Mittwoch, 30. September 2015

Stadt, Land, Flucht

JULIA HOLTER
Have You in My Wilderness

Domino
2015
















Alle lieben sie Julia Holter. Die faszinierende, kreative, furchtlose Songwriterin und ihr 2013 veröffentlichtes Album Loud City Song. Die letzte LP der Kalifornierin ist unter Kritikern sicherlich unter den beliebtesten des selbigen Jahres und der Hauptgrund dafür, wieso die Künstlerin auch für mich diesmal ein Thema ist. Warum erst jetzt? Um ehrlich zu sein: Mehr als ein paar gute Momente konnte ich dem großen Ding damals nicht abgewinnen. Für mich waren viele der Songs darauf zu lose angeordnet, wirkten lax geschrieben und überzeugten als Gesamtheit nicht wirklich. Dennoch zeigte Holter hier ein Gespür für Sound und Variabilität, was sie zwar nicht besser, aber immerhin interessant machte. Have You in My Wilderness wollte ich mir also definitiv zu Gemüte führen, was seit Freitag möglich ist. Das endgültige Resultat für mich ist dabei immerhin ein etwas positiveres als beim Vorgänger. Zwar habe ich noch immer zu nörgeln, dass sich die Platte nicht nach einem Album anhört und Frau Holter mir nicht wirklich wie eine Songwriterin mit einem konkreten Plan vorkommt, doch die guten Momente kann sie hier immerhin auf die Länge eines Tracks ausweiten. Und das öfter als man glaubt. Die besten Beispiele dafür finden sich im Mittelteil der LP mit teilweise großartigen Eindrücken wie How Long?, Lucette Stranded On the Island oder Sea Calls Me Home. Zwar sind diese zuweilen ein wenig zusammengeklaubt, besonders in ersterem Song sind sehr starke Nico- Einflüsse enthalten. Auch Lou Reed, Kate Bush und Patti Smith sind Namen, die in Verbindung mit diesem Album funktionieren. Aber das bisschen Retro-Charme steht den chaotischen Stücken der Julia Holter eigentlich gar nicht so schlecht und gibt ihnen zumindest etwas Halt beim Hörer. Ein wenig fühle ich mich bei der Umsetzung auch an das neue Album von Destroyer erinnert, das auf eine ähnliche Ästhetik baut. Am Ende überzeugt Have You in My Wilderness aber vor allem dadurch ein bisschen mehr, dass es sich trotz seiner kompositorischen Eskapaden eine Bodenständigkeit behält, die Holter mit ihren Vorbildern aus den Sechzigern teilt. Der neuen Platte nach dem sehr experimentellen Loud City Song wieder eine eher songwriterische Komponente zu geben, war die absolut richtige Entscheidung. Es sieht ganz so aus, als würde sich diese Künstlerin auch noch mein Wohlwollen abholen. Mit noch so einem Longplayer wäre ich überzeugt.
9/11

Beste Songs: How Long? / Lucette Stranded On the Island / Sea Calls Me Home / Vasquez

Nicht mein Fall: Silhouette / Everytime Boots

Weiterlesen:
Review zu Poison Season (Destroyer):
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