Dienstag, 17. Juli 2018

Mr. All Over the Place




















Wenn man die meisten Leute heute fragt, was ihr Lieblingsalbum von Drake ist, ist es denke ich schon mal ein gutes Zeichen, dass die meisten von ihnen eins haben werden. Der kanadische Rapper hat sich über die letzten zehn Jahre in den Pop-Mainstream eingenistet wie sicherlich kaum ein*e andere*r Künstler*in es mit dieser Kontinuität getan hat, erst letzte Woche purzelte durch ihn wieder ein alter Chartrekord der Beatles. Wo für den Großteil seiner Fans dafür aber vor allem Platten wie Take Care oder Nothing Was the Same stehen, ist einer meiner Favoriten komischerweise das erst im letzten Jahr erschienene More Life. Zwar ist es vielleicht nicht so prägend für die Karriere von Aubrey Graham wie erstere Alben, für mich ist es trotzdem eines der besten. In meinen Augen destilliert er hier nämlich seine eigentlichen Fähigkeiten auf eine sehr gelungene Ansammlung von Songs herunter, die dann für sich trotzdem nochmal gute anderthalb Stunden einnimmt. Für eine Werkschau des Talents von Drake gibt es demnach eigentlich kein besseres Beispiel. Zumindest wenn man mich fragt, denn vom Rest der musikalischen Community erntete More Life letztes Jahr eher sehr viel Schmach. Faul sei der Musiker geworden, die riesengroße Platte zu fahrig, zu wenige Highlights und kein wirklicher Plan dahinter. Und wo ich diesen Vorwürfen theoretisch zustimmen muss, ist das Ding für mich dennoch ein großes Highlight. Weshalb ich wahrscheinlich auch einer der einzigen war (abgesehen von den Profiteuren dieser LP 😉), die sich auf dessen Nachfolger Scorpion freuten. Was irgendwie auch wieder verständlich ist: Vor zwei Wochen erst machte Drake Schlagzeilen mit seinem Playlist-Spamming auf Spotify, God's Plan war zuletzt nur noch nervig und der ekelhafte Beef mit Pusha T geriet sehr schnell völlig außer Kontrolle. Das ganze Ding stand PR-technisch nicht unter dem besten Stern. Ist aber alles scheißegal, weil Graham zumindest aus meiner Perspektive hier wieder ziemlich abliefert. Will sagen, Scorpion wiederholt den sehr gelungenen Streich von More Life erneut. Und was die meisten von euch demzufolge hassen werden, ist für mich eine weitere gelungene Werkschau. Ähnlich wie zuletzt kommt Drake hier erneut aus allen Ecken, macht gleichzeitig zart besaiteten R'n'B, brachialen Trap und zeitgenössischen Dancehall-Pop und braucht dabei keine Richtung, um wahnsinnig gut zu sein. Es ist eher wieder der Überraschungseffekt des "Was kommt als nächstes?", der das hier so spannend macht, ebenso wie die unglaublich große Zahl an guten Tracks. Von insgesamt 25 Stücken hier sind die meisten gelungen, viele davon sogar ziemlich klasse und dass einige davon gerade die Top 40 zupappen, ist für mich nur verständlich. Auf Albumlänge bleibt es dabei Drakes größte Leistung, diese Spannung über die schon wieder fast 90 Minuten zu halten. Sicher, mit seinem eher entspannten Flow und vielen Autotune-Balladen zwischendrin ist das hier auch nicht gerade Deutschland gegen Schweden, umso größer ist die Leistung dabei am Ende jedoch eigentlich. Zumal Scorpion gefühlt noch ein bisschen melancholischer ist als sein Vorgänger. Gerade die zweite Hälfte der Platte müsste eigentlich unglaublich zäh klingen, wird aber immer wieder durch kleine Gimmicks wie den tollen Achtziger-Synth in Summer Games oder das posthume Michael Jackson-Feature in Don't Matter to Me angefacht. Das heißt, obwohl das hier sogar noch die ereignislosere Performance ist als More Life, zeigt sie das Talent von Aubrey Graham eigentlich noch viel besser. So eine Soundpampe unterhaltsam zu machen, schaffen gerade im Mainstream-Pop extrem wenige Künstler*innen, und auch die füllen damit so gut wie nie diese Spielzeit. Die meisten gehen sicherhaltshalber gerade sogar vorzugsweise auf unter eine halbe Stunde runter 😛. Und gemessen daran bekommt dieser Typ in letzter Zeit echt viel zu viel Stunk. Klar nervt seine Omnipräsenz, aber wenn jemand diese verdient hat, dann auf jeden Fall Drake und der Fairness halber muss man auch fragen, wer im Pop-Kosmos ihm diesbezüglich gerade das Wasser reichen kann. Dieser Typ hier ist der meiste Künstler dieser Dekade und das mit Recht. Aber das sollte 2018 eigentlich nichts neues mehr sein.






Persönliche Highlights: Survival / Nonstop / Emotionless / God's Plan / 8 Out of 10 / Sandra's Rose / Is There More / Summer Games / Nice for What / That's How You Feel / Don't Matter to Me / After Dark / Final Fantasy / March 14

Nicht mein Fall: Elevate / Ratchet Happy Birthday / In My Feelings

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen