Montag, 23. Juli 2018

Scheiße mit Konfetti drauf




















Es gibt einige Künstler*innen, die mich in der laufenden Saison 2018 bereits positiv überraschen konnten, darunter auch einige, von denen ich das eigentlich gar nicht mehr erwartet hätte. Wenn ich mich aber über eine dieser Überraschungen besonders freue, dann sind es die neuen Sachen von Between the Buried & Me. Als in den Vorjahren von mir immer zutiefst verhasste Formation hat die Band aus North Carolina sich dieses Jahr völlig aus dem Nichts heraus zu einer echten Größe im Universum des Progrock gemausert und mit dem ersten Teil ihrer Automata-Serie ein Album vorgestellt, das sie mit einem völlig neuen Bewusstsein präsentiert. Wo mich ihre technokratische Performance, der überzogene Emo-Gestus und die sehr stromlinienförmige Komposition zuvor immer von ihnen fernhielten, zeigten sich BTB&M diesmal eher als aufmerksame Archivare progressiver Rockmusik, die es simultan schafften, sehr traditionell und mehr oder weniger modern zu klingen. Die im März erschienene Platte verschmolz Retro-Elemente, die an Acts wie King Crimson, Gentle Giant oder Rush erinnerten mit ihrem sehr technischen, zeitgenössischen Anspruch sowie mit den bei ihnen üblichen Emocore-Einschlägen, wobei wider Erwarten tatsächlich ein ziemlich gutes Album das Ergebnis war. Was mich dabei vor allem ansprach war, dass die Band erstmals klang wie eine Gruppe musizierender Menschen und nicht wie eine künstliche Intelligenz, die versuchte, Songs von Coheed & Cambria zu spielen. Und weil das auf Automata I so gut funktionierte, war ich auf den zweiten Teil der ganzen Sache auch durchaus gespannt. Würden es Between the Buried & Me vielleicht sogar schaffen, ein noch humaneres und fühlbareres Projekt aus dem Hut zu zaubern? In meinen Augen war nämlich genau das die Richtung, in die das ganze ging. Zum ersten Mal überhaupt glaubte ich daran, dass diese Formation dazu imstande war, einen Longplayer zu machen, der mir tatsächlich gefallen würde. Geworden ist daraus aber dann leider wieder nichts. Viel eher zeigt sich die Band hier ziemlich überfordert von den Geistern, die sie rief. Dort, wo auf Automata I noch freimütig mit neuen Instrumentierungen, Retro-Momenten und Stilbrüchen experimentiert wurde, scheint man sich hier wieder festgefahren zu haben und die neu gewonnenen Elemente wieder den gleichen Formeln unterzuordnen wie früher. Mit fatalen Folgen: Die Ausflüchte in andere Genres und die eigene stilistische Vergangenheit wirken hier nicht mehr inspiriert, sondern eher an den Haaren herbeigezogen, abgesehen davon sind sie kompositorisch komplett verloren. So gibt es im Album-Herzstück Voice of Tresspass eine Swing-Bigband zu hören, was zwar eigentlich eine ganz neckische Idee ist, allerdings zum Rohrkrepierer wird, weil sich die Hauptakteure auf die Symbiose überhaupt nicht einlassen. Ähnlich geht es dem Akkordeon in Glide, das ebenso ein reines Gimmick bleibt. Vielleicht steht hinter diesen Unternehmungen der Versuch, sich von den bombastischen Musical-Projekten eines Casey Creszenzo inspirieren zu lassen, was aber eher missbräuchlich endet. Denn wo man bei seinen Alben stets die viele Mühe und Detailarbeit hört, die dieser in seine Orchestrierungen investiert, werden die musikalischen Bestandteile hier billig verfugt und können nicht davon ablenken, dass Between the Buried & Me am Ende doch wieder nur ihren Stiefel spielen. Mehr als Konfetti und ein paar Luftschlangen sind diese "ausgefallenen" Ergänzungen am Ende nicht, was auch die Songs selbst eher langweilig und peinlich bleiben lässt. Experimentell möchte ich das hier nicht mal nennen, weil mit dieser Bezeichnung in meinen Augen auch ein gewisses künstlerisches Wagnis verbunden sein sollte. Stattdessen bekleckert die Band ihre alten Sachen mit ein bisschen bunter Farbe und verkauft es als klanglichen Stilbruch. Danke, aber ohne mich. Ich dachte kurz, es geht echt mal voran mit Between the Buried & Me, aber das war wohl nur ein leichter Schauer. Ein schäbiges Ende einer Story, die eigentlich echt vielversprechend angefangen hat. Aber so ist das nun mal, wenn man technischen Progbands zu viel Vertrauen schenkt.






Persönliche Highlights: the Proverbial Bellow

Nicht mein Fall: Glide / the Grid

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