Sonntag, 6. September 2015

Verkannter Poet

THE WEEKND
Beauty Behind the Madness

Republic
2015
















Ich habe dieses Review jetzt bestimmt schon über eine Woche vor mir hergeschoben. Aus Gründen. Und ich finde es immer noch beschissen, dass nun ausgerechnet Beauty Behind the Madness meine erste Besprechung eines Weeknd-Albums sein soll. Denn eigentlich hätte ich lieber ein anderes gehabt. Eines wie von vor seinem fetten Deal, als man über den jungen Abel Tesfaye noch staunte, der da so schön betroffen auf das Tonband heulte. Als er von den coolen Leuten entdeckt wurde und nicht von Ariana Grande. Das ist keine drei Jahre her und mittlerweile findet sogar schon das Radiopublikum den Kanadier langweilig und eintönig. Wo ich in dieser ganzen Sache stehe, weiß ich selbst nicht so richtig. Eigentlich ist es mir mittlerweile fast schon egal, was Tesfaye in letzter Zeit so produziert hat, andererseits würde ich mich über ein gutes Weeknd-Album schon freuen. Und Beauty Behind the Madness ist vielleicht die Vorstufe dieses Albums. Als ich die ersten Singles der Platte hörte, ließ ich zwar erstmal wieder alle Hoffnung fahren, denn der Versuch, hier um jeden Preis aufregende Songs zu machen, war in diesen so offensichtlich, dass es fast schon nervte. Sicher ist dieses Projekt gerade in einer blöden Position, aber Sachen wie Can't Feel My Face waren einfach nur erbärmlich. Wohingegen der relativ klassisch gehaltene Track Losers ein echter Lichtblick war. Und dieses Konzept lässt sich auf das Album als ganzes mehr oder weniger übertragen. Abel Tesfaye leidet hier unter dem Drake-Syndrom: Er würde gerne ein bisschen Hardcore sein, scheitert daran aber schon im Ansatz, weil er als Heulsuse so gut ist. Im Opener Real Life beispielsweise versucht er mit den Worten "Mama called me destructive" den missverstandenen Psychopathen-Rockstar zu markieren, was ihm aber beim besten Willen keiner abkauft. Wenn er allerdings über schlechten Sex, Antidepressiva und urbanisierte Einsamkeit singt und dabei den üblichen Dackelblick aufsetzt, wird wieder auf Knopfdruck dahingeschmolzen. Was noch viel besser ist: Wenn man sich die Mühe gibt, mal richtig zuzuhören, sind diese Songs alles andere als langweilig. Und das meine ich tatsächlich so, dass Beauty Behind the Madness relativ gut als textlastige Platte funktioniert. Tesfaye war schon immer einer, der die richtigen Worte im richtigen Moment fand, doch irgendwie wurde das bisher immer ein bisschen untergraben durch den Versuch, Pop-Hits zu schreiben. Das hier ist jetzt endlich die Platte geworden, der man zuhören kann und die die Geschichten erzählt. Und obwohl das noch nicht flächendeckend ganz eindeutig ist (Was zum Teufel wollen zum Beispiel Ed Sheeran und Lana del Rey hier?), finde ich den Ansatz gar nicht verkehrt. In seinen Texten hat the Weeknd einen Punkt gefunden, den er mit etwas Arbeit zu seinem neuen großen Kapital machen kann. Noch ist das ausbaufähig, aber das Potenzial ist auf jeden Fall wieder da. Deshalb rede ich auch von der Vorstufe zu dem Release, das Abel Tesfaye wieder zu einem coolen Künstler macht. Egal ist er mir nach Beauty Behind the Madness jedenfalls nicht mehr. Und das vielleicht zum ersten Mal.
7/11

Beste Songs: Losers / Tell Your Friends / the Hills

Nicht mein Fall: Real Life / In the Night / Prisoner

Weiterlesen:
Review zu Ultraviolence (Lana del Rey):
zum Review

Review zu If You're Reading This It's Too Late (Drake):
zum Review

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