Montag, 2. November 2020

Der Struggle mit Mike

Open Mike Eagle - Anime, Trauma and Divorce
 
 

[ biografisch | komödienhaft | eloquent ]

Sechs Jahre ist es nun schon her, dass ich das erste Mal von diesem Rapper namens Open Mike Eagle hörte und mehr oder weniger genauso lange dauert inzwischen auch mein ziemlich kompliziertes Verhältnis zu seiner Musik an. Ein Verhältnis, dass geprägt ist von viel theoretischer Verehrung, aber auch von viel praktischer Enttäuschung. Und in dem ich immer ein wenig das Gefühl habe, die Kunst dieses Mannes nicht so richtig zu verstehen. Denn rein von der Sache her ist der MC aus Chicago eigentlich jemand, der sehr viele Attribute triggert, die ich bei Rapmusik sehr gerne mag. Ähnlich wie ein Rory Ferreira oder Quelle Chris, zu deren Dunstkreis er auch seit langem gehört, ist Mike ein Typ, der sich durch einen sehr guten Geschmack beim Picken von smoothen Jazzrap-Samples auszeichnet, ein Faible für biografische Storykonzepte hat, sehr eloquent texten kann und darüber hinaus einen ziemlich coolen Humor an den Tag legt. Und dass diese Kombination an Elementen funktioniert, zeigt sich dadurch, dass seine Musik seit dem Szene-Durchbruch Dark Comedy von 2014 mit jedem seiner Longplayer beliebter wird. Bisheriger Höhepunkt war dabei vor drei Jahren Brick Body Kids Still Daydream, ein bewundernswertes Konzeptalbum über Kindheit, Heimat, das Älterwerden und Gentrifizierung, für das ich jede Verehrung theoretisch verstehen kann. Nur für mich persönlich ist das Ding auch nach diversen Versuchen noch immer nicht interessant und schafft es beim besten Willen nicht, mich zu packen. Und auch die meisten anderen Projekten von Mike, die ich über die Jahre gehört habe, lösen überraschend wenig bei mir aus. Die Idee finde ich häufig super, nur die Umsetzung stimmt vorne und hinten nicht. Leider auch bei dieser neuesten LP von ihm. Strukturell ist dabei vieles wie immer. Wieder gibt es hier ein loses Konzept, das vordergründig um Mikes Scheidung kreist, aber auch um generelle psychische Unzulänglichkeiten und - aus irgendeinem Grund - Anime. Die Texte sind dabei angenehm selbstironisch und finden in tragischen Momenten von Selbstzweifel, Wut und Kummer (wie gesagt, es geht um eine Scheidung) erneut jenen finsteren Galgenhumor, den viele an diesem Künstler so mögen. Und ja, auch ich finde Tracks wie the Black Mirror Episode oder WTF is Self-Care witzig. Was allerdings auch hier wieder fehlt, ist ein konsequentes Setting, in dem diese Gags Platz finden. Sicher, das Album etabliert erfolgreich ein Thema und bewegt sich innerhalb davon auch souverän, doch immer wieder gibt es inhaltliche Bestandteile, die damit nur sehr lose oder überhaupt nicht zusammenhängen. So taucht beispielsweise das Anime-Motiv immer wieder vereinzelt auf, ist aber dabei nie wirklich stringent und ohne Bezug zum Rest der Themen. Auch gibt es Songs wie Headass, die zwar in sich stimmig sind, aber an das gesamte Album nur sehr oberflächlich andocken (und im besonderen Fall dieses Tracks auch einfach ein bisschen plump sind). Auch ist die Platte instrumental sehr unstet und holt immer wieder Gäste dazu, die das Erlebnis stilistisch völlig aus der Fassung bringen. Die einzelnen Songs sind dabei meistens nicht schlecht, nur im Sinne eines Konzeptalbum ist mir das hier einfach viel zu chaotisch. Das zusammen mit anderen Faktoren wie ödem Songwriting und mittelmäßigen Performances sorgt dafür, dass mir wie schon bei Brick Body Kids das durchaus emotionale und tragische Thema in dieser Version einfach nicht besonders nahe geht. Klar ist es auch ein bisschen Absicht, hier nicht so sehr auf die Tränendrüse zu gehen und auch ein paar Lacher zu provozieren, aber mir ist das meistens einfach egal. Und es fehlt mir schlichtweg der Rahmen, um diese Vielfalt an punktuellen Eindrücken zu verorten. Solltet ihr dieses Problem bei Open Mike Eagle nicht haben, hat das hier durhaus das Potenzial ein ziemlich gutes Album zu sein und anscheinend bin ich mit meiner Skepsis auch hier eher in der Unterzahl. Wenn euch das hier künstlerisch interessiert, kann ich nur dazu anhalten, es auszuprobieren. Nur ich werde damit wahrscheinlich nicht mehr warm.

Hat was von
Milo
So the Flies Don't Come

Quelle Chris
Guns

Persönliche Höhepunkte
Death Parade | Sweatpants Spiderman | the Black Mirror Episode | WTF is Self-Care

Nicht mein Fall
Headass (Idiot Shinji) | Fifteen Twenty Feet Ocean Nah

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