Samstag, 14. Juli 2018

Nasirs letzte Hoffnung




















Es hat etwas seltsames, 2018 eine Platte von Nas zu besprechen. Eigentlich war sich bis vor wenigen Wochen die Hiphop-Welt noch einig, dass man spätestens seit Beginn des neuen Jahrtausends kein neues Material des New Yorkers mehr hören muss. Sicher, der Typ hat mit Illmatic in den Neunzigern eines der prägenden Alben für unser heutiges Verständnis von Gangsterrap gemacht, das auch für mich zu den besten Genre-Klassikern aller Zeiten gehört, seinen Output danach kann man aber mehr oder weniger vergessen. Entweder weil Nas selbst nur damit beschäftigt war, die Leute daran zu erinnern, dass er mal diese eine LP gemacht hat und diese nur wieder und wieder zitierte, oder weil er vergeblich versuchte, sich neu zu erfinden, nur um schließlich doch wieder in den Nostalgie-Modus zu verfallen. Sein neuestes Album Nasir dürfte diesbezüglich in die letztere Kategorie fallen, mit dem entscheidenen Unterschied, dass diesmal tatsächlich die Perspektive bestand, eine musikalische Neuorientierung zu schaffen. Der Grund dafür hört wie so oft in diesem Jahr auf den Namen Kanye West. Wie im Juni bereits Pusha T und gerade eben erst R'n'B-Diva Teyana Taylor ist auch Nas in diesem Sommer einer der Künstler*innen, die im Produktionszyklus des Rap-Halbgottes gelandet sind und ein von ihm kuratiertes Mini-Album veröffentlichen. Und wie schon bei Push bedeutet das auch hier: Komplette kreative Vereinnahmung. Ganz im Stil bisher aller Releases ist auch Nasir nur um die 25 Minuten lang, umfasst sieben Tracks und trägt an allen Ecken und Enden die Fingerabdrücke von Yeezys klanglicher Ästhetik. Wo das bei anderen Leuten aber eher ungünstig war, ist das in diesem Fall vielleicht ein echter Vorteil. Denn wenn uns die Erfahrung eines gelehrt hat, dann dass Nas nicht gerade ein Synonym für Kreativität ist. Ein Kanye West ist das allerdings über alle Maßen und seine Visionen in Sachen Sound mit den lyrischen Fähigkeiten des Hauptakteurs zu verbinden, könnte die Lösung aller seiner künstlerischen Probleme sein. Und wenn der Preis dafür ist, dass die Platte klingt wie eine weitere Fortsetzung von Ye, dann ist das eben so. Allerdings bleibt die gewünschte Wirkung auch in dieser Symbiose irgendwie aus. Ein bisschen ist das auch die Schuld des Produzenten, der sich hier auf jeden Fall merklich weniger Mühe gegeben hat als auf seinen letzten Projekten, vor allem liegt das aber wieder mal an Nas selber. Denn wo die Instrumentals hier zumindest ganz unterhaltsam und hübsch gesamplet sind, lässt die Performance auf der Rap-Seite definitiv zu wünschen übrig. Schon der Opener Not for the Radio legt das sehr enttäuschend dar: Im Versuch einer komplett auf dem Schlauch stehenden Black Lives Matter-Botschaft listet der MC hier große Errungenschaften schwarzer Amerikaner*innen auf. Das ist an sich eine ganz hübsche Ansage, inhaltlich aber weit unter dem Niveau des Typen, der Texte über die Benachteiligung schwarzer Minderheiten schon in den Neunzigern am besten konnte. Der nachfolgende Track Cops Shot the Kid macht das gleiche dank inflationärer Kanye-Beteiligung schon wesentlich besser, man bekommt aber immer noch das Gefühl, dass Nas dabei eher versucht, dem Trend hinterher zu laufen. Doch wo diese Songs wenigstens noch probierten, eine Message zu vermitteln, stürzt das Album danach mehr oder weniger komplett ab. Bonjour ist ein extrem peinlicher Rap-Lovesong, der sich ziemlich cool dabei fühlt, allerlei stereotypische französische Vokabeln zu droppen (Apropos: Ist das auch ein Poppies-Sample im Hintergrund?) und Adam & Eve, obwohl lyrisch mitunter ziemlich clever, sagt auch nicht sehr viel mehr aus. Mit nur sieben Tracks, von denen am Ende keiner so richtig den Karren aus dem Dreck zieht, ist Nasir unterm Strich also auch nicht besser als die vielen Post-Illmatic-Gehversuche des New Yorkers zuvor. Und für Kanye bedeutet diese Platte den bisher schwächsten Beitrag zu seiner sommerlichen Albumserie. Verloren haben hier also beide Parteien. Und ich, weil ich mir dieses Album dann auch hätte sparen können.






Persönliche Highlights: Cops Shot the Kid / White Label / Everything / Adam & Eve

Nicht mein Fall: Not for the Radio / Bonjour

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