es hier zu tun haben ist ein Trap-Rap-Album, wie es klassischer nicht sein könnte. Die elf Songs hier sind einer wie der andere Banger und dass beide Akteure oft und gerne detaillierte Ausführungen über ihr Konsumverhalten machen, ist ja hinreichend bekannt. Allerdings merkt man auch sofort, dass auf dieser Platte zwei der besten Vertreter des Genres zusammen kommen. Schon der Opener Digital Dash schindet mächtig Eindruck mit einer Formel, die eigentlich schon hunderte Künstler vor ihnen angewendet haben. Doch mit Drake und Future ist es ein bisschen wie bei Breaking Bad: Sie produzieren einen Stoff, der einfach besser ist als der der hundert Anderen. Und allein das macht dieses Album so großartig. Diamonds Dancing, der größte der großen Hits hier, hat die perfekte Hook und das Klavier in Live From the Gutter setzt im überwiegend elektronischen Ambiente einen netten Akzent. Futures leicht lethargischer Flow kommt hier so gut zur Geltung wie meiner Meinung nach nie zuvor und in seinem Windschatten wirkt auch Drake ziemlich badass. Und das trotz Lines wie "these white nights ain't good for you, girl". Was ich besonders cool finde ist, dass er hier auch endlich mal wieder so schön singt wie auf seinem Debüt. Nach seinem eher enttäuschenden Auftritt auf If You're Reading This... hatte ich so souverän eigentlich nicht erwartet. Aber es ist offensichtlich, dass beide Parteien sich hier gegenseitig gepusht haben und dieses absolut makellose Ergebnis am Ende als Beweis dafür steht. Für beide Rapper ist What A Time to Be Alive eine der besten Performances ihrer bisherigen Karriere und auch wenn diese offiziell nur eine Randnotiz ist, so eine Bestätigung habe ich gebraucht. Für Drake, für Future, für die Trap-Szene und für die Überzeugung, dass es nach dem Demo doch nicht bergab geht. Lasst mich dieses Review also mit den Worten des letzten Songs hier beenden: "that shit gotta go platinum". Ich würde es mir für die beiden wünschen.
9/11

Beste Songs: Digital Dash / Diamonds Dancing / 30 For 30 Freestyle

Nicht mein Fall: Big Rings

Weiterlesen:
Review zu If You're Reading This It's Too Late (Drake):
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Review zu Rodeo (Travis Scott):
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All Killer

CHVRCHES
Every Open Eye

Vertigo
2015
















Chvrches sind keine Indieband. Ich selbst habe den Fehler gemacht, davon auszugehen, als vor zwei Jahren the Bones of What You Believe, das Debüt des Trios aus Schottland, erschien. Sicher, als Brainchild des eigentlich aus dem Postrock stammenden Iain Cook lag die Vermutung nahe, dass es sich hier bestimmt um Musik handelt, die in irgendeiner Form alternativ ist. Doch gerade das war eben nicht der Fall. Man wollte vor den Pop der Chvrches sehr gerne noch die "Indie"-Vorsilbe setzen, ganz einfach weil man nicht glauben würde, wie gut dieses Chartfutter gemacht war. Alle Beats waren unglaublich catchy und kompositorisch hochwertig und mit Lauren Mayberry hatte sich Cook niemanden geringeres als die größte stimmliche Entdeckung der letzten Jahre ans Mikrofon geholt. Noch dazu konnte die großartige Texte schreiben, was in diesem Genre ja nun wirklich nicht oft passiert. Chvrches waren die perfekte Popband. Und nichts konnte sie aufhalten. Ziemlich genau zwei Jahre ist das jetzt her und mit Every Open Eye kommt nun das neue Album, an welches das Trio nicht mehr als Newcomer-Hoffung, sondern als Stars herangeht. Die Licht- und Schattenseiten des Ruhmes hat man bereits kennengelernt, Mayberry machte Ende 2013 Schlagzeilen, als sie Ziel von sexueller Belästigung über Twitter wurde und dagegen auf die Barrikaden ging. Infolgedessen wurde die Sängerin nun auch noch zum Feminismus-Idol und damit absolut unantastbar. Doch der Weg zu Every Open Eye war kein leichter. Die Vorab-Singles Leave A Trace und Clearest Blue waren relativ schwach und einen Instant-Hit hatten Chrvrches diesmal nicht im Ärmel. Meine Erwartungen gegenüber der neuen Platte waren relativ gering. Doch wieder hat uns die Band ein Schnippchen geschlagen. Denn entgegen der Erwartungen der Leute (wie mir), die jetzt ein Album erwarteten, dass aus ein paar überragenden Bangern und viel gutem Füllmaterial besteht, haben die Schotten hier einen Longplayer konstruiert, der als Gesamtkonzept wirkt. Und das ist eigentlich sogar noch besser als ein paar Radiohits. Denn im Prinzip ist Every Open Eye damit ein einziger großer, vierzigminütiger Hit. Songs, die als einzelne Bestandteile relativ schwach klingen, blühen im Kontext der Platte zu wahren Giganten auf und ergänzen sich fantastisch. Ansonsten machen Chvrches alles so wie vorher: Catchy Beats, tolle Texte und eine etwas melancholischere, aber dennoch atemberaubende Performance von Lauren Mayberry. Natürlich funktioniert dieses Rezept auch hier reibungslos. Sie sind ja schließlich die perfekte Popband. Und kleine Experimente schleichen sich hier schon ein. So singt in High Enough to Carry You Over beispielsweise Iain Cook selbst und Down Side of Me versucht sich an balladesken Klängen. Unterm Strich beseitigt Every Open Eye also die wenigen Unzulänglichkeiten, die das Debüt vor zwei Jahren noch hatte. So wie ich es sehe, wird diese Platte nicht das große mediale Echo erfahren, das the Bones of What You Believe bekam, doch sie kann in dem sicheren Bewusstsein existieren, absolut alles richtig gemacht zu haben und am Ende das bessere Gesamtwerk zu sein. Es könnte sein, dass Chvrches in zwei Jahren wieder eine komplett andere Band sind. Doch wenn das zu so guten Ergebnissen führt wie hier, warum eigentlich nicht?
9/11

Beste Songs: Never Ending Circles / Playing Dead / Afterglow

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu 1000 Forms of Fear (Sia):
zum Review

Review zu Luck (Tom Vek):
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Samstag, 26. September 2015

Punchdrunk Lovesick Singalong

PARKWAY DRIVE
Ire

Epitaph
2015















Mein Interesse für die späte Zweitausender-Welle des Metalcore hielt sich schon immer in Grenzen. Die vor fünf bis sechs Jahren besonders auch in meinem Umfeld sehr angesagte Warped-, Impericon- und Schüttelfrisur-Szene streifte mich kurz und wäre vielleicht von größerer Bedeutung für mich gewesen, wenn ich nicht Rage Against the Machine entdeckt hätte. Wie ich zum jetzigen Zeitpunkt zu der ganzen Sache stehe, kann man ja gerne in meinem Review zum letzten Bring Me the Horizon-Album nachlesen (guckst du unten). Wobei ich sagen muss, dass auch hier wie immer gewisse Ausnahmen existieren. Und die vielleicht wichtigste heißt für mich in diesem Zusammenhang Parkway Drive. Die vierköpfige Band aus Australien schindete bei mir schon relativ zeitig durch ihre schlagkräftige und präzise Art Eindruck und ist in meinen Augen so ziemlich das einzige Überbleibsel des Hypes, das sich auch ein halbes Jahrzehnt später noch nicht überlebt hat. Ein Schlüsselerlebnis war in dieser Hinsicht das 2013 veröffentlichte Atlas, in dem zehlreiche Prog-Elemente ihren Stil zusätzlich auflockerten und Momente schafften, die mich dieses Album wirklich mögen ließen. Ire ist 2015 nun der Nachfolger dieser Platte und einer gewissen Neugier konnte ich mich im Vorfeld nicht entziehen. Nun, da das Beschauungsobjekt draußen ist, muss ich zugeben, dass ich wieder einmal überrascht bin von der Metamorphose, die diese Band erneut durchlaufen hat. Parkway Drive haben die progressiven Parts des Vorgängers zurückgeschraubt und hier eine Platte aufgenommen, die wieder verstärkt auf die Aspekte Punch und Core-Bausteine setzt, die sie schon immer am besten beherrschten. Zusätzlich hat Ire jedoch einen sehr ausgeprägten klassischen Heavy-Metal-Einschlag, der sehr an den Stil der frühen Iron Maiden erinnert. Das ist interessant, aber nicht unbedingt unproblematisch. An sich habe ich ja mit endlos geschmierten Picking-Soli keinerlei Probleme, doch wie Parkway Drive diese einsetzen ist ziemlich uncool. Nicht selten ist ein Solo hier eben nicht wirklich ein Solo, das heißt ohne Begleitung gespielt, sondern ist entweder mit Synthesizern unterlegt oder packt fette "wooh"-Chöre obendrauf. Und sowas läuft nun mal überhaupt nicht, wenn man den Effekt des Gitarrenspiels richtig auskosten will. Wenn man dann auch noch bedenkt, wie oft das hier passiert, dann befinde ich das als wirklich groben Schnitzer. Und er bleibt auch mein einziges Hauptproblem am gesamten Album. Dass Songs stellenweise überproduziert sind, die Platte stellenweise ein weing zur Monotonie neigt und dass Winston McCalls Gesang in Writings On the Wall eine Katastrophe ist, sind Details und müssen nicht weiter vertieft werden. Denn ansonsten haben Parkway Drive hier ein grundsolides Stück Musik abgeliefert. Wieder einmal muss ich die instrumentalistische und gesangliche Präzision hervorheben, mit der die Band hier spielt und ein weiteres Mal finde ich es schön, wie unpeinlich die Australier bei Verrichtung ihrer Arbeit zu Werke gehen. Obgleich Ire am Ende doch bei weitem nicht so gut ist wie Atlas, die Vier Akteure stehen immerhin auch hier weiter ihren Mann. Und sorgen für 50 Minuten mal dafür, dass ihre Szene nicht total lachhaft ist. Was am Ende vielleicht sogar das wichtigste ist.
7/11

Beste Songs: Fractures / Vicious

Nicht mein Fall: Vice Grip / Writings On the Wall

Weiterlesen:
Review zu That's the Spirit (Bring Me the Horizon):
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Review zu From Parts Unknown (Every Time I Die):
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Freitag, 25. September 2015

House of Cards

THE WORLD IS A BEAUTIFUL PLACE & I AM NO LONGER AFRAID TO DIE
Harmlessness

Epitaph
2015














Man macht sich natürlich große Hoffnungen. Between Bodies, das letzte Album von the World is A Beautiful Place & I Am No Longer Afraid to Die, war eben einfach fantastisch. Und dass diese Band eine der größten Indierock-Dinger der aktuellen Dekade sind, fand ich sowieso schon vorher. Und wenn dann nach weniger als einem ganzen Jahr schon wieder ein Longplayer erscheint, macht man sich natürlich große Hoffnungen. Noch im Review zur ersten Vorab-Veröffentlichung January 10th, 2014 redete ich davon, dass Harmlessness ein Kandidat für die beste Platte in ganz 2015 werden könnte und kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Nachdem selbige Platte nun aber draußen ist, kann ich das mit ziemlicher Sicherheit verneinen. The World is A Beautiful Place haben hier nicht das Album gemacht, mit dem sie endgültig zu den ganz großen gehört hätten. Um ehrlich zu sein, ist es eigentlich ein eher mittelprächtiges Teil, was uns die Band aus Connecticut da präsentiert. Um ganz ehrlich zu sein ist es ihr schlechtestes Teil bisher. Das bedeutet bei einer solch sattelfesten Formation zwar nicht im eigentlichen Sinne, dass es mies oder völlig unhörbar ist, sondern nur in Relation schlecht. Trotzdem tut es weh, wie diese talentierten jungen Musiker plötzlich haufenweise Schusselfehler einschleichen lassen, schwache Songs schreiben und das ganze Gefüge einer Platte aus dem Leim gehen lassen. Das Konzept von the World is A Beautiful Place war schon immer ein gefährliches: Nie wirkten ihre Kompositionen wie wirklich durchgestylte und sichere Nummern, alles bewegte sich am Rande zum Improvisierten. Das machte ihre Songs und Longplayer einerseits unglaublich spannend, andererseits drohte dieses Kartenhaus auch andauernd, zu kippen. Auf Harmlessness ist nun zumindest ein Stück davon eingestürzt. Und das kommt vor allem durch die klangliche Veränderung, die the World is A Beautiful Place hier vornehmen. Die neue Platte schließt mit einem Großteil der Postrock-Elemente, die von Stunde Eins an eigentlich Fan-Favoriten waren (oder zumindest meine) ab und erweitert das Sound-Spektrum dafür um einige Pop-Koeffizienten. Das hat zur Folge, dass viele der Tracks hier an Zug verlieren und ein wenig Lasch wirken. Ein Song wie Rage Against the Dying Light ist einfach nur ziemlich langweilig. We Need More Skulls hingegen, welches als vielleicht einziges Stück noch sehr postrockig angehaucht ist, entfaltet hier volle Schlagkraft und bildet einen interessanten Kontrast. Auch mein zweites großes Problem mit Harmlessness ist eines, das ich bei dieser Band nie vermutet hätte: Texte. Between Bodies war eine Platte, die vor allem anderen durch ihre ausgeprägte lyrische Qualität überzeugte. Und was haben wir stattdessen hier? Überwiegend ziemlich flache Ergüsse über die üblichen, existentialistischen Themen von the World is A Beautiful Place-Songs, die keinerlei Überraschungen bieten. Dazu kommt auch noch der relativ lahme Gesang der beiden Vokalisten, deren Duett-artige Vortragsweise zwar meistens recht spannend ist, doch die rein stimmlich diesmal wenig bietet. Kritik muss also definitiv geübt werden. Ich will dennoch nicht so tun, als würden die guten Aspekte an Harmlessness nicht überwiegen. You Can't Live There Forever ist ein fantastischer Opener, die übergreifende Ästhetik der Platte ist mal wieder erste Sahne, die labbrige Indie-Produktion passt wie die Faust aufs Auge, der verstärkte Einsatz von Banjos in Mental Health ist eine nette Innovation und mit I Can Be Afraid of Anything und Mount Hum ist the World is A Beautiful Place ein fulminantes Finale gelungen. Am Ende des Tages ist dieses Album also vielleicht fehlerbehaftet, aber dennoch ein sehr überzeugendes Stück Musik, das meine ambitionierten Hoffnungen nicht im geringsten zerstört. Ich würde nicht mal ausschließen, dass es am Ende des Jahres unter den besten 30 Platten landet. Doch seinen Vorgänger wird es dabei mit Sicherheit nicht einholen. Ist das schlimm? Kein bisschen, wenn man nicht wie ich ein Album erwartet hat, das alle Erwartungen sprengt. Und das ist nicht etwa kindisch von mir, denn the World is A Beautiful Place könnten das hinkriegen. Vielleicht das nächste Mal.
9/11

Beste Songs: You Can't Live Here Forever / the Word Lisa / I Can Be Afraid of Anything

Nicht mein Fall: Rage Against the Dying Light

Weiterlesen:
Review zu January 10th, 2014 (the World is A Beautiful Place):
zum Review

Review zu Between Bodies (the World is A Beautiful Place):
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Mittwoch, 23. September 2015

Thug Life Light

MAC MILLER
GO:OD AM

Warner
2015
















Dass Mac Miller ein verdammt talentierter MC ist, muss man eigentlich niemandem mehr sagen. Von den gefühlt tausend Alben, die von ihm kursieren, klingt keines wie das andere und zumindest im Bereich des modernen HipHop ist dieser Typ ein verdammtes Chamäleon. Von lethargischem Stoner-Rap über hitzigen Trap bis zu vollkommen abgefahrenem Indie-Kram scheut er keine Veränderung und ist zumindest immer für eine Überraschung gut. Dass GO:OD AM nach langem dümpeln im "Künstlerisch wertvoll"-Becken wieder ein ziemlich Pop-affiner Longplayer geworden ist, ist auch so eine. Und weil das an großen Neuigkeiten noch nicht genug ist, hat man von Miller diesmal auch verdammt viel. 70 Minuten lang textet uns der MC aus Pittsburgh hier wieder mal zu, was für ihn vielleicht nicht ungewöhnlich, aber trotzdem nicht weniger beeindruckend ist. Dass er das Rad dabei inhaltlich nicht wirklich neu erfindet, ist überhaupt nicht schlimm, solange er so kreative Lyrics abliefert. Die hauptsächlichen Themen auf GO:OD AM sind die Aufgaben die einem das Leben stellt (Rush Hour, 100 Grandkids) und dass man diese doch bloß nicht zu ernst nehmen sollte (Weekend, Clubhouse). Dass sich der Künstler dabei an üblichen Floskeln wie "karma is a bitch" oder "fridays are always the start of the time of my life" bedient, macht die Sache sogar noch besser. Warum auch nicht, das Ganze soll ja schließlich eingängig sein. Auch musikalisch überzeugt die Platte auf ganzer Linie, die hier angewandte Form von Boom-Bap-Instrumentals ist nicht nur überraschend zeitgemäß, sondern vor allem auch überaus stimmig für die dauergechillten Texte und den dauergechillten Flow des dauergechillten Mac Miller. Und wenn es ab und zu einen dicken Trap-Banger wie When in Rome gibt und dem Tausendsassa ein großartiges Liebeslied wie ROS gelingt, wird das auch nicht zu monoton. Überhaupt finde ich es sehr überzeugend, wie er sich hier präsentiert. GO:OD AM klingt wie das Werk eines Typen, der sehr zufrieden mit sich selbst ist und seinen Gangster-Lifestyle auf ein nötiges Minimum reduziert. Stattdessen geht es verstärkt um die Themen Alter, Familienplanung und Beschaffung der optimalen Immobilie zur bestmöglichen Verwirklichung von beidem. An manchen Stellen wirkt Miller dabei schon etwas spießig, wenn er sich über rüpelhafte Teenager aufregt, doch ein bisschen habe ich den Verdacht, dass auch das nur Teil eines ausgeklügelten Plans ist. Was für mich Fakt ist ist, dass dieser talentierte MC hier eines der besten Alben seiner Karriere gemacht hat und sich die Lebensweisheiten, die er hier rappt, mit Herzblut erarbeitet hat. Mac Miller kann von seiner jetzigen Position auf einiges zurückblicken und die Art, mit der er das auf GO:OD AM tut, ist genau die richtige dafür. Mit einem rundum gelungenen Ergebnis ist es auch weiterhin eine Freude, diesem Typen beim Musik machen zu erleben. Hoffentlich noch sehr oft in naher Zukunft.
9/11

Beste Songs: 100 Grandkids / Clubhouse / When in Rome / ROS

Nicht mein Fall: Break the Law

Weiterlesen:
Review zu Hallways (Homeboy Sandman):
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Review zu Mr. Wonderful (Action Bronson):
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Montag, 21. September 2015

Blick in die Kristallkugel

BAIO
the Names

Glassnote
2015
















Die Zukunft von Vampire Weekend ist im Moment vielleicht so ungewiss wie noch nie zuvor. Mit Modern Vampires of the City, ihrem letzten Album, hinterließen die New Yorker zumindest bei mir vor allem Fragezeichen in Bezug darauf, wie es denn jetzt mit ihnen weitergeht. Und dass Soloplatten der Bandmitglieder darauf eine Antwort geben könnten, ist durchaus wahrscheinlich. In diesem Fall ist es Bassist Chris Baio, der sich mit the Names an seinen ersten eigenen Output traut und dabei Ergebnisse liefert, die manche erstaunen mögen, für mich aber das bestätigen, was ich schon lange vermutet hatte. Nachdem bereits Sänger Ezra Koenig sich zu Elektronik-Projekten (wie im letzten Jahr SBTRKT) hingezogen fühlte, geht Baio jetzt ebenfalls verstärkt diesen Weg. Der vorliegende Longplayer ist im weitesten Sinne ein Indietronic-Album, schlägt aber auch viele verschiedene Pfade ein. Wenige Bestandteile erinnern noch immer an die naiv-nerdige Frühphase seiner Stammband, stattdessen forstet sich der Künstler zwischen unschuldigem Synthiepop und Kalkbrenner-Style-Minimal Electro durch die 38 Minuten seines Debüts. Erfolgreich sind diese Ausflüge mal mehr, mal weniger. Wo ein Song wie Needs tatsächlich ein wenig Hitpotenzial enthält, ist das EDM-geschwängerte Sister of Pearl schon eher an der Grenze zur Peinlichkeit befindlich. Und was ist nun eigentlich mit der Zukunft von Vampire Weekend? Findet man die auf the Names? Auf den ersten Blick überhaupt nicht. Die Einflüsse und Ideen, aus denen Baio hier seine Tracks zusammen zimmert, wirken in den meisten Fällen ziemlich kopiert und wenn sie das mal nicht tun, dann weil er sie schon auf den Platten seiner Band eingesetzt hat. Dieser Longplayer wirkt auf mich eher wie eine Expedition in verschiedene künstlerische Gefilde der elektronischen Musik, an denen sich hier ausprobiert wird. Und was das angeht, wird es schon spannender. Schon das letzte Vampire Weekend-Album setzte stärker auf Keyboards und synthetische Verfremdung von Sounds und zumindest Chris Baio scheint diese Tendenz gerne ausbauen zu wollen. Was der Bassist hier dazu lernt, könnte auf einem weiteren Band-Release verstärkt in Erscheinung treten. Ob ich das gut finde? Wenn er seine Mitmusiker mit diesen Einflüssen wirklich bereichern will, sollte er lieber noch ein bisschen weiter üben, denn noch überzeugt mich diese Platte nicht wirklich. Und ob ich noch ein wankelmütiges Album von Vampire Weekend verkrafte, weiß ich nicht.
6/11

Beste Songs: Needs / Matter

Nicht mein Fall: Sister of Pearl

Weiterlesen:
Review zu Modern Vampires of the City (Vampire Weekend):
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Review zu Wonder Where We Land (SBTRKT):
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Sonntag, 20. September 2015

Boulevard of Broken Dreams

LANA DEL REY
Honeymoon

Vertigo
2015
















Es mag zwar so scheinen, als wäre seit Video Games nicht viel passiert, doch auch Lana del Rey ist mittlerweile beim dritten Album angekommen. Und obgleich es bei meinem letzten Review zu ihr eventuelle Andeutungen gab, dass ich mich so ausführlich nicht mehr mit dem selbsternannten Darling der Pseudo-Grunge-Bewegung befassen würde, sitze ich jetzt doch wieder hier und schreibe eine Besprechung. Was soll der Geiz, ich habe es ja selbst so gewollt. Hier ist also meine Meinung zu Honeymoon. Im Vorfeld des Albums waren die Tendenzen zugegebenermaßen wirklich interessant, da ein vorzeitiges Urteil aus den Singles diesmal nicht möglich waren. Mit dem schwermütigen, getragenen Titeltrack veröffentlichte die Künstlerin zu Beginn einen ihrer besten Songs, der die Hoffnung auf ein qualitativ hochwertiges Gesamtwerk nicht ausschließen lies. Was man allerdings von High By the Beach, dem bisher definitiv miesesten Teil ihrer Diskografie, so gar nicht behaupten konnte. Dazu muss noch gesagt werden, dass die Figur Lana del Rey mittlerweile auch die Aura der Mystizität, die sie stets umschwebte, irgendwie verloren hat. Eintönige Alben und der Zahn der Zeit haben aus dem einst so perfekten Kunstcharakter eine Musikerin unter vielen gemacht, die mit der eigenen Credibility zu hadern hat. Honeymoon steht also unter einem anderen Stern als ihre bisherigen Veröffentlichungen, dabei könnte es tatsächlich die Befreiung der Künstlerin in Lana del Rey sein. Denn was mir sowohl auf Born to Die als auch auf Ultraviolence fehlte, die musikalische Variabilität, ist hier zum ersten Mal mehr oder weniger eingekehrt. Nicht nur wird hier ein wesentlich größeres Instrumentarium aufgefahren als vorher, auch im Songwriting gibt es Verbesserungen. Der als Opener großartig funktionierende Titeltrack wird beispielsweise durch das leicht jazzende Music to Watch Boys By abgelöst, was einen gleich am Anfang staunen lässt. Auch Einflüsse aus Achtziger-Pop, Tarantino-Rock und modernem Elektro kann man hier allerorten hören. Es sieht ganz so aus, als könnte Frau del Rey endlich ein bisschen so sein wie die Nancy Sinatras und Marylin Monroes, die sie seit Jahren kopiert. Honeymoon ist kein Durchbruch zum Image eines ernstzunehmenden Künstlers, aber der erste Schritt dahin. Und wie immer steckt der Teufel dabei im Detail: Die Streicher-Arrangements sind hier großartig, die Songs sind fokussierter und gehen Risiken ein. Ein Anfang ist damit getan. Was sich nach wie vor problematisch darstellt, ist hingegen die Künstlerin selbst. Ihr monotoner Gesangsstil ist hier ebenso wenig verschwunden wie ihre unglaublich platten Lyrics, was natürlich total schade ist. Denn alle coolen Modifizierungen bringen wenig, wenn die Frau, deren Name am Ende auf der Plattenhülle steht, nach wie vor singt wie eine emotional unterforderte Vierzehnjährige. Und in diesem Sinne ist High By the Beach sogar noch echt okay, Stücke wie Freak oder Art Deco beinhalten Fremdschampotenzial wie bisher nur wenige Nummern von ihr. Der Fortschritt auf Honeymoon ist im Endeffekt also nur scheinbar vorhanden. Oberflächlich klingt vieles hier wirklich ausgereift, doch bei näherer Betrachtung bekommt man bei Lana del Rey noch immer das gleiche, was es die letzten vier Jahre lang schon gab. Ich bereue es nicht, mich hiermit noch einmal befasst zu haben, denn einen interessanten Einblick in die Geschichte dieser Künstlerin war es definitiv. Nur ist das Ergebnis bei mir das gleiche wie bisher auch immer: Die Grundidee ist gut, aber die Umsetzung ist ausbaufähig. Und ob es nach drei mehr oder weniger erfolglosen Versuchen noch zu diesem Ausbau kommt, wage ich langsam zu bezweifeln. So unglaublich schmerzhaft das auch ist.
7/11

Beste Songs: Honeymoon / God Knows I Tried

Nicht mein Fall: Freak / Art Deco / Religion

Weiterlesen:
Review zu Ultraviolence (Lana del Rey):
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Review zu Beauty Behind the Madness (the Weeknd):
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Funny Or Die

THE FRONT BOTTOMS
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Fueled By Ramen
2015
















The Front Bottoms sind eine dieser Bands, bei denen man nicht weiß, ob man sie für genial oder vollkommen bescheuert halten soll. Folk-Punk ist ja ohnehin ein zweischneidiges Schwert und diese Band aus New Jersey reizt diese Tatsache in vollem Bewusstsein ihrer Möglichkeiten meist bis an die Grenzen des guten Geschmacks aus. Talon of the Hawk, das Album, durch das ich im Sommer 2013 ihre Musik kennenlernte, war in dieser Hinsicht eine Gratwanderung. Die Songs darauf klangen nicht selten ein wenig albern und für jemanden, der mit den Namen Neutral Milk Hotel und Andrew Jackson Jihad etwas anfangen kann eigentlich zu uninspiriert. Dennoch waren eindeutige Stärken im Songwriting der Front Bottoms erkennbar, die mich vom Fleck weg überzeugten. Zum einen waren sie relativ eingängig und melodisch und nicht zu abgefahren, zum anderen zeigte sich Sänger Brian Sella als ein vorzüglicher Texter, der es meisterlich versteht, die ewige Melancholie des Lebens in Songs einzuarbeiten, über die man am Ende doch schmunzelte. Nicht zuletzt deshalb schaffte es Talon of the Hawk auch in die Auserwählten-Liste vom Juni 2013 und machte seinen Nachfolger damit für mich besonders interessant. Mit Back On Top ist dieser jetzt da und setzt wieder alle Parameter neu. Die Front Bottoms haben sich ihrer sowieso schon immer recht sparsamen Folk-Affinität hier größtenteils entledigt und geben dafür erstmals eine größere Rolle an Synthesizer ab. Einer von denen ruiniert dann auch gleich Jumpscare-mäßig die ersten Sekunden der Platte mit einem nervtötenden Solo zu Beginn von Motorcycle. Funktioniert als Abschreckung, täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass Back On Top am Ende doch wieder ziemlich cool geworden ist. Das Problem mit den Keyboards kriegt die Band zwar auch auf den restlichen 42 Minuten nicht in den Griff, doch wie schon beim Vorgänger rettet sie auch hier das tolle Songwriting. Dass dieses manchmal ein bisschen nach Blink-182 klingt, dürfte Absicht sein und textlich halten sich Tracks mit Titeln mit Motorcycle und Summer Shady an eine Art intelligente Emorock-Parodie von Lana del Rey-Nummern. Schon beim Lesen ist das vielleicht nicht jedermanns Sache, was natürlich in verstärkter Form für das Hörerlebnis gilt. Es wird sicherlich viele Leute geben, die mit einer solchen Platte rein gar nichts anfangen können und dazu sei an dieser Stelle gesagt, dass ich diese Meinung vielleicht sogar besser nachvollziehen kann als meine eigene. Fakt ist nur, dass ich persönlich Back On Top ziemlich clever finde und die Front Bottoms mein Interesse erneut wecken konnten. Und das spricht ja nun eine ziemlich eindeutige Sprache. Haters gonna Hate.
8/11

Bester Song: Cought It Out

Nicht mein Fall: Laugh Till I Cry

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Review zu the Most Lamentable Tragedy (Titus Andronicus):
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Review zu I Want That You Are Always Happy (the Middle East):
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Samstag, 19. September 2015

Die Sirenen von Mexiko

LE BUTCHERETTES
A Raw Youth

Ipecac
2015
















Ich habe mitunter versucht, es mir auszureden, doch spätestens seit dem letzten Bosnian-Rainbows-Album bin ich ein Riesenfan von Teresa Suárez alias Teri Gender Bender. Nicht nur bildet sie mit Lebensgefährte Omar Rodriguez-Lopez mein persönliches Traumpaar der Indie-Szene, auch sie selbst ist eine ganz besondere Musikerin, was mir in den letzten Jahren immer wieder klar geworden ist. Und scheinbar auch dem Rest der Welt. Als Sängerin, als Live-Performerin und als Gitarristin hat sie sich viele Lorbeeren verdient und immer wieder überzeugt, lediglich ihr Ruf als Songschreiberin ist leider noch immer etwas ausbaufähig. Und auch als konsequenter Fanboy muss ich hier sagen: Nicht zu Unrecht. Bei den Bosnian Rainbows hatte sie vielleicht einen guten Lauf, allerdings standen ihr hier auch drei andere Komponisten zur Seite, mit Rodriguez nicht zuletzt ein sehr renommierter und erfahrener. Daneben fand ich die Platten ihrer eigentlichen Hauptband Le Butcherettes immer sehr interessant, wenn auch nicht ganz ausgereift, ganz zu schweigen von furchtbaren Projekten wie Kimono Kult oder ähnlichem. Für A Raw Youth hatte ich dennoch einige Hoffnungen, da die Band durch den Schub der letzten Jahre plötzlich im Fokus einer Szene steht und auch entsprechend darauf reagiert. Am stärksten äußerst sich das sicherlich durch die Gastauftritte von Iggy Pop und John Frusciante auf diesem Album, aber auch die wesentlich offenere Ausrichtung spricht für sich. Von einer Pop-Sensibilität zu sprechen, würde vielleicht zu weit gehen, doch mit echter Punk-Trveness hat dass hier auch wenig zu tun. A Raw Youth ist im besten Sinne eine Wave-Geschichte und passt in diese Rolle nicht mal schlecht. Suárez' Gesang macht sich hier viel besser den Weg frei und die Sache mit den Keyboards hat ja schon beim letzten Mal gut funktioniert. Tracks wie My Half (der mit Frusciante) oder Witchless C Spot funktionieren sehr gut durch die Konzentration auf intensive Momente und sind spätestens hier auch kein Neuland mehr für die Butcherettes. Auf der anderen Seite existieren aber immer noch die flotten, gitarrenlastigen Elemente in Stücken wie Stab My Back oder Hitch Hiker. Was wieder einmal nicht so richtig fetzt sind die Texte von Suárez, denn zwischen hohlen Phrasen und pseudo-artsy Kommentaren ist für die Messages hier wenig Platz übrig. Mehr als ein Wermutstropfen ist das aber nicht, denn ihre fantastische vokalistische Leistung kann dies meist kompensieren. Wie immer also. Unterm Strich steht bei den Butcherettes diesmal ein wesentlich reiferes Album, das zwar nicht zwingend besser als die Vorgänger ist, aber die Souveränität hat, das als Ästhetik zu verkaufen. Und in meiner völlig irrationalen Verehrung für diese Band bestärkt es mich ebenfalls. Also werde ich mich nicht darüber beschweren, sondern einfach mal Fan sein. Ist mir ja sonst so wenig vergönnt.
9/11

Beste Songs: Shave the Pride / Stab My Back / They Fuck You Over / Witchless C Spot / My Half

Nicht mein Fall: La Uva

Weiterlesen:
Review zu Bosnian Rainbows (Bosnian Rainbows):
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Review zu The World is Not Enough (Marching Church):
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Freitag, 18. September 2015

Der Wahnsinn hat Methode

BATTLES
La Di Da Di

Warp
2015
















Ein Album von Battles ist schon deshalb etwas besonderes, weil es nicht ständig passiert. Zwei Longplayer hat die Supergroup aus Brooklyn bereits veröffentlicht, diese erschienen jeweils im Abstand von vier Jahren. Und allein die Tatsache, dass man darauf so unglaublich kreative, zeitlose und einzigartige Musik hört, rechtfertigt diese Wartezeiten. Die Hoffnung, mit La Di Da Di mal wieder ein echtes Meisterwerk zu bekommen, ist also nicht komplett ins blaue gesetzt. Schon mit the Yabba, der ersten Single dieser Platte, wurde diese Hoffnung auch bestätigt. Der siebenminütige Track ist in jeder Hinsicht brilliant: verschnickte Taktwechsel, abgefahrenes Instrumentarium, nerdige Mathrock-Ästhetik, doch am Ende trotzdem irgendwie ein Popsong. Mit dieser Rezeptur sind Battles zwar bisher immer gut gefahren und für einige Hörer dürfte das nun vielleicht erstmals etwas öde werden. Doch wenn man die Kreativität und den Einfallsreichtum erstmal wahrnimmt, den die Band hier nach wie vor an den Tag legt, dürfte das kein Problem mehr sein. Zwischen waghalsigen Elektronica-Spielereien, obszönem Gitarren-Picking, Dub-Geblubber und Chiptune-Anleihen machen die Kompositionen der drei Ausnahme-Musiker erneut eine sehr gute Figur und sind nicht nur was für technische Theoretiker und die, die es werden wollen. Battles prahlen nicht mit ihren Fertigkeiten als Instrumentalisten, sondern stellen die Songs in den Mittelpunkt des Geschehens. Und das ist auch Notwendig, da diese sonst schnell in ein vollkommenen Chaos ausarten würden. Zugegeben, dass La Di Da Di ein sehr aufgeräumtes Album ist, merkt man nicht sofort. Aber was die Paarung von Präzision und eingängigem Songwriting angeht, können Battles nur wenige was vormachen. Und diese Herangehensweise genügt den New Yorkern auch, um zum dritten Mal auf LP-Länge zu überzeugen. Überzeugen, das heißt aber nicht unbedingt begeistern. Dass wir es hier mit einer sehr guten Platte zu tun haben, steht außer Frage, doch ist es wieder mal ein Meisterwerk? Meh. Es ist eine Tatsache, dass diese Musiker samt und sonders unglaubliche Talente sind. Und nach diesen Maßstäben ist La Di Da Di nun mal nicht ganz rund. Mir persönlich fehlen hier ab und zu ein paar lärmige Auswüchse wie auf dem Vorgänger Gloss Drop und auch mit wenigstens ein paar Lyrics hätte man das Erlebnis hier deutlich aufwerten können. Mir ist bewusst, dass man auf höherem Niveau eigentlich nicht jammern kann und dass Battles das Sternchen zu ihrer Eins zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nötig haben. Doch von einer solchen Band kann man gerade deswegen auch mal mehr verlangen als nur ein gutes Ergebnis. Sie haben uns das ja bereits mehr als einmal geliefert.
9/11

Beste Songs: the Yabba / FF Bada / Flora > Fauna

Nicht mein Fall: Non-Violence

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Review zu Mess (Liars):
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Review zu Third Album (Adebisi Shank):
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Mittwoch, 16. September 2015

Lass rauschen

HELEN
the Original Faces

Kranky
2015
















Ist es Shoegaze? Ist es Garagenrock? Ist es Indiepop? Nein. Es sind Helen, die neue kleine Hobby-Band von Grouper-Frontfrau Liz Harris. Und vor uns liegen haben wir das Debütalbum des Trios, the Original Faces. Eine Platte, die eigentlich gar nicht so richtig zur Veröffentlichung gedacht war. Denn wenn es bisher um Helen ging, redete man immer von einem "Spaßprojekt" und "reinem thrash". Ein Longplayer war so in keiner Form geplant. Trotzdem wurden während dieser Zeit immer wieder Spuren der geschriebenen Songs in einem Studio in Portland aufgenommen und so sammelte sich über Monate und Jahre eine nicht unansehnliche Kollektion an Material an. 32 Minuten davon sind nun auf dieser Scheibe zu finden und trotz der eher bescheidenen Motivation dahinter können Harris und ihre Mitstreiter hier überzeugen. Man merkt the Original Faces deutlich an, dass es häppchenweise und in vielen separaten Sessions eingespielt wurde. Es gibt keine einheitliche Marschrichtung der zwölf Tracks, die Tendenz geht hier in Richtung Dreampop, schwängt dann wieder zum Noise um und sogar ein paar recht ambiente Passagen finden sich hier. Da das ganze aber ohnehin unter einer Tonne Reverb- und Distortion-Effekten vergraben liegt, fällt diese mangelnde Einheitlichkeit nie unangenehm auf. Sowieso muss man diese Platte dafür loben, wie sie mit LoFi-Produktion umgeht. Der dicke Schleier, den Helen konsequent um alle Elemente ihrer Kompositionen legen, verschluckt einen beträchtlichen Teil des Songwritings. Doch statt dadurch nur pappigen Sound-Brei zu erzeugen, macht es die Stücke geheimnisvoll, weil man eben nicht alles vorgesetzt bekommt. Harris' Lyrics beispielsweise sind lediglich zu erahnen und schweben geisterhaft zwischen den Passagen umher. Auch vom Schlagzeug ist nicht jeder Ton eindeutig zu hören und man muss sich manchmal selber die Musik hinter der akustischen Nebelwand zusammenbauen. Eine ziemlich waghalsige Ästhetik, aber eine, die flächendeckend funktioniert. The Original Faces ist bei aller Laxigkeit ein Album, das die Fantasie des Hörers anregt und zum Mitdenken auffordert. Es könnte sein, dass das einigen zu herausfordernd ist und auch diese Sichtweise ist für mich sehr nachvollziehbar. Nicht jeder will an seinem Hörerlebnis auch noch selber mitarbeiten müssen. Ich persönlich allerdings bin von Helen begeistert und könnte ruhig noch mehr vertragen als diese eine popelige Mini-LP. Auch wenn man dafür ein bisschen den Spaß riskieren müsste.
9/11

Beste Songs: Allison / City Breathing

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Natural Phenomena (White Poppy):
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Review zu Alvvays (Alvvays):
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xDD

BRING ME THE HORIZON
That's the Spirit

RCA
2015














lol animated GIF

Hahahahahamumumumu/11

Beste Songs: *lacht*

Nicht mein Fall: *lacht noch lauter*/ *lacht Tränen*

Weiterlesen:
Nachruf für Cal Chuchesta:
hier

Montag, 14. September 2015

Fressen und gefressen werden

THE LIBERTINES
Anthems for Doomed Youth

EMI
2015
















Um ganz ehrlich zu sein, würde ich den Nachmittag eigentlich lieber anders verbringen als mit einem Album der Libertines. Die Briten, die für viele als die absoluten Helden der Noughties gelten, sind in meinen Augen nur die Blaupause für eine Vielzahl an nervtötenden Indierock-Bands und eine der Instanzen, die die Retromanie Mitte der Nuller so richtig schlimm machte. Nicht umsonst habe ich die jeweils letzte Platte der Babyshambles und von Carl Bârat auf diesem Blog nicht kommentiert und auch bisher noch kein Wort über Anthems for Doomed Youth verloren. Diese Jungs interessieren mich nicht die Bohne. Was allerdings nicht heißt, dass es niemanden geben würde, der doch noch was für diesen Longplayer übrig hat, immerhin reden wir hier vom lang erwarteten Comeback der Libertines. Und bei aller Miesmacherei, es ist ja nicht so, als würden sie hier keinen geraden Ton herausbekommen. Die zwölf Songs, die hier präsentiert werden, sind absolut okay für jemanden, der im Jahr 2006 stecken geblieben ist und nicht weiß, dass auch schon besser von den Stones und the Clash geklaut wurde. Anthems for Doomed Youth ist eben ein Komfortzonen-Album und etwas anderes hat man von denen hier 2015 wahrscheinlich auch nicht erwartet. Die alten Fans (zehn Jahre sind kein Pappenstiel!) werden sich freuen und die Blogger greifen den Mist auf, weil es am Ende eben doch verdammt nochmal die Band ist, die mal Up the Bracket und the Libertines gemacht hat. Und dass Pete Doherty und Carl Bârat sich wieder so gut vertragen, dass sie eine neue Platte machen, wäre zumindest vor ein paar Jahren noch eine Sensation gewesen. Allerdings weht mittlerweile ein anderer Wind in der Musikwelt und gerade an dieser Scheibe spürt man das sehr stark. Die Blogosphere, aus deren erster großer Welle die Libertines ja stammen, hat inzwischen die dritte Generation ihrer Kinder gefressen und eigentlich sind so Typen, die Texte über Alben schreiben, auch schon wieder ein Teil von gestern. Anthems for Doomed Youth hat also, so hart es auch klingen mag, in einer solchen Welt keinen Platz mehr. Deshalb macht es auch nichts, dass ich diese Band nicht mag. Das muss keiner mehr machen. Danke, liebe Szenepolizei!
4/11

Bester Song: Iceman

Nicht mein Fall: Fame and Fortune / You're My Waterloo

Weiterlesen:
Review zu They Want My Soul (Spoon):
zum Review

Review zu Rum, Sodomy & the Lash (the Pogues):
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Sonntag, 13. September 2015

Peng Peng-Musik

VÖGEL DIE ERDE ESSEN
Besuch von innen

Kreismusik
2015
















Es begab im Jahr 2013, als der Wahnsinn um Käptn Peng und Kreismusik so richtig aus den Fugen geriet, dass plötzlich eine weitere sehr talentierte Band auf der Bildfläche des Labels erschien. Mit der absoluten Wahnsinns-Single Hitchcock und einer nicht weniger fantastischen EP machte das Trio Vögel die Erde essen zunächst vor allem Insider wuschig, landete wenige Wochen später aber auch schon auf den größeren Blogs der Republik, die in ihnen schon die nächsten Käptn Pengs witterten. Und obwohl wir es hier eigentlich mit einer eher auf experimentelle Rockmusik orientierten Band zu tun haben, ist diese Annahme gar nicht verkehrt. Zum einen ist ein Teil der Mitglieder hier auch bei den Tentakeln von Delphi aktiv, zum anderen sind sich beide Gruppen stilistisch sehr ähnlich. Und wo das auf der EP noch hätte Zufall sein können, ist es auf Besuch von innen, dem ersten richtigen Album von Vögel die Erde essen, ein ganz klarer Fall. Dass auf Kreismusik generell ein sehr reger kreativer Austausch zwischen den Künstlern stattfindet, ist nichts neues, Robert Gwisdek drehte beispielsweise auch das Video zu Hitchcock. Dennoch ist teilweise eigenartig, wie sehr diese Platte vor allem auch textlich nach denen von Käptn Peng klingt. Das bedeutet zwar an sich, dass sie ziemlich gut geworden ist, leider aber auch, dass ein schwerer Mangel an Originalität vorliegt. Und eigentlich hätte das nicht unbedingt sein müssen. Mit Songs wie Schneckendasein oder eben auch Hitchcock hatten sie bereits bewiesen, dass sie auch eine eigene klangliche Identität besitzen. Besuch von innen wirkt daher jetzt ein bisschen so, als hätte es das alles nie gegeben. Wenn man so will, ist es unter den wenigen bisherigen Releases der Band das eindeutig schwächste. Was aber nicht bedeutet, dass es wirklich schlecht ist. Gerade für mich als Kreismusik-Kenner-und-Lieber ist diese Platte eigentlich vor allem erstklassiger Fan-Service. Vögel die Erde essen schreiben hier keinen einzigen schlechten Song, geben den abstrakten Lyrics ein sehr passendes Noise-Schrägstrich-Punk-Umfeld und gehen sogar vorsichtige Schritte in Richtung Pop. Darüber hinaus sind Tracks wie Froschmann oder das neunminütige, fast postrockig anmutende Fahrstuhl nach unten so großartig, dass man ihnen nicht ernsthaft böse sein kann. Die Frage ist letztendlich, ob man Vögel die Erde essen ihre offensichtliche Inspirationsquelle krumm nimmt oder es gut findet, dass sie so kollegial Ideen klauen. Ich finde letztendlich, dass Besuch von innen trotzdem verdammt kreativ ist und es nicht verdient hätte, wegen eines einzigen Makels von mir ausgebuht zu werden. Was sie verdienen, sind neun von elf Punkten und einen Platz in meinem Plattenregal. Das erste bekommen sie gleich, das zweite hoffentlich noch im Laufe dieses Jahres. Schließlich habe ich als Fan ja auch meine Verpflichtungen.
9/11

Beste Songs: Froschmann / Fahrstuhl nach unten / Lass rauschen

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Freedom (Refused):
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Review zu Fun (Die Nerven):
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Samstag, 12. September 2015

Size Does Matter After All

BEIRUT
No No No

4AD
2015
















Neunundzwanzig Minuten geht das neue Album von Beirut. Das neue Album, auf das ich vier scheinbar endlos lange Jahre gewartet habe, nachdem mich the Rip Tide Anfang 2011 völlig von den Socken gehauen hatte und bis heute nur besser wird. Neunundzwanzig Minuten. Eine schon ziemlich herbe Enttäuschung, wenn man sich soviel davon versprochen hat, dass Zach Condon 2015 endlich wieder neue Musik macht. Das Folk-Wunderkind war doch einst ein so fleißiges Kerlchen, das in nur einem Jahr drei Platten veröffentlichte, die auch noch so genial komponiert waren, dass man nicht anders konnte, als in ihm den nächsten Jeff Mangum zu sehen. Da kam bei mir im Vorfeld dieses Albums schon irgendwie ein bisschen Frustration auf. Die war zum Glück wie weggeblasen, als ich No No No dann zum ersten Mal hörte. Denn die Fast-LP präsentiert Beirut nach wie vor in Höchstform und wieder einmal ganz anders als erwartet. Was wir hier erleben, ist das sicherlich poppigste Projekt des Multiinstrumentalisten, eine sommerlich angehauchte Wohlfühl-Scheibe mit fluffigem Flair und entspannten Melodien, die in dieser Leichtigkeit jedoch vollkommen aufgeht. Neun Mal versucht Condon hier, den perfekten Indiepop-Song zu schreiben und fast immer glückt ihm das auch. Sein wichtigstes Werkzeug ist dabei das Klavier, was im Kontast zum sehr folkigen Vorgänger erstmal gewöhnungsbedürftig ist, doch mit jedem Hören mehr Sinn ergibt. Der einzige Track, der leider ein bisschen albern geraten ist, ist August Holland, in dem der Tausendsassa dann doch ein bisschen an Mika erinnert. Als kleines Projekt ist No No No also gar nicht zu verachten. Man könnte meckern, dass es im Allgemeinen eigentlich eine ziemlich unspektakuläre Platte ist und man sich nach vier Jahren nun eigentlich doch ein bisschen mehr gewünscht hätte. Doch sobald man die Songs ein weiteres Mal hört, kann man Beirut auch schon gar nicht mehr böse sein. Denn trotz seiner offensichtlichen Simplizität und Beschränktheit lässt es mich nicht unbefriedigt zurück und schafft es sogar, mich ein weiteres Mal zu beeindrucken. Ich fühle mich hier nicht von einer knappen, ganz guten Alibi-Platte abgespeist, sondern habe das Gefühl, dass auch in ein solch kleines Release sehr große Sorgfalt gesteckt wurde. Und das spricht doch dafür, dass Beirut ihre beste Eigenschaft hier nicht verspielt haben. Da sind vier Jahre mehr oder weniger nun auch kein Problem.
9/11

Beste Songs: Gibraltar / As Needed

Nicht mein Fall: August Holland

Weiterlesen:
Review zu the Rip Tide (Beirut):
zum Review

Review zu Love Letters (Metronomy):
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Life After Death

SLAYER
Repentless

Nuclear Blast
2015
















Das Ende des diesjährigen Metal-Sommers könnte fulminanter nicht ausfallen als mit neuen Platten von Iron Maiden und Slayer. Zwei der vielleicht einzigen noch verbleibenden Speerspitzen der Achtziger, die sich mit frischem Material in den letzten Jahren rar gemacht haben, veröffentlichen Longplayer. Ersteres Release hat mich nun schon letzte Woche von sich überzeugt und mit Repentless kommt nun die Platte, auf die ich mich sogar noch ein bisschen mehr gefreut habe. Auch unter meinen Lesern dürfte sich mehr als nur der ein oder andere Slayer-Fan befinden, was dieses Album noch ein bisschen wichtiger macht. Diese Vorfreude paarte sich jedoch auch mit einer gewissen Unsicherheit und Besorgnis, da diese Band hier zum ersten Mal seit ihrer Gründung ohne den vor wenigen Jahren verstorbenen Jeff Hannemann auskommen musste. Damit verbleiben nicht nur lediglich zwei Mitglieder der Originalbesetzung (Tom Araya und Kerry King) im Line-Up, sondern Slayer sind auch den Mann los, der ihren Stil über ein Vierteljahrhundert lang wahrscheinlich am stärksten geprägt hat. Seinen Platz übernimmt auf der neuen Platte nun Exodus-Gitarrist Gary Holt, der die Band bereits seit 2011 live begleitet. Die Auswirkungen dieser strukturellen Umschichtungen im personellen Gefüge sind musikalisch unmittelbar zu spüren. Repentless ist zum ersten Mal in der Geschichte von Slayer kein Gitarrenalbum geworden, zumindest nicht so vordergründig wie sonst immer. Durch das Fehlen des Hannemann-typischen, sehr prominent eingesetzten Picking-Stils (Holt kann das auch sehr gut, macht es nur halt anders) treten die Gitarren in der Dramaturgie der Songs in den Hintergrund. Sie werden eher flächig eingesetzt und bilden einen dicken Groove, der den Rest der Komposition auf dem Silbertablett serviert. Damit werden die Prioritäten bei Slayer ganz neu gesetzt. Vor allem Tom Arayas Gesang war zwar schon immer ein elementarer Teil des Klangs der Band (ist ja logisch!), doch auf keinem ihrer Alben ist er meiner Meinung nach so präsent wie auf Repentless. Seine Vocals sind im Mix weit herausgehoben, sodass die Songs teilweise fast etwas textlastig werden. Auch Kerry King ist hier fantastisch, aber das ist ja nicht wirklich was neues. Alles in allem finden Slayer auf dieser Platte einen sehr interessanten Weg, mit dem Ableben von Jeff Hannemann umzugehen und schaffen es nach über 30 Jahren nochmal eine ziemliche Neustrukturierung über die Bühne zu bringen.

Ach so, ihr wollt wissen, ob ich das Album denn gut finde? Na sicher. Was soll die Frage, wir reden hier von Slayer.
9/11

Beste Songs: Repentless / Cast the First Stone / When the Stillness Comes / Piano Wire

Nicht mein Fall: Pride in Prejudice

Weiterlesen:
Review zu Book of Souls (Iron Maiden):
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Review zu Luminiferous (High On Fire):
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Mittwoch, 9. September 2015

Disneyprog

THE DEAR HUNTER
Act IV: Rebirth in Reprise

RudeNetworks
2015
















Wisst ihr was das tolle daran ist, kein Profi zu sein? Man kann es sich gönnen, nicht immer einen total stilsicheren Geschmack zu haben. Was ich mir in den vergangenen Jahren durch diesen Blog für einen Katalog an peinlichen Lieblingsbands erarbeitet hat, kann man eigentlich keinem erzählen. Aber genau darum geht es ja hier. Und mit the Dear Hunter erhält nun ein Künstler medialen Aufwind, der gerade zu geschaffen dafür scheint, mir unangenehme Schwächen zu entlarven. Der junge Songwriter Casey Crescenzo, der sich als Hauptschaffender hinter diesem Pseudonym verbirgt, hat sie nämlich alle: Die großzügig orchestrierten, cineastischen Streicher-Melodien, überkandidelte Prog-Eskapaden, euphorische Emorock-Vocals und das fast anderthalbstündige Album, auf dem alles kombiniert wird. Rebirth in Reprise klingt wie eine völlig überzuckerte Mischung aus Muse, Sufjan Stevens, Danny Elfman, Neutral Milk Hotel und Rush und ist genau deswegen so auffällig. Zudem schreibt Herr Crescenzo ziemlich gute Songs, die auch noch fantastisch produziert wurden. Wenige Minuten dieser Platte zu hören, reichen eigentlich schon, um darüber zu entscheiden, ob das hier totaler Schrott oder ein ziemlicher Geniestreich ist. Und meine Einschätzung ist, obgleich ich mich dafür ein bisschen schäme, eben eher letztere. Aber auch nicht unbegründet. Die Streicherpassagen hier sind hervorragend geschrieben, der Gesang ist trotz seiner offensichtlichen Überzogenheit nie wirklich schlecht und die vielen verschiedenen ästhetischen Puzzleteile passen wunderbar ineinander. Was the Dear Hunter allerdings noch lernen müssen ist, einen fetzigen Rocksong zu schreiben. Der Versuch das zu tun, findet hier des öfteren statt und ist dabei nicht einmal erfolgreich. The Old Haunt oder At the End of the Earth sind dann auch einfach nur schlechte Stücke, bei denen einem schon mal die letzte Titus Andronicus unverdaut wieder hochkommt. Was hingegen immer funktioniert ist das Arrangement großer Instrumentarien, die hier für wirklich magische Momente sorgen. Zwei Extreme halten sich hier also über die komplette Länge die Waage und machen Rebirth in Reprise zu einem Album, das gleichzeitig furchtbar und fantastisch ist. Es hilft dabei nicht, dass die ganze Sache jenseits jeglicher Objektivität stattfindet und man im Konsens nur bedingt eine Antwort findet. Dafür kann ich versprechen, dass es ganz bestimmt nicht langweilen wird.
7/11

Beste Songs: Rebirth / Remembered / A Night On the Town

Nicht mein Fall: the Old Haunt

Weiterlesen:
Review zu Meliora (Ghost):
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Review zu the Most Lamentable Tragedy (Titus Andronicus):
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Dienstag, 8. September 2015

Arthaus Gangsta Shit

TRAVIS SCOTT
Rodeo

Epic
2015
















Wer ist Travis Scott? Diese Frage sollte man dieser Tage eigentlich nicht mehr hören, zumindest wenn gemeinte Person in der Vergangenheit schlau gewesen wäre. Denn hinter dem scheinbaren No-Name-Künstler versteckt sich eine der Schlüsselfiguren des Southern Rap der letzten Jahre. Travis Scott war vor zwei Jahren der Typ, der in der Produktion von Yeezus den Hut auf hatte und der für viele Fans der Platte seitdem als einer der größten Newcomer am HipHop-Himmel gilt. Das Problem ist nur, dass es von ihm bisher so gut wie kein eigenes Material gab und wenn, dann war dieses irgendwie auch nur so halb von ihm. Seine erste EP Owl Pharaoh war für viele eine herbe Enttäuschung und das Mixtape Days Before Rodeo, welches das aktuelle Album vorwärmen sollte, wurde noch nicht mal von ihm selbst produziert. Trotz des offenkundigen Talents von Scott standen die Zeichen für sein kommerzielles Debüt also denkbar schlecht und um ein Haar hätte ich mir das Review gespart. Als ich dann jedoch die Meinungen meiner Kollegen in den Staaten las und hörte, die durchweg sehr positiv ausfielen, war ich doch neugierig? Hatte dieser Typ doch endlich den Hintern hochgekriegt und die Platte gemacht, die alle schon so lange von ihm haben wollten? Die Antwort darauf ist ein Jein. Denn wie erwartet ist dieses Album definitiv nicht ausgefallen. Rodeo ist nicht der Longplayer, der von vorne bis hinten mit Trap-Bangern voll ist und den Kids die neuen Hits liefert. Im Gegenteil: Für die Verhältnisse des Genres ist es eher ganz schöner Arthaus-Kram. Wir sprechen hier von einem 75-minütigem, streckenweise konzeptuellen Gesamtwerk, das vielleicht zum introvertiertesten Material zählt, das in der Southern-Rap-Landschaft je veröffentlicht wurde. Das mag überraschend klingen, stehen auf der Feature-Liste hier doch Leute wie 2 Chainz, Chief Keef und Justin Bieber (der Junge wird auch immer besser), allerdings muss man dann auch daran denken, dass Travis Scott damals von Kanye West entdeckt wurde. Und Kanye West weiß, was er sich da auf die Platte holt. Halten wir also fest: Rodeo ist eine ziemlich ungewöhnliche Angelegenheit. Aber ist sie deshalb auch gleich gut? Man muss hier sagen, dass diese Frage sehr vom Geschmack abhängt. Weder Atlanta-Hardliner noch unerbittliche Björk-Fans werden sich hier besonders wohlfühlen, die meisten Songs hier finden tatsächlich in einer Grauzone statt. Auf der einen Seite gibt es die Trap-Beats, die gimmickhaften Backup-Vocals, dicke Schichten von Autotune und auch eine gewisse Gangsta-Attitüde. Allerdings wird das alles auf eine Art inszeniert, die sich sehr von den meisten Projekten dieser Sparte abhebt. Achtminütige Songs, eine ausgeprägte melancholische Ader und die einnehmende Persönlichkeit dieses Travis Scott, der einfach so überraschend anders ist als die meisten seiner doch sehr gleichförmigen Kollegen. Das sind theoretisch sehr positive Ansätze. Doch manchmal hat man dann beim Hören ein bisschen den Eindruck, dass die Welt noch nicht wirklich bereit für diese Art von HipHop ist. Denn obwohl jeder Song hier seine ganz eigene Ausdrucksweise hat, grandios produziert und kreativ geschrieben ist, passen die tollen Einzelteile hier doch nur bedingt zusammen. Sicherlich hätte man das auch deutlich schlechter machen können, aber ich frage mich, ob es nicht auch deutlich besser möglich wäre. Fürs erste mag ich Rodeo für seinen Ideenreichtum und die Umsetzung, die immerhin noch niemand besser gemacht hat, weil sie noch niemand auf diese Weise gemacht hat. Die Zeit und die weitere Karriere von Travis Scott werden zeigen, was daraus entsteht. Ein Blick über den Tellerrand kann auch schnell zu unerwarteten Konsequenzen führen. Kanye West kann davon ein Lied singen.
8/11

Beste Songs: Wasted / 90210 / Piss On Your Grave / Maria, I'm Drunk / Flying High

Nicht mein Fall: 3500

Weiterlesen:
Review zu Ferg Forever (A$ap Ferg):
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Review zu Barter 6 (Young Thug):
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Montag, 7. September 2015

Kiffen, Saufen, Feiern

FIDLAR
Too

Wichita
2015
















Wenn es darum geht, ob Fidlar cool sind, kann ich nicht anders antworten als mit einem ganz klaren Ja. Die Kalifornier gehören zu den hedonistischsten Leuten im Indie-Business, schreiben Songs über kalifornische Dinge (namentlich Drogenkonsum, Surfsport und das Leben als Punker) und haben den dazu passenden Bandnamen gleich mit gekauft. Wenn es allerdings darum geht, ob sie gute Musiker sind, war ich mir im Vorfeld von Too ziemlich unsicher. Als im Winter 2012 ihr Debüt rauskam, war ich einer der großen Enthusiasten, die dem Hype-Train der Sonnenschein-Punks blind folgten und war von der Platte absolut begeistert. Aus jetziger Sicht muss ich allerdings sagen, dass die Songs darauf ihren Charme sehr schnell einbüßten und Fidlar sich schlussendlich als nicht mehr entpuppten als eine klassische Eintagsfliege im kurzlebigen Indie-Zirkus. Die Sache mit Too war also schon erledigt, bevor sie begonnen hatte. Oder kann der neue Longplayer entgegen aller Vermutungen tatsächlich doch noch was reißen? Ich möchte mal so anfangen: Sie haben sich schlau angestellt. Der Sound des Albums ist eine sehr gute Mischung aus dem des Vorgängers und ein paar ziemlich geilen innovativen Ansätzen. Fidlar finden in vielen Songs hier zum Pop und werfen große Teile ihrer You-Only-Live-Once-Attitüde über Bord. Zwar sind die Themen Alkohol, Marihuana und die Konsequenzen aus beidem zur gleichen Zeit immer noch zentrale Themen, doch man merkt, dass zumindest die Songs darüber mehr oder weniger nüchtern geschrieben und aufgenommen wurden (siehe Overdose). Das Resultat dieser umfassenden Neuorientierung ist einigermaßen beachtlich: Too ist zu gleichen Teilen ein Hardcore- und ein Indiepop-Album und schafft es darüber hinaus, die Akteure dahinter für eine weitere Saison glaubwürdig erscheinen zu lassen. Im Moment finde ich sogar, dass es mit diesem Sound für einen soliden Karrieresprung reichen sollte, doch ohne den Faktor Langzeitwirkung will ich diesmal keine endgültige Rechnung machen. Der Stand ist der, dass Fidlar wider Erwarten das beste Album gemacht haben, dass sie hätten machen können und ich daher nicht anders kann, als ihnen ein weiteres Mal meine Hochachtung auszusprechen. Was am Ende des Jahres, in einem Jahr und in zweien ist, kann ich von diesem Punkt aus nicht sagen, doch im Moment sind diese Jungs bei mir wieder oben auf. Und das ist doch das Ziel, oder nicht?
9/11

Beste Songs: West Coast / Sober / Overdose

Nicht mein Fall: Why Generation

Weiterlesen:
Review zu Dye It Blonde (Smith Westerns):
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Review zu California Nights (Best Coast):
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Sonntag, 6. September 2015

Verkannter Poet

THE WEEKND
Beauty Behind the Madness

Republic
2015
















Ich habe dieses Review jetzt bestimmt schon über eine Woche vor mir hergeschoben. Aus Gründen. Und ich finde es immer noch beschissen, dass nun ausgerechnet Beauty Behind the Madness meine erste Besprechung eines Weeknd-Albums sein soll. Denn eigentlich hätte ich lieber ein anderes gehabt. Eines wie von vor seinem fetten Deal, als man über den jungen Abel Tesfaye noch staunte, der da so schön betroffen auf das Tonband heulte. Als er von den coolen Leuten entdeckt wurde und nicht von Ariana Grande. Das ist keine drei Jahre her und mittlerweile findet sogar schon das Radiopublikum den Kanadier langweilig und eintönig. Wo ich in dieser ganzen Sache stehe, weiß ich selbst nicht so richtig. Eigentlich ist es mir mittlerweile fast schon egal, was Tesfaye in letzter Zeit so produziert hat, andererseits würde ich mich über ein gutes Weeknd-Album schon freuen. Und Beauty Behind the Madness ist vielleicht die Vorstufe dieses Albums. Als ich die ersten Singles der Platte hörte, ließ ich zwar erstmal wieder alle Hoffnung fahren, denn der Versuch, hier um jeden Preis aufregende Songs zu machen, war in diesen so offensichtlich, dass es fast schon nervte. Sicher ist dieses Projekt gerade in einer blöden Position, aber Sachen wie Can't Feel My Face waren einfach nur erbärmlich. Wohingegen der relativ klassisch gehaltene Track Losers ein echter Lichtblick war. Und dieses Konzept lässt sich auf das Album als ganzes mehr oder weniger übertragen. Abel Tesfaye leidet hier unter dem Drake-Syndrom: Er würde gerne ein bisschen Hardcore sein, scheitert daran aber schon im Ansatz, weil er als Heulsuse so gut ist. Im Opener Real Life beispielsweise versucht er mit den Worten "Mama called me destructive" den missverstandenen Psychopathen-Rockstar zu markieren, was ihm aber beim besten Willen keiner abkauft. Wenn er allerdings über schlechten Sex, Antidepressiva und urbanisierte Einsamkeit singt und dabei den üblichen Dackelblick aufsetzt, wird wieder auf Knopfdruck dahingeschmolzen. Was noch viel besser ist: Wenn man sich die Mühe gibt, mal richtig zuzuhören, sind diese Songs alles andere als langweilig. Und das meine ich tatsächlich so, dass Beauty Behind the Madness relativ gut als textlastige Platte funktioniert. Tesfaye war schon immer einer, der die richtigen Worte im richtigen Moment fand, doch irgendwie wurde das bisher immer ein bisschen untergraben durch den Versuch, Pop-Hits zu schreiben. Das hier ist jetzt endlich die Platte geworden, der man zuhören kann und die die Geschichten erzählt. Und obwohl das noch nicht flächendeckend ganz eindeutig ist (Was zum Teufel wollen zum Beispiel Ed Sheeran und Lana del Rey hier?), finde ich den Ansatz gar nicht verkehrt. In seinen Texten hat the Weeknd einen Punkt gefunden, den er mit etwas Arbeit zu seinem neuen großen Kapital machen kann. Noch ist das ausbaufähig, aber das Potenzial ist auf jeden Fall wieder da. Deshalb rede ich auch von der Vorstufe zu dem Release, das Abel Tesfaye wieder zu einem coolen Künstler macht. Egal ist er mir nach Beauty Behind the Madness jedenfalls nicht mehr. Und das vielleicht zum ersten Mal.
7/11

Beste Songs: Losers / Tell Your Friends / the Hills

Nicht mein Fall: Real Life / In the Night / Prisoner

Weiterlesen:
Review zu Ultraviolence (Lana del Rey):
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Review zu If You're Reading This It's Too Late (Drake):
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