Freitag, 13. Juli 2018

Du schockst nicht mehr




















Die fetten Jahre sind für die Death Grips 2018 eindeutig vorbei. Es ist mir inzwischen fast ein bisschen peinlich, wie sehr ich diese Band bis vor einigen Jahren noch hofiert habe und als das krasseste Ding im Universum ausgab. Sicher, es gab einen Zeitpunkt, an dem sie genau das waren, aber ein paar Jahre ist das jetzt auch schon her. Bereits die in die saisonalen EPs Fashion Week, Interview 2016 und Steroids waren zuletzt kein wirklich großer Beitrag mehr und obwohl ihre letzte richtige LP Bottomless Pit von 2016 ohne Frage eine gute Platte war, konnte man ab diesem Zeitpunkt erkennen, dass die Kalifornier in einem selbstreferenziellen Loop gefangen waren. Death Grips sind mittlerweile eine Band wie alle anderen, die vielleicht etwas unkonventionell bleibt, aber ein Stückweit eben doch zum Establishment geworden ist. Wenige Dinge zeigen das deutlicher als ihr achter Longplayer Year of the Snitch. Nachdem das letzte Jahr das erste ohne neues Album seit Gründung der Formation war und den Fans die Möglichkeit einräumte, eine dringend notwendige Distanz zu ihrer Diskografie zu entwickeln, war die Resonanz auf die Ankündigung von neuem Material merklich verhaltener. Die getriggerten Memes verbreiteten sich zwar mittelmäßig gut und man bekam einen gewissen Buzz mit, doch verglichen zu den anarchischen Zuständen, in die das Internet vor früheren Platten wie Jenny Death oder No Love Deep Web verfiel, war das fast vernachlässigbar. Und auch ich stellte fest, dass ich das erste Mal ziemlich cool auf die kommende Veröffentlichung eines Death Grips-Albums reagierte. Mehr noch: Die ersten Promo-Tracks fand ich sogar ziemlich dürftig und fragte mich, ob ein schwaches neues Projekt nicht auch ganz gesund für uns alle wäre, um auf diese Band endlich mal klarzukommen. Fakt ist aber, dass diese Überlegungen im Bereich des hypothetischen bleiben werden, denn so wie es aussieht, haben mich MC Ride, Zach Hill und Flatlander mit dieser LP wieder voll am Haken. Year of the Snitch ist entgegen aller meiner Prognosen eine unglaublich starke Rückkehr der Kalifornier und das Ende des anstrengenden Selbstzitats. Ihren provokativen Charakter ist die Band hiermit zwar endgültig los, aber sie scheint ihn diesmal wenigstens auch nicht mehr forcieren zu wollen. Stattdessen erlebe ich das hier als gesundgeschrumpfte und bewusstere Form ihres typischen Stils, der sich ein Stückweit neue Parameter sucht. So ist das hier ganz klar ein Album, das nicht hauptsächlich über den lyrischen Output funktioniert, sondern in vielen Hinsichten abstrakt damit umgeht. Die Gesangsaufnahmen von MC Ride wurden an vielen Stellen nachträglich verändert, schneller gemacht oder in Reverb eingekleidet, sodass Verständnis hier definitiv kein Ziel mehr sein kann. Gleichzeitig geht die musikalische Ebene dieser Platte stark in einer sehr elektronischen Ästhetik auf, die an einen Rave erinnert. Schon auf der Steroids-EP nutzte die Band Elemente von Gabber und Techno in ihren Songs, die auch hier wieder auftauchen. Für Freunde der punkrockigen Death Grips ist das allerdings keinesfalls eine Absage. Zackige Gitarrenriffs sind auch hier wieder äußerst dominant, mit elektronischer Ästhetik meine ich vor allem den Flow des Albums, in dem Einzeltracks kaum noch erkennbar sind und alles sich zu einer großen, vierzigminütigen Soundmasse zusammenfügt. Denn rein klanglich hat sich hier ehrlich gesagt wenig verändert. Bisweilen geht es vielleicht ein bisschen ruhiger zu, was bei Death Grips allerdings ein relatives Maß ist. Im großen und ganzen erlebt man hier die gleiche Band wie bereits auf den letzten zwei Longplayern, was aber aus irgendeinem Grund kein Problem darstellt. Weder klingen sie, als würden sie sich selbst wiederholen noch, als würden ihnen die Ideen ausgehen. Ich kann nicht wirklich erklären, was dabei ihr Geheimrezept ist, aber solange es funktioniert, will ich nicht grundlos rumjammern. Das eigentlich schöne daran ist ja die Erkenntnis, dass sie auch dann überzeugen können, wenn sie ihre gesamte Shock Value aufgebraucht haben. Death Grips sind 2018 vielleicht nicht mehr das krasseste Ding im Universum, eine sehr gute Band sind sie trotzdem noch. Und nach diesem Album kann ich daran glauben, dass das auch langfristig so bleiben wird.






Persönliche Highlights: Death Grips is Online / Flies / Black Paint / Linda's in Custody / Hahaha / Shitshow / Dilemma / Dissapointed

Nicht mein Fall: the Fear

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