Montag, 29. Oktober 2018

Reproduktionsfunktion





















Als die Cloud Nothings im Januar 2017 das letzte Mal einen vollwertigen Longplayer veröffentlichten, schrieb ich in meinem Post darüber sehr viel darüber, wie die Band sich schwer damit tat, das Vermächtnis ihres einzigen großen Albums Attack On Memory anzutreten. Das zu jenem Zeitpunkt gerade mal fünf Jahre alte Projekt war über die Zeit seiner Existenz zu einer Art Schatten geworden, der Dylan Baldi und seine Kollegen auf Schritt und Tritt folgte und der an jede neue Platte, die das Quartett seitdem veröffentlichte, seine unbarmherzig hohe Messlatte anlegte. Was auch kein Wunder ist: Mit Produktion von Steve Albini, einem extrem energischen Sound zwischen Grunge, Punk, Hardcore und Indierock und zeitlosen Songs wie Stay Useless oder Wasted Days war das Ding eines der wichtigsten Statements lauter Rockmusik in der letzten Dekade. Und wenn man einmal so ein Meisterwerk macht, steht man später auch in dessen Verantwortung. Je nachdem, wie man es interpretiert, war Life Without Sound im letzten Jahr dann entweder die Kapitulation oder das Hinwegsetzen über die zum Fluch gewordene LP und der Zeitpunkt, an dem Cloud Nothings zeigten, dass auch sie keinen Bock mehr darauf hatten. Mit ziemlich seichtem Emorock und einer ganzen Reihe ziemlich öder Tracks war der darauf folgende Neuanfang zwar eher ernüchternd, aber er war immerhin einer und das war auch okay so. Die Gruppe brauchte erstmal wieder einen stilistichen Marschplan und den Platz, in Ruhe Songs zu schreiben. Vor allem sollte das Album aber erstmal klar machen, dass es so etwas wie ein zweites Attack On Memory nicht geben würde. Auch von Seiten der Band aus. Und trotzdem sitze ich knapp zwei Jahre später hier und schreibe einen Artikel über die Platte, die genau das geworden ist: Der wirklich würdige Nachfolger des Opus Magnum von 2012. Nachdem Baldis Jungs mit einem mittelmäßigen Album im Jahr 2014 und danach einer langen stillen Phase zunächst ziemlich erfolglos versucht hatten, den großen Wurf irgendwie zu beerben und Life Without Sound diesem Bestreben eigentlich absagte, kommt das jetzt schon ganz schön überraschend. Zumal die Band die Energie, die ihr anscheinend über Jahre hinweg dazu fehlte, hier einfach aufhebt wie verloren geglaubtes Lieblings-T-Shirt und im gleichen Berserkergang wie vor sieben Jahren weiterzappelt, ohne mit der Wimper zu zucken. Und obwohl ich das grundsätzlich begrüße und das hier ganz klar ihr bestes Material seit Attack On Memory ist, ist eine gewisse Skepsis durchaus nicht unangebracht. Denn eigentlich bringt ihnen dieses Album so gut wie gar nichts. Nicht nur unterbricht es auf komische Weise die begonnene musikalische Neufindung auf dem Vorgänger, es kommt auch ein ganzes Stück zu spät, um wirklich der legitime Nachfolger seines älteren Bruders sein zu können. Wäre so ein Album direkt 2013 oder 2014 gekommen, wäre es vielleicht das Wish You Were Here zu Cloud Nothings Dark Side of the Moon geworden und hätte die Band wirklich weitergebracht. So wie es jetzt steht, ist Last Building Burning nur die LP, die das Wunder der einen großen Platte am effizientesten reproduziert. Das macht sie im eigentlichen nicht weniger gut, aber weniger zu einem Ereignis. Und es wirkt ein bisschen wie der Versuch, es jetzt doch noch mal mit dem alten Kram zu probieren, weil alles danach irgendwie semi funktioniert hat. Es ist, als würde die Nationalmannschaft, nachdem das komplette Spielkonzept auf Nachwuchsspieler umgestellt worden ist und neue Strategien gefunden wurden, jetzt trotzdem wieder Lukas Podolski verpflichten, weil es mit ihm ja immer noch am besten lief. Man kann das machen und Cloud Nothings nutzen es zu ihrem Vorteil, aber es ist auch nicht die schönste Variante, gute Songs zu schreiben. Wobei gute Songs immer noch tausendmal besser sind als schlechte.






Persönliche Highlights: On An Edge / Leave Him Now / Offer An End / Dissolution

Nicht mein Fall: So Right So Clean

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