Samstag, 5. September 2015

Götterdämmerung

IRON MAIDEN
the Book of Souls

Parlophone
2015
















Ist es die erneute Wiedergeburt der größten Heavy-Metal-Band der Musikgeschichte, nur ein weiterer Ruf von der anderen Seite des Berges oder das Requiem von Iron Maiden? Die wichtigste Frage, die im Zusammenhang mit Book of Souls, dem 16. Album der britischen Genre-Giganten steht, kann ich leider in diesem Review nicht endgültig beantworten. Ich hätte das gerne getan, aber ich konnte nicht mehr tun, als mir einen Eindruck zu machen und meine Bilanz daraus ziehen. Ich habe leider auch nicht mehr als eine Meinung. Fakt ist, dass dem neuen Release dieser Band seit langem mal wieder etwas besonderes und ambitioniertes anhaftet. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass Iron Maiden hier nach fast 40 Jahren des Bestehens ihr erstes Doppelalbum aufgenommen haben. The Book of Souls ist vor allem endlich mal wieder risikobereit, baut eine persönliche Note ein und man hört ihm eine Motivation zu guter Musik an, die bei dieser Band zuletzt in den Neunzigern zu verspüren war. Aber das Gegenteil von gut ist bekanntlich gut gemeint und so kann ich auch hier mal wieder nicht alles toll finden, was die Platte zu bieten hat. Zuerst mal muss ich dennoch meinen Respekt gegenüber Iron Maiden äußern, sich an diesem Punkt in ihrer Karriere an so einen Kraftakt zu wagen. 92 Minuten sind kein Pappenstiel und weiter den einfachen Weg der Vorgänger zu gehen, wäre für eine Formation ihres Formats drin gewesen. Dennoch sind sie hier noch einmal ein mittleschweres künstlerisches Risiko eingegangen und haben sich für die harte Tour entschieden. Von der Musik mal ganz unabhängig finde ich das sehr cool. Und auch sonst muss ich Zugeständnisse machen: Den Vorwurf, überlange Songs zu machen, müssen sich die Briten hier ausnahmsweise mal nicht gefallen lassen. Denn obwohl hier Stücke mit bis zu 18 Minuten Länge dabei sind, wirkt keines von ihnen bemüht oder gestreckt. Im Gegenteil, der erste Teil wäre ohne das knapp viertelstündige the Red and the Black um einiges langweiliger und im zweiten setzt der epische Closer Empire of the Clouds mit seinen Streicher-Parts und sogar fast 20 Minuten Spielzeit genau den richtigen Schlussstrich für das Album. Auch kompositorisch geht the Book of Souls gleich mehrere Schritte weiter, in Sachen Instrumentierung und Songwriting haben Iron Maiden hier ganze Arbeit geleistet. Zum ersten Mal seit über zehn Jahren kann man einen Longplayer dieser Band wieder als kreativ beschreiben, was hier irgendwie fast erlösend wirkt. Und das reicht zumindest, damit das Ergebnis eine ziemlich solide Platte ist. Bedeutet im Klartext: Einige unschöne Dinge gibt es hier trotzdem. Viele der Punkte, die ich zu bemängeln habe, sind zwar nur indirekt bis gar nicht aus Verschulden der Musiker an sich entstanden, doch letztendlich beeinflussen sie den Gesamteindruck trotzdem, und das meistens nicht zum guten. Einer der eher kleinen Makel der Platte ist für mich die Produktion, die den Sound von Iron Maiden bisweilen lückenhaft und unvollständig erscheinen lässt, obwohl jedes Instrument gleichzeitig maximal überproduziert ist. Dadurch entsteht vor allem im ersten Teil der Effekt eines fehlenden klanglichen Bestandteils oder zusammengeflickter Passagen. Das jedoch ist nur ein vermeidbar dumm gelaufenes Detail und nichts weiter schlimmes. Das wirklich große Problem, das ich mit the Book of Souls habe, ist eigentlich ein ziemlich unfaires. Ein Bruce Dickinson hat es nicht leicht gehabt in den letzten Jahren und seine Rückkehr zur Band ist definitiv der größte Triumph, den sich die Maiden-Fangemeinde vorstellen konnte. Dennoch finde ich, dass er hier einfach nur wie ein alter Mann klingt, der die richtigen Töne nicht mehr trifft. Gerade bei seinem Gesangsstil fällt so etwas extrem auf und zudem war er auch immer das Aushängeschild dieser Gruppe, das ausgerechnet jetzt irgendwie fehlt. Songs, die eigentlich perfekt funktionieren, werden durch die fehlende Performance eines Frontmanns teilweise ziemlich missraten. Er hinterlässt einen tiefen Schnitt in der sonst überraschend makellosen Fassade dieses 16. Albums von Iron Maiden. Ich hatte mich auf the Book of Souls gefreut und tatsächlich kann ich mich über das Ergebnis kaum beklagen. An manchen Stellen hätte ich eine einzelne Platte möglicherweise besser gefunden und Teil zwei ist um einiges besser als der erste, doch die Chemie stimmt bei dieser Band noch immer. Und das ist es, was auch diesen Longplayer im großen und ganzen so stimmig und cool macht und die fast unnatürlich fehlerfreie Diskografie der Metal-Institution weiterführt. Oder sollte man sagen "komplettiert"? Denn eine Ahnung von Finalität und Endzeit macht sich schon breit, wenn man sich die Songs hier so anhört. Als letzte Maiden-Platte fände ich Book of Souls zumindest nicht unpassend und das ist eigentlich auch alles, was ich dazu sagen möchte. An eventuellen Spekulationen und Mutmaßungen möchte ich mich nicht beteiligen und den Teufel an die Wand malen erst recht nicht. So fit wie diese Band sich hier gibt wäre noch ein Doppelalbum eigentlich kein Problem.
8/11

Beste Songs: the Red and the Black / the Book of Souls / Death Or Glory / Tears of A Clown

Nicht mein Fall: Speed of Light

Weiterlesen:
Review zu Luminiferous (High On Fire):
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