Freitag, 11. Januar 2019

Psychonauten raus!




















[ rockig | hymnisch | derbe ]

Vom ihnen anfänglich anhaftenden (und völlig unrechtmäßigen) Eindruck, sie seien nicht mehr als ein Nebenprojekt der großen Motorpsycho, haben sich Spidergawd spätestens in den letzten zwei Jahren endgültig emanzipiert. Zum einen natürlich musikalisch, mit einem stärkeren Fokus auf klassischen Hardrock statt auf Prog- und Psychrock, vor allem aber auch personell. Stand 2019 ist keines der Mitglieder dieser Band gleichzeitig mehr Mitglied bei der jeweils anderen, nachdem zuerst Ex-Sänger Bent Saether bei Spidergawd, ein Jahr später dann Drummer Kenneth Kapstad bei Motorpsycho ausstieg. Man könnte jetzt meinen, diese Kadertrennung wäre lediglich eine Formalität, doch spätestens auf ihrem fünften Album wirkt sich diese erstmals auch auf den Sound der Gruppe aus. Schon der Vorgänger Spidergawd IV von 2017 war wesentlich grobschlächtiger und Riff-orientierter, doch führte er noch immer viel Ballast vom Jazzrock- und Psychedelic-Erbe der Three Norsemen mit sich, zwei Jahre später hat sich der stilistische Wind nun engültig gedreht. Besonders durch den Weggang von Saether ist Spidergawd nunmehr vordergründig von ihrem zweiten großen Songwriter Per Borten (nicht zu verwechseln mit mit seinem Großvater, dem gleichnamigen ehemaligen Ministerpräsidenten von Norwegen) abhängig, der ein kompromissloser Rocker mit wenig Sinn für proggigen Schnickschnack ist. Und man merkte es schon auf den letzten beiden Album: Mit zunehmendem künstlerischen Einfluss Bortens wurde die Musik dieser Band derber, breitbeiniger und einfacher. Auf Spidergawd IV waren die Vergleiche zu Motorpsycho erstmals weiter entfernt als die zu den jüngeren Baroness, Blue Oyster Cult, Steppenwolf oder den Foo Fighters. Mit diesem Album kann man die Psychonauten nun erstmal ganz aus der Formel streichen, und wider Erwarten ist das sogar eine gute Nachricht. Denn wo ich Spidergawd am Anfang eher deshalb mochte, weil sie den Sound, den ich von der "Hauptband" Motorpsycho eh schon liebte, ein bisschen mit Hardrock und Proto-Metal anreicherten, sind sie spätestens jetzt eine völlig eigenständige, auf ganz individuelle Weise originelle Band. Ihre Promi-Stützräder haben sie abgeschnallt und machen nun richtigen Hardrock ohne zusätzlichen Blödsinn (bis auf die Saxofonsoli natürlich, die gehören zur Familie!). Grundsätzlich und strukturell ist das die beste Entwicklung, die Spidergawd hätten machen können und es ist schön, sie auf diesem Album so abgerundet zu hören. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass V insgesamt eine ihrer schwächeren Performances ist. Nachdem sie mit dem Vorgänger vor zwei Jahren ihren bisherigen kreativen Höhepunkt erreichten und zeigten, wie die neue Per Borten-Formel am besten funktioniert, wirkt sie hier leider ein bisschen automatisiert und monoton. Nur noch wenige Songs punkten diesmal mit dem starken Riffing und den gigantischen Dave Grohl-Hooks, die IV so gut machten. Viel öfter rackert die Band sich hier einfach nur an mäßig schmissigen Tracks ab, die in ihrem Songwriting ein bisschen veroren gehen. Früher war das kein Problem, da kam immer rechtzeitig Bent Saether und holte das Kind mit einer schmissigen Funk-Break aus dem Brunnen, inzwischen gibt es bei Spidergawd aber nur noch eine Richtung. Und wenn die niemand weiß, dann wird der Song eben Mist. Wie die Wurst gemacht wird, zeigt Borten hier noch auf einer handvoll Stücken wie All & Everything oder Whirlwind Rodeo, doch gerade an ihnen zeigt sich das leichte Kränkeln der restlichen LP. Tracks wie Avatar oder Do I Need A Doctor? sind nicht zwingend scheiße, sie sind nur deutlich weniger einfallsreich und verlassen sich zu sehr auf ihre eher mäßigen Melodiebögen. Eine trotz allem tight spielende Band wie diese hier bringt das nicht aus dem Konzept und V ist noch immer um Längen besser als das völlig unfokussierte III von 2016, doch Spidergawd haben die Messlatte seit ihrer Gründung eben auch ziemlich hoch angesetzt. Von ihnen eine rundum gelungene, durchweg spannende Rockplatten zu erwarten, ist 2019 nicht mehr übertrieben und wenn die aktuelle Edition dieses Niveau nicht hält, arbeiten die Norweger eben unter ihrem Niveau. Das ist hart, sie selbst wollten es aber auch nie anders. Und für eine Formation, die vor nicht langer Zeit den Hauptsongwriter gewechselt hat, ist es trotz allem beeindruckend. Mehr als ein vorrübergehendes Formtief ist das hier also ganz sicher nicht. Allerhöchstens Wachstumsschmerzen.


Klingt ein bisschen wie:
Baroness
Yellow & Green

Foo Fighters
Wasting Light

Persönliche Highlights: All & Everything / Ritual Supernatural / Knights of C.G.R. / Whirlwind Rodeo

Nicht mein Fall: Avatar

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen