Dienstag, 3. November 2020

Die Kids von morgen

Beabadoobee - Fake It Flowers 


 
[ adoleszent | powerpoppig | niedlich ]

Es ist im Herbst 2020 nichts allzu besonderes mehr, dass es ein gutes Debütalbum einer jungen Frau mit bunten Haaren, Baggyhosen und E-Gitarre gibt, das sich stilistisch auf das Vermächtnis des Spätneunziger-Powerpop und Leute wie Liz Phair, Mazzy Star und Avril Lavigne beruft. In den letzten zwei Jahren haben bereits mehrere solcher Platten in diesem Format stattgefunden, nicht wenige mit sehr guten Einschätzungen meinerseits. Was an Beatrice Laus aka Beabadoobee allerdings durchaus besonders ist, ist dass sie aktuell nicht nur bei irgendwelchen Indiekids ankommt, sondern tatsächlich auch im Mainstream. Stand dieser Woche ist Fake It Flowers, das erste richtige Album der gerade Mal 20-jährigen Britin, gleich in mehreren Ländern in den Top 100 der Pop-Charts gelandet (in ihrem Heimatland sogar in den Top Ten), inklusive einiger Auskopplungen, die ordentlich Buzz erzeugen. Und dass es einigen Hype um die Künstlerin aus London gibt, kann man definitiv sagen. Bereits letztes Jahr war sie für einen Brit Award nominiert, hat diverse prominente Fans wie Jaden Smith, Taylor Swift und Harry Styles und in diesem Sommer gemeinsam mit Powfu sogar einen Tiktok-Hit. Es ist also nicht übertrieben zu behaupten, dass Beabadoobee gerade auf dem besten Weg ist, sowas wie der erste richtige Promi dieser jungen Indierock-Bewegung zu werden. Und wenn ich mir dieses Debüt so anhöre, könnte ich mit dieser Entwicklung nicht zufriedener sein. Sicher, als Fan dieser speziellen Gattung von Rockmusik gibt es für mich streng genommen natürlich andere Künsterinnen wie Soccer Mommy oder Snail Mail, die mindestens genauso gute, wenn nicht gar bessere Postergirls für die Nische abgeben würden, doch ist Laus keineswegs ungeeignet. Auch sie schafft auf diesem Album einen gekonnten Spagat zwischen Träumerei und Lärm, kann gut singen und Gitarre spielen, ist sich nicht zu schade, auch mal sehr poppig zu sein und hat vor allem auch jene tolle und nahbare Art, über die Lebensrealität eines frustrierten Zwotausender-Kids zu schreiben. Und dass sie vor allem in ihren Texten so relatable ist, scheint in meinen Augen eine wesentliche Triebfeder für ihren Erfolg. Denn wenn diese Künstlerin eine Zielgruppe hat, dann sind das primär Teenager und andere ~junge Leute~, die sich in diesen Themen sicher am besten wiederfinden. Wobei sie auf Fake It Flowers auch sehr gut die Kunst der perfekt inszenierten Authentizität beherrscht, vor allem klanglich. Betrachtet man die Sache mal nüchtern, ist das hier ein Album, hinter dem merklich jede Menge Aufwand steckt. Die Produktion von Pete Robertson (der hat mal bei den Vaccines gespielt) ist für eine LP mit diesen kompositorischen Parametern ganz schön edel und scheut sich auch nicht, ein paar pompöse Streicher oder anderweitige Instrumentation zu bemühen. Gleichzeitig sind diese klanglichen Stützräder im Endresultat aber kaum bemerkbar und der Fokus immer auf Laus und ihrem Songwriting. Und wenn das noch nicht reicht, um das hier als verkappte Bedroompop-Nummer zu kaschieren, gibt es noch Songs wie How Was Your Day? und eingebaute Studio-Outtakes, die absichtlich richtig billig aufgenommen sind und wenigstens ein bisschen den Spirit ihrer frühen Schrammel-EPs für die alten Fans erhalten. Ob aber nun HiFi oder Garage, niedlich oder rockig, erfolgreich oder nicht, Fake It Flowers ist musikalisch ein voller Erfolg. Selbst wenn es im Vergleich zum wachsenden Becken vergleichbarer Künstler*innen keine Sensation ist und Laus immer noch ein paar auswechselbare Songs schreibt, das Grundsetting passt. Für das Debüt einer 20-jährigen, die in den letzten zwei Jahren reichlich ungestüm ins internationale Musikbusiness gepoltert ist, ist das hier sogar ziemlich großartig. Und gerade wenn wir uns diese Sparte junger Indiemusik ansehen, kann man durchaus hoffen. Denn obgleich auch Snail Mail und Soccer Mommy ihrerzeit seeehr jung entdeckt wurden, sie haben sich seitdem fantastisch entwickelt. Und wenn Beabadoobee alles richtig macht, haben wir in absehbarer Zeit sogar einen richtigen Popstar mit diesem Backing. Aber no pressure, es soll ja auch niemand zu seinem Erfolg gezwungen werden.


Hat was von
Soccer Mommy
Color Theory

Snail Mail
Lush

Persönliche Höhepunkte
Care | Back to Mars | Charlie Brown | How Was Your Day? | Yoshimi, Forest, Magdalene

Nicht mein Fall
Emo Song

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