Dienstag, 19. Juni 2018

Noch so eine!




















Es ist eigentlich vollkommen unmöglich, dass wir inzwischen 2018 haben und die Welt scheinbar trotzdem noch nicht genug bekommt von niedlichen Indie-Songwriterinnen. Jedes Jahr aufs neue versuchen sämtliche Labels es wieder, uns eine meist junge Frau mit E-Gitarre anzudrehen, die alberne Songs über wichtige Themen schreibt und dabei nach einer Mischung aus Liz Phair, Pavement und Molly Rankin klingt und jedes Jahr aufs neue funktioniert das irgendwie, auch für mich. Was in der Vergangenheit mit Waxahatchee, Courtney Barnett und Hop Along eigentlich schon mehr als genug war, wird auch in dieser Saison munter fortgeführt. Und neben Frankie Cosmos und Stella Donelly ist Lindsey Jordan aka Snail Mail dabei eine der heißen Kandidatinnen. Gerade Mal 19 Jahre alt ist die Songwriterin aus Maryland und bereits jetzt hat sie sich unter Expert*innen durchaus einen Namen gemacht. Ihre Debüt-EP Habit wurde 2016 zum Geheimtipp, der vor allem durch Pitchfork ordentlich auftrieb bekam und der ihr neben einem Deal bei Matador unter anderem auch meine Aufmerksamkeit einbrachte. Zwei Jahre später stellt Jordan nun ihr Debüt vor und bei aller Verachtung, die ich theoretisch für diese Art Newcomer empfinde, kann ich doch nicht umhin, diesem Stück Musik meine Probs zu geben. Klanglich wie kompositorisch repräsentiert Lush das absolute Klischee, das man von jungen Frauen mit gefärbten Haaren, Jeansjacken und elektrischen Gitarren so hat, allerdings scheine ich ja genau dafür so anfällig zu sein. Es ist ein bisschen wie bei Alvvays: Man weiß genau, dass das hier nicht die kreativste, nicht die spannendste und nicht die coolste Musik ist, die man je gehört hat, trotzdem spricht sie mich gerade durch diese Eigenschaften an. Und bei aller Stromlinienförmigkeit hat Snail Mail am Ende doch einige Alleinstellungsmerkmale, die sie zumindest ein bisschen abheben. So finde ich es beispielsweise beeindruckend, wie lang ihre Stücke hier teilweise sind. In einer Welt, in der Songs mit drei Minuten Länge schon das höchste der Gefühle sind, schreibt Jordan welche mit über fünf Minuten und länger, die sie darüber hinaus auch zu nutzen weiß. Tracks wie Pristine oder Heat Wave sind sehr clever strukturiert, steigern sich in verschiedene Intensitäten hinein und erstrahlen erst im letzten Drittel in voller Schönheit. Den Vorwurf, nur geradeaus zu ballern, muss sich diese Künstlerin also definitiv nicht gefallen lassen. Auch verfügt sie über eine durchaus sehr ausdrucksstarke Stimme, die gerade in den ruhigeren Passagen von Songs wie Deep Sea wahnsinnig gut zur Geltung kommt und einen Großteil ihres Charismas ausmacht. Lindsey Jordan ist also vielleicht eine Trittbrettfahrerin, allerdings auch definitiv eine ziemlich gute. Ihr erstes Album ist alles andere als originell, aber es überzeugt durch Stimmigkeit, Songwriting, Finesse in der Performance und einem am Ende doch überraschend starken Charakter. Und es sind diese Dinge, die im Haifischbecken der Garagen-Indiepoeten letztendlich die Spreu vom Weizen trennen. Wobei ich für Snail Mail nach diesem Einstand definitiv weiterhin große Hoffnungen habe. Vielleicht macht sie es ja tatsächlich besser als alle anderen.






Persönliche Highlights: Pristine / Speaking Terms / Heat Wave / Stick / Golden Dream / Full Control / Deep Sea

Nicht mein Fall: Intro

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