Samstag, 7. November 2020

Humble Opinions

Black Thought - Streams of Thought, Vol. 3: Cane and Able  

[ philosophisch | lyrisch | bescheiden ]

In einem sonst so ego-zentrierten Business wie dem des kommerziellen Rap war eine Band wie the Roots lange Zeit eine absolute Ausnahmeerscheinung. Nicht nur deshalb, weil sie über 30 Jahre lang für sehr besondere Hiphopmusik verantwortlich waren, sondern auch deshalb, weil sie über diese gesamte Zeit immer sehr als Kollektiv funktionierten. Über ihre komplette Karriere hinweg gab es von ihren Mitgliedern fast keinerlei nennenswerte Solo-Ableger und keinen in der Gruppe, der mit nachhaltiger Wirkung als ihr öffentliches "Gesicht" auftrat. Und was gut an ihnen war, wurde immer als umfassende Teamleistung begriffen, auch wenn der wesentliche lyrische Beitrag dabei zumeist von ein und demselben Künstler stammte, nämlich Black Thought. Der ist Stand 2020 nicht nur der einzige verbleibende Rapper im Lineup (R.I.P. Malik B.), sondern auch der einzige, der seit der Gründung Ende der Achtziger konstant dabei war. Und dass ihm als bester MC der Roots automatisch auch ein Platz im Walhalla der besten US-Rapper generell gebürt, ist ein Argument, dass man gerade in den letzten Jahren häufiger hört. Witzigerweise ziemlich genau ab dem Zeitpunkt, an dem er sich entschied, sich erstmals ernsthaft als Solokünstler zu versuchen. Der Zeitpunkt ist dabei denkbar günstig. Der Großteil der verbleibenden Roots, die gemeinsam seit 2014 kein gemeinsames Album mehr gemacht haben, ist zum Zeitpunkt noch immer ziemlich gut als Studioband der Tonight Show mit Jimmy Fallon eingebunden, was Black Thought Band-technisch ziemlich arbeitslos macht. Und nachdem nun bereits vor zwei Jahren in EP-Form die ersten beiden Teile von Streams of Thought erschienen, auf denen der Rapper sich als Einzelgänger und musikalischer Kurator betätigte, folgt mit Teil drei nun endlich auch der Schritt zum offiziellen LP-Format. Mit gerade Mal 34 Minuten Spielzeit ist dieses vom Umfang her noch immer recht bescheiden gehalten, macht das aber direkt mit seiner prominenten Gästeliste wieder wett. Mit Schoolboy Q, Pusha T, Killer Mike und Swizz Beatz sind hier eine ganze Menge tolle MCs mit noch tolleren Parts vertreten und sorgen neben dem Hauptact dafür, dass diese LP von lyrischem Talent nur so überströmt. Darüber hinaus gibt es mit den drei Songs Quiet Trip, Nature of the Beast und Fuel auch eine Art Mini-EP innerhalb des Albums, in der Black Thought eine übergreifende Zusammenarbeit mit the Last Artful, Dodgr und Portugal.the Man unternimmt. Und diese Art des Kanye West-mäßigen Kuratierens von Features und Einflüssen ist definitiv eine Kunst, die der Rapper mehr und mehr meistert. Nicht nur, indem er viele gute Leute hierzu einlädt, sondern auch durch sorgfältige Auswahl der Samples, Instrumentals und eingesponnenen O-Töne, die hier auftauchen. Dass Cane & Able ein sehr politisches Album ist, kann man sich bei einem Typen wie ihm dann sicher denken und wie viele seiner Kolleg*innen wälzt auch er hier schwere Theorien über Kolonialismus, Rassismus, Befreiung, Bürde, Vergangenheit und Zukunft. Lyrisch ist er dabei klasse, wenngleich eher auf einer poetischen Ebene. Das heißt wo er sehr schöne sprachliche Bilder und Metaphern findet, um seine Denkprozesse zu beschreiben, sind sie inhaltlich nicht unbedingt so scharf wie die eines Kendrick Lamar oder Lupe Fiasco. Was man letztendlich mehr mag dürfte persönliche Preferenz sein, ich für meinen Teil finde es gut, aber ausbaufähig. Was vielleicht auch mit dem generellen Problem zu tun hat, dass sich Cane & Able noch nicht wirklich traut, das große Statement sein zu wollen. Während ich bei vielen vergleichbaren Rap-Projekten den Wunsch hätte, diese würden sich etwas kleiner halten, sehe ich hier genau das Gegenteil: Black Thought ist ein großartiger MC, der bereits auf diversen Platten bewiesen hat, dass er große Fragen von Politik und Philosophie lyrisch wie musikalisch stemmen kann. Und wäre das hier ein Album von 45 oder gar 55 Minuten Länge, hätte er sich selbst mehr Platz eingeräumt, etwas größeres aus dieser Idee zu machen. Dass er es hinbekommen hätte, daran habe ich keinerlei Zweifel. Cane & Able ist ohne Frage gut, aber hinsichtlich der Skills dieses Künstlers noch immer eine Zwischenform, die wachsen kann. Und wenn wir schon seit sechs Jahren kein neues Roots-Album mehr hatten, dann ist er das nächstbeste. Mit diesen Erwartungen muss er jetzt fertig werden.


Hat was von
Run the Jewels
Run the Jewels 2

Royce Da 5'9"
the Allegory

Persönliche Höhepunkte
Good Morning | Magnificent | Quiet Trip | We Could Be Good | Steak Um | Thought vs Everybody | Ghetto Boys & Girls | Fuel

Nicht mein Fall
-

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