Montag, 9. Juli 2018

It's Dare!




Ich hatte ja mal wieder keine Ahnung. Da schreibe ich letztens einfach so mir nichts dir nichts etwas über diese komische Band namens Gang Gang Dance mit der Vermutung, dass es sich dabei wahrscheinlich um ein relativ junges Projekt handelt, das gerade sein zweites Album oder so herausbringt. Ich fand diesen einen Song eben gut und hatte mich auf die Platte gefreut, warum also davor groß recherchieren. Kann ja niemand ahnen, dass es das ganze hier schon seit 2001 gibt und Kazuashita bereits der vierte Longoplayer der New Yorker ist. Zwar kann ich mich damit ein bisschen herausreden, dass das Trio in meiner aktiven Zeit bis zu dieser LP noch nichts weiter veröffentlicht hat (das letzte Album ist von 2011), aber dennoch: Ziemlich peinliche Nummer. Vor allem aber auch ein kleiner Perspektivwechsel. So hatte ich nämlich bisher immer geglaubt, Gang Gang Dance würden Acts wie Little Dragon oder Grimes ein wenig nacheifern, wahrscheinlich ist es in Wirklichkeit aber eher andersrum. Insbesondere letztere klingt auf ihren alten Platten sehr nach den Sachen, die auch diese Band zur gleichen Zeit gemacht hat und ihre stimmliche Ähnlichkeit mit Sängerin Lizzi Bougatsos ist eindrücklich. Zumindest dient es hier aber als kleiner Anhaltspunkt, was einen auf dieser LP so erwartet. Kazuashita ist gleichsam schriller und flauschiger Electronica, der ebenfalls stark von ostasiatischer Popmusik beeinflusst ist und sich für krasse Momente nie zu schade ist. Und wo dieses Projekt in der Vergangenheit noch eher aus der Richtung des Indiepop kam und sich auch auf die Dirty Projectors und Animal Collective berief, ist dieses Album nach sieben Jahren Pause nun eine durch und durch elektronische Angelegenheit und insgesamt wesentlich gediegener. Es gibt Stücke wie (Birth Canal) oder J-Tree, die eigentlich komplette Ambient-Bausteine sind und würde die Band diese nicht auf anderen Songs maximal krass kontrastieren, wäre die Platte ehrlich gesagt eine reichlich öde Nummer. Offen gesagt liegen die Talente von Gang Gang Dance nicht unbedingt im Bereich der Klangtapete, sondern eher dort, wo es zur Sache geht. Die ersten zehn Minuten dieser LP sind dafür wahrscheinlich das beste Indiz. In den drei eröffnenden Songs, die absichtlich etwas ruhiger gehalten sind, passiert nämlich nicht wirklich viel und man fragt sich schon, wo denn all die Kreativität geblieben ist, die man zuletzt auf den Singles hörte. Erst mit dem vierten Track (Birth Canal) bekommt Kazuashita langsam Auftrieb und blüht danach Stück für Stück zu einem bisweilen faszinierenden Projekt auf. Im Mittelteil der Platte thront mit dem achtminütigen Titelstück das pulsierende Herz und der kreative Orgasmus des Albums, in dem Gang Gang Dance wirklich aus sich herausgehen und ohne jede Scheu experimentell sind. Auch Songs wie Young Boy (Marika in Amerika) oder der psychedelische Snake Dub leisten Überzeugungsarbeit. In diesen Momenten klingen die New Yorker dann tatsächlich wie eine Band, die über sich hinaussieht und sich Dinge traut. Gerade was Field Recordings angeht, ist vieles hier ganz weit vorne dabei. Probs außerdem dafür, dass selbst die weirdesten Ideen hier erfolgreich umgesetzt sind und Gang Gang Dance nie den Blick fürs Songwriting verlieren. Leider wird es im letzten Teil der Platte dann aber trotzdem wieder ein bisschen verhalten. Obwohl der Closer Salve to the Sorrow sich zum Ende hin fängt und doch noch ein ganz netter Abgesang wird, sind die ersten drei der insgesamt sechs Minuten des Tracks ziemliches Rumgeeiere, wobei das ebenfalls ambiente Füller-Stück (Novae Terrae) nicht besonders hilft. Betrachtet man sich dieses Album mal quantitativ, sind es unterm Strich auch gut zwei Drittel der 42 Minuten Spielzeit, die eher austauschbarer Quatsch sind. Die Songs, auf die das nicht zutrifft, sind dafür umso besser. Das größte Problem, das Gang Gang Dance meiner Meinung nach haben, ist dass sie ihre Talente falsch einschätzen. Wenn man mich fragt, könnte diese Band locker experimentelle Musik auf dem Level von Venetian Snares oder Oneohtrix Point Never machen, wenn sie nicht so oft versuchen würden, die entspannte Tour zu forcieren. Und ganz ehrlich: Wer braucht schon noch einen weiteren mäßig geilen Ambient-Act, wenn man dafür die beste Kombination aus Grimes, Daniel Lopatin und einem Rasenmäher im Bällebad haben kann?






Persönliche Highlights: (Birth Canal) / Kazuahita / Young Boy (Marika in Amerika) / Snake Dub / Too Much Too Soon / Salve On the Sorrow

Nicht mein Fall: J-Tree

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