Donnerstag, 12. November 2020

Wo Worte nicht mehr reichen


[ natürlich | indiefolkig | quirky | minimalistisch ]

Die letzten zwei Jahre haben mich in Bezug auf Adrianne Lenker zwei Sachen gelehrt. Erstens: Es heißt Adrianne nicht Adrienne. Zweitens: Ohne ihren Beitrag wäre meine musikalische Erfahrung in dieser Zeit ganz sicher nicht die gleiche gewesen. Seitdem ich sie im Herbst 2018 auf Abysskiss entdeckte, mauserte sie sich in Nullkommanichts zu einer meiner Lieblingskünstlerinnen, die sowohl solo als auch mit ihrer Band Big Thief durchweg zu überzeugen wusste und deren Alben inzwischen zwei Jahre in Folge unter meinen besten 15 Platten der Saison sowie unter meinen Lieblingsalben der vergangenen Dekade waren. Und aufgrund der unfassbaren Magie, die ihre filigranen Indiefolk-Balladen auf jedem ihrer Projekte ausstrahlen, habe ich auch keinen Zweifel daran, dass sie hier ist, um zu bleiben. Wobei auch immer noch eine Sache bleibt, die ich von ihr in diesen zwei Jahren noch nicht gelernt habe. Und das ist eine Methode, wirkungsvoll über ihre Musik zu schreiben. Obwohl es so viele Dinge gibt, die an Lenkers Musik atemberaubend gut sind, sind viele davon solche, die man hören muss, um sie zu begreifen. Denn was die New Yorkerin technisch macht, ist nicht viel mehr als singen und Gitarre zu spielen. Es sind die unsagbaren Feinheiten dazwischen, die bei ihr die Magie ausmachen. Das Timbre ihrer Stimme und wie sie ihre Zeilen intoniert, die Akkordfolgen der Gitarre und wie sie gestimmt ist, teilweise sogar die Stille zwischen den Tönen, die die Zartheit dieser Songs transportiert. Sachen, die zu hundert Prozent in der Musik stattfinden. Und ja, auch auf dieser neuen Platte ist diese Schönheit mal wieder unfassbar. Adrianne Lenker macht auf Songs weiterhin das, was sie bereits auf ihren letzten drei Alben gemacht hat und wieder habe ich den Eindruck, dass sie diesen klanglichen Stiefel ästhetisch nicht abnutzt, sondern immer versierter damit wird. So gut wie alle Songs hier sind absolut brilliant in ihrer verknitterten, rauhbeinigen Kindlichkeit und selbst Heavy Focus, die einzige kleine Delle in der Tracklist, ist alles andere als schwach. Wieder kann ich dabei jedoch nicht mehr tun, als zu sagen, wie gut es ist, ohne groß darauf eingehen zu können, warum eigentlich. Klar könnte ich jetzt damit anfangen zu sagen, dass Lenker vielleicht denjenigen gefällt, die Jessica Pratt oder Joanna Newsom mögen. Ich könnte ihre Texte analysieren und die Aussagen darin interpretieren. Ich könnte Interviews mit ihr zitieren. Doch kann all das in meinen Augen nicht den wunderbaren Vibe erklären, mit dem diese Frau Musik macht und alles, was ich hier schreibe, empfinde ich selbst letztendlich als müßig, denn es wird  niemanden effektiver dazu bringen, diese Songs zu verstehen. Das einzige was ich effektiv tun kann, ist jede Person, die diesen Post liest, dazu aufzufordern, diese LP anzuhören. Also bitte, tut euch den Gefallen. Und denkt daran: Genuss ist nicht immer Verstehen. Genuss ist manchmal einfach Genuss.


Hat was von
Joanna Newsom
Divers

Jessica Pratt
Quiet Signs

Persönliche Höhepunkte
Two Reverse | Ingydar | Anything | Forwards Beckon Rebound | Half Return | Come | Zombie Girl | Not A Lot, Just Forever | Dragon Eyes | My Angel

Nicht mein Fall
-

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