Dienstag, 30. Oktober 2018

10 Songs im Oktober 2018 (Charli XCX, Little Dragon, Beirut und und und...)

























1. THOMAS BANGALTER
Riga Take 5
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Man erlebt es selten genug, das eines der Mitglieder von Daft Punk musikalisch mal ohne den jeweils anderen unterwegs ist, da ist ein Stück wie Riga Take 5 schon an sich eine spannende Sache. Dass es dann aber auch noch so ein großartiger geworden ist und dieser stilistisch so weit abseits von Thomas Bangalters eigentlichem Hauptwerk stattfindet, ist selbst bei einem so talentierten Künstler wie ihm ein kleinerer Lottogewinn. Der besagte Titel ist ein viertelstündiger Longtrack, in dem der Franzose seine Nostalgie für dreckig gemachten Acid Techno bemüht und dabei eine sehr schwitzige und düstere Nummer aus dem Hut zaubert, die genausogut aus seiner Zeit vor Daft Punk stammen könnte. Sicherlich eher nichts für die Erolgsfans der Pop-Ikone Bangalter, aber nichtsdestotrotz ein besonderes Kleinod in der Diskografie dieses Typen.

2. KODAK BLACK
If I'm Lyin, I'm Flyin
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Bisher war Kodak Black eigentlich überhaupt nicht der Typ für tiefsinnige Lyrics und ernste Botschaften in seinen Songs, sondern eher der Typ hedonistischer Soundcloud-Rapper, die dieser Tage viel Rauschen produzieren. Nachdem er allerdings den größten Teil der letzten beiden Jahre hinter Gittern verbrachte, scheint er auf seiner ersten Single als freier Mann etwas an Weisheit zugelegt zu haben. If I'm Lyin', I'm Flyin ist dabei nicht nur ein reumütiger Song voller Zugeständnisse, religiöser Läuterungen und neuer Überzeugungen, es ist vor allem auch ein musikalischer Stilbruch für Kodak zu einem erwachseneren, ehrlicherem Künstler, der seinen Erfolg als Chance begreift, vergangenes hinter sich zu lassen. Eine dieser schönen Stories also, die nur Hiphop zu schreiben vermag.

3. CHARLI XCX & TROYE SIVAN
1999
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Neunziger-Nostalgie ist an und für sich eine Sache, die schon ätzend war, als es sie noch gar nicht gab und ich will absolut nicht behaupten, dass dieser Song nicht alles noch schlimmer machen würde. Allerdings ist ja das tolle daran, dass sich Charli XCX und Troye Soivan ihres Tuns durchaus bewusst sind und in 1999 eben diese MTV-Crystal Pepsi-Web 1.0-Sehnsucht auch ein bisschen durch den Kakao ziehen. Im Video sind sie Kate Winslet, TLC, Eminem und Justin Timberlake und der Songtext zitiert Britney Spears und CD-Player. Dass abgesehen davon nur sehr viele hohle Phrasen aufgeschlagen werden, macht das ganze fast schon zur Parodie. Und hätten die beiden sich nicht diese verflucht eingängige Hook ausgeschnapst, ich würde den Track vermutlich hassen. So ist es einer meiner Favoriten des Monats geworden...

4. RUN THE JEWELS
Let's Go (the Royal We)

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Lange schon sind Run the Jewels nicht mehr ausschließlich zwei sehr gute Rapper, die sich Beats schneidern lassen, spätestens seit ihrer zweiten LP sind sie auch die heimlichen Verwalter des Raprock geworden. Und wo ich das bisher eigentlich immer für eine schlechte Idee hielt, machen sie das ganze ausgerechnet auf ihrem Beitrag für den Venom-Soundtrack das erste Mal richtig. Let's Go steigt mit einem bratzigen Gitarrenriff ein, das später in ein fast elektronisch wirkendes Instrumental morpht und die perfekte Basis für die natürlich wie immer großartige Performance von Killer Mike und El-P bereitlegt. Wobei sich noch eine weitere Theorie von mir bestätigt: Ihre besten Stücke machen Run the Jewels auch 2018 außerhalb ihrer eigentlichen Longplayer.

5. LITTLE DRAGON
Lover Chanting
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Nachdem Little Dragon in den letzten Jahren zunehmend ihre elektronisch-experimentelle Seite suchten und sich in kantige Sounds einigelten, tut es unglaublich gut, hier erstmals seit langem wieder einen richtigen Popsong von den Schweden zu hören. Nicht, dass sie zuletzt irgendwie doof gewesen wären, doch es ist schon ein Unterschied wie Tag und Nacht, ob man mit einem entrückten Indie-Kunstwerk Überzeugungsarbeit leisten muss oder einfach einen Hit abliefert, der direkt in der ersten Minute das gleiche leistet. Und Lover Chanting ist definitiv ein Hit, mehr noch als die früheren Sachen der Band, der mit extrem starker Hook und groovigem Beat keine zwei Meinungen zulässt. Dabei dachte ich schon, Litte Dragon hätten diese Musik verlernt.

6. J MASCIS
Web So Dense

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Man kann mich mittlerweile definitiv nicht mehr von der Meinung abbringen, dass der Solo-Mascis seit einigen Jahren wesentlich bessere Arbeit leistet als der Dinosaur-Jr-Mascis und sich auf seinen Platten Stück für Stück weiter neu entdeckt. Schon Tied to A Star war 2014 klasse und sein bald erscheinendes neues Projekt Elastic Days scheint ähnliches zu versprechen. Vor allem dank Web So Dense, einem der bisher, ähem...energischsten Songs seiner Solokarriere, die mit vollem elektrischem Instrumentarium und Streichern die Gefilde des Songwritertums endgültig verlässt. Dass unser liebster Indie-Opa sich dabei überanstrengt, braucht man trotzdem nicht zu befürchten, Mascis ist hier so schlurksig und schrullig wie eh und je. Und ich hoffe, dass er diese Balance weiterhin hält, denn im Moment trägt diese noch zu ziemlich tollen Tracks bei.

7. JULIA HOLTER
Words I Heard
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Weil es 2018 scheinbar noch nicht genügend tolle Alben von talentierten Kammerpop-Diven gab, hat letzte Woche auch Julia Holter ein neues Projekt veröffentlicht, und weil mein Artikel dazu ganz sicher erst im neuen Monat kommt, kann die beste Single davon genauso gut auch in dieser Rubrik stehen. Words I Heard verlässt in seinen fast sieben Minuten weitgehend die Rustikalität des letzten Longplayers und setzt mit Streichern, Piano und Autotune auf eine deutlich sakralere Ausrichtung, die entgegen aller Vorstellung erstaunlich gut funktioniert. Zwischen Björk, Thom Yorke und John Williams findet die Kalifornierin hier einen wahnsinnig erhabenen Sound und eine Ausdrucksweise, die große Lust darauf macht, sie auf Albumlänge zu hören. Der Beschluss, ihre Musik scheiße zu finden, scheitert damit erneut bereits im Ansatz.

8. BEIRUT
Gallipoli

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Wahrscheinlich bin ich die einzige Person hier, der bei der Ankündigung eines neuen Albums von Beirut noch regelmäßig das Wasser im Mund zusammen läuft und wo ich das beim im Nachhinein eher okayen No No No von 2015 noch irgendwie verstehen konnte, bin ich diesmal entsetzt: Wie kann man eine so großartige Leadsinge wie Gallipoli bitte doof finden? Hat sie doch alles, was an dieser Band nach wie vor so großartig ist: Die leichten elektronischen Tupfer im Hintergrund, Zach Condons klagende Folk-Stimme, die zarten Backing-Vocals und als dicke Sahnehaube einen gigantischen Balkan-Bläsersatz an der Spitze. So wie hier klingen Beirut nur auf ihren besten Tracks und das hier ist endlich mal wieder einer. Warum freut sich niemand darüber?!

9.UNKNOWN MORTAL ORCHESTRA
Hanoi-6

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Ein doofes Album haben Unknown Mortal Orchestra in diesem Jahr schon gemacht, meine Skepsis war also berechtigt, als sie noch in der gleichen Saison das nächste ankündigten, das zudem noch ein instrumentales Psychedelic-Ambient-Projekt sein sollte. Aber was theoretisch nach der größten Schnapsidee der Australier klingt, könnte ihr Weg zurück in die Kredibilität sein. Denn was dieser fast zehnminütige Teasertrack verspricht, ist so einiges. Hanoi-6 ist ein Trance-einflößender, minimalistischer Slow-Jam, der krautrockig Riffs strapaziert, stilvoll eine Maultrommel einzubinden vermag und als kleinen Bonus vielleicht schon jetzt den Preis für das beste Saxofonsolo des Jahres einheimst. Can, Tortoise und Pink Floyd lassen grüßen und wenn die komplette neue Platte so wird, könnte sie doch noch so einiges aufwirbeln. Hoffen wir also das beste.

10. POWERS PLEASANT feat. DENZEL CURRY, IDK, ZOMBIE JUICE & ZILLAKAMI
Please Forgive
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Gute Posse Cuts gab es dieses Jahr eher wenige und wenn, dann eher nicht von den Großen im Business. Und dass mit Powers Pleasant, Denzel Curry, IDK, Zombie Juice und ZillaKami hier eine ganz beachtliche Squad aus Untergrund-Rappern zusammenkommt, ist auch eher wieder ein Pluspunkt für die Generation Bandcamp. Dafür stimmt auf diesem Song dann aber auch wirklich alles: Absolut jeder MC hier bringt einen sehr originellen Beitrag ein und überzeugt mit guten Lines, alle sind stilistisch irgendwie unterschiedlich und der dazugehörige Beat ist ebenfalls ein echter Hingucker. Wer dieses Jahr noch ein gemeinsames Projekt der Rapper hören will, über die spätestens nächstes Jahr alle reden, sollte das nicht verpassen.


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