Sonntag, 23. August 2015

Heiße Reifen

KADAVAR
Berlin

Nuclear Blast
2015
















Eines muss man Kadavar echt lassen: Sie wissen, wie man es einem schmackhaft macht. Schon mit der künstlerisch hochwertigen Vinyl-Only-Pressung ihres Debüts von 2012 bewiesen sie unheimliches Stilgefühl, ihre Konzerte sind durchgestylte Shows, die auch nach dem Verlassen der Bühne noch nicht zu Ende sind und ihre Merchandise-Produkte sehen schon fast nach einem echten Modelabel aus. Auch ihren neuen Longplayer Berlin möchte man eigentlich schon allein wegen des großartigen Artworks am liebsten auf zwölf Zoll im eigenen Regal stehen haben. Nur hat man dabei eins nicht beachtet: Dank aufwendigem Fan-Service und großspurigem Authentizitäts-Gehabe ist einem gar nicht aufgefallen, das die Musik des Trios kontinuierlich schlampiger wird. So sehr ich auch das Debüt der Berliner liebte, so sehr muss ich eingestehen, dass es seit ihrem Major-Deal bei Nuclear Blast bergab geht. Abra Kadavar war vor zwei Jahren der mittelprächtige Versuch, noch einmal das kleine Wunder des Vorgängers zu vollbringen: Dreckiger Proto-Metal-Sound, analog aufgenommen, Riffs über Riffs über Riffs. Das ganze war ziemlich leicht durchschaubar, ein paar gute Songs kamen dabei trotzdem um die Runden. Mit Berlin hat sich jetzt die Orientierungslosigkeit bei Kadavar breit gemacht. Ich hatte ja gehofft, dass es ein paar Veränderungen im klanglichen Schema der Band geben würde. So wie die jetzt allerdings ausgefallen sind, hätte man sich das ganze auch sparen können. Der Opener Lord of the Sky (geht's noch pathetischer?) serviert einem gleich zu Anfang das wohl ausgelutschteste Desert-Rock-Motiv des Jahres und einen billigen Song im Schlepptau. Und damit ist es sogar noch eines der besten Stücke hier, da es wenigstens eingängig ist. In den meisten der elf Tracks hier werden dagegen einfach lieblos Black Sabbath, ZZ Top, Steppenwolf und ein bisschen Fu Manchu zu einer monochromen Hardrock-Grütze vermanscht, die nach speckigen Lederjacken und Harley-Abgasen müffelt. Der einzige Song, der sich zumindest ein wenig diesem Schema entzieht, ist Filthy Illusion, ein leichter, melodischer Popsong, der tatsächlich so etwas wie ein Freiheitsgefühl vermittelt und eben nicht bleischwer aus dem antiken Röhrenverstärker poltert. Mit mehr klanglichen Elementen von diesem Schlag hätten Kadavar ein richtig gutes Album abgeliefert, das mutig ist und nicht nur auf nostalgische Verklärung von Musik setzt, die schon vor 45 Jahren doof war. Dass so etwas geht, haben uns dieses Jahr schon Colour Haze und Spidergawd gezeigt, warum also fehlen ausgerechnet diesen Jungs die Eier dafür? Vermutlich, weil die Kaufkraft der missverstandenen Easy Rider dieser Welt am Ende doch größer ist als die derer, die sich ein bisschen Großmut in ihrer Rock'n'Roll-Romantik wünschen. Und weil die alte Hardrock-Schmonzette im Zweifelsfall eben doch funktioniert. Eine Schande ist das.
4/11

P.S.: Den einzigen wirklich coolen Biker-Song hat dieses Jahr sowieso Action Bronson gemacht.

Bester Song: Filthy Illusion

Nicht mein Fall: Last Living Dinosaur / Pale Blue Eyes / Reich der Träume

Weiterlesen:
Review zu II (Spidergawd):
zum Review

Review zu To the Highest Gods I Know (Colour Haze):
zum Review

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