Donnerstag, 19. Juli 2018

Gute Besserung!




















Fan der Gorillaz zu sein, ist im Moment ein bisschen so wie HSV-Fan zu sein. Jahrelang konnte man sich bei denen sicher sein, hier einer stabilen Sache anzuhängen, die es vielleicht manchmal schwer hatte, aber auf deren Erstklassigkeit stets Verlass war. Bis es dann eben doch eines Tages passiert und die geliebte Herzensformation plötzlich so richtig daneben greift. So geschehen in diesem Fall mit Humanz, dem letzten Album von Damon Albarn und Jamie Hewlett, das bei mir noch immer ein klein wenig Entsetzen verursacht. Die Intention hinter der Platte zu verstehen, habe ich inzwischen aufgegeben und bin mittlerweile fast dazu übergegangen, diese Schmach zu akzeptieren und mich langsam aber sicher von meinem Gorillaz-Fandom zu verabschieden. Zumal im Frühjahr diesen Jahres gleich die nächste fragwürdige Aktion der Band kam. Statt sich nach dem Totalausfall von Humanz erstmal zurückzuziehen und darüber nachzudenken, wo eigentlich das Problem bei dieser LP lag, kündigte Albarn im März bereits das nächste Projekt an, das noch 2018 erscheinen sollte. In meinen Augen schon von vornherein keine besonders großartige Entscheidung, aus diversen Gründen. Zum einen, weil Gorillaz schon immer ein Kollektiv war, dem lange Albumprozesse gut taten. Zwischen dem Debüt und Demon Days lagen vier Jahre, Plastic Beach dauerte sogar noch eine Saison länger. Und letztere beiden sind bis heute die unangefochtenen Highlights der Diskografie der Briten. Zum anderen bräuchte es diesmal auch noch eine komplette klangliche Veränderung, um diese Band wieder auf den Pfad des guten Geschmacks zu bringen, was in einem Jahr niemand so leicht hinbekommt. Andererseits vergisst man auch leicht, dass Gorillaz das alles schon einmal geschafft haben, nämlich mit dem stets vergessenen Album the Fall von 2011. Zwar gab es zu diesem Zeitpunkt keine musikalische Krise (man könnte rückblickend eher vom Höhepunkt ihrer Karriere sprechen), dennoch war der Effekt der, den man sich diesmal wünschen würde: Eine nachgeschobene LP wenige Monate nach einem "großen" Projekt, die nicht nur wesentlich simpler in ihrer Arbeitsweise war, sondern auch musikalisch ganz anders justiert. Viele Fans mochten the Fall damals nicht, für mich war das Ding aber durchaus ganz in Ordnung. Und ähnlich verhält es sich jetzt auch mit the Now Now. Mit einigen deutlichen Unterschieden natürlich. Zunächst mal ist das hier kein kompletter Schnellschuss, den Albarn aus reiner Langeweile beim Touren auf seinem iPad zusammengeschustert hat, sondern durchaus ein mehr oder weniger vollwertiges Studioalbum. Außerdem ist auch die Erwartungshaltung diesmal eine ganz andere, da die Gorillaz hier nur zeigen müssen, dass sie noch nicht komplett jede künstlerische Würde verloren haben. Wobei zumindest das hier ziemlich gut gelingt. The Now Now ist eine Platte, die es erstmal sehr ruhig angehen lässt und ähnlich wie the Fall nicht auf Hits baut. Klanglich ist das ganze mit vergangenen Projekten von Albarn wie seinem Soloalbum oder Blurs Think Tank vergleichbar, die eher auf leichtes Songwriting und wenig Effekthascherei setzten. Und genauso wie dort geht diese Rechnung auch hier mehr oder weniger auf. Gerade Tracks wie Kansas, Idaho oder One Percent gewinnen extrem viel durch ihre balladeske und sehr auf Albarns Performance konzentierte Art und Weise. Klar wären das auf einem Album wie Plastic Beach oder Demon Days Songs gewesen, die man als "nur ganz okay" abgenickt hätte, aber wenigstens kann man diesen Vergleich hier wieder machen. Darüber hinaus gibt es abgesehen vom ziemlich verrutschten Hollywood mit Snoop Dogg und Jamie Principle kein wirklich schlechtes Stück auf dieser LP. Insgesamt ist hier also wieder ein bisschen mehr Substanz drin als auf Humanz und ich muss auch ehrlich gestehen, dass die Band diesmal meine Erwartungen übertroffen hat. Ich hatte so kurze Zeit nach dem Super-GAU mit einer ähnlich zerfahrenen und ziellosen Platte gerechnet, hier erlebt man jedoch eine Formation, die sich langsam aber sicher wieder fängt. Ob diese Rehabilitierung nachhaltig sein wird bleibt abzuwarten und noch immer denke ich, dass es dafür erstmal eine ganze Weile ohne neue Gorillaz-Musik braucht. Der Anfang ist aber definitiv gemacht.






Persönliche Highlights: Humility / Kansas / Sorcererz / Idaho / One Percent

Nicht mein Fall: Hollywood

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