Freitag, 7. August 2015

Königin der Nacht

CHELSEA WOLFE
Abyss

Sargent House
2015
















An Chelsea Wolfe führt 2015 kein Weg mehr vorbei. So gut es ging habe ich in vergangenen Jahren versucht, der neuen Prinzessin des Doom-Folk so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken, was sich spätestens jetzt rächt. Wo ich schon immer meine berechtigten Zweifel mit der Kalifornierin hatte, gilt sie für viele als große Hoffnung des immer größeren Düsterpop-Netzwerkes und ist nach Touren mit Russian Circles und Deafheaven schon lange kein Newcomer mehr. Im Moment sieht es sogar so aus, als könnte Wolfe die nächste Siouxie Sioux oder Tori Amos werden. Und Abyss könnte jetzt endlich das Album sein, mit dem auch ich das einsehe. Schon im Vorfeld der Veröffentlichung hatte es zahlreiche Singles gegeben, die ich zumindest besser fand als große Teile ihres bisherigen Materials und die den kommenden Longplayer spannend machten. Das endgültige Ergebnis ist nun zugegebenermaßen ihr bisher gelungenstes Werk, aber auch bei weitem das sicherste. Wolfe schreibt hier weiterhin sehr finstere, Metal-orientierte Tracks, die diesmal jedoch auch als Singer-Songwriter-Kram in laut und bestialisch durchgehen können. Auch hier gibt es beispielsweise dick aufgetragene Drones, allerdings sind diese so melodisch wie nie zuvor, was ihre Wirkung fast nichtig macht. Die Strukturen der Stücke hier sind alle klar definiert, fast keines (außer vielleicht das herrlich verschrobene Maw) verliert sich im atmosphärischen Delirium und verklausulierter Polyrhythmik. Abyss ist folglich die "Pop-Platte" der Chelsea Wolfe. Und wieso auch nicht? In den vergangenen Jahren ist die Popularität der Sängerin um ein Vielfaches gestiegen und ihre Songs erreichen heute ein Publikum, von welchem sie mit Apokalypsis von 2011 noch weit entfernt war. Das liegt unter anderem daran, dass sie eben auch nicht die finstere Höllenpriesterin spielen muss, sondern auch ein bisschen Popstar sein kann, wenn sie will. Auf Abyss will sie das mehr denn je. Und geht damit vielleicht den letzten Schritt in Richtung der Rolle, die ihr viele Blogger schon seit mindestens zwei Jahren zusprechen: die Anti-Laura Marling, die mit Gothic- und Doom-Einflüssen gegen den Songwriter-Einheitsbrei kontert. Und obwohl ich die echte Laura Marling am Ende doch noch lieber mag, habe ich nach diesem Album nicht mehr viel gegen Chelsea Wolfe in der Hand, denn sie füllt ihren Platz vorzüglich aus. Dass aus der noch etwas ganz großes werden könnte, ist so sicher wie das Nicht-Erscheinen eines neuen Tool-Longplayers in diesem Jahr. Nur schafft sie das ganz sicher auch ohne mich.
8/11

Beste Songs: Maw / Crazy Love

Nicht mein Fall: Grey Days

Weiterlesen:
Review zu Short Movie (Laura Marling):
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Review zu Infinite Dissolution (Locrian):
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