Dienstag, 9. Oktober 2018

Let's Get Spooky!





















Marissa Nadler war bisher immer eine Künstlerin, um deren Output ich mich ziemlich gut herumdrücken konnte. Seitdem ich mit diesem Format hier aktiv bin, hat die Songwriterin aus Washington D.C. bereits drei Longplayer veröffentlicht, keinen davon habe ich in dieser Zeit besprochen. Für mich gab es in ihrer Musik schlichtweg nichts, was ich nicht auch bei einer Laura Marling oder Sharon van Etten finden konnte, die mich als künstlerische Charaktere bisher immer mehr interessierten. Was Nadler fehlte, war in meinen Augen eine Art starkes stilistisches Profil, das ihre Songs von anderen absetzte, beziehungsweise eine LP, die sowas irgendwie definierte. Im Nachhinein könnte the Sister von 2012 dafür schon ein guter Ansatz gewesen sein, doch hatte ich damals einfach noch nicht ganz das Ohr für sowas. Und alles, was von ihr danach kam, war leider eher durchschnittlich. Zumindest bis zu diesem Herbst. Dass For My Crimes ein anderes Album werden würde als seine Vorgänger, kündigte sich schon früh an: Singles wie der Titeltrack oder das grantige Blue Vaper waren eine ganze Spur düsterer und böser als Nadlers bis dato eher folkige Sachen und allein Name und Artwork der Platte sprachen eine deutliche Sprache. Das hier ist nicht mehr das Werk einer unbescholtenen Americana-Künstlerin, die romantische Nummern auf ihrer Gitarre klimpert, das hier ist die andere Seite der Medaille. Nadler ist hier als Songwriterin nicht nur reifer, nüchterner und realer geworden, sondern im Zuge dessen auch fieser, hoffnungsloser und bisweilen sogar ein bisschen gruselig. Ein bösartiger Geist spukt durch die meisten dieser Songs, die zwar in den meisten Fällen nicht unversöhnlich sind, aber auch alles andere als harmonisch. Häufig geht es dabei um vergangene Fehler, das Eingestehen von Reue, aber auch um das Aufreißen alter Wunden und ein Hinwegsetzen über Ängste. Wobei Marissa Nadler nur sehr selten zaghaft vorgeht und hart mit sich ins Gericht geht. "I've done terrible things / cold and careless lies / you can watch behind the glass as I / pass through serpentine" heißt es beispielsweise gleich im Opener, und gemessen daran kann man sich denken, warum ich Bock auf dieses Album hatte. Es versprach eine neue Tiefe und Ehrlichkeit, die ich von ihr bisher nicht kannte und die ich aufregend fand. Doch wenn man sich jetzt das Gesamtergebnis ansieht, bleibt davon auch vieles auf der Strecke. Es gibt sie durchaus, diese unbarmherzigen, abgrundtiefen Songs, die einen in Mark und Bein erschüttern, doch sind sie auf For My Crimes doch definitiv in Unterzahl. Stattdessen gibt es wieder viele dieser kontemplativen und abstrakten Cuts wie Lover Release Me, Flame Thrower oder Dream Dream Big in the Sky, die zwar auch ziemlich gut sind, aber eben auch nicht besser als das Zeug auf ihren bisherigen Alben. Und gerade auf letzteres hatte ich hier ja gehofft. So ist diese Platte am Ende ein bisschen wie ein Horrorfilm, der an sich ganz gut ist, aber nur zwei, drei wirklich gruselige Szenen dabei hat. Ich habe vor dieser LP mehr Schiss als vor allem von Chelsea Wolfe, und das ist schon mal was. Aber es ist eben nicht der stilistische Bruch, den Marissa Nadler in meinen Augen gebraucht hätte, beziehungsweise, den ich von ihr gerne gesehen hätte. Und so ist sie auch das hier nicht jenes eine Album, das ihrer Karriere das nötige Profil verleiht. Aber wenigstens habe ich jetzt auch mal ein paar Worte darüber geschrieben.






Persönliche Highlights: For My Crimes / Blue Vapor / Interlocking / You're Only Harmless When You Sleep / Said Goodbye to That Car

Nicht mein Fall: Lover Release Me / Flame Thrower

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