Sonntag, 27. September 2015

All Killer

CHVRCHES
Every Open Eye

Vertigo
2015
















Chvrches sind keine Indieband. Ich selbst habe den Fehler gemacht, davon auszugehen, als vor zwei Jahren the Bones of What You Believe, das Debüt des Trios aus Schottland, erschien. Sicher, als Brainchild des eigentlich aus dem Postrock stammenden Iain Cook lag die Vermutung nahe, dass es sich hier bestimmt um Musik handelt, die in irgendeiner Form alternativ ist. Doch gerade das war eben nicht der Fall. Man wollte vor den Pop der Chvrches sehr gerne noch die "Indie"-Vorsilbe setzen, ganz einfach weil man nicht glauben würde, wie gut dieses Chartfutter gemacht war. Alle Beats waren unglaublich catchy und kompositorisch hochwertig und mit Lauren Mayberry hatte sich Cook niemanden geringeres als die größte stimmliche Entdeckung der letzten Jahre ans Mikrofon geholt. Noch dazu konnte die großartige Texte schreiben, was in diesem Genre ja nun wirklich nicht oft passiert. Chvrches waren die perfekte Popband. Und nichts konnte sie aufhalten. Ziemlich genau zwei Jahre ist das jetzt her und mit Every Open Eye kommt nun das neue Album, an welches das Trio nicht mehr als Newcomer-Hoffung, sondern als Stars herangeht. Die Licht- und Schattenseiten des Ruhmes hat man bereits kennengelernt, Mayberry machte Ende 2013 Schlagzeilen, als sie Ziel von sexueller Belästigung über Twitter wurde und dagegen auf die Barrikaden ging. Infolgedessen wurde die Sängerin nun auch noch zum Feminismus-Idol und damit absolut unantastbar. Doch der Weg zu Every Open Eye war kein leichter. Die Vorab-Singles Leave A Trace und Clearest Blue waren relativ schwach und einen Instant-Hit hatten Chrvrches diesmal nicht im Ärmel. Meine Erwartungen gegenüber der neuen Platte waren relativ gering. Doch wieder hat uns die Band ein Schnippchen geschlagen. Denn entgegen der Erwartungen der Leute (wie mir), die jetzt ein Album erwarteten, dass aus ein paar überragenden Bangern und viel gutem Füllmaterial besteht, haben die Schotten hier einen Longplayer konstruiert, der als Gesamtkonzept wirkt. Und das ist eigentlich sogar noch besser als ein paar Radiohits. Denn im Prinzip ist Every Open Eye damit ein einziger großer, vierzigminütiger Hit. Songs, die als einzelne Bestandteile relativ schwach klingen, blühen im Kontext der Platte zu wahren Giganten auf und ergänzen sich fantastisch. Ansonsten machen Chvrches alles so wie vorher: Catchy Beats, tolle Texte und eine etwas melancholischere, aber dennoch atemberaubende Performance von Lauren Mayberry. Natürlich funktioniert dieses Rezept auch hier reibungslos. Sie sind ja schließlich die perfekte Popband. Und kleine Experimente schleichen sich hier schon ein. So singt in High Enough to Carry You Over beispielsweise Iain Cook selbst und Down Side of Me versucht sich an balladesken Klängen. Unterm Strich beseitigt Every Open Eye also die wenigen Unzulänglichkeiten, die das Debüt vor zwei Jahren noch hatte. So wie ich es sehe, wird diese Platte nicht das große mediale Echo erfahren, das the Bones of What You Believe bekam, doch sie kann in dem sicheren Bewusstsein existieren, absolut alles richtig gemacht zu haben und am Ende das bessere Gesamtwerk zu sein. Es könnte sein, dass Chvrches in zwei Jahren wieder eine komplett andere Band sind. Doch wenn das zu so guten Ergebnissen führt wie hier, warum eigentlich nicht?
9/11

Beste Songs: Never Ending Circles / Playing Dead / Afterglow

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu 1000 Forms of Fear (Sia):
zum Review

Review zu Luck (Tom Vek):
zum Review

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen