Freitag, 20. Juli 2018

Champion Sound




















Dass ich die letzten fünf Jahre über immer ein ziemlicher Fanboy war, wenn es um Deafheaven ging, ist mir durchaus bewusst. Aber immerhin hat sich das bis jetzt auch gelohnt. Seit drei Alben beweisen sich die Kalifornier nun als eine der wegweisenden Kräfte im modernen Metal, ihre Arbeitsweise geht dabei weit über die Fusion von Black Metal und Shoegaze hinaus, Sunbather ist in meinen Augen noch immer der beste Longplayer dieser Dekade und auch sein Nachfolger New Bermuda von 2015 muss sich hinter diesem nicht verstecken. Seit ihrem Durchbruch vor fünf Jahren hat diese Band einen unglaublichen Beitrag zur Entwicklung von Rockmusik in einer schwierigen Phase geleistet und dass ich das so leidenschaftlich unterstütze, ist es mit auch wert, dass ich anderen damit auf die Nerven gehe. Was zum Fan-Dasein aber genauso dazugehört wie Bewunderung für die schönen Sachen ist deutliche Kritik, wenn es mal nichts zu bewundern gibt. Und im Vorfeld ihres vierten Albums hatte auch ich erstmals das Bedürfnis, in dieser Hinsicht gewisse Dinge anzusprechen. Denn in der Promophase zu Ordinary Corrupt Human Love beschlich mich wieder und wieder das Gefühl, Deafheaven gingen so langsam ein bisschen die Ideen aus. Man muss der Fairness halber dazu sagen, dass diesbezüglich natürlich ein immens großer Druck auf dieser Band lastet. Als Ikonen (wohlgemerkt nicht Erfinder!) einer seinerzeit völlig neuen Bewegung in der Metal-Szene wird es von Leuten wie mir verlangt, dass dieses Erbe noch viele Jahre später würdig von ihnen kuratiert wird und dass es ihre Aufgabe ist, den anderen Acts zu zeigen, wie die Wurst gemacht wird. Und wenn sie das nicht mehr können, ist das Geschrei natürlich groß. Gerade deshalb ist die schönste Erkenntnis dieses Albums aber, dass die Musiker selbst da mittlerweile drüber stehen. Wenn man eines ganz klar über Ordinary Corrupt Human Love sagen kann, dann dass diese LP nicht gemacht wurde, um irgendwelchen Fan-Ansprüchen zu genügen, sondern weil die Band genau diese LP machen wollte. Und im Gegensatz zu meiner anfänglichen Vermutung kann hier auch nicht von mangelnder Kreativität die Rede sein, sondern eher von der Verlagerung von Prioritäten. Dabei ist die Herangehensweise ähnlich wie beim Vorgänger: Wo New Bermuda der ätherischen Massivität von Sunbather ein akzentuierteres, härteres und rockigeres Songwriting entgegensetzte, ist die Ästhetik hier eine erneute Reaktion darauf. Statt Riffs gibt es diesmal wieder Flächen, es wird stärker auf zartere Momente gesetzt und das Gemüt der Platte ist insgesamt wesentlich sonniger. Ferner beziehen Deafheaven hier erstmals ganz klar Elemente aus Punk- und Emorock mit ein, die sich bisweilen sogar in cleanen Gesangspassagen wie in You Without End oder Canary Yellow äußern. Dass die Kalifornier stilistisch feststecken würden, ist also mehr oder weniger schnell dementiert. Gleichzeitig muss man sich aber auch um die deafheavenschen Kernkompetenzen keine Sorge machen: Epische, raumgreifende Klangkaskaden sind hier weiterhin vertreten, vor allem Glint macht diesbezüglich sehr viel Spaß und wenn es um Gitarrensoli geht, ist vieles hier sogar nochmal einen Ticken besser als auf New Bermuda. Trotz allem würde ich sagen, dass Ordinary Corrupt Human Love das bisher schwächste Album der Formation geworden ist. Nicht im Sinne von tatsächlich schwach, aber eben ein nicht mehr ganz ohne Schönheitsfehler. Und damit meine ich im wesentlichen ganz konkret zwei Tracks: Zum einen der Opener You Without End, der klingt, als hätten Deafheaven ihn für Adele geschrieben, zum anderen Night People, in dem ausgerechnet die grauenvolle Chelsea Wolfe als Gastsängerin auftritt. Letzteres kann man dabei wenigstens noch als Blick über den Tellerrand werten, doch gute Songs sind beide nicht. Und mit ihnen geht immerhin gut ein Fünftel der Spielzeit drauf, es fällt also durchaus ins Gewicht. Dass der Rest der Platte trotzdem noch so gut ist, zeigt eigentlich nur, über was für Luxusprobleme wir hier sprechen. Allein dass es so etwas wie mittelmäßige Stücke von Deafheaven gibt, ist für mich ein komplett neues Phänomen und selbst die können ihre auch sonst bisher dürftigste Gesamtleistung nicht davon abhalten, eine der besten Rockplatten des Sommers zu sein. Die Kalifornier haben also im großen und ganzen wieder mal gezeigt, wo der Hammer hängt. Und da fragt ihr noch, warum ich ein Fan dieser Band bin.






Persönliche Highlights: Honeycomb / Canary Yellow / Near / Glint

Nicht mein Fall: You Without End / Night People

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