Dienstag, 24. Januar 2017

Keine neuen Freunde

Natürlich ist es opportunistisch, genau jetzt damit anzufangen, über Wiley zu schreiben. Der Rapper ist bereits seit über einem Jahrzehnt eine der festen Größen der britschen Grime-Szene und war innerhalb dieser auch ohne Unterbrechungen aktiv. Doch erst im Zuge des momentan stattfindenden kleinen Revivals der Bewegung wird er auch für mich und die meisten anderen interessant. Nachdem Künstler*innen wie Little Simz oder Skepta in den letzten Monaten die Ofen fleißig vorheizten, wollen plötzlich auch alle wieder die Platten von Wiley hören. Und da trifft es sich, dass er mit Godfather genau jetzt eine ziemlich gute neue gemacht hat. Das ist in meinen Augen sicherlich eine sehr bewusste Entscheidung für mehr Fame und gleichzeitig doch irgendwie eine Kampfansage an den Hype. Denn wo beispielsweise das letzte Album von Little Simz einen sehr amerikanischen Sound übernahm und ganz klar sein Publikum auch auf der anderen Seite des Atlantik suchte, ist vieles hier nach wie vor sehr in den Ursprüngen der Szene verhaftet. Das äußert sich vor allem auf klanglicher Ebene in den sperrigen Bars, Feature-Gästen wie JME und Skepta oder extrem starken Einflüssen aus Dancehall und Dub. Textlich werden solche Belange nicht direkt adressiert, doch Wiley macht seine Ansichten stattdessen durch eine eiserne Oldschool-Haltung klar, die ich im Grime bisher nicht so intensiv beobachtet hatte. Ständig macht er hier darauf aufmerksam, dass die Szene kein neues Phänomen ist und er selbst alles andere als ein Newcomer. Allein der Titel Godfather ist ja schon Hinweis genug, in welcher Postion der Rapper sich innerhalb der Bewegung sieht. Aber egal, wie man das jetzt findet, eigentlich haben wenige andere so sehr das Recht zu diesen Botschaften wie Wiley. Und ganz davon abgesehen verpackt er das ganze musikalisch so clever, dass es eine wahre Freude ist. Wem 2016 das Album von Skepta gefallen hat und der bereit ist, sich noch ein Stückchen weiter in die Kaninchenhöhle des Grime zu bewegen, wird sich hier definitiv wiederfinden. In Sachen Bars ist Wiley fast genauso fit wie sein Kollege und instrumental mag er es hier gerne noch ein wenig finsterer. Und er macht Dinge wie den Dancehall-Beat von Speakerbox, die sich "pro-amerikanische" Künstler mittlerweile vielleicht nicht mehr trauen. Dafür sind seine Tracks auch nicht ganz so eingängig wie die Anderer, werden auf eine Länge von 57 Minuten ein klein wenig öde und man kann als gewohnheitsmäßiger Trap-Fan nicht ganz so leicht umsatteln. Auch ein paar etwas peinliche Cuts finden ihren Weg auf die Platte, wie die ulkige Ballade U Were Always Pt. 2 oder die gesungene Hook von Lucid. Dafür gehen aber scheinbar zum Scheitern verurteilte Momente wie der Auftritt der türkischen Emo-Band MaNga in Laptop oder das Akustikgitarren-Instrumental in Like It Or Not ziemlich gut auf. Am Ende ist Godfather also ein durchaus bemerkenswertes Grime-Album, dass als Deep Cut in die Szene durchaus interessant ist. Wer wie ich allerdings Hits braucht, muss das hier nicht unbedingt gut finden. Wenn der sowieso schon kleine Hype um den britischen Rap in einigen Monaten vorbei ist, wird sicherlich auch Wiley wieder in den Tiefen des Undergrounds verschwinden, wo er meiner Meinung nach auch viel besser aufgehoben ist.





Persönliche Highlights: Birds N Bars / Name Brand / Speakerbox / Back With A Banger / Joe Bloggs / Can't Go Wrong / On This

Nicht mein Fall: U Were Always Pt. 2

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