Freitag, 23. Februar 2018

Steve Jobs im Karohemd




















Es gab mal eine Zeit, da tauchte Justin Timberlake als Bon Iver verkleidet bei den Grammys auf und machte sich in dessen Rolle pauschal über die Zunft der damals gerade ziemlich cool werdenden Folk-Songwriter lustig. Damals konnte er das machen, war er doch der extrem abgebrühte R'n'B-Star, der haufenweise extrem heiße Hits am Stück veröffentlichte und außerdem im Begriff war, eine ziemlich erfolgreiche Schauspielkarriere zu beginnen. 2018 scheinen beide Künstler inzwischen ihre Rollen vertauscht zu haben. Bon Iver macht mittlerweile Elektro-Soul, arbeitet mit Kanye West zusammen und ist zumindest nicht mehr ganz so der Typ, der auf jedem Track seiner Ex nachheult, während Timberlake sich gerade anschickt, so etwas ähnliches wie sein Country-Album zu machen. Zumindest ist es das, als was Man of the Woods sich vermarktet. Der Titel spricht für sich, auf dem Cover sieht man den Künstler mit Holzfällerhemd im verschneiten Wald und in der Feature-Liste taucht wenigstens einmal Chris Stapleton auf. Als ich Ende letzten Jahres mit diesen News konfrontiert wurde, war das für mich irgendwie schon ein bisschen komisch. Unter einer Back-to-the-Roots-Platte von Justin Timberlake hatte ich mir immer eher so etwas wie eine Bigband-LP oder meinetwegen auch ein zart besaitetes R'n'B-Album vom Schlag Frank Ocean vorgestellt. Aber in Nachheinen erscheint diese Entscheidung gar nicht mal soo blöd. Geboren und aufgewachsen in Memphis, Tennessee scheint eine Verbindung zu Country und Folk für seine Biografie nachvollziehbar und in einer Zeit, in der schon Justin Bieber und Britney Spears zart besaitete R'n'B-Alben machen, steht er damit definitiv auf der originelleren Seite. Und die Country-Ausflüchte, die in den letzten Jahren von Leuten wie Lady Gaga und Ke$ha kamen, waren ja gar nicht mal so schlecht. Allerdings ist Timberlakes Ansatz in diesem Fall dann doch ein bisschen sehr speziell. Nett formuliert könnte man sagen, sein sogenannter Folk klingt immer noch sehr nach seinen früheren Sachen. Wenn man ehrlich ist, hat er hier ein ziemlich grauenvolles Album gemacht. Wobei das Problem gar nicht mal darin liegt, dass sich hier an einem anderen Genre versucht wird. Tatsächlich sind die Elemente, die hier wirklich erkennbar aus dem Country kommen, ziemlich überschaubar. Viel mehr macht Timberlake hier ein für ihn sehr typisches Projekt, das lediglich mehr auf Gitarren basiert und ein paar andeutende Songtitel wie Montana oder Flannel hat. Das wars aber auch schon. Das wahre Problem hier ist, dass die Platte einfach sehr langweilig klingt. Schon auf den beiden Vorgängern der 20/20 Expierience gab es das Problem, dass dem Sänger die Hits ausgingen, doch hier wird es das erste Mal richtig sichtbar. Die Leadsingle Filthy ist auch auf das gesamte Album bezogen eine ziemliche Katastrophe und obwohl Timberlake es in so gut wie jedem Track hier versucht, bekommt er in 16 Stück davon nicht eine einzige gute Melodie zustande. Zunächst dachte ich, es läge daran, dass die Neptunes und Timbaland hier nicht mehr als Produzenten dabei sind, doch als ich dann nachschaute, waren sie in vielen Songs doch gelistet. Also scheinen auch die ziemlich an Grip verloren zu haben. Denn wo die früher dafür sorgten, dass jeder Drumschlag saß und Justins Gesang zum tightesten im Game machten, lassen sie hier so ziemlich alles schleifen und schaffen Strukturen, die man nach Sekunden wieder vergessen hat. Fast noch schlimmer sind aber Timberlakes Texte, die einfach nur jede Menge Fremdscham-Potenzial liefern. Der Versuch, Songs zu schreiben, die sexy klingen (und die eigentlich immer eine seiner leichtesten Übungen waren) geht in Tracks wie Filthy und Sauce komplett nach hinten los und allein die Tatsache, dass er dabei ständig Lebensmittel-Metaphern benutzt, ist extrem bedenklich. Auch der Rest des Albums läuft in Sachen Lyrik nicht wirklich besser, obwohl ich meinen Hut ziehe für den konzeptuellen Zwei-Song-Komplex Hers und Flannel, in dem Timberlake es schafft, ganze zwei Songs über ein Karohemd zu schreiben. Die fiese Ironie an Man of the Woods ist eigentlich, dass die Platte immer dann ein paar gute Momente hat, wenn sie Sachen von Bon Iver klaut, was erstaunlich oft passiert. Vor allem in Say Something, dem in meinen Augen besten Einzeltrack hier, fällt die Ähnlichkeit auf. Wirklich retten kann sie die ganze Mischpoke am Ende trotzdem nicht, dazu sind hier schon im Ansatz zu viele Dinge schiefgelaufen. Man of the Woods ist ein komplett verkopftes und infolgedessen extrem langweiliges und unspektakuläres Album, das darüber hinaus viel zu lang ist. Ganz davon abgesehen, dass es kein bisschen nach innerer Einkehr und Verwilderung klingt. Keine Ahnung, was Justin Timberlake und seine Produzent*innen sich hier gedacht haben, aber funktioniert hat es nicht. In meinen Augen ist das hier das schlechteste, was dieses Team auf LP-Format je veröffentlicht hat und so wie es aussieht, wird es als genau das auch in seine Diskografie eingehen. Das mit dem musikalischen Reifeprozess muss dieser Künstler definitiv noch lernen. Vielleicht fragt er ja mal Justin Vernon, der konnte das schon immer ganz gut.






Persönliche Highlights: Midnight Summer Jam / Say Something / Hers (Interlude) / Flannel / Young Man

Nicht mein Fall: Filthy / Sauce / Supplies / Montana / Breeze Off the Pond

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