Montag, 31. August 2015

Single-Review: Second Hand

MACKLEMORE & RYAN LEWIS FEAT. KOOL MOE DEE, GRANDMASTER CAZ, MELLE MEL & ERIC NELLY
Downtown

Macklemore
2015














Es hätte mich gewundert, wenn diese Single dieses Jahr nicht mehr gekommen wäre. Die neue Macklemore-und-Ryan-Lewis-Single, die die vielleicht größte HipHop-Überraschung des aktuellen Jahrzehnts fortführen soll. Die zeigen soll, dass dieser Typ mehr ist als der nette MC von nebenan, der nur 20 Dollar einstecken hat, das Geschätsgeheimnis von Nike kennt und der mit nicht mehr als gesundem Menschenverstand zum Sprachrohr der amerikanischen Gay Community geworden ist. The Heist war ein sensationelles Album, mit dem keiner in diesem Maße rechnete und das Macklemore und Ryan Lewis in Null Komma Nichts von talentierten Newcomern zu echten Stars machte. Nicht zuletzt auch zu einem Meme, aber das spricht ebenfalls nur für den immensen Erfolg, den dieses Duo in den letzten Jahren hatte. Diesen aufrecht zu erhalten, das ist nun das gesetzte Ziel für 2015, und Downtown hört man das in jeder Note an. Um die Katze gleich aus dem Sack zu lassen, ich glaube nicht, dass die neue Single das schaffen wird. Denn man hört ihr schom beim ersten Hören so stark ihre Absichten an, dass es selbst der verschlagenste Chart-Konsument mitbekommen dürfte. Macklemore klammert sich hier an seine Laufkundschaft, obwohl er das im Moment eigentlich gar nicht nötig hat. Er ist ein talentierter Rapper (was man auch hier wieder merkt), der zu jedem Thema einen unpeinlichen Song schreiben kann und damit eine ziemlich beneidenswerte Position einnimmt. Er hätte seine neue Single über Verkehrssicherheit oder das perfekte Barbecue schreiben können und es wäre wahrscheinlich gut angekommen, stattdessen geht er mit Downtown irgendwie im Kreis. Und das kommt von allen Varianten sicherlich am wenigsten gut. Im Song geht es um das ur-amerikanische Thema Biker-Romantik und einige Klischee-Verweise, besonders im Refrain, sind dann auch echt witzig. Nur bindet Macklemore beispielsweise gleich am Anfang ein Gespräch mit dem imaginären Motorradhändler ein, das uns Hörern signalisieren soll: Aha, Assoziationen mit Thrift Shop! Und diese soll in den knapp viereinhalb Minuten nicht die letzte bleiben. Am Ende kann es kein Zufall sein und es ist ziemlich sicher, dass hier hartnäckig versucht wird, noch einmal den gleichen Effekt zu erzielen wie vor zwei Jahren. Soviel zur textlichen Seite, mit der Macklemore wenigstens noch sich selbst kopiert. Was die dazugehörigen Instrumentals von Ryan Lewis angeht, vertraue ich mal auf die Kompetenz meiner Leser und sage nur dazu: Es ist sowas von offensichtlich, wer hierfür als Inspiration dient. Das findet ihr schon selbst heraus. Und es sorgt dafür, dass man Downtown (sogar der Titel ist ein einziges Rip-Off!) am Ende noch weniger ernst nehmen kann. Und um noch einen Kommentar zu der Schar an Protagonisten der HipHop-Geschichte als Featured Artists abzugeben: Sie kommen in diesem Song kaum zum tragen. Es ist ja schön und gut, sich ihre Namen auf die Fahne zu schreiben, aber dann sollte man auch bitte was draus machen. Ich finde nicht, dass Macklemore und Ryan Lewis mit Downtown einen per se schlechten Song gemacht haben. Wäre es der erste, den ich von diesen beiden hören würde, fände ich ihn wahrscheinlich sogar ziemlich gut. Kennt man allerdings auch nur ein wenig den Kontext, in dem diese Single stattfindet, wird alles daran schnell nur Mittel zum Zweck und in der Konsequenz ziemlich peinlich. Das schlimmste daran ist, dass diese beiden Künstler so etwas absolut nicht nötig haben und das auch besser können. Für ein eventuelles neues Album der schlechteste denkbare Start, aber ich glaube an Macklemore und Ryan Lewis. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

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Samstag, 29. August 2015

I Wish I Was Special...

FOALS
What Went Down

Warner

2015
















Für viele sind die Foals mehr als eine Indie-Band unter vielen. Ich habe nie verstanden, was genau sie eigentlich von den ganzen Alt-Js, Local Natives, Nationals und Interpols abhebt, was mich natürlich wurmte. Klar war Antidotes gut, aber war es wirklich so viel besser als der ganze andere tolle Kram? Und was sagt das über die Situation von 2015 aus? Sie sind weder musikalisch versierter noch sehr viel experimenteller noch die bessere Live-Band oder sonst irgendwas, dennoch schwören jede Menge Leute auf das Quintett aus Oxford. Und gerade jetzt, wo die ganze Indie- 2010-Welle echt langsam abgeklungen sein sollte, sind sie diejenigen, die als die unversehrten Überlebenden daraus hervorgehen. Irgendwas muss also doch dran sein am Mythos Foals. Ob man das vielleicht ihrem neuen Album What Went Down anhört? Ich habe mich auf die Suche begeben. Wenn man hier spitzfindig nach Unterschieden oder Veränderungen schnüffelt, wird man nur bedingt fündig. Die ersten beiden Songs, der Titeltrack und Mountain at My Gates, lassen einen wesentlich rockigeren Ansatz vermuten, der jedoch auch schnell dementiert wird. Um ehrlich zu sein klingt vieles hier noch unzeitgemäßer als auf dem Vorgänger Holy Fire. New-Wave-Synthetik-Songwriting mit viel Tempo und Yannis Philippakis' Gesang, der hier zum ersten Mal irgendwie unspektakulär klingt. Highlights hört man dort heraus, wo immer jemand ein Distortion-Pedal benutzt und teilweise grenzen diese Momente dann an brummeligen Stoner-Pathos. Relativ zaghaft bleibt das ganze trotzdem und die beste Indierock-Band der letzten fünf Jahre hört sich ganz bestimmt nicht so an. Klar erwarte ich von einem vierten Album etablierter Vollblut-Musiker nicht, so zu klingen wie auf ihrem Debüt und es gibt hier nicht mal einen Song, den ich nicht als zumindest okay bezeichnen würde. Dennoch ist mir der Stil dieser LP dann doch ein wenig zu bieder und nichtssagend, um die berühmte Foals-Artigkeit im Hörer zu entlocken. Ich empfinde What Went Down sogar als bisher schlechtestes Projekt der Briten, da es am wenigsten in neue und interessante Richtungen geht. Vielleicht ist es das Signal dafür, dass wir aufhören sollten, den Bands nachzuhängen, die vor fünf Jahren mal gute Debüts gemacht haben. Foals werden die neuen Glasvegas und man darf in gewissen Abständen mal für ein gelungenes Schmalspur-Album höflich applaudieren. Wenn das nicht passieren soll, müssen sie sich zusammenreißen. Denn die nächsten fünf Jahre könnten hart werden. Auch mit dem mysteriösen Fan-Bonus.
8/11

Beste Songs: What Went Down / Mountain at My Door

Nicht mein Fall: Give It All

Weiterlesen:
Review zu This is All Yours (Alt-J):
zum Review

Review zu Rituals (Other Lives):
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Nicht anders, aber besser

BEACH HOUSE
Depression Cherry

Bella Union
2015
















Wenn es nach mir geht, sind Beach House schon seit Jahren eine der am sträflichsten überbewerteten Bands überhaupt. Ihre Platten werden an allen Enden der Blogosphere nur in den höchsten Tönen gelobt und das obwohl die meisten Blogger eigentlich schon lange aus der ganzen Dreampop-Geschichte ausgestiegen sind. Es ist jetzt nicht so, dass ich ihre Musik total furchtbar finde, ihre ersten Alben sind sogar mehr als okay, doch sie verkörpern für mich irgendwie all jene Elemente, die ich an chilligem. sonnigen Blubber-Pop immer doof fand. Und allen, die sich ständig darüber beschweren, dass Leute wie die Candy Claws oder Alvvays ja total nach Beach House klingen würden, kann ich nicht oft genug sagen, wie viel besser ich diese sogenannten Trittbrettfahrer finde. Der absolute Tiefpunkt des Duos war 2012 das Album Bloom, der Vorgänger von Depression Cherry. So verloren und langweilig wie auf dieser Platte hatte man Victoria Legrand und Alex Scally noch nie gehört und nicht nur ich war mir im klaren, dass etwas passieren musste. Der Sound von Beach House brauchte eine Frischzellenkur, die sich gewaschen hatte. Und mit dieser neuen LP hat diese stattgefunden, wenn auch nicht so, wie man sich das vielleicht zunächst vorgestellt hatte. Depression Cherry ist immer noch die gleiche klangliche Mixtur, mit Legrands frühlingshaften Synth-Passagen, Scallys tagträumerischer Gitarre und ganz ganz viel Reverb in der Produktion. Allerdings haben die beiden, was Songwriting angeht, endlich mal den Arsch hoch gekriegt und hier neun Tracks fabriziert, die wesentlich fokussierter und klarer klingen als alles, was sie zuvor veröffentlicht haben. Auch im Gesang wurde hier wesentlich mehr experimentiert, was ich fast noch wichtiger finde. Die monotonen Vocals der Vorgänger-Alben hätte ich hier wahrscheinlich nicht länger ausgehalten. Aber reicht das denn, um Beach House wieder zu einer interessanten Band zu machen? Überraschenderweise heißt die Antwort ja. Die beiden Musiker haben es hier geschafft, nur durch die Modifizierung unwesentlicher Details ein halbwegs vernünftiges Ergebnis zusammenzustellen. Natürlich hätte man sich tiefgreifendere Änderungen gewünscht und einige Elemente der neuen Songs hier klingen ziemlich nach Helene Fischer, doch es ist um Dimensionen besser als ein weiteres Bloom. Und tatsächlich habe ich nach diesem Album wieder aufkeimende Hoffnung in Beach House. Die hoffentlich nicht zerstört wird, sobald die nächste Platte kommt.
8/11

Beste Songs: Levitation / Beyond Love

Nicht mein Fall: PPP

Weiterlesen:
Review zu Alvvays (Alvvays):
zum Review

Review zu Natural Phenomena (White Poppy):
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Freitag, 28. August 2015

Transformers 2

DESTROYER
Poison Season

Dead Oceans
2015
















Dan Bejar ist schon immer ein musikalischer Ästhet gewesen. Schon immer wirkten alle Elemente in all seinen Songs akribisch ausgewählt und durchdacht, in einem aufwendigen Arbeitsprozess entstanden und aufgenommen. Nichts ist beliebig, nichts ist spontan und doch wirkt alles auf seinen Platten so basisgechillt wie nur irgendwas - So arbeiten nur Profis. Und bei solchen Vorzeichen ist es auch kein Wunder, dass seine aktuelle LP ganze vier Jahre gebraucht hat, um diese Prozedur zu durchlaufen. Kaputt, das letzte Destroyer-Album von 2011, war so sensationell, dass Bejar allerorten als Pop-Messias gefeiert wurde und es trägt eine große Mitschuld daran, dass Saxofone in Popsongs inzwischen rehabilitiert sind. Einen ebenso sensationellen Nachfolger dazu wünschte sich in den Folgejahren sicherlich nicht nur ich mir und da es nun inzwischen 2015 geworden ist, steigen die Erwartungen an Poison Season nur noch. Schließlich muss das Zeug, an dem der große Dan Bejar eine halbe Ewigkeit getüftelt hat, ja wirklich bahnbrechend sein. Oder etwa nicht? Zumindest die Frage, was hier wohl den größten Teil der Zeit in Anspruch genommen hat, löst sich gleich in den ersten Takten des Openers Times Square, Poison Season I: Die Platte gönnt sich großzügig Orchester-Arrangements. Und was für welche. Destroyer haben hier das komplette Disney-Aufgebot an Streicher-Pathos eingeladen und lassen damit die paar Bläsersätze auf Kaputt schon mal ziemlich alt aussehen. Und die Saxofone und Pianos vom Vorgänger hat Bejar natürlich auch mitgenommen. So ist Poison Season das mit Abstand pompöseste Album des Kaliforners und denkt, damit könnte es alles rechtfertigen. Denn wenn man den Fokus mal von der aufwendigen Instrumentierung und der ganzen Fassade ablenkt, weist die Platte einige ganz fundamentale Schwächen auf. Zum einen ist es das bloße Songwriting, das ziemlich zu wünschen übrig lässt. Einige der dreizehn Songs hier sind bestenfalls mittelmäßig geschrieben und wer auch immer diese Mittelmäßigkeit dann versucht hat, mit dick aufgetragenen Streichern zu kaschieren, kommt definitiv in die Hölle. So etwas macht man einfach nicht, da ist doch gleich das ganze aufwendige Arrangement für die Katz. Versucht lieber erstmal, den eigentlichen Song interessant zu machen. Dann klappt das auch mit dem Orchester. Ein weiterer harter Schlag ist auf diesem Album der Gesang. Bejar schreibt ja an sich keine schlechten Texte und diese hätten es eigentlich auch verdient, melodisch ordentlich aufgearbeitet zu werden. Allerdings verfitzt der Künstler sich in einer Art pseudo-erotischem Sprechgesang, der seine Wirkung mal so gar nicht erzielt. Erstens weil Dan Bejar nicht Bob Dylan und auch nicht Lou Reed ist und zweitens weil hier nicht mehr die Schlafzimmer-Sound zu hören sind, die man auf den Vorgängern hatte und zu denen Bejars Wispern sogar ganz gut passte. Die größten Fehler auf Poison Season wurden also schon am Anfang seiner Entstehungsphase gemacht. Ist es deswegen gleich schlecht? Auf gar keinen Fall. Trotz einiger mittelgroßer Schwierigkeiten ist Dan Bejar noch immer ein ziemlich guter Songwriter und der Großteil der Tracks hier funktioniert trotzdem irgendwie. Auf den eher jazzigen Songs wie Bangkok oder the River klingt er sogar richtig gut. Nur hat man das bei Destroyer eben auch schon viel besser gehört und die Idee mit den Streichern und den entspannten Popsongs hätten gerade sie eigentlich nicht so schlampig umsetzen dürfen. Vielleicht wäre ein Dreampop-Album, so wie Bejar sie früher gemacht hat, mittlerweile gar nicht mehr so verkehrt. Wenigstens müssten wir dann nicht nochmal vier Jahre warten.
8/11

Beste Songs: the River / Times Square / Archer On the Beach / Bangkok

Nicht mein Fall: Dream Lover / Forces from Above

Weiterlesen:
Review zu the Epic (Kamasi Washington):
zum Review (Pt. 3)

Review zu Bringing It All Back Home (Bob Dylan):
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Donnerstag, 27. August 2015

Geigen, Elfen, Heavy Metal

MYRKUR
M

Relapse
2015
















Nordische Wochen bei CWTE: Nachdem bereits vor kurzem die neuen Platten von Man the Machetes, Logn und Ghost auseinander genommen wurden, folgt mit Myrkur heute die nächste Wikingerland-LP. Und das mit den Wikingern ist bei dieser jungen Dame nicht nur ein dämliches Vorurteil, sondern tatsächliche Ästhetik. Die Dänin Amalie Bruun gründete ihr Ein-Frau-Black-Metal-Projekt im Jahr 2014 und bekam mit ihren ersten Songs sofort einen Vertrag beim Genre-Giganten Relapse Records, wo sie dieser Tage ihr Debüt M veröffentlicht. Und neben windigem, raubeinigem Metal fällt dieses vor allem durch ausgedehnte Folk-, Elektronik- und Kirchenmusik-Passagen auf. Diese Abwechslung ist kein Zufall, wenn man bedenkt, dass niemand geringeres als Krystoffer Rygg von Ulver dieses Album produziert hat, der ja zwischen Extreme Metal und Ambient Chillout auch schon alles durch hat. Aber ist Myrkur nun wirklich all dieses Brimborium wert? Ist diese Künstlerin wirklich so sensationell, wie sie auf den ersten Blick scheint? Dem zweiten Blick nach zu urteilen auf jeden Fall. M hat auch bei genauerem Hinhören die Tiefe und die epische Komponente, die man von Anfang an so mochte, und dafür wird auch das gesamte Arsenal aufgefahren: Streicher, Glocken, eine Studioband und fette Syntesizer bilden den pompösen Teig der elf Songs hier und machen damit ganz schön was her. Auch ist vieles hier echt gut komponiert und fällt teilweise sogar aus dem simplen Pop-Kontext heraus. Wo es allerdings ein wenig hapert, ist immer dort, wo tatsächlich mal die Metal-Keule ausgepackt werden soll. Simple Rocksongs Songs wie Mordet oder Hævnen klingen gegenüber den groß angelegten Orchestral-Stücken oft ein bisschen schwach und sind auch nicht so aufwendig gemixt. Dabei sind sie an sich nicht schlecht und könnten einzeln wunderbar zur Geltung kommen. Nur in Gesellschaft dieser Klang-Epen gehen sie total unter, was man hätte besser machen können. Was ebenfalls problematisch ist, ist Bruuns Gesang auf diesem Album, oder besser gesagt der Umgang damit. Denn auch als Sängerin (und als Shouterin) ist Myrkur eigentlich ein großes Talent, welches hier jedoch nicht wirklich zur Geltung kommt. Komplett alle Vokalpassagen dieser Platte sind so dick mit Reverb zugespachtelt, dass man von der eigentlichen Stimme viel zu wenig hört und sie somit unglaublich zu nichte macht. Was die Sache noch schlimmer macht ist, dass diese klangliche Herangehensweise meistens nicht mal zum Rest des Songs passt. Die vielleicht größte Stärke dieser Künstlerin ist somit verwirkt. Unendlich schade sowas. Davon abgesehen ist M jedoch immerhin ein Achtungserfolg, aus dem sich mit den richtigen Modifizierungen durchaus lernen lässt. Es präsentiert Heavy Metal auf eine selten gehörte Art und Weise, die auch für Nicht-Fans relativ zugänglich ist und klingt so, wie ich Chelsea Wolfe eigentlich immer haben wollte. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es mit Fräulein Bruun weitergeht und werde ihren Weg so gut es geht verfolgen. Der ganz große Wurf ist von hier nämlich nicht mehr allzu weit entfernt. Man muss vielleicht nur darauf warten.
8/11

Beste Songs: Skøgen Skulle DøVølvens SpådomNordlysNorn

Nicht mein Fall: Hævnen

Weiterlesen:
Review zu Abyss (Chelsea Wolfe):
zum Review

Review zu Aria of Vernal Tombs (Obsequiae):
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Mittwoch, 26. August 2015

Sons of Norway

MAN THE MACHETES
Av Nag

Indie Recordings
2015
















Es gibt diese schöne Anekdote über Man the Machetes, die viel über ein großes Problem im Hardcore aussagt. Eric Ratz, der Produzent ihres Debüts Idiokrati, machte während der Aufnahmen eine Bemerkung darüber, dass man die Texte von Sänger Christopher Iversen ja überhaupt nicht verstehen würde. Er ging davon aus, die vier Norweger schrieben ihre Songs auf Englisch. Tatsächlich sind jedoch alle Tracks dieser Trondheimer Band in Landessprache verfasst und würde ich jene kleine Geschichte nicht kennen, ich würde wahrscheinlich den selben Fehler machen. Mit ihrer weltgewandten Spielweise und hochkarätiger Produktion sind Man the Machetes alles andere als eine Nischengruppe und schon auf besagtem Vorgänger konnte man sich zur Genüge davon überzeugen. Der aggressive, passgenaue Mix auf diesem Album steckte mächtig an und machte sofort Lust auf mehr. Auf dieses mehr wartete man inzwischen aber dreieinhalb Jahre und mittlerweile haben selbst die das Interesse an der Band verloren, die damals in den höchsten Tönen jubelten. Auch ich finde es nach so langer Zeit ehrlich gesagt ein bisschen fad, eine Platte zu bekommen, die weniger als einer halben Stunde läuft und so gut wie keine klanglichen Veränderungen bringt. In dieser Hinsicht haben sie ihren Bonus bei mir sträflich verspielt. Allerdings muss ich auch zugeben, dass Av Nag im Prinzip nicht mehr braucht, um den Spirit des Debüts ein weiteres Mal heraufzubeschwören. Iversen ist meiner Meinung nach einer der besten Vokalisten des gesamten Genres und spielt das auch hier wieder wunderbar aus. Auch der quirlige Mix zwischen Hardcore, Punk, Sludge Metal und diversen anderen Obskuritäten ist hier wieder großartig gelungen, besonders Tracks wie Ørkenmarsj oder Dopamin stellen das klar. Ich bin zwar noch immer der Meinung, dass Idiokrati um einiges besser war als das hier, viel nehmen sich zwei Platten, die bis auf Details ziemlich identisch klingen, jedoch nicht. Zu den großen Hardcore-Sensationen Europas gehören sie für mich allerdings nicht mehr, dazu sind sie dann doch zu faul. Auf einen weiteren Fast-Longplayer möchte ich bitte nicht nochmal vier Jahre warten. Dafür ist das Leben zu kurz.
8/11

Beste Songs: Dopamin / Ørkenmarsj / Bak Det Perfekte

Nicht mein Fall: Mennesketrap

Weiterlesen:
Review zu Í Sporum Annarra (Logn):
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Review zu Beneath California (Retox):
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Dienstag, 25. August 2015

Turbo-Upgrate

KANE WEST
Expenses Paid (EP)

Turbo Recordings
2015
















2015 ist das Jahr, in dem PC Music ganz weit raus will. Nachdem im Frühjahr mit der Best-Of-Compilation schon das erste richtige Album des Londoner Labels in den Download-Regalen stand, wurden auch schnell neue Projekte einzelner Künstler angekündigt. Zur Zeit arbeitet Hannah Diamond an ihrem Solo-Debüt, welches hoffentlich sehr cool wird und auch GFOTY scheint in den letzten Wochen irgendetwas auszubrüten. Nebenbei existiert dabei natürlich auch immer noch Kane West, der ja schon immer etwas außerhalb des Label-Kontextes stattfand und der als einziger Interpret bisher auch das Longplayer-Format nicht scheute. Seine neue EP Expenses Paid veröffentlicht er nun beim renommierten Turbo Recordings, was für mich auch irgendwie seine Ernsthaftigkeit untermauert, die er als Künstler ja trotz des albernen Pseudonyms und einer Vorliebe von Comic Sans-Artworks schon immer inne hatte. Wie als Beweis dafür haben wir es hier dann tatsächlich auch mit dem bisher ernsthaftesten Release des Briten zu tun. In den etwas über 15 Minuten dieser EP stellt Kane West vier Tracks vor, die von einschlägigen Medien zu Recht bereits als "Banger" bezeichnet wurden. Die Midi-Bässe wummern hier auf Club-Niveau und ein gewisses Hit-Potenzial kann man den Songs hier auch nicht absprechen. Das ist insofern revolutionär, weil es bedeutet, dass PC Music hier endlich aus der Ironie-Spirale herauskommt, in der es seit 2013 selbstverschuldet steckt. Zwar hört man hier noch immer ziemlich viele Gimmick-Effekte und Billig-Synthesizer, doch rein kompositorisch ist das hier alles andere als billig. Mit solcher Musik sind die Produzenten von Leuten wie Shamir, Matthew Dear oder Good Bye in den letzten Jahren zu Kritikerlieblingen geworden. Und so wie es aussieht, könnte Kane West jetzt genau das gleiche passieren. Die digitale Bohème liebt den jungen Beatmaster spätestens jetzt über beide Ohren und auch ich bin vom Sound dieser vier kleinen Meisterwerke ziemlich angefixt. Aus diesem Typen könnte in den nächsten Jahren ein wirklich hochkarätiger Musiker und Kompositeur werden, der am Ende die Instrumentals für das irgendein Nicki Minaj-Album macht und dann werden alle, die sich heute über PC Music lustig machen, doof aus der Wäsche gucken. So zumindest sieht für mich das optimale Szenario aus. Große Hoffnungen sind schließlich auch schnell enttäuscht. Momentan jedoch wette ich auf Kane West und eines der besten Club-Releases des Jahres.
9/11

Bester Song: Expenses Paid

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Ratchet (Shamir):
zum Review

Review zu PC Music Vol. 1 (PC Music):
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Sonntag, 23. August 2015

Heiße Reifen

KADAVAR
Berlin

Nuclear Blast
2015
















Eines muss man Kadavar echt lassen: Sie wissen, wie man es einem schmackhaft macht. Schon mit der künstlerisch hochwertigen Vinyl-Only-Pressung ihres Debüts von 2012 bewiesen sie unheimliches Stilgefühl, ihre Konzerte sind durchgestylte Shows, die auch nach dem Verlassen der Bühne noch nicht zu Ende sind und ihre Merchandise-Produkte sehen schon fast nach einem echten Modelabel aus. Auch ihren neuen Longplayer Berlin möchte man eigentlich schon allein wegen des großartigen Artworks am liebsten auf zwölf Zoll im eigenen Regal stehen haben. Nur hat man dabei eins nicht beachtet: Dank aufwendigem Fan-Service und großspurigem Authentizitäts-Gehabe ist einem gar nicht aufgefallen, das die Musik des Trios kontinuierlich schlampiger wird. So sehr ich auch das Debüt der Berliner liebte, so sehr muss ich eingestehen, dass es seit ihrem Major-Deal bei Nuclear Blast bergab geht. Abra Kadavar war vor zwei Jahren der mittelprächtige Versuch, noch einmal das kleine Wunder des Vorgängers zu vollbringen: Dreckiger Proto-Metal-Sound, analog aufgenommen, Riffs über Riffs über Riffs. Das ganze war ziemlich leicht durchschaubar, ein paar gute Songs kamen dabei trotzdem um die Runden. Mit Berlin hat sich jetzt die Orientierungslosigkeit bei Kadavar breit gemacht. Ich hatte ja gehofft, dass es ein paar Veränderungen im klanglichen Schema der Band geben würde. So wie die jetzt allerdings ausgefallen sind, hätte man sich das ganze auch sparen können. Der Opener Lord of the Sky (geht's noch pathetischer?) serviert einem gleich zu Anfang das wohl ausgelutschteste Desert-Rock-Motiv des Jahres und einen billigen Song im Schlepptau. Und damit ist es sogar noch eines der besten Stücke hier, da es wenigstens eingängig ist. In den meisten der elf Tracks hier werden dagegen einfach lieblos Black Sabbath, ZZ Top, Steppenwolf und ein bisschen Fu Manchu zu einer monochromen Hardrock-Grütze vermanscht, die nach speckigen Lederjacken und Harley-Abgasen müffelt. Der einzige Song, der sich zumindest ein wenig diesem Schema entzieht, ist Filthy Illusion, ein leichter, melodischer Popsong, der tatsächlich so etwas wie ein Freiheitsgefühl vermittelt und eben nicht bleischwer aus dem antiken Röhrenverstärker poltert. Mit mehr klanglichen Elementen von diesem Schlag hätten Kadavar ein richtig gutes Album abgeliefert, das mutig ist und nicht nur auf nostalgische Verklärung von Musik setzt, die schon vor 45 Jahren doof war. Dass so etwas geht, haben uns dieses Jahr schon Colour Haze und Spidergawd gezeigt, warum also fehlen ausgerechnet diesen Jungs die Eier dafür? Vermutlich, weil die Kaufkraft der missverstandenen Easy Rider dieser Welt am Ende doch größer ist als die derer, die sich ein bisschen Großmut in ihrer Rock'n'Roll-Romantik wünschen. Und weil die alte Hardrock-Schmonzette im Zweifelsfall eben doch funktioniert. Eine Schande ist das.
4/11

P.S.: Den einzigen wirklich coolen Biker-Song hat dieses Jahr sowieso Action Bronson gemacht.

Bester Song: Filthy Illusion

Nicht mein Fall: Last Living Dinosaur / Pale Blue Eyes / Reich der Träume

Weiterlesen:
Review zu II (Spidergawd):
zum Review

Review zu To the Highest Gods I Know (Colour Haze):
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Samstag, 22. August 2015

Reign in Pop

GHOST
Meliora

Caroline
2015
















Was für Musik machen Ghost im Jahr 2015? Das mit dem Heavy Metal haben sie lange überwunden, für richtige Popmusik fehlt noch der letztendliche Wille zur Radiotauglichkeit, für Progressive Rock ist das hier zu retro und für Retrorock zu progressiv. Dass die Schweden also eine Sonderstellung in der heutigen Musiklandschaft einnehmen, ist von vornherein klar, wenn man sich Meliora, ihrem dritten Longplayer, widmet. Mit ihrem letzten, Infestissumam von 2013, übten sie sich in dieser transzendentalen Herangehensweise, bestückten ihren epochalen Doom-Rock üppig mit Keyboards und dick aufgetragenen Melodien und ließen damit die komplette Pop-Welt mit einem Stirnrunzeln zurück, das für zwei Jahre auf den Gesichtern blieb. Die neue Platte soll jetzt Klarheit darüber schaffen, was Ghost eigentlich von uns wollen. Mit einem neuen Papa Emeritus und Produktion von Andy Wallace, der schon so unterschiedliche Künstler wie Kelly Clarkson und Slayer abgemischt hat, geht es hier also an Album Nummer drei und mit Vollgas in Richtung Stadionrock. Man kann über Meliora viel sagen, aber es weiß definitiv um seine Schlüsselrolle, die es nicht nur für Ghost selbst, sondern für den modernen Heavy Metal einnimmt. Und diese Rolle füllt es dadurch aus, dass es das Metal-Album mit dem größten Pop-Appeal ist, das ich seit langem gehört habe. Mit aufwendigem Instrumentarium und Feinschliff-Sound geht die Band aus Linköping seinen Weg sehr souverän und beantwortet tatsächlich alle Fragen, die ich nach dem Vorgänger hatte. Ghost wollen das große Publikum und die Radio-Hits und mit Meliora rückt dieses Ziel näher als je zuvor. Die Platte verfügt über tonnenweise Hit-Potenzial und verzichtet trotzdem nie auf einen leicht okkulten und mystizistischen Anstrich. Songs wie Spirit, Cirice, He Is oder Majesty sind epische Rock-Nummern, wie man sie sich heute nur noch selten traut und die tatsächlich immer ihre Wirkung erzielen. Gerade He Is mit seiner tiefen Verbeugung vor den Songs von Abba ist aber auch tatsächliches Material für Pop-Charts. Das so ziemlich einzige, was mich an Meliora stört, ist der konsequente Steven-Wilson-Einschlag, den man in so gut wie allen Tracks heraushört. Die tatsächliche Qualität des Songwritings beeinträchtigt das jedoch nicht. Am Ende haben wir es hier meiner Meinung nach trotzdem mit dem besten Album zu tun, das Ghost bisher veröffentlicht haben. Ganz einfach weil es das erste ist, auf dem sich die Schweden wirklich souverän zeigen, was hier einen unwahrscheinlichen Schub für die Band erzeugt. Damit beweisen sie sich einmal mehr als Ausahme-Rockband in der aktuellen Musiklandschaft und eine der wenigen, denen ich wirklich auch kommerziell eine große Zukunft prophezeien würde. Denn das mit dem Radiohit ist nach diesem Einstand definitiv nur noch eine Frage der Zeit. Weiter versuchen werden Ghost auf jeden Fall.
9/11

Beste Songs: Spirit / Cirice / He Is / Devil Church / Absolution

Nicht mein Fall: Deus in Absentia

Weiterlesen:
Review zu Pale Communion (Opeth):
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Review zu Hand.Cannot.Erase (Steven Wilson):
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Freitag, 21. August 2015

Rap God

DR. DRE
Compton

Universal
2015
















Wisst ihr, was für mich das wirklich beeindruckende an Dr. Dre ist? Nicht, dass er der momentan am besten verdienende Musiker des Planeten Erde ist. Nicht, dass Generationen von namhaften Musikern wie Snoop Dogg, Eminem oder Kendrick Lamar von ihm entdeckt wurden und auch nicht, dass er nach fast 30 Jahren im Business noch immer zeitgemäß und verdammt cool klingt. Es ist seine Fähigkeit, alles was er anfasst zu einem Klassiker zu machen. Mit dem Namen Dr. Dre verbindet man aus heutiger Sicht drei Alben, die definitiv zu den wichtigsten Longplayern der gesamten HipHop-Geschichte gehören: Straight Outta Compton von N.W.A., das erste große Gangsta-Rap-Manifest, sowie seine wegweisenden Soloplatten the Chronic und 2001. Zwischen letzterem und Compton, seinem neuesten großen Streich, liegen inzwischen ganze 16 Jahre. Eine halbe Ewigkeit, in der der MC und Produzent sich schwer tat, mit diesem Erbe richtig umzugehen. Sein drittes Album Detox, an welchem er jahrelang arbeitete, schrieb er letztendlich für die Schublade und trotz kommerziellen Höhenflügen war das neue Jahrtausend bisher kein gutes für Dr. Dre. Compton fühlt sich für viele von uns deswegen wie eine Wiedergeburt an und dass es sich hierbei mindestens um das Comeback des Jahres handelt, steht außer Frage. Auch für mich ist es eine Sensation, dass das neue Album jetzt tatsächlich da ist und meine Erwartungen daran waren verdammt hoch. Die letzte Woche, die noch zwischen dem Veröffentlichungstermin in den USA und dem in Europa lag, war die reinste Qual und ich bin froh, jetzt auch reinlauschen zu dürfen. Und zuerst einmal muss ich diesem Mann wieder ein Lob aussprechen. Compton ist ein HipHop-Album, das mit beiden Beinen im Jahr 2015 steht und gleichzeitig einer Figur wie Dr. Dre absolut würdig ist. Das sieht man schon an der Liste der Featured Artists hier: Natürlich sind die alten Homies wie Xzibit, the Game, Snoop Dogg und Eminem hier dabei, doch die wirklich herausragenden Performances sind nicht den Legenden vorbehalten, sondern den jungen Wilden. Kendrick Lamar ist auf diesem Album in Bestform und liefert in gleich drei Songs großartige Strophen ab. Eine weitere Überraschung ist auch King Mez, der vor allem im großen Opener Talk About It fantastisch klingt. Dre selbst ist wie immer meist nicht der Star seiner Tracks und lässt gerne andere für ihn sprechen. Ausnahmen sind hier die Nummern It's All On Me und der Closer Talking to My Diary, in denen sich der Rapper dann auch gerne mal sentimental und angreifbar zeigt. Für den Typen, der sich in über 20 Jahren als quasi unbesiegbar gezeigt hat ist das tatsächlich etwas besonderes. Was allerdings fehlt, und das finde ich wirklich schade, sind die wirklich großen Hits, die es von Dre bisher immer gab. Songs wie Nuthin' But A G Thang oder the Next Episode sucht man hier vergeblich zwischen vielen halbherzigen Bangern und Pseudo-Balladen. Womit wir zum Wermutstropfen von Compton kommen. Die neue Platte des HipHop-Großmeisters ist gut, vielleicht sehr gut. Aber alles vorher war doch das berühmt kleine Stückchen besser. Es beruhigt, nicht 16 Jahre auf ein mittelmäßiges Album gewartet zu haben, aber man muss sich selbst gegenüber auch ehrlich sein und zugeben, dass es doch nicht dasselbe ist. Ich empfehle diese Platte jedem meiner Leser, bin gewillt, sie mir selbst zu kaufen und sehe das Ganze als wichtigen Schritt in der Diskografie von Dr. Dre. Ein Genre wird er allerdings nicht nochmal revolutionieren. Und das macht er hier das erste Mal. Luxusprobleme? Und was für welche.
8/11

Beste Songs: Talk About It / Darkside/Gone / Just Another Day

Nicht mein Fall: All in A Day's Work

Weiterlesen:
Review zu A Better Tomorrow (Wu-Tang Clan):
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Review zu To Pimp A Butterfly (Kendrick Lamar):
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Mittwoch, 19. August 2015

Lieblingslieder: Teil 2: A Brand New Dance

THE ROCK STEADY CREW
(Hey You) The Rock Steady Crew

Charisma
1983
















Ich rede in dieser Serie von Reviews ganz bewusst von "Lieblingsliedern" statt von den "Besten Songs aller Zeiten" oder ähnlichem. Denn dass mein Geschmack weder unfehlbar ist noch sich ausschließlich mit wirklich geschichtträchtigen Tracks befasst, kann ich beim besten Willen nicht behaupten. Ein gutes Beispiel: the Rock Steady Crew. Man kann diesen großartigen Song mit großer Sicherheit als einen in der Musikgeschichte verloren gegangenen Hit bezeichnen, den die meisten Leute sicherlich auch nicht vermissen werden. Ich selbst war überrascht zu erfahren, dass sich die Nummer damals ganze 17 Wochen in den deutschen Single-Charts hielt und dort bis auf Platz sechs kletterte. Ich sah darin immer nur eine fantastische Kuriositäten-Show aus den frühen Tagen der New Yorker HipHop-Szene. Denn eigentlich waren the Rock Steady Crew gar keine Band, sondern eine der ersten wirklich bekannten Breakdance-Gruppen. In den frühen Achtzigern vom Fotografen Henry Chalfant entdeckt, war es der schnelle und überraschende Erfolg, der sie irgendwie beim Musiklabel Charisma landen ließ, wo sie 1983 das Album Ready for Battle aufnahmen. Das ganze ist keine schöne American-Dream-Geschichte, sondern eher eine, in der ein paar idealistische junge Talente mit einer neuen Idee vom großen Business geschluckt und zerkaut werden. Auch ist die eine wirkliche Hit-Single the Rock Steady Crew keine Verbeugung vor der damals wahnsinnig aktiven jungen HipHop-Szene, sondern eher der Versuch, diese in ein gefälliges Mainstream-Korsett zu quetschen. Eine ganze Reihe an Komponisten war an diesem Song beteiligt, nur einer von ihnen war kein bezahlter Label-Songwriter. Das Ergebnis ist ein Stück, das abgesehen von ein paar gerappten Strophen und der übergreifenden Breakdance-Thematik auch von Kim Wilde oder Cyndi Lauper hätte sein können. Das Musikvideo dazu ist zwar eine der wenigen Quellen, die die Anfänge der Szene ausführlich zeigen, dennoch ist die Story hinter the Rock Steady Crew theoretisch ganz schön verwerflich. Was nicht heißt, dass hier am Ende kein verdammt guter Song herausgekommen ist. Mit der catchy Synthesizer-Melodie und einer Hook, für die die meisten HipHop-Produzenten heute über Leichen gehen würden, ist dieser Track nach the Message von Grandmaster Flash und Planet Rock von Afrika Bambaataa einer der ersten großen Hits der Rap-Geschichte. Auch wenn heute nur noch die wenigsten etwas damit anzufangen wissen, gibt er einen seltenen Einblick in die Frühphase der New Yorker Szene und ist dabei ein wunderbares Dokument der Zeit, als dieses Genre noch irgendwie unbeschwert und einfach war. Keine bessere Zeit, aber eine, die heute für viele nicht mehr vorstellbar ist. Deshalb braucht es diesen Song.

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Dienstag, 18. August 2015

Single-Review: Ein Klavier! Ein Klavier!

DEAFHEAVEN
Brought to the Water

Anti Records
2015
















Deafheaven sind in den vergangenen 25 Monaten eine richtige Band geworden. Auf den Promo-Fotos des neuen Albums New Bermuda sowie im Teaser-Video sieht man von nun an fünf Mitglieder, nicht nur die beiden Ober-Chefs Kerry McCoy und George Clarke, die noch vor zwei Jahren die Identifikationsfiguren für den Sound von Deafheaven waren. Der Sound, der diesen Namen zu einem der wichtigsten in der internationalen Metal-Szene gemacht hat. Drummer Daniel Tracy, Gitarrist Stephen Clark und Bassist Shiv Mehra sind dafür aber genau so verantwortlich wie jenes Dreamteam, auch sie waren die Architekten hinter Sunbather, dem Album, das vor gerade mal zwei Jahren ein Genre aus der Reserve lockte. Das vielleicht das größte war, was diesem Genre seit Rage Against the Machine passiert ist. Für New Bermuda gehören auch sie jetzt zur Stammbesetzung. Hinter dieser harmonischen Zusammenführung steckt am Ende jedoch auch vor allem eine taktische Entscheidung. Diese fünf Musiker sind schuld daran, dass jeder im Jahr 2015 Deafheaven kennt und dass große Erwartungen ihr neues Album begleiten. Und getreu der alten Regel "never change a winning team" sind diese fünf Musiker auch diejenigen, die es für den Nachfolger von Sunbather richten sollen. Dessen erster Song ist vor kurzem veröffentlicht wurden und hört auf den Namen Brought to the Water. Ein knapp neunminütiger Track, der den Hörer über mehrere Stadien in den Klang der neuen Platte einweiht. Es gibt viel zu sagen über diese neun Minuten, aber zuerst das offensichtliche: Ist dieses Stück nur ein weiteres Dream House? Definitiv nein. Deafheaven haben sich sehr darum bemüht, hier den richtigen Abstand zum letzten Album zu finden, verspielt zu sein, einige Schritte weiter zu gehen. In seinen letzten Minuten hört man auf Brought to the Water ein einzelnes Klavier, ein bisher nur selten von der Band eingesetzter Touch, der hier ganz neue Facetten einbringt. Auch eine erneute Hinwendung zum traditionellen Black Metal ist hier hörbar, die komplette erste Hälfte des Songs klingt ziemlich norwegisch. Besonders mag ich hier Clarkes akzentuierten Gesang, der sich wie ein Widerhaken den atmosphärischen Gitarren entgegen setzt und so teuflisch und finster klingt, wie diese Art von Musik klang, bevor es Deafheaven gab. Nach etwas mehr als drei Minuten legt sich über diesen tobenden Noise-Tornado allerdings wie aus dem nichts ein Gitarrensolo, so klar und optimistisch verstrahlt, dass es schon wieder ein bisschen zu viel ist. Und es ist definitiv zu viel, aber es ist der erste Aha-Moment dieses Tracks. Dieser dicke, weiße Pinselstrich auf schwarzer Leinwand, die Deafheaven zu Deafheaven macht. Ein tolldreistes Verbrechen am nihilistischen Song-Konzept. Im anschließenden zweiten Teil wird Brought to the Water zur Postrock-Nummer umgekrempelt und die Lead-Gitarre zaubert eine tagträumerische Pop-Melodie über das ganze. Clarke schreit dabei zwar weiter wie ein besessener, doch eigentlich ist es da schon passiert: In den Minuten zwischen der Sludge-Breakdown und dem Outro mit Klavier ist es wieder da, das Sunbather-Gefühl. Dieses euphorisierende Gänsehaut-Schmetterlings-Sonnenuntergangs-Gefühl, das ich keinem erklären muss, der besagtes Album mit den Ohren eines Fans gehört hat. Ich hatte schon daran gezweifelt, dass Deafheaven das hier wieder hinkriegen, aber für wenige Minuten überkommt es einen dann doch noch. Es ist ein Detail, das vielleicht nicht mal beabsichtigt war, aber es beendet den Song wie ein Paukenschlag. Beziehungsweise fast, denn nach dem ziemlich lahmen Fade-Out gibt es ja noch das bereits besprochene Klavier. Und nachdem auch das vorbei ist, hinterlässt einen Brought to the Water mit gemischten Gefühlen. Der Song hat nicht das Niveau eines einzigen Sunbather-Songs und ist am Ende sogar ein bisschen enttäuschend. Gleichzeitig zeigt er Deafheaven aber auch auf einem neuen kreativen Level, das wesentlich mehr Experimente zulässt. Es ist durchaus möglich, dass wie hier den Opener von New Bermuda vor uns haben und auch wenn dem nicht so ist, könnte das heißen, dass die neue Platte einen Gang zurückschaltet. Gleichzeitig könnte diese Band auf einer ganz anderen Ebene interessant werden. Die ätzenden Vergleiche mit ihrem Vorgänger ist sie hiermit zumindest alles andere als los. Das hat man nun davon, wenn man das wichtigste Metal-Album des Jahrzehnts macht.

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Schwarze Haare und Bermudas

THE GOOD LIFE
Everybody's Coming Down

Saddle Creek
2015
















Ich kann nicht mit Sicherheit sagen wer es erfunden hat, aber das niedliche Punk-Album ist spätestens seit der Jahrtausendwende ein wichtiger Bestandteil der Popkultur. Und schon genau so lange sind the Good Life auf dieser schönen Welt, um dieses Erbe aufrecht zu erhalten. Das neckische Nebenprojekt von Cursive-Sänger Tim Kasher veröffentlichte zwischen 2000 und 2007 routiniert einen Longplayer nach dem anderen auf seinem Stammlabel Saddle Creek und machte dabei keine große Sache aus seiner Existenz. Um ehrlich zu sein hatte ich ihr Comeback Everybody's Coming Down zunächst für die Arbeit von Newcomern gehalten, bis genauere Recherchen mich auf die üppige Bandgeschichte aufmerksam machten. Das lag vor allem daran, dass the Good Life auch nach 15 Jahren mehr oder weniger aktiven Bestehens noch klingen wie eine sehr junge Band. Der aufgekratzte Rock-Mischmasch dieser Platte hat etwas von Teenager-Wahnsinn und sommerlichem Hedonismus, den man bei den meisten Künstlern schon ab dem zweiten Album nicht mehr findet. Die Zusammensetzung ist dabei ziemlich standardmäßig: Ein bisschen Beach Boys, ein bisschen Bikini Kill, ein bisschen American Football und gerade die richtige Menge Bright Eyes, um nicht zu belanglos zu klingen. Für eine spaßige halbe Stunde voller verkrachter Emo-Sommerhits reicht das allemal. Keiner der Tracks hier ist wahnsinnig anspruchsvoll, dennoch kann man sich überall kleine kreative Überraschungen herauspicken und für die, die das nicht wollen, ist Everybody's Coming Down trotzdem noch laut und animalisch genug. Es traut sich sowohl das bisschen Noiserock, das nötig ist, um die Platte nicht nach Best Coast klingen zu lassen als auch den Hang zum großen Indie-Refrain inklusive grandioser Backing Vocals von Bassistin Stefanie Drootin. Ab und zu lässt es die nostalgische Beatsigkeit der Pre-Hippie-Generation raushängen und in wieder anderen Momenten wäre es doch lieber dem brachialen Emorock der späten Neunziger näher. Egal, wie es sich nun von Song zu Song entscheidet, Everybody's Coming Down ist vielleicht die erste richtige Sommer-Platte, die ich dieses Jahr gehört habe. Und erst jetzt merke ich so richtig, wie sehr ich dieses Album gebraucht habe. Vielleicht sind the Good Life damit für diesen August etwas spät dran, aber für meinen inneren Emo-Surfboy ist man nie zu spät. Soll der verdammte Herbst doch kommen!
9/11

Beste Songs: 7 in the Morning / Holy Shit / Diving Bell

Nicht mein Fall: the Troubadour's Green Room

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Review zu Alvvays (Alvvays):
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Review zu January 10th, 2014 (the World is A Beautiful Place...)
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Montag, 17. August 2015

Digital Ash in A Digital Urn

HEALTH
Death Magic

Caroline
2015
















Ungefähr acht Jahre ist es her, dass die Kalifornier von Health als die große neue Entdeckung des elektronischen Noise-Pop gefeiert wurden und ihr selbstbetiteltes Debüt die Blogger dieser Welt Freudensprünge machen ließ. Dass das 2015 nicht mehr so ist, könnte vor allem daran liegen, dass die kompletten letzten fünf dieser acht Jahre fast kein Lebenszeichen der Band zu hören war und inzwischen Crystal Castles passiert sind. Death Magic ist dementsprechend in einer schwierigen Position. Zwar freuen sich im Moment alle, dass die grotesken Elektro-Noise-Helden der späten Nullerjahre so plötzlich wieder auf dem Plan stehen, doch die müssen jetzt auch abliefern. Ganz besonders für Skeptiker wie mich, die auch ihre beiden ersten Alben nicht wirklich mochten. Und soviel muss man sagen: Die neue LP versucht zumindest, anders zu klingen als ihre Vorgänger. Health haben sich einen wesentlich elektronischeren Sound zugelegt als zuvor, der teilweise ziemlich stark an Cybergoth erinnert. In den zwölf ziemlich kurzen Songs hört man kaum noch Gitarren und dafür jede Menge stampfende Beats, düstere Synthesizer, Bratzel-Kram und Neunziger-Techno. Hätten die Wachowski-Geschwister ihre Matrix-Filme zehn Jahre später gedreht, der Soundtrack dazu hätte dieses Album sein können. Obwohl man die zehn Jahre jetzt auch nicht unbedingt heraus hört. Aber das größte Problem von Death Magic ist nicht mal, dass es total überholt und altbacken klingt. Viel eher fehlt hier einfach die Spannung in den Tracks. Vor allem Jake Dusziks Gesang ist einfach nur so oberflächlich, dass man meint, Siri hätte die Platte eingesungen. Vielleicht verstehe ich das ganze falsch und Health versuchen hier, eine Art digitale Nostalgie hervorzurufen, ähnlich der im Vapowave, furchtbar klingt das Ganze am Ende trotzdem. Und da habe ich noch nicht einmal berücksichtigt, dass hier so ziemlich jeder Song gleich klingt und das komplette Ding grauenvoll gemixt ist. Wenn man unter Death Magic nun den verheerenden Strich setzt, so ist zumindest für mich keine der kleinen Hoffnungen aufgegangen, die ich mir gemacht habe. Was Health zumindest ein bisschen den Arsch rettet ist, dass sie trotz allem Stil haben und zumindest den Versuch unternehmen, sich neu zu orientieren. Dass sie damit auf dem absoluten Holzweg sind, brauche ich sicherlich nicht noch einmal zu erwähnen.
4/11

Bester Song: Saliva

Nicht mein Fall: Victim / Men Today / Life

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Review zu Giveitaway14 (Malcolm):
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Review zu Platform (Holly Herndon):
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Mein Klavier, seine Großtante und ich

HERRENMAGAZIN
Sippenhaft

Grand Hotel Van Cleef
2015
















Ich fand Herrenmagazin eigentlich immer langweilig und habe nicht ohne Grund mehr als eine Woche lang mit mir selbst gehadert, ob ich Sippenhaft nun besprechen soll oder nicht. Dagegen spricht, dass ich Herrenmagazin immer langweilig fand, dafür spricht hingegen, dass ich ihr letztes Album Das Ergebnis wäre Stille trotzdem ziemlich gut fand und das die neue Platte zumindest thematisch einiges verspricht. Laut eigener Aussage der Band soll es sich bei ihrem vierten Longplayer um ein sehr ehrliches Werk zum Thema Familie handeln, das da angeblich auch kein Blatt vor den Mund nimmt, inklusive geschockter Verwandtschaft von Sänger und Texter Deniz Jaspersen. Die Sache mit dem ehrlich stimmt dann doch nur bedingt. Erst wenn man sich durch das kryptische Gewirr der wie gewohnt komplizierten lyrischen Ergüsse Jaspersens gekämpft hat, treten jene schockierenden Aussagen zu Tage, von denen er so gerne spricht. Besonders passiert das im Titeltrack, in dem er seine Vorwürfe direkt an sein Elternhaus adressiert. "Wo wurde ich da nur reingeboren?" fragt er im Refrain und in Momenten wie diesen kann man diesem Album einen gewissen Mut nicht absprechen. Auch mit Gärten, einem Song über die Kindheit, überzeugen Herrenmagazin hier. Allerdings findet diese Überzeugungsarbeit meist nur auf rein textlicher Ebene statt und steht im krassen Kontrast zur stinklangweiligen musikalischen Ausarbeitung von Sippenhaft. Statt der cleveren Gitarrenmelodien des letzten Albums hat die Band hier das Klavier für sich entdeckt, auf dem gut fünfzig Prozent der Stücke geschrieben wurden. Heraus kommt dabei so gut wie immer der typische, standardmäßige Deutschpop-Müll, den man bei Revolverheld und Jupiter Jones so sehr hasst. Für die meisten Bands wäre so ein Sound das absolute Todesurteil und ich will nicht behaupten, dass es auch bei Herrenmagazin hier ziemlich ins Arge geht. Nichtsdestotrotz wurde hier allein durch das Konzept dieser Platte und die heiße Thematik vieles gerettet. was sonst belangloses Radio-Gedudel geworden wäre. Sippenhaft ist also nicht an sich uninteressant, nur hätte es mir als Lyrikbuch vielleicht genau so viel gebracht. Und gerade für Songs, die so hart mit der Welt ins Gericht gehen, hätte ich mir einen anderen Sound gewünscht als den aus der BuViSoCo-Retorte. Letztendlich jedoch habe ich von den Hamburgern auch schon schlimmeres gehört als dieses Album und so langweilig wie früher finde ich sie jetzt doch nicht mehr unbedingt. Immerhin ist diese Platte höchst diskutabel und ich bin froh, doch noch dieses Review gemacht zu haben. Sei es nur, um auch selbst mal wieder bei Oma anzurufen.
7/11

Beste Songs: Gärten / Wir bluten aus

Nicht mein Fall: Zum Teufel

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Review zu Krieg & Krieg (Vierkanttretlager):
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Review zu Die Kälte der neuen Biederkeit (Adolar):
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Samstag, 15. August 2015

Style Over Matter

FKA TWIGS
M3LL155X (EP)

Young Turks
2015
















Im Gegensatz zu den meisten meiner Mitstreitern gehe ich in die neue EP von FKA Twigs nicht mit Euphorie hinein, sondern eher mit Skepsis. Das ist schwer für mich, da ich diese Ausnahme nicht gerne darstelle. Ihr Debüt LP1 hatte die britische Sängerin, Tänzerin und Shooting-Queen Tahliah Barnett im letzten Sommer zum Favoriten vieler Blogger und Musikkenner gemacht, nur ich war irgendwie nicht so begeistert. Für mich war sie eine der Künstlerinnen, die es verstehen, hinter ihrem stilsicheren Auftreten und hippem Style zu kaschieren, dass sie eigentlich mittelmäßige Musiker sind. Das zumindest war lange mein Eindruck von FKA Twigs bisher und ich hatte gehofft, dass diese neue EP meine Meinung irgendwie noch ändern könnte. Denn eigentlich finde ich, dass sie es doch besser drauf hätte, wenn ihre Songs nicht solche Klugscheißer wären. Und ich muss auch zugeben, dass sich das auf M3LL155X (Sprich: "Melissa") schon gebessert hat. Die fünf Tracks hier (die vorher veröffentlichten Singles Figure 8 und Glass & Patron sind auch mit drauf) sind wesentlich eingängiger und nicht mehr so verkrampft zugezogen. An jeder Ecke klappern die Trap-Beats und vorsichtige Bass-Drop-Ansätze, außerdem ist Twigs' Gesang um einiges melodischer geworden. Man darf das nicht falsch verstehen: Ich finde es toll, wie sich die Sängerin der konventionellen Rolle eines Popstars in den Weg stellt, der sie ja spätestens sein könnte, seitdem sie mit Schauspieler Robert Pattinson zusammen ist (damit ist der Gossip-Teil hier auch schon abgeschlossen). Sie ist toll darin, den Mainstream zu vergraulen und soll damit bitteschön auch weiter machen. Allerdings sind ihre Tracks aufgrund dieser konsequenten Anti-Haltung mitunter ziemlich schwer verdaulich und mit mir als Freund des klassischen Pop-Songwriting hat sie damit am Ende auch mich vergrault. Ich will FKA Twigs nicht vorwerfen, dass sie ihre musikalische Ästhetik dem Ziel unterordnet, nicht die neue Ellie Goulding zu werden, aber manchmal kommt es mir doch so vor. Oder um es ganz simpel zu sagen: Auch an M3LL155X komme ich noch nicht so richtig heran. Ich werde das zwar nicht mein letztes Wort über sie sein lassen, denn interessant bleibt die Britin für mich nach wie vor. Ein "gut gemacht" kann ich mir hier trotzdem noch nicht abringen. Da muss schon noch mehr passieren.
7/11

Bester Song: Glass & Patron

Nicht mein Fall: I'm Your Doll

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Review zu LP1 (FKA Twigs):
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Review zu Vulnicura (Björk):
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Freitag, 14. August 2015

Single-Review: Meine persönlichen Helden

THE WORLD IS A BEAUTIFUL PLACE & I AM NO LONGER AFRAID TO DIE
January 10th, 2014

Epitaph
2015















Es ist definitiv soweit. An diesem Punkt in meinem Leben kann ich mich als Fan von the World is A Beautiful  Place & I Am No Longer Afraid to Die outen. Die Band aus Connecticut ist Momentan nicht nur einer der interessantesten Indie-Acts des Planeten, sondern definitiv auch einer der besten. Schon ihr Debüt, dass vor zwei Jahren leider etwas an mir vorbei ging, war ein fantastisches Projekt, dass den Geist des Emorock für mich im Nachhinein wiederbelebte wie kein anderes Album. Ein guter Eindruck, der letztes Jahr durch die Mini-LP Between Bodies nur noch verstärkt wurde, die mich noch immer vollkommen von den Socken haut. Angesichts der schon sehr produktiven letzten Phase der Band hatte ich nicht erwartet, dass diesen Herbst schon wieder eine neue Platte auf dem Plan steht. Harmlessness wird am 25. September in die Läden kommen und ist zumindest im Moment die Veröffentlichung, die bei mir für die meiste Aufregung sorgt. Zurzeit würde ich es The World is A Beautiful Place... tatsächlich zutrauen, dass sie einen echten Indie-Klassiker zusammen zimmern könnten. Und dass die erste Single der kommenden Platte schon jetzt zu hören ist, hilft da nicht wirklich weiter. Zumal in den fünfeinhalb Minuten von January 10th, 2014 so unsagbar viel passiert, dass man unbedingt mehr hören will. Es ist kein Geheimnis mehr, dass diese Band es wie keine andere heutzutage hinbekommt, gleichzeitig nach punkeligem DIY-Spirit zu klingen und gleichzeitig so großkotzig und weitläufig zu sein. Und wie breit die Einsatzmöglichkeiten dieses Sounds gefächert sind, hört man in jeder Pore dieses Songs. Immer, wenn Streicher gegen Gitarren ausgespielt werden, in der perfekten Laut-Leise-Dynamik dieses Tracks, in seinen niedlichen Duett-Phasen, in den Stellen, die ein ganz kleines bisschen nach Taylor Swift klingen, in den tausend kleinen Details, die überall versteckt sind. Das alles in nicht einmal sechs Minuten ist dann zugegebenermaßen ganz schön viel und allein der Ideenreichtum dieses Stückes hätte locker für eine Viertelstunde großartiger Musik gereicht. Für die Umsetzung im LP-Kontext kann das aber eigentlich nur das beste bedeuten. Man darf schließlich auch nie vergessen, dass the World is A Beautiful Place... am Ende doch eher eine Album-Band sind. Und nach diesem großartigen Einstand bin ich fast davon überzeugt, dass auch das fertige Harmlessness mich wieder in seinen Bann ziehen wird. Alles andere wäre eine herbe Enttäuschung für mein labiles Emo-Herz.

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Mittwoch, 12. August 2015

Grænðkýr

LOGN
Í Sporum Annarra

-
2015
















Ich will ja hier um Gottes Willen keine Klischees über Popmusik aus Island breittreten. Dass die Insulaner auch andere Asse im Ärmel haben als Sigur Rós und Björk, ist weithin bekannt. Dennoch ist die Vorstellung von isländischem Grindcore nach wie vor eine ziemlich witzige. Dabei ist die Musik von Logn jetzt nicht grundlegend anders als die von, sagen wir mal, Converge oder anderen etablierten Bands. Höchstens in dem Sinne, dass sie sie ein bisschen das typisch nordische Black-Metal-Gen rezessiv geerbt hat, das sich in ihrem flächigen Riffing und teilweise über sechsminütigen Tracks (was mal so gar nicht Grindcore ist) äußert. Auch hat das Quartett aus Reykjavík zum Glück nicht die Genre-typische Affinität für billige LoFi-Sounds, sondern geht Í Sporum Annarra (grob übersetzt mit 'In den Schuhen der anderen') mit einer wahnsinnig tighten Produktion an, die sie vielleicht am ehesten zu einer Ausnahme im stilistischen Kontext macht. Wer Beweise dafür sucht, dass man es hier am Ende doch irgendwie mit Grindcore zu tun hat, der findet diese möglicherweise in den Vocals oder der nicht mal halbstündigen Spielzeit dieses Albums. Was aber viel wichtiger ist als Genre-Zuweisungen ist hier die Feststellung, dass Logn hier eine großartige Platte zusammengestellt haben. So spannungsvoll und dicht wie dieses habe ich seit langem kein Core-Projekt mehr erlebt, das auch gleichzeitig so rotzig und vorlaut ist. Jeder Takt sitzt auf diesem Album und alle Gegensätze sind gewollt. Wenn beispielsweise nach dem sphärischen Opener Þitt Rétta Eðli der Nachfolge-Track Fórnarlömb mit Sludge-Anleihen kontert, schlägt bei mir das Metal-Herz höher und ein knapp zweiminütiges Grind-Intermezzo wie Happdrætti Songarinnar funktioniert genauso gut wie der mehr als dreimal so lange Titeltrack. Unter den sechs Stücken hier einen besten zu finden ist so gut wie unmöglich, weil Logn hier kontinuierlich auf Höchstleistung spielen. Ich gehe nicht zu weit, wenn ich sage, dass Í Sporum Annarra das beste Hardcore-Album ist, das ich dieses Jahr gehört habe. Und das ist für eine Band aus einem Land, das für Elfengesang und Musik über bemooste Steine bekannt ist, schon ein starkes Stück. Im Prinzip trage ich gerade aktiv zur Emanzipation der isländischen Musikszene bei und es gibt gerade nichts, was ich lieber tun würde. Auch wenn ich dafür einmal im Leben Sigur Rós verraten habe.
10/11

Beste Songs: Happdrætti Songarinnar / Í Sporum Annarra

Nicht mein Fall: -

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Review zu De Doden Hebben Het Goed (Wiegendood):
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Review zu Apex Predator - Easy Meat (Napalm Death):
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Dienstag, 11. August 2015

Mukke zum Staubsaugen

PAUL KALKBRENNER
7

Sony
2015
















Paul Kalkbrenner ist im Jahr 2015 keine unumstrittene Figur mehr in der Elektroszene und auch ich beginne mir meine Sorgen um ihn zu machen. Als ziemlicher Fan seiner frühen Platten Zeit und Self und natürlich seiner hinreißenden Allround-Performance rund um Berlin Calling habe ich den Berliner als versierten Musiker und poetischen Beat-Akrobaten kennengelernt. Seit einigen Jahren jedoch relativiert sich dieser Eindruck immer mehr. Zwar ist Paule in dieser Phase so produktiv gewesen wie nie zuvor, je nachdem, welche man mitrechnet, hat der Produzent seit 2010 an die vier Alben gemacht. Allerdings sind diese vier Alben auch sicherlich seine mit Abstand schwächsten, die alle immer wieder in dieselben Muster verfallen und furchtbar unspektakulär sind. Das, was ich an Kalkbrenner immer so schätzte, war seine Handschrift und wie diese, gerade auf Berlin Calling, auch sehr variierte. Trotzdem kennt man die inzwischen leider schon viel zu gut und, um mal bei der Metapher zu bleiben, in letzter Zeit krakelt der Maestro die Songs einfach nur noch hin. Ich weiß ganz genau, wann beispielsweise in Feed Your Head jetzt der Shuffle-Beat einsetzen muss oder woher ich die bauchigen Brummer-Geräusche am Anfang von Cloud Rider kenne. Und was auf 7 noch erschwerend hinzu kommt ist, dass dieses altbekannte Rezept noch nicht mal die Wirkung hat, die es auf den Platten davor hatte. Wenn in einem Club Stücke dieser LP gespielt würden, sähe ich das eher als Gelegenheit zum Getränke holen statt zum weitertanzen, so stinklangweilig blubbern sie vor sich hin. Sicher gehörte es schon immer zu den guten Seiten an Kalkbrenners Musik, dass sie eben nicht auf stumpfes Geballer ausgerichtet war, sondern ganz subtil groovte. 7 hat in dieser Hinsicht allerdings ein bisschen sehr übertrieben und drückt beständig die Snooze-Taste. Dabei gefällt es sich darin, ausgedehnte Klavier-Passagen (Tone & Timber), stupiden EDM-Gesang (Cloud Rider) und beständige Rassel-Beats zu kultivieren. Es ist immer noch besser als Avicii, aber solche Satzanfänge hätte ich vor sechs Jahren nicht im Traum schreiben müssen. Und so ehrlich muss ich sein: Für mich ist das hier das schlechteste Kalkbrenner-Album ever. Der Star-Produzent ist dieser Tage ziemlich lahm geworden und wahrscheinlich auch noch stolz darauf, so wie er auf dem Cover abgeht. Ich für meinen Teil muss mich ganz schnell davon überzeugen, wie gut dieser Typ mal war und Altes Kamuffel auflegen. Schon viel besser.
4/11

Bester Song: Tone & Timber

Nicht mein Fall: Feed Your Head

Weiterlesen:
Review zu Rubber Sole (Neu! Balance):
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Review zu Lustmore (Lapalux):
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Montag, 10. August 2015

But in the Long Run...

TITUS ANDRONICUS
the Most Lamentable Tragedy

Merge Records
2015
















Das hier wird jetzt kein einfaches Review. Titus Andronicus machen es einem nie einfach. Diesmal ganz besonders nicht, haben wir es doch bei the Most Lamentable Tragedy mit einem 92-minütigen, 29 Tracks starken Konzeptalbum der Band aus New Jersey zu tun. Schon seit ihrem 2010 veröffentlichten Bürgerkriegs-Epos the Monitor kennt man das ja von ihnen, diese neue Platte dürfte trotzdem noch einen Zacken schärfer sein. Vor allem, weil sie zum ersten Mal auch in Sachen Instrumentierung und Song-Strukturen Ambitionen zeigt, die über die vieler Genre-Kollegen hinaus gehen. Die "Story" an sich ist dabei genauso wenig überschaubar wie die riesengroße Menge an Material, das die Band hier auf den Longplayer packt. Da wechseln sich standardmäßige Hit-Granaten mit ineinander fließenden Interludes ab, die wiederum Stücke umgarnen, die schnell mal die Neun-Minuten-Marke knacken. Über einen Mangel an Vielseitigkeit kann man sich hier also nicht beschweren. Bereits zu Anfang feuern Titus Andronicus ein fettes Ohrwurm-Set ab, das mit No Future Triumphant und Stranded (On My Own) sowohl echte Punk-Klopper enthält als auch unterhaltsame Folk- und Pubrock-Nummern wie Lonely Boy und I Lost My Mind. Das betrifft hier die kompletten ersten fünfzehn Songs, andere Bands wären hier mit ihrem Album fertig. Hier ist das allerdings gerade Mal die Hälfte. Nach dem zugegebenermaßen etwas sinnlosen [Intermission] (bestehend aus fast einer Minute Stille) beginnt der eher aufreibende Teil der Platte. Das neunminütige (S)he Said/(S)he Said läutet eine zweite Hälfte ein, die wesentlich weniger ohrwurmig ist, dafür aber mit ihrer Konzeptualität glänzt. Zahlreiche Interludes verbinden hier die Songs miteinander, die dann auch gerne mal mit Chören, Streichern und andere abenteuerliche Klangbausteinen protzen. Nicht selten klingen Titus Andronicus dabei wie eine rotzigere Variante von the Arcade Fire oder den Bright Eyes. Auch an die britischen Pub-Rock-Legenden the Pogues erinnern sie zeitweise, von denen sie dann schließlich auch den Song A Pair of Brown Eyes covern. Und weil das noch nicht dick genug aufgetragen ist, hängen sie den Volkslied-Klassiker Auld Lang Syne gleich noch hinten dran. Gerade solche Manöver in der zweiten Hälfte zeigen, dass die Band hier auch sehr stark in den Bereich des klassischen Folk vorstößt, was ihnen zu meiner Überraschung ausgezeichnet steht. Und wenn der zweite Teil des Songs No Future als beatleske Ballade endlich den abschließenden Teil dieses Monster-Albums einläutet, muss man diesen Jungs wirklich eingestehen, dass sie hier viel geleistet haben. The Most Lamentable Tragedy ist vielleicht kein so verfädeltes, dramaturgisch ausgeklügeltes Gesamtwerk wie To Pimp A Butterfly oder the Death Defying Unicorn, aber gerade für Punkrock-Maßstäbe kann sich das hier sehen lassen. Auch wenn ich es am Ende lieber als ziemlich große Sammlung toller Einzeltracks sehe. Titus Andronicus haben sich damit auf jeden Fall wieder einmal als Ausnahme-Act profiliert und mich dabei auch zum ersten Mal wirklich begeistern können. Und über ein paar Ausrutscher kann man da schon mal hinwegsehen. Wer meckert schon wegen ein paar unvorteilhaften Sekunden bei 92 Minuten Hochleistungs-Songwriting? Hier hat eine Band hart gearbeitet und ein Ergebnis geliefert, das dieser Arbeit würdig ist. Mehr kann man ja von Rockmusik nicht wollen.
9/11

Beste Songs: Stranded (On My Own) / Lookalike / Mr. E. Mann / More Perfect Union / Stable Boy

Nicht mein Fall: [Intermission]

Weiterlesen:
Review zu Rum, Sodomy & the Lash (the Pogues):
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Review zu Funeral (the Arcade Fire):
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Sonntag, 9. August 2015

Shut Up and Take My Money

MAC DEMARCO
Another One

Captured Tracks
2015
















Den Großteil dieses Posts könnte ich gerade damit füllen, mich über Mac DeMarco aufzuregen. Darüber, warum ausgerechnet dieser Typ der größte Zampano der aktuellen Indie-Szene ist, darüber, wie betörend langweilige Musik er eigentlich macht und darüber, wie überflüssig Another One schon wieder ist. Und das alles, ohne dieses neue Mini-Album überhaupt gehört zu haben. Und dass diese 23 Minuten neuen Materials nichts, aber auch gar nichts zum Künstler Mac DeMarco hinzuzufügen wissen, darin wurde ich letztendlich auch bestätigt. Dargeboten werden entspannte acht locker-flockige LoFi-Dreampop-Schlager, die auch genauso gut Outtakes seiner bisherigen zwei Platten hätten sein können und die so spannend und innovativ klingen wie das Verlesen der AGB für den Adobe Reader. DeMarco toppt den okayen bis ganz guten Vorgänger Salad Days sogar noch in der Hinsicht, dass die Songs nicht nur vollkommen unspektakulär, sondern auch leicht dilettantisch wirken. Man darf das nicht falsch verstehen: Dieser Typ hat mal wirklich gute Musik gemacht, die Stil und Anstand und all sowas hatte. Nur schreibt er nun seit mittlerweile vier Jahren Alben nach ein und demselben Prinzip, das eben auch sehr schnell langweilig wird. Heißt im Klartext: Was auf seinem Debüt 2 von 2012 noch frisch und unterhaltsam war und mit Salad Days schon leicht verdächtig, ist spätestens auf Another One so trocken und öde, dass selbst das beste Songwriting hier nicht mehr viel retten kann. Und Songwriting-technisch muss ich leider auch sagen, dass diese die bisher schwächste Platte von Herrn DeMarco ist. Alles in allem macht das ganze hier ein bisschen den unangenehmen Eindruck, als hätte er sich hierfür eigentlich nicht die Mühe machen wollen und einfach träge ein paar Tracks hingekleckert. In Kombination mit seinem stets sorgfältig konzipierten Assel-Look wirkt er damit auf mich ein bisschen wie ein junger, nerviger Jeffrey Lebowski. Nur dass er es irgendwie geschafft hat, die Ikone der Leute zu werden, die das eigentlich selbst besser können. Und mittlerweile ist er als allgemeiner Trendsetter auch besser geworden als der Musiker Mac DeMarco. Ich für meinen Teil könnte es durchaus vertragen, wenn er es ab jetzt zu seiner Hauptbeschäftigung macht, sich von Pitchfork Honig ums Maul schmieren zu lassen und mit Shamir Jenga zu spielen. Momentan bezahlen die Leute ja sowieso für alles, auf dem sein zahnlückiges Grinsen drauf ist. Dann müssten wir zumindest in absehbarer nicht noch so ein Album von ihm hören.
6/11

Bester Song: Another One

Nicht mein Fall: The Way You'd Love Her / Without Me

Weiterlesen:
Review zu Salad Days (Mad DeMarco):
zum Review

Review zu Comb the Feelings Through Your Hair (Grooms):
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Freitag, 7. August 2015

Königin der Nacht

CHELSEA WOLFE
Abyss

Sargent House
2015
















An Chelsea Wolfe führt 2015 kein Weg mehr vorbei. So gut es ging habe ich in vergangenen Jahren versucht, der neuen Prinzessin des Doom-Folk so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken, was sich spätestens jetzt rächt. Wo ich schon immer meine berechtigten Zweifel mit der Kalifornierin hatte, gilt sie für viele als große Hoffnung des immer größeren Düsterpop-Netzwerkes und ist nach Touren mit Russian Circles und Deafheaven schon lange kein Newcomer mehr. Im Moment sieht es sogar so aus, als könnte Wolfe die nächste Siouxie Sioux oder Tori Amos werden. Und Abyss könnte jetzt endlich das Album sein, mit dem auch ich das einsehe. Schon im Vorfeld der Veröffentlichung hatte es zahlreiche Singles gegeben, die ich zumindest besser fand als große Teile ihres bisherigen Materials und die den kommenden Longplayer spannend machten. Das endgültige Ergebnis ist nun zugegebenermaßen ihr bisher gelungenstes Werk, aber auch bei weitem das sicherste. Wolfe schreibt hier weiterhin sehr finstere, Metal-orientierte Tracks, die diesmal jedoch auch als Singer-Songwriter-Kram in laut und bestialisch durchgehen können. Auch hier gibt es beispielsweise dick aufgetragene Drones, allerdings sind diese so melodisch wie nie zuvor, was ihre Wirkung fast nichtig macht. Die Strukturen der Stücke hier sind alle klar definiert, fast keines (außer vielleicht das herrlich verschrobene Maw) verliert sich im atmosphärischen Delirium und verklausulierter Polyrhythmik. Abyss ist folglich die "Pop-Platte" der Chelsea Wolfe. Und wieso auch nicht? In den vergangenen Jahren ist die Popularität der Sängerin um ein Vielfaches gestiegen und ihre Songs erreichen heute ein Publikum, von welchem sie mit Apokalypsis von 2011 noch weit entfernt war. Das liegt unter anderem daran, dass sie eben auch nicht die finstere Höllenpriesterin spielen muss, sondern auch ein bisschen Popstar sein kann, wenn sie will. Auf Abyss will sie das mehr denn je. Und geht damit vielleicht den letzten Schritt in Richtung der Rolle, die ihr viele Blogger schon seit mindestens zwei Jahren zusprechen: die Anti-Laura Marling, die mit Gothic- und Doom-Einflüssen gegen den Songwriter-Einheitsbrei kontert. Und obwohl ich die echte Laura Marling am Ende doch noch lieber mag, habe ich nach diesem Album nicht mehr viel gegen Chelsea Wolfe in der Hand, denn sie füllt ihren Platz vorzüglich aus. Dass aus der noch etwas ganz großes werden könnte, ist so sicher wie das Nicht-Erscheinen eines neuen Tool-Longplayers in diesem Jahr. Nur schafft sie das ganz sicher auch ohne mich.
8/11

Beste Songs: Maw / Crazy Love

Nicht mein Fall: Grey Days

Weiterlesen:
Review zu Short Movie (Laura Marling):
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Review zu Infinite Dissolution (Locrian):
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Donnerstag, 6. August 2015

Das CWTE-Plattenregal: Teil 4

Weil erst morgen unter anderem mit Chelsea Wolfe, Mac DeMarco und Health die ersten wichtigen Releases im August bevorstehen, habe ich heute noch einmal kurz Zeit, meinen Lesern einen kurzen Blick in meine Tonträger-Kollektion zu gewähren. Dass sich hier bloß keiner langweilt...

BOSNIAN RAINBOWS
Bosnian Rainbows

2013











Gerade ein paar Tage ist es her, dass ich mich wieder einmal am Besitz dieses von mir manchmal unterschätzten Albums gütlich getan habe. Als großer Omar-Rodriguez- und Teri-Gender-Bender-Fan war diese Platte für mich Pflichtprogramm und dementsprechend froh war ich, sie schon wenige Wochen nach dem Release geschenkt zu bekommen. Allerdings braucht es seitdem manchmal Überwindung, Bosnian Rainbows aus dem Regal zu holen und aufzulegen. Denn bei aller Liebe, mit At the Drive-In und the Mars Volta hat dieses schräge Postpunk-Projekt auch vom Niveau her wenig zu tun. Vielleicht ein bisschen ein Album für Fanboys wie mich, aber auch mal eine ganz andere Rodriguez-Platte. Ich für meinen Teil bin froh, sie bei mir stehen zu haben.

FRANK OCEAN
Channel Orange

2012











Ursprünglich hatte ich mir Channel Orange nur gekauft, weil der Plattenladen meines Vertrauens gerade nichts anderes von Odd Future da hatte. Seitdem ist es aber immer mehr zu einem der Alben geworden, die ich nicht mehr missen will und die ich fast regelmäßig höre. Frank Oceans High-Society-Bashing und seine ansteckende Emotionalität sind hier so perfekt ausformuliert, dass selbst der größte R'n'B-Hater hier definitiv mal eine Ausnahme machen sollte. Und natürlich enthält auch die CD-Version das legendäre und herzerweichende Coming-Out des Sängers als Extra-Booklet, das zur Musik zwar nicht mehr als Ergänzung ist, aber dennoch irgendwie dazu gehört. Zumindest lohnt es sich, dafür ein physisches Medium zu kaufen. Was ein bisschen nervt ist hier das Fehlen einer übersichtlichen Tracklist, aber die meisten Songs kennt man ja ohnehin. Noch ein Nachteil: Man kriegt vom Hören dieses Albums nur noch mehr Bock auf die neue Platte von Frank Ocean, die schon wieder auf sich warten lässt.

MY CHEMICAL ROMANCE
Danger Days: the True Lives of the Fabulous Killjoys

2010











Ja-Woll! Auch wenn My Chemical Romance für mich wie für viele Andere ein höchst zweifelhaftes Thema sind, Danger Days bleibt für mich eine der besten Pop-Punk-Platten, die ich je gehört habe. Die Emo-Neon-Anime-Punk-Konzept-Mische, die die Kalifornier auf ihrem letzten Album über den Hörer kotzen, ist verständlicherweise nicht jedermanns Sache, aber ich muss mein dreizehnjähriges Vergangenheits-Ich hier verteidigen: Es wusste ganz genau, was es sich da zumutet. Ich finde sogar ernsthaft ein wenig schade, dass My Chemical Romance sich trennten, statt wie versprochen ein weiteres Killjoys-Epos zu schreiben. Aber vielleicht ist es auch besser so. Denn abgesehen von diesen 15 Songs kann ich dem Rest der Welt zustimmen, dass diese Band eher wenig positives zum Thema Emorock beigetragen hat. Gerard Way sah mit roten Haaren sowieso viel besser aus!

THE JESUS & MARY CHAIN
Darklands

1987











Abgesehen vom ewigen Band-Klassiker April Skies könnte man Darklands als das langweiligste Album von the Jesus & Mary Chain beschreiben. Was allerdings auch nicht bedeuten soll, dass es in irgendeiner Weise schlecht ist. Die Schotten perfektionieren hier den Shoegaze-Sound, den sie zwei Jahre vorher mit Psychocandy zufällig erfunden haben und schaffen damit eine Art Genre-Prototypen auf LP-Format. Über das Packaging meiner Boxset-Variante gibt es wenig spannendes zu sagen, denn auch das ist eher zurückhaltend designt. Alles in allem nicht gerade die liebste meiner CDs, aber schon irgendwie eine, die ich eigentlich öfter hören sollte.

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